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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 34/07
Rechtsgebiete: TVG, TV


Vorschriften:

TVG § 12a
TV für arbeitnehmerähnliche Personen beim Bayerischen Rundfunk
1. Ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen bei einer Rundfunkanstalt kann nicht auf das Merkmal der einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit verzichten, weil er dann den Beurteillungsspielraum überschreiten würde, der den Tarifvertragsparteien zusteht und der sich am gesetzlichen Leitbild des § 12a TVG orientieren muss. Ein Tarifvertrag kann die gesetzlichen Merkmale des Begriffs der arbeitnehmerähnlichen Person konkretisieren und ausgestalten, aber nicht völlig von ihnen absehen (im Anschluss an BAG 15.02.2005, Az 9 AZR 51/04).

2. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Ziff. 4.3 des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Personen beim Bayerischen Rundfunk vom 25.05./03.06.1992 setzt voraus, dass bereits während des dort geregelten Bezugszeitraums Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne des Tarifvertrages vorgelegen hat.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 34/07

Verkündet am: 19. Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Wego und Kaltenbrunner für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 27.11.2006 - 4a Ca 10136/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um einen vom Kläger gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Differenzvergütung aufgrund eines Tarifvertrags für arbeiternehmerähnliche Personen.

Der Kläger ist beim Beklagten, einer Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts, seit 17.05.1985 als freiberuflicher Mitarbeiter im Bereich Videogestaltung beschäftigt. Er ist Mitglied im Bayerischen Journalistenverband. Zwischen dem Beklagten und diesem Verband kam im Jahr 1992 ein "Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen" zustande.

Unter dessen Ziffer 1 "Geltungsbereich" ist in Ziffer 1.1. geregelt:

1.1 Dieser Tarifvertrag gilt für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne von § 12a TVG, die Mitglieder der diesen Tarifvertrag schließenden Gewerkschaften sind und in den letzten 6 Monaten Honorareinkünfte vom B. in Höhe von mindestens € 2.556,46 (Tarifstand 01.05.2003: € 3.450,00) hatten oder einen Ausgleichsanspruch entsprechend TZ 4.3. haben.

Unter Ziffer 2 "Wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit" finden sich folgende Bestimmungen:

2.1 Die wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters ist gegeben, wenn sie/er entweder beim B. oder bei ihm und anderen Rundfunkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) gehören, mehr als die Hälfte, bzw. wenn sie/er künstlerische, schriftstellerische oder journalistische Leistungen erbringt oder an der Erbringung, insbesondere der technischen Gestaltung solcher Leistungen unmittelbar mitwirkt, mindestens ein Drittel seiner/ihrer erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und ohne gesonderte Unkostenerstattung) in den letzten sechs Monaten vor Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungstarifverträgen bezogen hat.

Protokollnotiz zu 2.1.:

Voraussetzung ist ferner eine wiederkehrende Tätigkeit. Eine zeitlich nur geringfügige Mitarbeit begründet z.B. keinen Anspruch.

2.1.1. Soweit die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter jährlich Gesamtentgelte bezogen hat, die über dem höchsten Tarifgehalt (TZ 740 des Gehaltstarifvertrages für den B.) liegen, bemessen sich die in diesem Tarifvertrag und seinen Durchführungstarifverträgen vorgesehenen Leistungen maximal nach dem jeweiligen aus der Gehaltstabelle zu entnehmenden höchsten Tarifgehalt incl. der allgemeinen Zulage.

2.2. ....

In Ziffer 4.2.1 des genannten Tarifvertrages ist bestimmt, dass der Beklagte die von ihm beabsichtigte Beendigung der Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Frist vorher schriftlich ankündigen muss, sofern die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter schon mindestens einmal innerhalb der letzten abgerechneten drei Kalenderjahre einen berechtigten Urlaubsanspruch gegen ihn geltend gemacht hat. Für jeden über einmalig 6 Monate hinausgehenden einjährigen Zeitraum der Tätigkeit verlängert sich die Frist um einen Monat, bei mehr als 10-jähriger Tätigkeit auf höchstens 5 Monate. Nach mindestens 20-jähriger Tätigkeit für den Beklagten oder Vollendung des 55. Lebensjahres und mindestens 10-jähriger Tätigkeit für den Beklagten kann diese Tätigkeit nur aus wichtigem Grund beendet werden (Ziffer 4.2.1 des Tarifvertrages).

Für diesen Fall sieht Ziffer 4.2.2 vor:

4.2.2 Innerhalb der Fristen nach Ziffer 4.2.1 hat die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter Anspruch gegen den B. auf Fortzahlung ihres/seines in den sechs Monaten vor Zugang der Mitteilung vom B. im Monatsdurchschnitt bezogenen Entgelts oder falls dies für sie/ihn günstiger ist, des gemäß Ziffer 4.3 errechneten Durchschnittsentgelts mit der Verpflichtung zu entsprechenden, ihr/ihm zeitlich und fachlich zumutbaren Tätigkeiten.

In Ziffer 4.3 ist die Differenz- oder Ausgleichszahlung geregelt, die der Kläger vorliegend begehrt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

4.3 Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter, die/der keine Beendigungsmitteilung erhalten hat, mit ihrem/seinen in einem Kalenderjahr vom B. bezogenen Entgelt aber gegenüber dem Durchschnittsentgelt des vor der Geltendmachung des diesbezüglichen Anspruches liegenden 5-Kalenderjahre-Zeitraums ohne eigenes Verschulden zurückgeblieben ist, hat Anspruch auf Zahlung der insoweit ergebenden Differenz.

Bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens der letzten 5 Kalenderjahre bleiben das entgeltstärkste und entgeltschwächste Kalenderjahr unberücksichtigt. Nach Ermittlung des Durchschnittseinkommens werden noch folgende Abschläge vorgenommen:

Einkommen zwischen € 51.129,19 und dem höchsten Tarifentgelt 10 %

Einkommen zwischen € 38.346,89 und € 51.129,19 7,5 %

Einkommen zwischen € 25.564,59 und € 38.346,90 5 %

Einkommen unter € 25.564,59 kein Abschlag

Ausgleichszahlungen oberhalb des höchsten Tarifgehalts erfolgen nicht. Bei der Berechnung des Abschlags werden vergleichbare Einkünfte bei Dritten angerechnet. Als vergleichbar gelten insbesondere Einkünfte im Medienbereich. Ein Abschlag wird nur von den B.-Einkünften vorgenommen.

Der Abschlag unterbleibt, wenn in einem Zeitraum von 8 Jahren bereits zweimal ein Abschlag stattgefunden hat.

Ergänzend ist in Ziffer 4.4 bestimmt, dass keine Ausgleichszahlung erfolgt, wenn ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis weniger als 4 Jahre vom Beginn der Tätigkeit an besteht.

In Ziffer 5.1 ist bestimmt, dass bei Geltendmachung eines Anspruchs nach diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungstarifverträgen die Mitarbeiter/der Mitarbeiter verpflichtet ist, die tatsächlichen Voraussetzungen nachzuweisen.

Der Kläger bezog in den Jahren 2001 bis 2005 vom Beklagten für seine Tätigkeit als Videogestalter folgende Entgelte:

2001 € 58.588,87

2002 € 71.396,48

2003 € 140.370,67

2004 € 229.305,76

2005 € 174.368,35

Im genannten Zeitraum bezog er für die von ihm in freiberuflicher Tätigkeit insgesamt erbrachten Leistungen (einschließlich der beim Beklagten bezogenen Entgelte) folgende Entgelte:

2001 € 72.903,29

2002 € 158.629,60

2003 € 222.167,52

2004 € 303.139,81

2005 € 177.698,62 (Schriftsatz vom 17.11.2006, Seite 2)

Der Kläger begehrt vom Beklagten Fortzahlung seiner durchschnittlichen Vergütung im Bezugszeitraum von 5 Kalenderjahren gemäß Ziffer 4.3 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen (Tarifvertrag). Hierbei legt er unter Weglassung der höchsten bzw. niedrigsten Jahresbezüge im genannten Zeitraum die Durchschnittsvergütung abzüglich eines Abschlags von 10 % und der vom Beklagten im Jahr 2006 geleisteten Zahlungen zugrunde. Ausgehend hiervon gelangt er für 11 Monate im Jahr 2006 zu einem Betrag von € 71.395,49, den er vorliegend geltend macht.

Der Kläger meint, er sei eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des genannten Tarifvertrages und habe daher Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Differenzvergütung.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei schon deshalb keine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des genannten Tarifvertrages, weil es an der wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne von § 12a TVG fehle. Der Kläger sei nach der soziologischen Typik nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 27.11.2006, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage auf Feststellung, dass der Kläger arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 12a TVG sei, und auf Zahlung von € 79.797,00 nebst Zinsen abgewiesen, weil der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses und hinreichender Bestimmtheit unzulässig sei und der geltend gemachte Zahlungsanspruch ausscheide, da der Kläger nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig und damit nicht arbeitnehmerähnliche Person sei. Sowohl die beim Beklagten erzielte Vergütung als auch sein anderweitig erzielbarer Verdienst habe ab dem Jahr 2003 erheblich über der Pflichtversicherungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung gelegen. Auch habe er seinen Lebensunterhalt durch anderweitigen erzielbaren Verdienst sichern können. Soweit der Tarifvertrag in Ziffer 2.1 in der Sache auf die soziale Schutzbedürftigkeit als begriffliche Voraussetzung verzichte, beziehe er unzulässigerweise weitere Personenkreise - über den § 12a TVG hinaus - in den Geltungsbereich des Tarifvertrages ein und sei somit gemäß § 134 BGB nichtig.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.12.2006 zugestellte Endurteil vom 27.11.2006 mit einem am 10.01.2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit einem am 12.03.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er hält daran fest, dass er seine Einkünfte fast ausschließlich aus der Tätigkeit für den Beklagten bezogen habe, insbesondere in den Jahr 2001 bis 2005. In jedem Fall habe er seit Beginn seiner Tätigkeit für den Beklagten mindestens 1/3 der erwerbsmäßigen Gesamtentgelte beim Beklagten bezogen. Auch habe er in den letzten sechs Monaten vor Stellung des Antrags auf Ausgleichszahlung mit Schreiben vom 15.03.2006 mehr als 3.450,00 € monatlich an Entgelten vom Beklagten erhalten, so dass insoweit Ziffer 1.1 des Tarifvertrages erfüllt sei. Er ist der Auffassung, er sei arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 12a TVG. Der Tarifvertrag verweise zunächst auf diese gesetzliche Vorschrift und greife deren Tatbestandsmerkmale - wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit - in Ziffer 2 ausdrücklich auf. Die Tarifvertragsparteien hätten somit diese Tatbestandsmerkmale zum einen näher ausfüllen und zum anderen gleichzeitig abschließend regeln wollen, wer unter den tariflichen Geltungsbereich nach Ziffer 1.1 falle. Dazu seien die Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 25.02.2005 - 9 AZR 51/04) berechtigt. Der Kläger meint, es sei für seine Zugehörigkeit zum Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen unschädlich, dass er höhere Bezüge als das höchste Tarifgehalt bezogen habe; dies ergebe sich aus Ziffer 4.3 und 2.1.1. des Tarifvertrages, wonach die Obergrenze für Leistungen aus diesem Tarifvertrag das höchste Tarifgehalt darstelle. Er ist der Auffassung, seine Einbeziehung in den Geltungsbereich des Tarifvertrages scheitere nicht an der fehlenden sozialen Schutzbedürftigkeit; der Tarifvertrag enthalte insoweit keine Regelungslücke. Zur sozialen Schutzbedürftigkeit gehöre auch die Höhe der Vergütung, jedoch im Wesentlichen auch die Frage anderweitiger Einkünfte und Erwerbsmöglichkeiten. Im Gegensatz zum vom Bundesarbeitsgericht (BAG vom 02.10.1990 - 4 AZR 106/90) entschiedenen Fall sei er mehr als 20 Jahre fast ausschließlich für den Beklagten tätig gewesen im Rahmen von unregelmäßig wiederkehrenden großen Einzelaufträgen. Er habe mehr als 90 % seiner Einnahmen aus dieser Tätigkeit bezogen und daneben keine anderweitigen Einkünfte gehabt, die zur Existenzsicherung ausreichend gewesen wären. Somit sei er wie ein von einem Arbeitgeber abhängiger Arbeitnehmer sozialschutzbedürftig unbeschadet der Höhe seiner Vergütungen. Auch habe er nicht selbst bestimmen können, in welchem Umfang er für den Beklagten tätig werde.

Der Kläger ist der Ansicht, die Berufung des Beklagten auf die Unwirksamkeit des Tarifvertrages sei rechtsmissbräuchlich. Auch scheitere sein Anspruch nicht am Fehlen einer Geltendmachung. Für die Zuordnung zum Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen sei nicht die Geltendmachung eines Anspruchs, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit maßgebend.

Der Kläger beantragt daher:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 27.11.2006 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 71.359,49 nebst 5 %-Punkten hieraus über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er hält daran fest, dass der Kläger in den zurückliegenden Jahren nicht arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei. Jedenfalls seit 2003 sei er nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig gewesen. Dieses Merkmal sei anhand von § 12a TVG zu bestimmen. Die Tarifparteien hätten in Ziffer 2.1 des Tarifvertrages allein den Begriff der wirtschaftlichen Abhängigkeit definiert und das Merkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit lediglich erwähnt. Insofern hätten sie die nähere Ausfüllung des letztgenannten Begriffs unterlassen. Denn es fehle jegliche Präzisierung, so dass nach dem Aufbau des Tarifvertrages auf § 12a TVG zurückzugreifen sei. Die Tarifparteien hätten gerade nicht zu erkennen geben, dass sie die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale näher ausfüllen und gleichzeitig abschließend regeln wollten. Selbst wenn in Ziffer 2.1 eine abschließende Regelung dahin beabsichtigt gewesen sei, dass der Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit keine selbstständige Bedeutung habe, sei auf § 12a TVG zurückzugreifen, da dann eine unzulässige Erweiterung über den gesetzlichen Begriff hinaus vorliege. Dies gelte auch bei Heranziehung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2005 (9 AZR 51/04), weil die Tarifvertragsparteien dann offensichtlich den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätten. Sie hätten sich in diesem Falle nicht mehr am gesetzlichen Leitbild orientiert. Der Beklagte verweist erneut darauf, dass das höchste Tarifgehalt im Jahr 2003 bei 89.920,87 € gelegen habe und der Kläger zusätzlich zu den Tätigkeiten für den Beklagten in den Jahren 2002 bis 2004 Entgelte zwischen 73.000,00 € und 87.000,00 € erzielt habe. Somit sei der Kläger ab 2002 keine arbeitnehmerähnliche Person mehr. Der Status müsse aber auf Dauer vorliegen. Nach Auffassung des Beklagten scheitert sein Begehren schon an der fehlenden Geltendmachung eines Anspruchs durch den Kläger gemäß Ziffer 4.1.1 i.V.m. Ziffer 2.1 des Tarifvertrages. Ohne Geltendmachung könne das Rechtsverhältnis als arbeitnehmerähnliche Person nicht beginnen. Der Kläger habe aber erstmals am 17.02.2006 einen Anspruch gegenüber dem Beklagten - Urlaubsanspruch - geltend gemacht. Also habe für die vergangenen Jahre keine Arbeitnehmerähnlichkeit nach dem Tarifvertrag bestanden.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 12.03.2007 und 14.05.2007, des Beklagten vom 19.04.2007 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.07.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Denn der im Berufungsverfahren noch anhängige Zahlungsanspruch scheitert daran, dass der Kläger nicht arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des Tarifvertrages für arbeitsnehmerähnliche Personen beim Beklagten ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann auf das Begriffsmerkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit, wie sie in vergleichbarer Weise bei einem Arbeitnehmer vorliegt, nicht verzichtet werden. Ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen, der inhaltlich auf dieses Merkmal verzichtete, entspräche nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild, wie dies das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 15.12.2005 - 9 AZR 51/04) gefordert hat; die Tarifparteien würden dann den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum überschreiten, der sich am Leitbild des § 12a TVG orientieren muss. Sie können das gesetzliche Leitbild konkretisieren und seine wesentlichen Merkmale ausgestalten, nicht aber von ihnen absehen. Dieses Leitbild ist aber, wie sich aus dem ersten Satzsatzteil von § 12a Abs. 1 Ziffer 1 TVG ergibt, essentiell geprägt durch die beiden Kriterien der wirtschaftlichen Abhängigkeit und der sozialen Schutzbedürftigkeit vergleichbar einem Arbeitnehmer.

Die Frage, ob die Tarifvertragsparteien befugt sind, den Kreis der Personen, für die ihnen die Tarifautonomie eingeräumt ist, über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus zu erweitern (grundsätzlich ablehnend BAG vom 02.10.1990 - 4 AZR 106/90; grundsätzlich bejahend BAG vom 15.02.2005 - 9 AZR 51/04), kann jedoch letzten Endes dahinstehen, weil der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen - ungeachtet seines missglückten Aufbaus und missverständlichen bzw. unklaren Inhalts - das gesetzliche Leitbild nicht verlässt. Dies folgt allerdings nicht daraus, dass er unter Ziffer 2. "Wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit" beide Wesensmerkmale der Arbeitnehmerähnlichkeit eigenständig regeln bzw. konkretisieren würde. Denn der Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit ist in der Überschrift zu Ziffer 2., worauf der Beklagte zu Recht hinweist, lediglich floskelhaft erwähnt, aber im nachfolgenden Text allenfalls sehr rudimentär - in der Protokollnotiz zu 2.1 mit dem Hinweis auf das Erfordernis einer wiederkehrenden Tätigkeit - angedeutet. In Wahrheit befasst sich Ziffer 2. des Tarifvertrages, soweit dort die begrifflichen Voraussetzungen der Arbeitnehmerähnlichkeit angesprochen sind - in Ziffer 2.1 -, lediglich mit dem Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit.

Gleichwohl kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, in Ziffer 2. würden die Tatbestandsmerkmale der Arbeitnehmerähnlichkeit näher ausgeführt und gleichzeitig abschließend geregelt, wer unter den tariflichen Geltungsbereich nach Ziffer 1.1 falle. Denn der Tarifvertrag legt seinen persönlichen Geltungsbereich dergestalt fest, dass dieser zunächst auf den Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen "im Sinne des § 12a TVG" eingegrenzt und sodann in Ziffer 2. - insbesondere Ziffer 2.1 - näher konkretisiert wird. Daraus folgt für den tarifvertraglichen Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person, dass dieser zunächst auf dem gesetzlichen Begriff mit seinen wesentlichen Begriffsmerkmalen aufbaut und alle weiteren Begriffsmerkmale der Arbeitnehmerähnlichkeit lediglich Konkretisierungen dieser gesetzlichen Begriffsmerkmale darstellen, wo dies die Tarifvertragsparteien für nötig gehalten haben. Durch diesen Aufbau, bei dem der gesetzliche Begriff den Rahmen für etwaige weitere Konkretisierungen bildet, ist gewährleistet, dass der gesetzliche Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person durch die tarifvertraglichen Konkretisierungen weder ausgeweitet noch eingeschränkt wird. Denn sonst würde es sich nicht mehr um den Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen "im Sinne von § 12a TVG" handeln.

Regelt aber Ziffer 2. des Tarifvertrages entgegen der Auffassung des Klägers nicht abschließend, wer unter den tariflichen Geltungsbereich nach Ziffer 1.1 fällt, weil nicht Ziffer 2.1 die Ziffer 1.1 des Tarifvertrages "regiert", sondern umgekehrt, kommt es vorliegend darauf an, ob der Kläger in dem für den geltend gemachten Anspruch auf Differenzvergütung nach Ziffer 4.3 des Tarifvertrages maßgebenden 5-Jahres-Zeitraum - 2001 bis einschließlich 2005 - vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig war. Denn Arbeitnehmerähnlichkeit muss nach dem Zweck der Differenzvergütungsregelung in Ziffer 4.3 des Tarifvertrages und dessen Gesamtzusammenhang bereits im Bezugszeitraum - in der Regel 5 Jahre, bei kürzerer Zusammenarbeit gemäß Ziffer 4.4 mindestens 4 Jahre - bestanden haben. Die tarifvertragliche Regelung über die Differenzvergütung bzw. Ausgleichszahlung will die Folgen der wirtschaftlichen Abhängigkeit arbeitnehmerähnlicher Mitarbeiter im Falle einer "Austrocknung" der Vertragsbeziehungen abmildern, indem die Existenzsicherung für eine gewisse Zeit aufrechterhalten wird. Dieser existenzsichernde Schutz ist aber an den Status der Arbeitnehmerähnlichkeit geknüpft, weil sonst die Risiken typischen unternehmerischen Handelns abgesichert würden, was nicht Sinn eines Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen sein kann.

Der Kläger war in dem für die Zubilligung der Differenzvergütung nach Ziffer 4.3 des Tarifvertrages maßgebenden 5-Jahres-Zeitraum nach der soziologischen Typik der geleisteten Dienste (vergleiche BAG vom 02.10.1990 - 4 AZR 106/90 mit weiteren Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtssprechung und der Literatur; ErfKomm/Franzen, 7. Aufl., § 12a TVG Rn. 5) nicht vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial bedürftig. Dies hat das Arbeitsgericht richtig gesehen. Der Kläger selbst weist zutreffend darauf hin, dass zu der gebotenen Bewertung der Umstände des Einzelfalles die Höhe der Vergütung, aber auch die Frage anderweitiger Einkünfte und Erwerbsmöglichkeiten von maßgebender Bedeutung sind. Hinzukommen, worauf das Erstgericht mit Recht verwiesen hat, die Besonderheit der Medienbranche, deren Arbeitsmarkt eine erheblich höhere Dynamik und Durchlässigkeit aufweist als andere Wirtschaftsbereiche, insbesondere aber auch das von Publikumsgeschmack, Quote und der weltweiten Medienpräsenz politischer, kultureller und wirtschaftlicher Ereignisse bestimmte Abwechslungs- und Flexibilitätsbedürfnis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - nicht zuletzt in Konkurrenz zum kommerziellen Fernsehen -, das unter anderem zur immer stärkeren Auslagerung der Erstellung von Produkten und Produktionen auf externe Produktionsgesellschaften und damit zu einer Verbreiterung des Arbeitsmarktes für programm- bzw. produktnah tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt. Insofern trifft die Feststellung des Arbeitsgerichts durchaus zu, der Arbeitsmarkt in der Medienbranche weise eine erheblich höhere Dynamik und auch Durchlässigkeit auf als in anderen Wirtschaftsbereichen.

Von besonderer Bedeutung ist aber für die Beurteilung der soziologischen Typik der Leistungen des Klägers, dass dieser jedenfalls in den Jahren 2003 bis 2005 außerordentliche hohe Leistungsentgelte beim Beklagten bezog. Diese lagen eklatant über dem höchsten Tarifgehalt von 80.920,87 € im Jahr 2003 und 92.230,08 € im Jahr 2006 und versetzten den Kläger unschwer in die Lage, in den genannten Jahren Daseinsvorsorge zu betreiben.

Von noch größerer Bedeutung ist, dass der Kläger in den Jahren 2002 bis 2004 anderweitige Leistungsentgelte bezog, die für sich genommen in einem Arbeitsverhältnis als hoch bis sehr hoch zu bezeichnen wären. So hat der Kläger im Jahr 2002 von anderen Vertragspartnern Vergütungen in Höhe von mehr als 87.000,00 € bezogen, im Jahr 2003 mehr als 81.000,00 € und im Jahr 2004 mehr als 73.000,00 €. Die vom Beklagten in diesen Jahren an den Kläger gezahlten Entgelte beliefen sich auf 45,01 %, 63,18 % und 75,64 % seiner Gesamteinnahmen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht nicht auf das nach Einkommenssteuerrecht zu versteuernde Einkommen abgestellt, sondern auf die "Einnahmen". Denn der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen stellt in Ziffer 2.1 auf den beim Beklagten bezogenen Anteil der "erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und ohne gesonderte Unkostenerstattung)" ab. Auch insoweit war der Kläger somit in der Lage, allein mit den anderweitig bezogenen Entgelten eine mehr als ausreichende Daseinsvorsorge zu betreiben.

Hinzu tritt, dass er nach seinem eigenen Vortrag die beim Beklagten bezogene Entgelte im Rahmen von unregelmäßigen wiederkehrenden großen Einzelaufträgen bezog. Auch dieses deutet - vor allem im Zusammenhang mit der Höhe der anderweitig erzielten Entgelte - auf eine typisch unternehmerische Verwertung seiner Arbeitskraft hin. Ganz offensichtlich hatte der Kläger neben den unregelmäßigen großen Einzelaufträgen des Beklagten ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Leistungen am Markt anzubieten und zu erbringen und daraus einträgliche Einnahmen zu beziehen. Für das Berufungsgericht war deshalb der Vortrag des Klägers (Seite 7 der Berufungsbegründung), er habe daneben kein Einkommen bezogen, das zur Existenzsicherung ausreichend (gewesen) sei, nicht nachvollziehbar.

Soweit der Kläger (an derselben Stelle) davon spricht, auch und gerade bei einem entsprechend hohen Gehalt sei er von einem Auftraggeber sozial abhängig, weil er von der Vergabe einzelner Aufträge durch den Beklagten und von einer durch den Beklagten im Rahmen der langjährigen Zusammenarbeit beeinflussbaren Inanspruchnahme abhängig gewesen sei, beschreibt er einen Sachverhalt, der gerade nicht für die soziale Abhängigkeit im Sinne des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, sondern für die wirtschaftliche Abhängigkeit kennzeichnend ist.

Auch vermochte die Berufungskammer aufgrund des pauschalen Vortrags des Klägers, er habe nicht selbstständig bestimmen können, in welchem Umfang er für den Beklagten tätig werde, nicht nachzuvollziehen, auf welchen konkreten Umständen diese Aussage beruht, abgesehen davon, dass auch dieses Kriterium seine Bedeutung nicht im Bereich des Begriffs der arbeitnehmerähnlichen Person, sondern des Arbeitnehmerbegriffs hat.

Nach allem erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für den Differenzvergütungsanspruch gemäß Ziffer 4.3 des Tarifvertrages, und zwar nicht schon deshalb, weil die beim Beklagten bezogenen Leistungsentgelte über dem höchsten Tarifgehalt lagen - was, wie der Kläger zutreffend ausführt, nicht zur Verneinung der sozialen Schutzbedürftigkeit vergleichbar einem Arbeitnehmer geführt hätte, weil schon der Tarifvertrag dies als mit der Arbeitnehmerähnlichkeit vereinbar ansieht -, sondern weil das Gesamtbild im Einzelfall ergibt, dass der Kläger nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig ist bzw. war.

Dahinstehen kann deshalb, ob das Zahlungsbegehren des Klägers bereits am Fehlen der Geltendmachung eines Anspruchs in den jeweiligen Jahren zwischen 1997 und 2005 scheitert, wie dies der Beklagte behauptet.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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