Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 04.08.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 154/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1. Die Werbung von Kunden für ein Unternehmen, das in Konkurrenz zum Arbeitgeber steht und an dem der Arbeitnehmer beteiligt ist, kann auch dann eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn sich der Arbeitnehmer nach dem letzten Wettbewerbsverstoß bis zur Kündigung nicht mehr aktiv für das Konkurrenzunternehmen um Kunden bemüht hat. Entscheidend ist, ob ein irreparabler Vertrauensverlust eingetreten ist. Zu einem solchen Vertrauensverlust kann es auch kommen, wenn der Arbeitgeber erst ca. ein Jahr später vom wettbewerbswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers erfährt.

2. Bei einem massiv wettbewerbswidrigen Verhalten ist eine vorherige Abmahnung entbehrlich, vor allem, wenn der Arbeitsvertrag eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Einholung einer Nebentätigkeitsgenehmigung enthält.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 154/05

Verkündet am: 4. August 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter K. Riel und J. Kerschbaum für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.10.2004 - 36 Ca 23147/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung, um die Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers und um die Zahlung von Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Der Kläger, der seiner Ehefrau und seiner Tochter zum Unterhalt verpflichtet ist, trat am 22.05.2000 als Data Warehouse Engineer in die Dienste der Beklagten, die etwa 170 Arbeitnehmer beschäftigt. Er wurde später zum Leiter des "Business Intelligence Teams" befördert, das für die Beschaffung und Aufrechterhaltung einer geordneten Informationsstruktur zuständig ist. Die Parteien schlossen neben dem Arbeitsvertrag vom 27.04.2000 einen Zusatzvereinbarung vom 02.05.2000 betreffend eine Gewinnbeteiligung sowie eine Ergänzungsvereinbarung vom 26.08.2004, wonach der Kläger berechtigt war, einen Teil seiner arbeitsvertraglichen geschuldeten Tätigkeit auch zuhause zu erledigen. Der Kläger verdiente zuletzt monatlich im Durchschnitt 7.500,00 € brutto (6.135,00 € brutto als monatliches Fixum, 612,48 € brutto wegen der Privatnutzung des Dienstfahrzeuges, ferner Prämien und Gewinnbeteiligungen).

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist laut Handelsregistereintrag der Betrieb von Kundenbindungsprogrammen für Firmenkunden, Dienstleistungen auf dem Gebiet der kommerziellen Kommunikation und Handel mit Sach- und Dienstleistungen aller Art. Dienstleistungen erbringt die Beklagte beispielsweise im Rahmen des Outsourcings von Kundenbindungsprogrammen verschiedener Unternehmen, beispielsweise für das Programm "Bahn Comfort" und das Vielflieger-Programm "Miles and more". Ferner erbringt die Beklagte bei zahlreichen Kunden weitere Beratungsleistungen im Zusammenhang mit CRM (Customer Relationship Management) sowie CPM (Customer Process Management). Die Beklagte hat eine eigenentwickelte Software für Karten-, Konten- und Transaktionsmanagement bei über 30 Unternehmen implementiert und Schnittstellen zu führenden CRM-Systemen wie z.B. Siebel entwickelt. Vor allem aber entwickelte sie und betreibt mit Partnerunternehmen das Kundenbindungsprogramm PAYBACK, das derzeit das führende Bonusprogramm in Deutschland ist.

Mit Urkunde vom 05.12.2002 gründete der Kläger zusammen mit einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn Z., die c. GmbH, für die am 01.11.2002 eine Internetdomäne registriert wurde. Laut Handelsregistereintrag betreibt sie die Konzeption, Entwicklung, den Betrieb und den Vertrieb von Kundenbindungssystemen, ferner Konzeption, Entwicklung, Betrieb und Vertrieb von Software sowie Unternehmensberatung. An dieser Gesellschaft beteiligten sich Mitte Juli 2003 ferner der zum 31.12.2002 bei der Beklagten ausgeschiedene Mitarbeiter T. sowie die Mitarbeiterin der Beklagten Frau H.. Der Kläger war zusammen mit Herrn Z. seit der Gründung bis zum 28.07.2003 Geschäftsführer der c. GmbH. Ab 29.07.2003 war Herr T. zum alleinigen Geschäftsführer bestellt.

Die c. GmbH hatte einen 43,5 m² großen Geschäftsraum in G. gemietet und verfügte über eine Internetadresse sowie über einen Auftritt auf der Homepage des Garchinger Technologie- und Gründerzentrums gate. Dort befand sich auch der Geschäftsraum der c. GmbH; der auch eine Umsatzsteuer-Nummer zugewiesen war, die jedoch gemäß Finanzamtsschreiben vom 19.01.2004 von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen befreit war.

Am 26.01.2004 wurde durch die Fire-Wall der Beklagten eine Email des Herrn Z. vom 24.01.2004 an den Mitarbeiter der Beklagten Herrn D. abgefangen. Dieser war als Anlage eine Powerpoint-Präsentation für ein übergreifendes Bonusprogramm in Kroatien (BONPRO) beigefügt. Für diese Präsentation wurden Bausteine der Beklagten zur Präsentationserstellung verwendet. Als Autor war der Kläger gespeichert, als Firma die Beklagte.

Die Beklagte, die zuvor dem Kläger mit Schreiben vom 27.11.2003 zum 31.03.2004 gekündigt hatte, sprach darauf mit Schreiben vom 27.01.2004 eine fristlose Kündigung aus, die dem Kläger am selben Tag per Boten unter seiner neuen Adresse zuging.

Im Verlauf des Rechtsstreits wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger am 15.01.2003 Leistungen der c. GmbH bei der SWM Versorgungs GmbH präsentiert und angeboten hatte. Es handelte sich dabei um die Einführung eines Kundenbindungsprogramms der Stadtwerke München mit der Bezeichnung "M//Card". Der Kläger hatte hierzu eine Powerpoint-Präsentation erstellt, in der das Produkt-Portfolio der c. GmbH vorgestellt wird. Die Präsentation weist in der Kopfzeile der ersten Seite links oben die Firmenbezeichnung "c." und rechts das Logo "SW/M" auf. Diese Präsentation sandte der Kläger am 12.12.2004 per Email an den zuständigen Herrn von der Stadtwerke München GmbH, unter Bezug auf ein Telefonat in der "letzten Woche". Aufgrund des Gesprächs vom 15.01.2003 unterbreitete der Kläger am 18.01.2003 ein Angebot über Beratungsleistungen für die Stadtwerke München GmbH, das bereits in Form eines Vertrages gestaltet ist.

Der Kläger hält sowohl die ordentliche Kündigung vom 27.11.2003 als auch die außerordentliche Kündigung vom 27.01.2004 für rechtsunwirksam und meint, die Beklagte sei deshalb zur Weiterbeschäftigung und Zahlung des Entgelts aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges verpflichtet.

Er hat im ersten Rechtszug die Gründung der c. GmbH und seine zeitweilige Bestellung zur deren Geschäftsführer eingeräumt, jedoch vorgetragen, dass die Gründung nur aus Angst vor einer Kündigung durch die Beklagte erfolgt sei. Die c. GmbH habe vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht aktiv betrieben werden sollen. Die weite Fassung des Geschäftszwecks gehe auf einen Rat des Notars zurück. Eine Konkurrenz zu PAYBACK sei nicht geplant und auch nicht möglich gewesen. Generell sei die c. GmbH kein aktives Unternehmen gewesen. Ihre einzigen Einnahmen habe sie aus der Untervermietung ihres Geschäftsraums an Herrn T. erzielt. Der Kläger sei für die c. GmbH nicht tätig geworden. Der Internet-Auftritt sei ohne sein Wissen und nur auf Vorrat von Herrn T. erstellt und testweise sowie zur Reservierung der Domäne ins Web gestellt worden. Die Präsentationsdatei für "BONPRO" sei alleinige Arbeit des Herrn Z. gewesen, der sich einer vom Kläger erstellten Vorlage bedient und diese modifiziert habe, was erkläre, dass der Kläger als Autor aufscheine. Herr Zork habe bezüglich dieses Projekts eine Zusammenarbeit mit der Beklagten geplant gehabt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht München am 06.10.2004 bestätigte der Kläger auf Frage des Vorsitzenden, dass er im Januar 2003 eine Präsentation durchgeführt habe; es habe ein Gespräch unter vier Augen gegeben. Dabei habe der Kläger seine Beschäftigung bei der Beklagten mitgeteilt, der Name c. habe aber sicherlich auch Erwähnung gefunden.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug, soweit es für das vorliegende Berufungsverfahren von Bedeutung ist, beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2003 noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.01.2004 und auch nicht in sonstiger Weise aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 27.01.2004 und auch über den 31.03.2004 zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 36.750,00 nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je € 6.125,00 seit dem 29.02., 31.03., 30.04., 31.05., 30.06. und 31.07.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der fristlosen Kündigung vom 27.01.2004 beendet worden. Diese Kündigung sei berechtigt, weil der Kläger die c. GmbH gegründet und sich an ihr beteiligt habe, die mit tatkräftiger Hilfe des Klägers ein aktives Unternehmen im Geschäftsfeld der Beklagten gewesen sei. Der Kläger habe Powerpoint-Präsentationen für die c. erstellt und hierbei auch Materialien der Beklagten verwendet. Das Konkurrenzunternehmen des Klägers sei aktiv geworden, was sich auch in der Anmietung der Geschäftsräume und den Internetauftritten sowie in der Zuweisung einer Umsatzsteuernummer zeige. Insbesondere mit der Präsentation von Leistungen der c. am 15.01.2003 sei der Kläger zur Beklagten in einem zumindest vergleichbaren Marktsegment in Wettbewerb zur seiner Arbeitgeberin getreten. Eine Abmahnung sei wegen des eingetretenen Vertrauensverlustes entbehrlich gewesen.

Das Arbeitsgericht München hat Teilurteil vom 29.10.2004 - Geschäftszeichen 36 Ca 23147/03 -, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im einzelnen und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage hinsichtlich der gegen die außerordentliche Kündigung vom 27.01.2004, der gegen die ordentliche Kündigung vom 27.11.2003, der auf Weiterbeschäftigung und der auf Zahlung von 36.750,00 € nebst Zinsen gerichteten Anträge abgewiesen, weil der Kläger jedenfalls mit seiner Präsentation für c. bei der SMW Versorgungs GmbH gegen das in allen Arbeitsverhältnissen bestehende Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Die Abwägung von Bestands- und Beendigungsinteresse gehe zugunsten der Beklagten aus, zumal in § 12 des Arbeitsvertrages für jede Nebenbeschäftigung eine vorherige schriftliche Genehmigung erforderlich sei. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil sie angesichts der schwerwiegenden Loyalitätspflichtverletzung als aussichtslos erschienen sei. Das Nachschieben dieses Kündigungssachverhalts sei zulässig. Mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der mit der ordentlichen Kündigung beabsichtigten Vertragsbeendigung könne auch die gegen die Kündigung vom 27.11.2003 gerichtete Klage keinen Erfolg haben. Aus demselben Grund scheiterten auch der Weiterbeschäftigungsantrag und die Forderungsklage hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit von Februar bis Juli 2004.

Der Kläger hat gegen das ihm 19.01.2005 zugestellte Teilurteil vom 29.10.2004 am 11.02.2005 (Faxeingang) Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 19.04.2005 - an diesem Tage (Faxeingang) begründet.

Er bringt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe nicht gewürdigt, dass es lediglich ein einziges Gespräch bei der Stadtwerke München GmbH am 15.01.2003 gegeben habe. Darüber hinaus sei die c. GmbH nicht aktiv geworden. Zur Gründung dieser Gesellschaft sowie zum Gespräch am 15.01.2003 sei der Kläger nur dadurch veranlasst worden, dass die Beklagte im Jahr 2002 viele Arbeitnehmer gekündigt habe. Auch bestehe zwischen der Beklagten und der c. GmbH kein Wettbewerbsverhältnis, weil die Beklagte im Gegensatz zur c. GmbH keine Beratungsleistungen erbringe, abgesehen davon, dass die c. GmbH auf regional begrenzte Dienstleistungs- und Beratungstätigkeit ausgerichtet sei. Es werde - so der Kläger in der Berufungsbegründung - nicht in Abrede gestellt, dass es am 15.01.2003 ein Gespräch des Klägers bei den Stadtwerken München gegeben habe, bei dem sich der Kläger als Mitarbeiter der Beklagten vorgestellt und eine kurze Präsentation vorgelegt habe, wobei auch die Gründung der c. GmbH angesprochen worden sei und es Überlegungen gegeben habe, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine beratende Begleitung durch c. erfolgen könne. Dies sei lediglich eine Vorbereitungshandlung. Der Kläger meint, nach den Umständen des Einzelfalles wäre vor der fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen, vor allem angesichts der vom Kläger eingehaltenen einjährigen Wohlverhaltensphase nach dem 15.01.2003 bis zur fristlosen Kündigung; die Beklagte hätte es bei der betriebsbedingten Kündigung belassen können. Der vermeintliche Wettbewerbsverstoß sei ihr ein willkommener Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Der Kläger habe lediglich die sich zufällige ergebende Gelegenheit eines Gesprächs mit den Stadtwerken München genutzt. Der Kläger hält den konkreteren Vortrag der Beklagten im zweiten Rechtszug zum Vorfall vom 15.01.2003 für verspätet und bringt schließlich - Schriftsatz vom 08.07.2005 - vor, es könne und solle überhaupt nicht in Abrede gestellt werden, dass er sich bei der Vorsprache vom 15.01.2003 und hinsichtlich der Vorlage der Präsentation und des Beratungsangebots objektiv nicht ordnungsgemäß verhalten habe. Von diesem nicht ordnungsgemäßen Verhalten habe er jedoch selbst und weit vor der knapp 1 Jahr später ausgesprochenen fristlosen Kündigung Abstand genommen.

Der Kläger beantragt deshalb:

1. In Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München, Geschäftszeichen: 36 Ca 23147/03, verkündet am 29.10.2004,

a) Wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2003 noch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.01.2004 und auch nicht in sonstiger Weise aufgelöst worden ist.

b) Wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 27.01. und auch über den 31.03.2004 zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

c) Wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 36.750,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 6.125,00 € seit 29.02., 31.03., 30.04., 31.05., 30.06 und 31.07.2004 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu tragen.

Die Beklagte beantragt demgegenüber,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält die fristlose Kündigung vom 27.01.2004 nach wie vor für berechtigt und bringt vor, der Kläger habe nicht aus eigener Entscheidungsfindung von den Bemühungen um die Stadtwerke München Abstand genommen. Vielmehr sei der Auftrag gescheitert, weil der Kläger gegenüber seinem Gesprächspartner von den Stadtwerken München das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht offenbart habe. Er habe die c. GmbH als Spin-Off, also Ausgliederung aus der Beklagten dargestellt, was beinhaltet habe, dass das die entsprechenden bisherigen Arbeitsverhältnisse beendet seien. Die c. sei nicht nur für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers und wegen der vielen Kündigungen der Beklagten gegründet worden. Die Beklagte trägt weiter vor, die Stadtwerke München wären ein idealer Kunde für sie gewesen, weil das Kundenbindungsprogramm M//Card exakt in das Leistungsportfolio der Beklagten gepasst hätte. Zum Jahreswechsel 2002/2003 habe es Gespräche zwischen den Stadtwerken München und der Beklagten über Beratungs- und sonstige Dienstleistungen der Beklagten gegeben. Zu einer Zusammenarbeit sei es jedoch nicht gekommen. Der Kläger habe der Beklagten in mehrfacher Hinsicht Konkurrenz gemacht. C. sei bereits zur Zeit des Arbeitsverhältnisses der Parteien ein aktives Unternehmen gewesen. Auch habe sich der Kläger nach dem 15.01.2003 nicht "wohlverhalten". Eine Abmahnung sei nach allem entbehrlich gewesen.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 19.04.2005, 20.05.2005 und 08.07.2005, der Beklagten vom 20.05.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die außerordentliche Kündigung vom 27.01.2004 ohne Frist aufgelöst. Aus diesem Grunde kann auch der gegen die Kündigung vom 27.11.2003 gerichtete Feststellungsantrag keinen Erfolg haben. Auch die Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nebst Zinsen scheiden deshalb aus.

1. Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 27.01.2004 beendet worden.

a) Mit Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Kläger nach den - vom Erstgericht zutreffend wiedergegebenen - Grundsätzen über die kündigungsrechtliche Relevanz einer verbotswidrigen Wettbewerbstätigkeit jedenfalls mit dem Angebot von Leistungen der c. gegenüber der SWM-Versorgungs GmbH am 15.01.2003 gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Die Ausführungen des Erstgerichts hierzu halten der rechtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht stand. Hinzu kommt, dass - wie im zweiten Rechtszug unstreitig geworden ist - der Kläger an diesem Tage der SMW-Versorgungs GmbH nicht einfach Leistungen der c. verbal angeboten, sondern eine Powerpoint-Präsentation vorgenommen hat, die er der potentiellen Kundin SMW-Versorgungs GmbH zuvor per Email übersandt hatte, und dass er diesem Gespräch nach wenigen Tagen ein fertig ausgearbeitetes Vertragsangebot folgen ließ. Wie der Kläger unter diesen Umständen von einer bloßen Vorbereitungshandlung sprechen kann, erscheint dem Berufungsgericht unerfindlich.

Die c. GmbH ist eindeutig als Konkurrenzunternehmen zur Beklagten anzusehen. Die Unternehmensgegenstände decken sich in einem erheblichen Ausmaß. Das Leistungsportfolio der c., wie es sich aus der Präsentation vom 15.01.2003 und aus dem Internetauftritt ergibt, entspricht weitgehend dem der Beklagten. Insbesondere betrifft auch das der SWM-Versorgungs GmbH unterbreitete Vertragsangebot das Leistungsspektrum der Beklagten. Im Einzelnen gilt:

Der Kläger hat mit der Präsentation bei der SMW-Versorgungs GmbH am 15.01.2003 nicht lediglich Vorbereitungshandlungen für eine spätere werbende Tätigkeit der c. begangen. Vielmehr hat er massiv um einen möglichen Vertragspartner und Kunden geworben. Aus dem Ausdruck der Powerpoint-Präsentation ergibt sich eindeutig, dass der Kläger nicht Leistungen der Beklagten, also seiner Arbeitgeberin, angeboten hat. Vielmehr ist dort die c. ausdrücklich als "Spin-Off" der Beklagten dargestellt, also als eine Abspaltung, wobei - bei bestehendem Arbeitsverhältnis der Parteien und ohne Erlaubnis der Beklagten, mithin im krassen Gegensatz zu dem nach § 12 des Arbeitsvertrages der Parteien erforderlichen Nebentätigkeitsgenehmigungserfordernis - heftig mit dem bei der Beklagten erworbenen Know-how in Bezug auf die Bonusprogramme PAYBACK und Bahn.comfort geworben wird. Vor allem aber das unmittelbar nachfolgende Vertragsangebot der c., das für diese Gesellschaft die Unterschrift des Klägers vorsah, zeigt in kaum mehr zu übertreffender Deutlichkeit, dass sich der Kläger hier im Zentrum werbender Tätigkeit bewegt hat.

Die Gegenstände des Unternehmens der c. decken sich weitgehend mit den Unternehmensgegenständen der Beklagten.

Bereits nach dem Handelsregistereintrag betreiben beide Firmen Kundenbindungsprogramme. Über deren Betrieb hinaus ist Geschäftszweck beider Firmen auch die Entwicklung und der Vertrieb solcher Programme bzw. Software. Dies ergibt sich für die Beklagte aus der unbestritten gebliebenen Darstellung im Schriftsatz vom 20.05.2005 (zu IV.3, Seite 12). Für die c. GmbH ergibt sich dies bereits aus dem Handelsregistereintrag. Darüber hinaus ist Geschäftsgegenstand beider Unternehmungen die Beratung anderer Unternehmen auf dem Gebiet der Kundenbindungssysteme, wobei der Handelsregistereintrag in Bezug auf die Beklagte weiter gefasst ist als derjenige hinsichtlich der c. GmbH. Dass die Beklagte Beratungsleistungen im Zusammenhang mit CRM sowie CPM erbringt, ist unstreitig geblieben. Der Einwand des Klägers, beide Firmen seien keine Wettbewerbsunternehmen, weil die Beklagte eine begleitende Beratung nicht als Leistung für Kunden aller Art anbiete, sondern nur in Bezug auf das branchen- und medienübergreifende Bonusprogramm PAYBACK und weil sie sich somit einzig und allein an bundesweit operierende Top-Unternehmen aus Handel und Dienstleistung wende, verfängt nicht. Denn es ist eine Sache, mit welchem Produkt ein Unternehmen als "Zugpferd" seine hauptsächlichen Umsätze erzielt und als Marktführer gilt, eine andere Sache hingegen, welche Produkte es in seinem Portfolio hat und am Markt anbieten möchte. Aus der Tatsache, dass ein Unternehmen mit einem bestimmten Produkt besonders erfolgreich ist und dieses in erster Linie anbietet, folgt keineswegs, wie der Kläger glauben machen möchte, eine entsprechende Beschränkung des Geschäftsfelds bzw. der Unternehmensgegenstände. Dass die Beklagte also das bundesweit führende Bonusprogramm PAYBACK vertreibt und sich insoweit an "Top-Unternehmen" wendet, besagt nicht, dass sie sich nicht um regionale Kunden bemühen will. Abgesehen davon verschweigt der Kläger, dass die Beklagte - ebenso wie es die c. nach Handelsregistereintrag und der Powerpoint-Präsentation für die Stadtwerke München bezweckt - Beratungsleistungen auf dem Gebiet der Kundenbindung anbietet. Dass schließlich die unterschiedliche Marktmacht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Beklagten und der c. nicht ausschließt, hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt; dem ist argumentativ nichts hinzuzufügen. Lediglich an einem Beispiel soll verdeutlicht werden, wie unsinnig die Argumentation des Klägers in diesem Punkt ist: Wäre sie richtig, wäre Microsoft in seinen Anfangszeiten niemandes Wettbewerber gewesen; dieses Unternehmen hätte sich vielmehr als Monade in einem "wettbewerbsfreien Raum" entwickelt.

b) Aber auch abgesehen von dem Auftritt des Klägers bei den Stadtwerken München am 15.01.2003 ist die c. GmbH werbend am Markt aufgetreten unter aktiver Beteiligung des Klägers: Zu nennen ist hier in erster Linie der Internet-Auftritt (Anlagen B13, B17, B18 und B19), in dem die c. als aktives, arbeitendes Unternehmen und nicht lediglich als Geschäftsidee oder Zukunftsprojekt dargestellt wird. Auch ist in keiner Weise erkennbar, dass mit diesem Internet-Auftritt lediglich eine Domäne reserviert oder ein Probelauf gestartet werden sollte. Die c. wird nicht lediglich als virtuelles Unternehmen oder als eine Art Trockenübung dar- und vorgestellt, sondern als eine Unternehmung, die mit einem konkretem Leistungsportfolio um Kunden wirbt. Das Berufungsgericht hält deshalb den Einwand des Klägers, dies sei gewissermaßen alles nicht ernst gemeint gewesen, für eine Ausflucht.

c) Mit Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die verbotswidrige Wettbewerbstätigkeit des Klägers eine äußerst gravierende Loyalitätspflichtverletzung darstellt, die an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.

An dieser Beurteilung ändert auch der vom Kläger vor allem im zweiten Rechtszug in den Vordergrund gerückte Einwand nichts, er habe von einem wettbewerbswidrigen Verhalten aus eigener Entscheidungsfindung abgelassen und Abstand genommen; nach dem Vorfall vom 15.01.2003 habe er sich von jeglichem Tätigwerden für die Firma c. GmbH distanziert und somit ein Jahr wohlverhalten. Denn allein der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, nach der ergebnislos gebliebenen Präsentation bei den Stadtwerken München dort nicht nachgefasst und sich auch sonst nicht mehr um Aufträge für die c. gekümmert habe, bedeutet kein Sich-Distanzieren von dieser Gesellschaft. Das Nichtzustandekommen von Aufträgen ist hinsichtlich eines Abstandsnehmens des Klägers von der Konkurrenzfirma nicht aussagekräftig. Denn fehlende Aufträge können sowohl auf unterlassene Bemühungen als auch auf fehlgeschlagene Bemühungen - im Sinne der Fabel von den zu hoch hängenden sauren Trauben - zurückzuführen sein. Dass sich der Kläger von der comSysto GmbH nicht offen distanziert hat, zeigt zum einen, dass er die werbende Tätigkeit dieser Gesellschaft im Internet geduldet, mitgetragen und nichts dagegen unternommen hat, und zum anderen insbesondere, dass er bis Ende Juli 2003 deren Geschäftsführer war. Von einer einjährigen Wohlverhaltensphase kann daher nicht gesprochen werden.

d) Das Berufungsgericht pflichtet dem Arbeitsgericht auch darin bei, dass eine Abmahnung nach Lage der Dinge angesichts der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich sei, vor allem auch, weil es sich dem Kläger angesichts des Vorbehalts der Nebentätigkeitsgenehmigung in § 12 des Arbeitsvertrages habe aufdrängen müssen, dass die Beklagte einen so schwerwiegenden Verstoß gegen den Loyalitätspflicht nicht hinnehmen werde. Die Einschätzung, dass sich der Kläger von einer Abmahnung mutmaßlich nicht hätte beeindrucken lassen, wird gestützt durch das prozessuale Verhalten des Klägers. Denn es hat sich im Prozessverlauf gezeigt, dass der Kläger von seiner aktivwerbenden Tätigkeit bei den Stadtwerken München scheibchenweise nur immer das zugegeben hat, was ihm die Beklagte nachweisen konnte.

e) Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Interessenabwägung im Einzelfall sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (zu 2.) verwiesen.

Ergänzend hierzu wird ausgeführt, dass auch der Hinweis des Klägers auf die "einjährige Wohlverhaltensphase" an dieser Beurteilung nichts zu ändern vermag. Zum einen kann von einer einjährigen Wohlverhaltensphase nach dem oben Ausgeführten nicht gesprochen werden. Zum anderen ändert der Umstand, dass das Vorkommnis vom 15.01.2003 erst mehr als ein Jahr später der Beklagten bekannt wurde, nichts daran, dass durch die hier vorliegende Loyalitätspflichtverletzung schwerster Art die für das Arbeitsverhältnis unerlässliche Vertrauensbasis irreparabel untergraben wurde. Eine "Heilung" durch ein Stillehalten des Klägers in Bezug auf eine aktive Geschäftstätigkeit für die Firma c. GmbH konnte nicht eintreten. Denn da der Kläger sein Engagement bei dieser Firma nach dem 15.01.2003 nicht radikal beendet und nicht jede Beziehungen zu ihr gekappt hat, konnte im Zeitpunkt der Kündigung damit gerechnet werden, dass die c., selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt "geschlafen" hätte, jederzeit bzw. bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder zum aktiven Leben erweckt werden könne unter tatkräftiger Mitwirkung des Klägers. Die Beklagte konnte überdies schon deshalb nicht auf eine künftige Redlichkeit des Klägers vertrauen, weil dieser, auch aufgrund seiner freien Arbeitsumstände laut Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag, insoweit nicht effektiv kontrollierbar war.

Somit ist davon auszugehen, dass der Vorfall vom 15.01.2003, der von der Beklagten zulässigerweise im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits als Kündigungsgrund nachgeschoben wurde, das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kündigung auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes objektiv belastete. Trotz der zwei Unterhaltspflichten des Klägers, des Umstandes, dass das Arbeitsverhältnis bis zur Kündigung bestandungsfrei geführt wurde, des hohen Engagements des Klägers und der von diesem so bezeichneten Vorgeschichte der Kündigung bzw. der Angst um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses war - unter Berücksichtigung der relativ kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses, des jüngeren Alters des Klägers und der vergleichsweise guten Arbeitsmarktchancen andererseits - der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten.

2. Da das Arbeitsverhältnis somit zum Zugangszeitpunkt der außerordentlichen Kündigung vom 27.01.2004 geendet hat, kann der gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2004 aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 27.11.2003 gerichtete Feststellungsantrag keinen Erfolg haben. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, in dem es aufgrund einer Kündigung enden soll, ist Voraussetzung für den Erfolg einer gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage.

3. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 27.01.2004 scheiden, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch die geltend gemachten Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Arbeitsentgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aus.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück