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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 680/08
Rechtsgebiete: TVUmBw


Vorschriften:

TVUmBw § 11 Abs. 4 a
Die Verpflichtung nach § 11 Abs. 4 a TVUmBW ist nicht auf Beiträge zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung beschränkt. Bei einem Nebenerwerbslandwirt mit geringfügigen landwirtschaftlichen Einkünften erstreckt sie sich auch auf die Hälfte der Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 680/08

Verkündet am: 18.12.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter Mößner und Schmid

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 18.6.2008 - 5 Ca 4412/07 -wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, nach § 11 Abs. 4 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 18.07.2001 (TVUmBw) die Hälfte der Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen.

Der am 00.00.1951 geborene Kläger war seit 15.09.1983 bei der Beklagten beschäftigt. Am 12.12.2006 schlossen die Parteien einen Zusatzvertrag mit einer Ruhensregelung gemäß § 11 TVUmBw ab 01.02.2007. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger zunächst freiwillig krankenversichert und die Beklagte leistete nach § 11 Abs. 4 TVUmBw die Hälfte der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung.

§ 11 TVUmBw (Härtefallregelung) enthält u. a. folgende Bestimmungen:

(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich während der Zeit der Ruhensregelung

a) in der Krankenversicherung,

b) in der Pflegeversicherung und

c) in Höhe des Einkommens nach Absatz 2 Unterabs. 2 in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig zu versichern. Die Beteiligung des Arbeitnehmers an der Umlage zur VBL nach dem Versorgungstarifvertrag bleibt unberührt.

(4) Der Arbeitgeber verpflichtet sich,

a) auf der Basis der Ausgleichszahlung die Hälfte der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen; die Regelungen in § 257 SGB V und § 61 SGB XI gelten sinngemäß,

...

(7) Der Arbeitnehmer darf während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses keine Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten, es sei denn, diese Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten sind bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn des Ruhens ständig ausgeübt worden. Bestehende tarifliche Regelungen über Nebentätigkeiten bleiben unberührt.

(8) Bei einem Verstoß gegen Absatz 7 entfällt der Anspruch auf die Ausgleichszahlung sowie die ergänzenden Leistungen nach Absatz 4.

Später stellte die landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse die Pflichtversicherung des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer seit 01.02.2007 fest. Der Kläger betreibt nämlich einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit monatlichen Einkünften von ca. 250,-- €. Nach Feststellung der Pflichtversicherung bei der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse zog die Beklagte die bisher gezahlten Zuschüsse im Juli 2007 von der Ausgleichszahlung des Klägers ab und leistete keine Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers mehr.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei nach § 11 Abs. 4 TVUmBw verpflichtet, die Hälfte der Beiträge zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung zu tragen. Die Verpflichtung sei nicht auf freiwillige Beiträge beschränkt. § 11 Abs. 4 a TVUmBw verweise auch § 61 Abs. 3 SGB XI. Nach dieser Bestimmung sei auch bei Unternehmern, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des 2. Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert seien, ein Zuschuss zur Pflegeversicherung zu leisten. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Beklagte die hälftigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht schulden solle, wenn er in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung pflichtversichert sei. Dort zahle er monatliche Beiträge in Höhe von € 171,-- für die Krankenversicherung und € 21,89 für die Pflegeversicherung.

Dagegen ist die Beklagte der Auffassung, § 11 Abs. 4 TVUmBw begründe keinen Anspruch des Klägers. Nach § 11 Abs. 3 TVUmBw müsse sich der Kläger während der Zeit der Ruhensregelung freiwillig versichern. Der vom Kläger begehrte Arbeitgeberzuschuss beziehe sich nur auf die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung. Grundlage für die Zuschussverpflichtung sei das ruhende Arbeitsverhältnis. Die Tarifvertragsparteien hätten dagegen keine Zuschusspflicht für Versicherungsbeiträge gewollt, die aufgrund von außerhalb des Arbeitsvertrags liegenden Umständen entstünden. Die Pflichtversicherung des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer habe mit dem ruhenden Arbeitsverhältnis nichts zu tun.

Mit Endurteil vom 18.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom Februar 2007 bis Februar 2008 € 1.253,85 nebst Zinsen zu bezahlen. Außerdem hat es die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger die Hälfte seiner Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, derzeit € 96,45 ab 01.03.2008 bis 31.10.2014 zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die abgewiesene Mehrforderung des Klägers beruhte darauf, dass er erstinstanzlich monatliche Leistungen in Höhe von € 117,13 begehrt hatte. Das Arbeitsgericht hat es dahinstehen lassen, ob sich der Anspruch des Klägers allein aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 a TVUmBw ergebe. Die Auslegung der Tarifregelung ergebe dasselbe Ergebnis. Sie solle gewährleisten, dass der zunächst pflichtversicherte Arbeitnehmer auch während der Ruhensphase Kranken- und Pflegeversicherungsschutz genieße, den er an sich bei Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses verlieren würde. Aus § 11 Abs. 7 und 8 TVUmBw ergebe sich, dass ehemalige Beschäftigte in einem ruhenden Arbeitsverhältnis jedenfalls geringfügige Beschäftigungen in den Grenzen des § 8 SGB IV ausüben dürften, ohne ihre Ansprüche nach § 11 Abs. 2 und 4 TVUmBw zu verlieren. Die Tarifvertragsparteien hätten zwar wohl nicht bedacht, dass Nebenerwerbslandwirte während eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses von der Pflichtversicherung in der landwirtschaftlichen Krankenkasse befreit sind und diese Befreiung mit dem Beginn der Ruhensregelung nach § 11 TVUmBw endet. Für diesen Fall ergäben sich jedoch bei einer wörtlichen Anwendung des § 11 Abs. 4 a TVUmBw sachgerechte Ergebnisse. Diese Bestimmung setze eine freiwillige Versicherung nicht zwingend voraus. Die Grenzen einer anderweitigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit würden sich aus § 11 Abs. 4 TVUmBw ergeben. Bei einer unzulässigen anderweitigen Beschäftigung entfalle der Anspruch auf den Beitragszuschuss (§ 11 Abs. 8 TVUmBw). Der Kläger habe nur Anspruch auf die Hälfte seines tatsächlichen Beitrages zur landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Der monatliche Zuschussanspruch betrage € 95,45, die Forderung für Februar 2007 bis Februar 2008 damit insgesamt € 1.253,85. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 01.07.2008 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 17.07.2008, die am 01.09.2008 begründet worden ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der Hälfte seiner Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bejaht. Die Verpflichtung nach § 11 Abs. 4 a TVUmBw beziehe sich nur auf Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, die der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 TVUmBw abschließen müsse. Dies ergebe sich aus der Abfolge der Absätze 3 und 4. Außerdem sei die monatliche Ausgleichszahlung Bemessungsgrundlage für die Höhe des Arbeitgeberzuschusses. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Zuschusspflicht für Beiträge regeln wollten, die auf außerhalb des Arbeitsvertrages liegenden Umständen beruhten. Die Pflichtversicherung des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenkasse habe mit seinem Arbeitsverhältnis nichts zu tun. Die Ausgleichszahlung habe keine Auswirkungen auf die Höhe des berechneten Beitrags.

Die Beklagte stellt folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 18.06.2008 wird aufgehoben und die Klage des Klägers abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend. Die Beklagte setze sich kaum mit der ausführlichen Begründung des Arbeitsgerichts auseinander. Das Arbeitsgericht habe sowohl Absatz 3 der tariflichen Regelung berücksichtigt als auch die in Absatz 4 a geregelte Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Es habe nämlich den sich auf der Basis der Ausgleichszahlung ergebenden Beitrag als Maximum angesehen. Die Beklagte verkenne auch den Zweck der gesetzlichen Regelung. Eine Benachteiligung des Klägers nur wegen seiner Pflichtversicherung in der landwirtschaftlichen Krankenkasse sei nicht sachgerecht. Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts werde er nicht besser gestellt als vergleichbare ehemalige Beschäftigte in einem ruhenden Arbeitsverhältnis, die keine landwirtschaftliche Tätigkeit betreiben. Die Beklagte werde sogar bei ihm besser gestellt, da sein Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung niedriger seien als die Beträge zu einer freiwilligen Versicherung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 29.08.2008, die Berufungserwiderung vom 25.09.2008 sowie die Sitzungsniederschrift vom 18.12.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist unbegründet, da das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Verpflichtung der Beklagten nach § 11 Abs. 4 a TVUmBw nicht auf Beiträge zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung beschränkt ist. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung ausführlich und in jeder Hinsicht überzeugend begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb zunächst auf die Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Ergänzend und zu den Angriffen der Beklagten gegen dieses Urteil wird folgendes ausgeführt.

Der Wortlaut der tariflichen Regelung, der nach der vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Grundlage für eine Auslegung ist, schränkt den Zuschussanspruch nicht auf Beiträge zu freiwilligen Versicherungen ein. Hätten die Tarifvertragsparteien eine solche Beschränkung gewollt, hätte es nahe gelegen, beispielsweise in Absatz 4 a auf Absatz 3 Bezug zu nehmen oder - wie in Absatz 4 b - das Wort "freiwillig" aufzunehmen.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Aufbau der tariflichen Regelung und die Bemessung der Beitragszuschüsse auf der Basis der Ausgleichszahlung dafür sprechen, dass die Tarifvertragsparteien von einem Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ausgingen. Auch das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die Tarifvertragsparteien offenbar die Situation von Nebenerwerbslandwirten nicht bedacht haben. Die Auslegung des Arbeitsgerichts beachtet die in § 11 Abs. 4 a TVUmBw geregelte Bemessungsgrundlage. Der Abfolge der Absätze 3 und 4 lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass sich die Zuschusspflicht nach Absatz 4 nur auf die in Absatz 3 geregelten freiwilligen Versicherungen bezieht. Eine Bemessung der Arbeitgeberzuschüsse auf der Basis der Ausgleichszahlungen findet auch dann statt, wenn man die sich auf der Basis der Ausgleichszahlungen ergebenden Beiträge als Höchstgrenze für die Verpflichtung der Beklagten ansieht.

Die Argumentation der Beklagten, die Tarifvertragsparteien hätten eine Zuschusspflicht zu Versicherungen, die auf außerhalb des Arbeitsvertrages liegenden Umständen beruhten, nicht gewollt, überzeugt nicht. Zum einen besteht zumindest ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der von den Parteien vereinbarten Ruhensregelung und der ab 01.02.2007 bestehenden Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Beiträgen in die landwirtschaftliche Krankenkasse. Der Wegfall der Sozialversicherungspflicht aufgrund des Arbeitsverhältnisses führte nämlich dazu, dass die Befreiung des Klägers von der Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung zum 01.02.2007 endet. Die Verpflichtung des Klägers, Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu zahlen, ist vergleichbar mit der Verpflichtung anderer ehemaliger Beschäftigter, während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses Beiträge zu freiwilligen Versicherungen leisten. Zum anderen berücksichtigt die Argumentation der Beklagten den Zweck der tariflichen Regelung nicht ausreichend. Die Tarifvertragsparteien wollten, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses jeweils die Hälfte der Beiträge zahlen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie eine Entlastung der Beklagten aufgrund einer Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung wollten. Wie ausgeführt beruht die Verpflichtung des Klägers, Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu zahlen, ebenso wie die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen für freiwillige Versicherungen auf dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Schließlich lässt sich den Absätzen 7 und 8 des § 11 TVUmBw der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass jedenfalls eine geringfügige Beschäftigung für ehemalige Beschäftigte in einem ruhenden Arbeitsverhältnis keine Nachteile haben soll.

II.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO trägt die Beklagte die Kosten ihrer erfolglosen Berufung.

III.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn der Kläger ist nicht beschwert und es gibt keinen Grund, für die Beklagte die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Insbesondere hängt der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage ab, deren Klärung von allgemeiner Bedeutung wäre oder zumindest größere Teile der Allgemeinheit berühren würde (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Die grundlegenden Fragen bei der Auslegung von Tarifverträgen sind vom Bundesarbeitsgericht schon häufig beantwortet worden. Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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