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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 323/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1
BGB § 611
BetrVG § 77
1. Ein unzulässiger Eingriff in entstandene Rechte oder rechtlich geschützte Anwartschaften liegt nicht vor, wenn eine in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Regelung über die Gewährung eines Leistungsbonus durch eine spätere Betriebsvereinbarung verschlechtert wird (Einführung eines Multiplikationsfaktors 0,5), solange im Zeitpunkt des Inkrafttretens der verschlechternden Betriebsvereinbarung noch nicht alle Voraussetzungen für die Gewährung des Leistungsbonus erfüllt sind.

2. Ist für die Bemessung des Bonus die Feststellung des Grades der Erreichung von Jahreszielen maßgebend, entsteht im Verlauf des betreffenden Jahres keine rechtlich geschützte Anwartschaft bzw. keine rechtlich geschützte Vertrauensposition des Arbeitnehmers dahin, dass er einen zeitanteilig errechneten Bonus erhalten werde. Insoweit kann nicht von einem bereits durch Erbringung entsprechender Zielerreichungs-Bemühungen erdienten Teil des Rechts gesprochen werden.

3. Somit gilt in solchen Fällen das Ablösungsprinzip. Eine unzulässige echte oder unechte Rückwirkung liegt nicht vor.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 323/05

Verkündet am: 6. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Handel und Twells-Koether für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.02.2005 - 20 Ca 21315/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen vom Kläger gegenüber beiden Beklagten geltend gemachten Anspruch auf "Leistungsbonuszahlung".

Der Kläger war bei der Beklagten zu 2. und ihren Rechtsvorgängern seit 01.08.1962 beschäftigt, zuletzt als System- und EDV-Spezialist. Vom 08.07.1998 bis Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung vom 16.12.2000 war das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 1. übertragen worden. Mit Rückübertragung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2. wurde der Kläger an die Beklagte zu 1. entsandt.

Am 21.02.2002 kam zwischen der Beklagten zu 2. und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine "Betriebsvereinbarung Flexibles Vergütungssystem" zustande, in der unter anderem die Zahlung eines Leistungsbonus geregelt ist, für dessen Höhe die Beurteilung aus dem Mitarbeitergespräch und ein sog. Leistungsbonusbasiswert maßgebend sind. Nach den Bestimmungen der genannten Betriebsvereinbarung erfolgt die Bewertung der Leistung im Rahmen des Mitarbeitergesprächs zwischen Mitarbeiter und Führungskraft und wird in 3 Stufen vorgenommen: nicht zufriedenstellende Leistung (Ziele nicht erreicht), gute Leistung (Ziele erreicht) und deutlich überdurchschnittliche Leistung (Ziele deutlich übertroffen). Der Leistungsbonus bemisst sich jeweils aus einem fixierten Basiswert. Erreicht der Mitarbeiter die Ziele nicht, beträgt der Leistungsbonus zwischen 0 und 75 % des Basiswerts. Bei Erreichung der Ziele hat der Mitarbeiter Anspruch auf Bonus in Höhe von mindestens 75 % bis unter 150 % des Basiswerts. Werden die Ziele deutlich übertroffen, liegt der Leistungsbonus zwischen 150 % und maximal 200 % des Basiswerts. Die Festlegung der Bonushöhe innerhalb dieser Bandbreiten und unter Berücksichtigung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Leistungsbonusbudgets liegt nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung in der Verantwortung der unmittelbaren Führungskraft, wobei Voraussetzung für die Festlegung der Höhe des Leistungsbonus ein vorab geführtes Mitarbeitergespräch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft ist.

Am 20.11.2002 schlossen dieselben Betriebsparteien eine "Ergänzung zu Ziffer 4.1. der Betriebsvereinbarung "Flexibles Vergütungssystem" vom 21.02.2002, wonach für die Festlegung der Leistungsbonushöhe der individuelle Leistungsbonusbasiswert des Mitarbeiters mit einem die Ertragslage der Bank widerspiegelnden Faktor multipliziert wird. Der Faktor beträgt für die Beklagte zu 2. mindestens 0,5 und kann nach Geschäftsfeldern unterschiedlich sein, d.h., er kann dort zwischen 0,4 und 0,6 betragen. Der individuelle Leistungsbonus bemisst sich dieser Ergänzungsbetriebsvereinbarung zufolge aus dem fixierten, mit dem Faktor multiplizierten Basiswert. Die Regelbandbreiten sowie der damit verbundenen Mindestanspruch beziehen sich jeweils auf diesen modifizierten Basiswert.

Hintergrund für den Abschluss der Ergänzungsbetriebsvereinbarung, deren zeitlicher Geltungsbereich rückwirkend ab 01.01.2002 und mit Begrenzung auf die im Frühjahr durchzuführenden Leistungsbonusaktion für das Geschäftsjahr 2002 festgelegt wurde, war der Eintritt eines konzernbezogenen Verlusts im Geschäftsjahr 2002 in Höhe von 858 Millionen Euro, wogegen im Jahr zuvor noch ein Gewinn erwirtschaftet worden war.

Am 26.03.2003 fand ein Mitarbeitergespräch zur Beurteilung der Leistungen und des Verhaltens des Klägers statt. In der hierüber formularmäßig erstellten Niederschrift ist unter der Überschrift "Zielerreichung/Aufgabenerfüllung" festgehalten: "gut erreicht".

Mit einem Schreiben vom April 2003 teilte die Beklagte zu 1., bei der eine der Ergänzungsbetriebsvereinbarung vom 20.11.2002 entsprechende Betriebsvereinbarung im Februar oder März 2003 geschlossen wurde, dem Kläger unter anderem mit, sein Bonus-Basiswert betrage entsprechend kumuliertem Arbeitszeitfaktor 9.562,00 €; für 2002 sei sein Bonus in Höhe von 4.782,00 € festgesetzt worden, der ihm im Mai 2003 ausgezahlt werde. Dies bedeutet, dass auf den Bonusanspruch des Klägers für 2002 der Multiplikationsfaktor 0,5 angewandt wurde. Den letztgenannten Betrag erhielt der Kläger ausgezahlt.

Der Kläger begehrt einen weiteren Leistungsbonusbetrag für das Jahr 2002 in Höhe von 9.641,22 € mit der Begründung, er habe die ihm gesetzten Ziele deutlich übertroffen, so dass er Anspruch auf Leistungsbonus in Höhe von 149,99 % des Basiswerts - oberer Rand der Bandbreite der Kategorie "Ziele erreicht" - habe, was einem Bonusbetrag in Höhe von 14.340,00 € entspreche. Abgesehen davon habe der Multiplikationsfaktor 0,5 nicht angewandt werden dürfen, weil die Ergänzungsbetriebsvereinbarung eine unzulässige rückwirkende Schlechterstellung bewirke und deshalb nicht als wirksam ablösende Betriebsvereinbarung angesehen werden könne, ferner, weil der bei der Beklagten zu 1. bestehende Betriebsrat die Ergänzungsbetriebsvereinbarung erst im März 2003 unterzeichnet habe und schließlich, weil ein "Erfolgsfaktor Bank" nicht Gegenstand des persönlichen Ziels des Klägers sein könne.

Demgegenüber trägt die Beklagte zu 1. vor, sie sei nicht passiv legitimiert, da im Zeitpunkt der Entstehung des Leistungsbonusanspruchs kein Arbeitsverhältnis des Klägers mit ihr mehr bestanden habe. Die Beklagte zu 2. bringt vor, die Bewertung der Zielerreichung mit "gut erreicht" entspreche einem bei ihr üblichen und angemessenen Prozentsatz des individuellen Bonus-Basiswerts von 100 %. Die Anwendung des unternehmensergebnisbezogenen Erfolgsfaktors 50 % durch Ergänzungsbetriebsvereinbarung vom 20.11.2002 sei zulässig, weil insoweit das Ablösungsprinzip gelte und weder ein Eingriff in bestehende Rechte noch in rechtlich gesicherte Anwartschaften des Klägers vorliege.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 15.02.2005 - 20 Ca 21315/03 -, berichtigt durch Beschluss vom 09.05.2005, die Klage abgewiesen, weil zum einen die Festsetzung auf 100 % des Bonusbasiswerts den Leistungen des Klägers entspreche und dieser nicht dargelegt habe, dass innerhalb der Bandbreite für die Kategorie "Ziel erreicht" seine Leistung mit 149,99 % zu bewerten sei, ferner, weil die Verschlechterung der Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002 durch die Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 im Hinblick auf das sog. Ablösungsprinzip zulässig sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21.02.2005 zugestellte Endurteil vom 15.02.2005, das in der unberichtigten Fassung im Beklagtenrubrum lediglich die Beklagte zu 2. ausweist, am 21.03.2005 (Faxeingang) Berufung eingelegt und diese am 20.04.2005 (Faxeingang) begründet. Nach Berichtigung des Endurteils vom 15.02.2005 durch den dem Kläger am 24.05.2005 zugestellten Berichtigungsbeschluss vom 09.05.2005 hat der Kläger am 02.06.2005 (Schriftsatzeingang) auch in Bezug auf die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt und sich zur Begründung vollinhaltlich auf den bereits vorliegenden Berufungsbegründungsschriftsatz bezogen.

Der Kläger trägt erneut vor, er habe die Ziele laut Ergebnispapier zum Mitarbeitergespräch vom 26.03.2003 deutlich übertroffen, weswegen er Anspruch auf 149,99 % des Basiswerts habe. Die Beklagte könne sich nicht auf die Ergänzungsbetriebsvereinbarung vom 20.11.2002 berufen, weil der Erfolgsfaktor Bank nicht Gegenstand der persönlichen Ziele des Klägers sein könne, und weil der Multiplikationsfaktor 0,5 nicht angewandt werden dürfe. Das Ablösungsprinzip könne nicht gelten, weil die Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 einen Eingriff in bereits begründete Ansprüche darstelle. Der Kläger habe im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarung die Zielvorgaben zu fast 11/12 erreicht gehabt. Allein wegen dieser Zeitkomponente sei der Leistungsbonusanspruch fast vollständig begründet gewesen. Die Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 habe den bereits voll erworbenen Vertrauensschutz des Klägers vernichtet. Deshalb gehe das angefochtene Urteil in fehlerhafter Weise davon aus, dass am 20.11.2002 noch nicht alle Voraussetzungen des Bonusanspruchs erfüllt gewesen seien. Im Übrigen sei es kein Entscheidungskriterium, dass in diesem Zeitpunkt das Mitarbeitergespräch noch nicht stattgefunden habe. Hinsichtlich des gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Anspruchs weist der Kläger darauf hin, dass der Betriebsrat der Beklagten zu 1. die Ergänzungsbetriebsvereinbarung erst im März 2003 unterzeichnet habe. Der Kläger sei an die GmbH entsandt gewesen.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes München, Az.: 20 Ca 21315/03 vom 15.02.2005, zugestellt am 21.02.2005, wird aufgehoben.

II. Das Urteil des Arbeitsgerichtes München, Az.: 20 Ca 21315/03 vom 15.02.2005, zugestellt am 24.05.2005, wird aufgehoben.

III. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger zu bezahlen einen Betrag in Höhe von € 9.641,22 brutto Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2003.

IV. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagten beantragen

die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Sie bringen vor, die Anwendung des Multiplikationsfaktors 0,5 sei korrekt, weil mangels gesicherter Rechtsposition des Klägers keine unechte Rückwirkung und auch kein Eingriff in bestehende Rechte oder rechtlich gesicherte Anwartschaften vorlägen. Der Kläger habe am 20.11.2002 noch keinen anteiligen Anspruch erworben, weil weder das Leistungsbonusbudget festgestanden habe noch die auf das gesamte Jahr bezogene Zielerreichung habe festgestellt werden können und auch das erforderliche Mitarbeitergespräch noch nicht geführt worden sei. Der Ansatz von 100 % innerhalb der Bandbreite "Ziel erreicht" sei zutreffend, weil der Kläger laut Ergebnispapier zum Mitarbeitergespräch das Ziel lediglich "gut erreicht" und gerade nicht "deutlich übertroffen" habe. Die Beklagte zu 1. wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, sie sei mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im maßgeblichen Jahr 2002 nicht passiv legitimiert.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 19.04.2005 und 01.06.2005, der Beklagten vom 27.06.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.09.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig. Dies gilt auch in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Berufung. Denn insoweit hat die Rechtsmittelfrist erst ab Zustellung des Endurteils vom 15.02.2005 an den Kläger am 24.05.2005 zu laufen begonnen, da die Beschwer des Klägers durch das angefochtene Endurteil in Bezug auf die Beklagte zu 1. erst aufgrund der Urteilsberichtigung erkennbar war (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 518 Rdn. 3).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder gegen die Beklagte zu 1. noch gegen die Beklagte zu 2. Anspruch auf restlichen Leistungsbonus in Höhe von 9.641,22 € brutto. Vielmehr hat die Beklagte zu 2. den Anspruch des Klägers auf Leistungsbonus für das Jahr 2002 vollständig durch Zahlung von 4.782,00 € brutto erfüllt.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf restlichen Leistungsbonus für das Jahr 2002 gegen die Beklagte zu 1.. Insoweit ist die Klage bereits unschlüssig.

Denn im gesamten Jahr 2002 bestand zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. kein Arbeitsverhältnis mehr. Somit konnte ein Anspruch auf Leistungsbonus für das Jahr 2002 weder auf einer zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. bestehenden arbeitsvertraglichen Grundlage noch aufgrund einer im Bereich der Beklagten zu 1. geltenden kollektivrechtlichen bzw. betriebsverfassungsrechtlichen Regelung bestehen. Hieran ändert auch die Entsendung des Klägers zur Beklagten zu 1. nichts, weil sie an der Stellung der Beklagten zu 2. als des Vertragsarbeitgebers des Klägers nichts geändert hat.

2. Der geltend gemachte Anspruch besteht aber auch nicht gegenüber der Beklagten zu 2..

a) Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Anwendung des Multiplikationsfaktors 0,5 auf den Bonusbasiswert 2002 als zulässig angesehen.

Entgegen der Auffassung des Klägers gilt im Verhältnis der Betriebsvereinbarungen vom 21.02.2002 und vom 20.11.2002 zueinander das Ablösungsprinzip und nicht das Kollisionsprinzip. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die durch die spätere Betriebsvereinbarung abgelöste Betriebsvereinbarungsregelung einen "Widerrufsvorbehalt" enthält. Irrelevant ist auch, ob der Kläger die verschlechternde Regelung akzeptiert bzw. ihr zustimmt hat oder nicht, weil Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend gelten.

Mit Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein rückwirkender Eingriff in entstandene Rechte bzw. Ansprüche des Klägers nicht vorliegt. Denn entgegen der Auffassung des Klägers waren jedenfalls am 20.11.2002 - dem Zeitpunkt des Abschlusses der ablösenden Betriebsvereinbarung - noch nicht alle Voraussetzungen des Bonusanspruchs erfüllt. Da es sich bei dem Leistungsbonus um einen Bonus für die Leistung im gesamten Jahr handelt, konnte der Anspruch auf diese Zusatzzahlung nicht vor Ablauf des Jahres 2002 entstehen, zumal bei Abschluss der ablösenden Betriebsvereinbarung nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten die Höhe des Leistungsbonusbudgets (vgl. Ziffer 4.1 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002) noch gar nicht feststand.

Der Kläger hatte am 20.11.2002 auch keinen anteiligen Anspruch auf den Leistungsbonus erworben. Denn für die Entstehung eines Anspruchs entsprechend der zurückgelegten Zeit des Bezugsjahres fehlt in der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002 jeder Anhaltspunkt. Eine solche Betrachtungsweise wäre auch einem Bonus oder einer Prämie, die für eine individuelle Arbeitsleistung gezahlt wird, wesensfremd. Die Leistung oder das Verhalten eines Arbeitnehmers in den letzten sechs Wochen des Jahres können den Grad der Zielerreichung sowohl nach oben als auch nach unten erheblich - und gerade auch überproportional - beeinflussen.

Der Kläger besaß am 20.11.2002 auch keine rechtlich geschützte Anwartschaft auf Leistungsbonus für 2002. Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass er in diesem Zeitpunkt einen erheblichen Teil seiner Zielerreichungsbemühungen bereits erbracht hatte. Gleichwohl hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keinen rechtlich geschützten Besitzstand erworben. Das Arbeitsgericht hat insoweit zu recht darauf hingewiesen, dass - anders als bei Versorgungsrechten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung - bei dem Leistungsbonus - also einer Jahresleistung - nicht von einem bereits erdienten Teil des Rechts gesprochen werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Ziffer 2.2 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Die dort wiedergegebenen Argumente erscheinen durchweg überzeugend (vgl. auch BAG vom 29.10.2002 - 1 AZR 573/01, zu I.2.bb der Gründe).

Schließlich pflichtet das Berufungsgericht dem Erstgericht auch darin bei, dass eine unzulässige unechte Rückwirkung durch die verschlechternde Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 auch nicht damit begründet werden kann, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarung ein rechtlich schützenswertes Vertrauen darauf entwickelt habe, dass er den Leistungsbonus ohne Anwendung des Multiplikationsfaktors 0,5 erhalte. Zwar ist aufgrund des Umstandes, dass der Kläger in diesem Zeitpunkt bereits nahezu 11/12 seiner "Zielerreichungsbemühungen" erbracht hatte, durchaus davon auszugehen, dass beim Kläger ein Vertrauen darauf entstand, er werde diese Arbeitgeberleistung auch ungeschmälert nach Maßgabe der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002 erhalten. Allerdings war dieses Vertrauen nicht rechtlich geschützt bzw. schützenswert. Vielmehr musste der Kläger - wie auch die anderen Arbeitnehmer - zumindest bis zum Schluss des Jahres 2002 jederzeit damit rechnen, dass die Betriebsparteien eine ablösende, also verschlechternde Regelung treffen würden (vgl. BAG vom 29.10.2002 - 1 AZR 573/01). Dies gilt insbesondere für den Fall einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens bzw. Konzerns, wie sie hier vorlag und auch in der Präambel der Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 angesprochen ist. Das vom Kläger entwickelte tatsächliche Vertrauen kann nicht mit einem rechtlichen geschützten Vertrauen gleichgesetzt werden.

Nach allem kann von einer unzulässigen echten oder unechten Rückwirkung durch die verschlechternde Betriebsvereinbarung vom 20.11.2002 nicht gesprochen werden.

Das Berufungsgericht vermag dem Kläger auch nicht darin zu folgen, dass der unternehmensbezogene Erfolgsfaktor 0,5 nicht Gegenstand des persönlichen Ziels des Klägers sein könne. Zum einen sind die Betriebsparteien in den Grenzen der Gesetze und Tarifverträge in der Gestaltung einer Betriebsvereinbarung frei. Dies gilt auch dann, wenn eine Arbeitgeberleistung - wie hier der Leistungsbonus - einen stärker unternehmensergebnisbezogenen Charakter erhält, unter Zurückdrängung der auf den individuellen Erfolg bezogenen Elemente. Dies steht im Gestaltungsermessen der Betriebsparteien. Der Kläger bleibt einer Erklärung dafür schuldig, warum solches nicht zulässig sein soll. Im vorliegenden Falle ist der den Betriebsparteien durch § 2 Abs. 1 BetrVG gesetzte Gestaltungsrahmen des Wohls der Arbeitnehmer und des Betriebs angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung des Konzerns im Jahr 2002 nicht überschritten.

b) Entgegen der Darstellung des Klägers ist der von der Beklagten zugrunde gelegte Leistungserreichungsfaktor von 100 % nicht zu beanstanden. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten zu 2. ist der Ansatz dieses Faktors im Falle der Erreichung der Kategorie "Ziel erreicht" grundsätzlich üblich. Der Beklagten bzw. der die Leistungsbewertung vornehmenden Führungskraft (vgl. Ziffer 4.1 Abs. 5 der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002) stand insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Dem Kläger oblag es, Tatsachen vorzutragen, die die von ihm gewünschte Abweichung nach oben rechtfertigten. Dies ist - trotz eines entsprechenden Hinweises der Beklagten zu 2. - nicht geschehen. Vielmehr hat sich der Kläger im Berufungsverfahren lediglich dahin eingelassen, aus dem Ergebnispapier über das Mitarbeitergespräch vom 26.03.2003 folge, dass er die Ziele deutlich übertroffen habe. Dies ist jedoch offensichtlich unzutreffend. Denn "gut erreicht" ist nicht gleichzusetzen mit "deutlich übertroffen". Deshalb geht die Rüge des Klägers fehl, dass das Arbeitsgericht insoweit hätte Beweis erheben müssen.

c) Der Kläger hat auch keinen individualrechtlich begründeten Anspruch auf restlichen Leistungsbonus für das Jahr 2002 in der begehrten Höhe. Aus dem Dienstvertrag vom 27.07.1998 ergibt sich dies nicht. Denn der Vertrag enthält keine eigenständige, konstitutive Regelung über die Zahlung eines Leistungsbonus in bestimmter Höhe, sondern lediglich - in Ziffer III.1 - grobe Vorgaben für den Fall der Zahlung eines solchen Bonus sowie - in Ziffer VI.6 - eine deklaratorische Verweisung auf Betriebsvereinbarungen.

Auch aus dem Schreiben der Beklagten zu 2. an den Kläger vom April 2002 folgt keine verbindliche Zusage eines Leistungsbonus für das Jahr 2002 in Höhe von 9.562,00 €. Denn das genannte Schreiben enthält - jedenfalls für das Jahr 2002 - keine rechtsgestaltende und rechtsverbindliche Erklärung dahingehend, der Kläger werde im Jahr 2002 ein Gesamtgehalt von 80.022,00 € unter Einschluss eines Leistungsbonus in Höhe von 9.562,00 € erhalten, sondern lediglich die In-Aussicht-Stellung eines erreichbaren Gesamtgehalts in dieser Höhe. Dies folgt schon daraus, dass nicht von einem "Leistungsbonus", sondern von einem "Leistungsbonus-Basiswert" die Rede ist. Es wird also lediglich die Ausgangsgröße, der Eckwert der Leistungsbonusbemessung unter Verwendung der Begrifflichkeit der Betriebsvereinbarung vom 21.02.2002 dargestellt, nicht jedoch der an der individuellen Leistung gemessene Leistungsbonusanspruch selbst - was im April 2002 hinsichtlich des Jahres 2002 noch gar nicht möglich war. Vor allem aber ergibt sich aus der Festsetzung des Leistungsbonus für das Jahr 2001 in Höhe von 7.600,00 € im genannten Schreiben eindeutig, dass die Aufschlüsselung der Gesamtjahresgehälter der Jahre 2001 und 2002 auf Seite 1 dieses Schreibens keine verbindliche Gehaltszusage, sondern nur eine erläuternde Beispielsrechnung enthält, die unter der - hypothetischen - Annahme steht, dass jeweils ein Leistungsbonus in Höhe des Leistungsbonus-Basiswerts beansprucht werden könne.

Somit ist dem Schreiben vom April 2002 nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2. unabhängig von den kollektivrechtlichen Voraussetzungen und ggf. über die betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen hinausgehend an den Kläger für das Jahr 2002 einen Leistungsbonus in Höhe von 9.562,00 € zahlen wolle.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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