Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 410/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA, TVÜ-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 15
TV-Ärzte/VKA § 16
TVÜ-Ärzte/VKA § 6
1. Ein Arzt ist nicht allein deshalb in die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA eingruppiert, weil er ausdrücklich zum Oberarzt bestellt wurde. Vielmehr müssen die in der Protokollerklärung zu § 16 Buchst. c TV-Ärzte/VKA genannten Voraussetzungen erfüllt sein.

2. Die genannte Protokollerklärung stellt nicht lediglich eine Auslegungsregel für Fälle dar, in denen eine ausdrückliche Bestellung oder Ernennung zur Oberärztin / zum Oberarzt nicht erfolgt ist.

3. Zu den Begriffen der "medizinischen Verantwortung", der "selbständigen Teil- oder Funktionsbereiche" und der "ausdrücklichen Übertragung" im Sinne der genannten Protokollerklärung.


Landesarbeitsgericht München

URTEIL

3 Sa 410/08

Verkündet am: 14.08.2008

In dem Rechtsstreit

erlässt die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Frau Pracht und Herr Moosburger

im Namen des Volkes

folgendes

Urteil:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 02.04.2008 - 5 Ca 2710/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die vom Kläger begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm seit 01.08.2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) gemäß § 16 Buchstabe c des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17.08.2006 zu zahlen und die entsprechenden Bruttonachzahlungsbeträge zu verzinsen.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.10.1995 als Anästhesist beschäftigt. Mit Schreiben vom 01.02.1999 wurde er zum Oberarzt der Anästhesie-Abteilung des Krankenhauses der Beklagten bestellt. Chefarzt der Anästhesie-Abteilung ist Herr Dr. med. K., in dessen Dienstvertrag vom 29.06.2001 (dort § 4) bestimmt ist, dass ihm die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung obliegt, und dass er für die medizinische Versorgung der Kranken in seiner Abteilung verantwortlich ist. Die Arbeitszeit des Klägers wurde mit Änderungsvertrag vom 20.01.2005 bis 29.02.2008 auf 46,75 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers reduziert.

Beide Parteien sind kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte - Niederbayern - vom 18.04.2007 wurde der Kläger mit Wirkung vom 01.07.2007 gemäß § 31 a Abs. 1 Ärzte-ZV zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung betreffend die Ausführung von Narkosen und Anästhesien sowie von Leistungen im Bereich der ambulanten Schmerztherapie auf Überweisung durch Vertragsärzte ermächtigt.

Der Kläger, der seine Arbeitsleistung blockweise erbringt, indem er in der einen Woche arbeitet und sodann eine Woche frei hat, führt in der Klinik der Beklagten Schmerztherapie sowohl an stationären als auch an ambulanten Patienten durch. Dies geschieht während seiner Arbeitswochen auch während der Dienstzeit und in den Wochen ohne Dienst in seiner Freizeit als Nebentätigkeit. Hierzu hat ihm der Rechtsvorgänger der Beklagten mit Schreiben vom 01.12.1977 und 14.04.2005 in stets widerruflicher Weise die Genehmigung erteilt, im Rahmen einer Nebentätigkeit selbständig ambulante Leistungen zu erbringen. Gemäß Schreiben vom 14.04.2005 bezog sich diese Genehmigung auf Leistungen ausschließlich im Rahmen der "Ermächtigung". Ferner ist dort ausgeführt, es werde davon ausgegangen, dass durch die Ausübung der Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen, der Dienstbetrieb und sonstige dienstliche Belange in keiner Weise berührt werden; die Anteile aus den Liquidationserlösen seien mit den monatlichen Poolzahlungen abgegolten.

Die Behandlung von Schmerzpatienten außerhalb der Dienstzeit erfolgt gegen Rechnung des Klägers und Zahlung einer entsprechenden Abgabe an die Beklagte, die ihm einen eigenen Behandlungsraum einschließlich eines Wartebereichs mit entsprechendem Inventar zur Verfügung stellt, der ausschließlich für die ambulante und stationäre Schmerztherapie genutzt wird, und die ihm eine Terminvergabe durch eine Sekretärin gestattet. Ferner ist der Kläger als für die Schmerztherapie zuständiger Arzt auf einer Informationstafel in der Eingangshalle der Beklagten genannt. Auch auf einem von der Beklagten erstellten Faltblatt wird die ambulante und stationäre Schmerztherapie als eine der Schwerpunkte der Abteilung für Anästhesie genannt und der Kläger als Oberarzt aufgeführt. Außer dem Kläger hat kein Arzt der Anästhesie-Abteilung, auch nicht der Chefarzt, eine Ermächtigung zur Ausübung der ambulanten Schmerztherapie.

Während der Dienstwochen ist der Kläger vormittags von 07.30 Uhr bis 13.30 Uhr im Bereich der Anästhesie (OP, Intensivstation, Schmerzkathetervisite usw.) eingesetzt, ab etwa 14.00 Uhr beginnt er je nach Patientenanfall seine Tätigkeit im Rahmen der Therapie chronischer Schmerzzustände. Der Anteil an Tätigkeiten in der Schmerztherapie erreicht nicht 50 Prozent der Gesamttätigkeit des Klägers.

Zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände kam am 17.08.2006 der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) zustande. Dessen § 16 regelt in Buchstaben b und c die Vergütung von Fachärztinnen/Fachärzten sowie Oberärztinnen/Oberärzten wie folgt:

"§ 16 Buchstabe b:

Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

Protokollerklärung zu Buchstabe b:

Fachärztin/Facharzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist.

§ 16 Buchstabe c:

Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt"

In der Protokollerklärung zu Buchstabe c ist bestimmt:

"Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist."

§ 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA lautet:

"Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen."

Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgebracht, ihm sei der Bereich der Schmerztherapie vom damaligen Chefarzt Dr. T. mündlich übertragen worden. Dies sei mit Zustimmung des damaligen Klinikdirektors geschehen. Denn an der Informationstafel sei als zuständiger Arzt im Bereich der ambulanten Leistungen für die Schmerztherapie nur er genannt, auch sei die Ermächtigung zur Behandlung von Schmerzpatienten an die Tätigkeit des Klägers in der Klinik der Beklagten gebunden. Diese habe die genannten Tätigkeiten geduldet und damit im Sinne der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA übertragen. § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA passe nicht auf die Entgeltgruppen III und IV; daher könne es nicht auf die zeitliche Gewichtung der Tätigkeiten ankommen. Schließlich ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB bzw. aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens, dass die Zustimmung als erteilt gelten müsse, weil die Beklagte nicht eigene Teil- oder Funktionsbereiche unter der - allein möglichen - medizinischen Verantwortung des Klägers bilden könne, um dann durch Verweigerung der ausdrücklichen Übertragung dessen Höhergruppierung zu vermeiden.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01. August 2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) gemäß § 16 Buchstabe c) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen und die anfallenden Bruttonachzahlungsbeträge zwischen der EG III und EG II der Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA - beginnend mit dem 31.08.2006 - ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat ausgeführt, aus der Nebentätigkeitsgenehmigung und der Gestattung der Einholung der Ermächtigung des Zulassungsausschusses Ärzte N. könne nicht auf eine ausdrückliche Übertragung im Sinne der Eingruppierungsvorschrift geschlossen werden. Die Schmerztherapie sei Teil der Leistungen der Anästhesieabteilung, für die der Chefarzt die alleinige medizinische Verantwortung trage. Auch scheide eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III aus, weil der Kläger nicht zu mindestens 50 Prozent mit Tätigkeiten der Schmerztherapie befasst sei.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 02.04.2008, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage abgewiesen, weil dem Kläger - ungeachtet, ob es sich bei der Durchführung der Schmerztherapie alleine durch ihn um selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik oder Abteilung im Sinne der Entgeltgruppe III handele - nicht die medizinische Verantwortung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sei. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 25.02.1987 - 4 AZR 217/86) genüge die Duldung der ambulanten Behandlung von Schmerzpatienten im Rahmen der Nebentätigkeitsgenehmigung und eine konkludente Übertragung nicht den Anforderungen einer "ausdrücklichen" Übertragung. Die Voraussetzungen des § 162 BGB oder eines Verstoßes gegen das in § 242 BGB verankerte Verbot widersprüchlichen Verhaltens lägen nicht vor. Schließlich erfülle der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA, weil seine Tätigkeiten in der Schmerztherapie insgesamt nicht die Hälfte der Arbeitsvorgänge des Klägers insgesamt erreichten. Vielmehr erfülle er die Voraussetzungen der Entgeltgruppe II, weil seine Tätigkeit ohne Weiteres in normale Facharzttätigkeit und in Tätigkeit in der Schmerztherapie aufgegliedert werden könnten.

Der Kläger hat gegen das ihm am 04.04.2008 zugestellte Endurteil vom 02.04.2008 mit einem am 28.04.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 04.06.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet. Er trägt vor, es liege nicht lediglich eine Duldung der Ausübung einer Nebentätigkeit durch die Beklagte vor. Vielmehr sei die Schmerzbehandlung während der Dienstzeit eine dienstliche Aufgabe. Im Übrigen erfülle er bereits durch die förmliche Übertragung der Aufgabe "Oberärztin/Oberarzt" im Ernennungsschreiben vom 01.02.1999 die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III. Die Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA sei lediglich eine Auslegungshilfe für Zweifelsfälle, wenn eine Konkretisierung der Oberarztfunktion im Arbeitsvertrag oder ein Ernennungsschreiben fehle. Die Niederschrifterklärung der Tarifvertragsparteien zu § 6 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA, wonach die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass Ärzte, die am 31.07.2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlören, wobei eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III hiermit nicht verbunden sei, betreffe nur Titular-Oberärzte ohne entsprechende Tätigkeit. Im Übrigen sei der Kläger auch unter Berücksichtigung der Protokollerklärung als Oberarzt anzusehen, weil ihm die ambulante Schmerztherapie ausdrücklich durch den Chefarzt Dr. T. mit Zustimmung des Klinikdirektors übertragen worden sei und er hierfür die medizinische Verantwortung trage. Eine Übertragung der Verantwortung mit Wissen und Wollen genüge. Die vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 25.02.1987 (4 AZR 217/86) entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es sich dort um einen öffentlichen Arbeitgeber gehandelt habe. Für die Übertragung fordere der Tarifvertrag keine bestimmte Form. Auch kämen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Rechtsgrundsätze der §§ 162, 242 BGB zum Tragen, weil die Beklagte - unter anderem -Werbung für Schmerztherapie auch in der hauseigenen Zeitschrift mache. Spätestens ab Klageerhebung hätte sie dieses Verhalten abstellen müssen.

Der Kläger trägt weiter vor, er sei aufgrund der Bestellung zum Oberarzt tatsächlich zu mehr als 50 Prozent oberärztlich tätig. Seine oberärztliche Verantwortung beziehe sich nicht alleine auf die Tätigkeit im Bereich Schmerztherapie, sondern auf seine gesamte Oberarzttätigkeit. Er habe im Arbeitsbetrieb fachliche und organisatorische Entscheidungen gegenüber den Assistenzärzten zu treffen, für die er die Verantwortung treffen müsse, führe Tätigkeiten durch, die ein Assistenz- und Facharzt aufgrund der fachlichen Kompetenz und der übernommenen Verantwortung nicht durchführen könne - z. B. die Anästhesie bei multimorbiden Hochrisikopatienten und schwierige sowie riskante Therapien bei Intensivpatienten oder Patienten in der Notaufnahme -, er vertrete den Chefarzt und leiste Oberarzt-Rufbereitschaft, wobei er dann "diensthabender Chefarzt" sei. Somit könne die Erfüllung der Anforderung des § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA nur in Gesamtbetrachtung seiner Arbeitsvorgänge gesehen werden.

Er beantragt deshalb, das Endurteil vom 02.04.2008 "aufzuheben" und nach den Anträgen im erstinstanziellen Verfahren zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Kosten beider Rechtszüge dem Kläger aufzuerlegen.

Sie bringt, die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verteidigend und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend, vor, die Anästhesieabteilung werde allein vom Chefarzt geleitet, dem die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung obliege und dem für die medizinische Versorgung der Kranken in seiner Abteilung die Verantwortung übertragen sei. Der Kläger erbringe seine ambulanten Schmerzbehandlungen als Nebentätigkeit außerhalb seiner regulären Dienstzeit, in Absprache mit dem Chefarzt oder dessen Stellvertreter auch im Rahmen der Dienstaufgaben, soweit notwendig. Er gehe im Übrigen, auch hinsichtlich seiner konsiliarischen Tätigkeit, seinen normalen fachärztlichen Aufgaben nach. Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung für die Schmerztherapie sei zu keinem Zeitpunkt vorgenommen worden, auch nicht durch den Chefarzt mit Wissen und Zustimmung des Arbeitgebers. Dem Kläger sei lediglich gestattet worden, die Ermächtigung zur ambulanten Behandlung zu beantragen. Diese sei von der Beklagten lediglich geduldet, ausnahmsweise auch während der Dienstzeit. Die Beklagte meint, der Kläger sei aufgrund der Bestellung zum Oberarzt nicht automatisch in Entgeltgruppe III eingruppiert. Er erfülle die Voraussetzungen des § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA nicht. Eine faktische Übertragung reiche insoweit nicht aus. Die Beklagte hält daran fest, dass ein widersprüchliches Verhalten nicht vorliege. Die Rechtsauffassung des Klägers bedeute einen unzulässigen Eingriff in Art. 12 GG.

Nach Auffassung der Beklagten sind die übrigen vom Kläger genannten Tätigkeiten nicht als oberärztliche Tätigkeiten im Sinne von § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA anzusehen, da sie nicht Tätigkeiten in einem Teil- und Funktionsbereich seien. Irrelevant seien somit die Rufbereitschaft, die Abwesenheitsvertretung des Chefarztes, die Tätigkeit in der Notaufnahme sowie riskante Diagnosen und Therapien bei Intensivpatienten.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 04.06.2008 und 21.07.2008 sowie der Beklagten vom 03.07.2008, ferner auf die Sitzungsniederschrift vom 24.07.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger ist nicht bereits aufgrund seiner Bestellung zum Oberarzt in die Entgeltgruppe III eingruppiert. Er erfüllt auch nicht aufgrund seiner Aufgaben außerhalb des Bereichs der Schmerztherapie bzw. aufgrund seiner allgemeinen Oberarztfunktion die Anforderungen für eine Eingruppierung in die genannte Entgeltgruppe. Vielmehr kommt die von ihm für richtig gehaltene Eingruppierung nur aufgrund seiner Tätigkeiten im Bereich der Schmerztherapie in Betracht. Diese Tätigkeiten, die einen gesonderten Arbeitsvorgang im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA bilden, füllen jedoch nicht die Arbeitszeit des Klägers mindestens zur Hälfte aus.

1. Der Kläger ist nicht bereits aufgrund seiner Bestellung zum Oberarzt in Entgeltgruppe III eingruppiert. Denn entgegen seiner Auffassung genügt die ausdrückliche Bestellung bzw. die förmliche Übertragung der Aufgabe "Oberärztin/Oberarzt" nicht den Anforderungen dieser Entgeltgruppe. Vielmehr müssen die in der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA genannten Voraussetzungen erfüllt sein. D. h., dass der Oberärztin oder dem Oberarzt die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden sein muss.

Die Protokollerklärung ist nicht eine Art Tarifnorm minderer Qualität oder gar nur eine Auslegungsregel für Zweifelsfälle, z. B. dann, wenn eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Festlegung der Oberarztfunktion oder ein Ernennungsschreiben fehlt. Ein solches Verständnis ist mit dem Wortlaut und der Systematik des Tarifvertrages nicht vereinbar. Denn dann hätte die Protokollerklärung sinngemäß bestimmen müssen, dass "im Zweifel als Oberarzt gilt bzw. dass "Oberarzt insbesondere/z. B. ist, wer Der Wortlaut der Protokollerklärung ist jedoch im Sinne einer typischen abstrakt-analytischen Nominaldefinition ausgestaltet, wogegen der Text von § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA lediglich eine klassenbegriffliche Umschreibung enthält. Dies bedeutet, dass die Protokollerklärung erst den tarifvertraglichen Begriff der Oberärztin/des Oberarztes definitorisch hinreichend ausfüllt. Der Inhalt der genannten Tarifbestimmung und die Protokollerklärung hierzu bilden eine untrennbare Einheit im Sinne der deduktiven Begriffslogik (vgl. BAG 19.09.2007 - 4 AZR 670/06; BAG 17.03.2004 - 10 AZR 317/03).

Dieses Ergebnis wird in systematischer Hinsicht bestätigt durch einen Vergleich mit § 16 Buchstabe b TV-Ärzte/VKA. Auch zu dieser Bestimmung findet sich eine Protokollerklärung des Inhalts, dass Fachärztin/Facharzt diejenige Ärztin/derjenige Arzt ist, die/der aufgrund abgeschlossener Facharztweiterbildung in ihrem/seinem Fachgebiet tätig ist. Da eine "Ernennung" zum Facharzt unüblich ist, bestehen keine Zweifel daran, dass diese Protokollerklärung den in der eigentlichen Tarifbestimmung undefiniert gebliebenen Klassenbegriff der Fachärztin/des Facharztes inhaltlich ausfüllt. Entsprechendes muss dann aber auch für die Definition des Begriffes der Oberärztin/des Oberarztes in § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA gelten. Schließlich spricht die von der Beklagten bereits im ersten Rechtszug - unbestritten - dargelegte Tarifgeschichte (Schriftsatz vom 07.12.2007 Seite 3 und 4) und insbesondere auch die Niederschrifterklärung zu § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA (Bl. 51 d. A.) dafür, dass sich durch die neue tarifvertragliche Eingruppierungsregelung nichts an der bisherigen tarifrechtlichen Situation geändert hat, wonach die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" nicht eingruppierungsrelevant war.

2. Der Kläger erfüllt - bei Berücksichtigung der in der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA genannten Anforderungen - nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III. Denn ihm ist aufgrund seiner allgemeinen oberärztlichen Aufgaben kein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich der Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden, sieht man einmal von seinen Tätigkeiten in der Schmerztherapie ab.

a) Dabei ist von dem Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, wie er von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt worden ist, also von einer unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertenden Arbeitseinheit der zu einem bestimmenden Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit (z. B. BAG 25.10.1995 - 4 AZR 479/94; BAG 21.10.1992 - 4 AZR 69/92).

Unterstellt man zugunsten des Klägers, dass seine schmerztherapeutischen Tätigkeiten sowohl an stationären als auch an ambulanten Patienten, soweit er sie während seiner Arbeitszeit bzw. seiner Arbeitswochen ausübt, Teil seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben darstellen, ist angesichts der klaren Abgrenzbarkeit dieses Tätigkeitsbereichs und der vom Kläger selbst betonten, ausschließlich in seiner Person konzentrierten Qualifikation und Kompetenz für diese ärztlichen Leistungen insoweit ein gesonderter Arbeitsvorgang anzunehmen. Dagegen lassen sich die sonstigen Tätigkeiten des Klägers als Anästhesist im Klinikbetrieb nach tatsächlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll und vernünftig abgrenzen. Sie bilden daher einen weiteren - den zweiten - vom Kläger auszuführenden Arbeitsvorgang. Beide Arbeitsvorgänge füllen die gesamte Arbeitszeit des Klägers aus.

b) Der Arbeitsvorgang "allgemeine oberärztliche Tätigkeit" des Klägers erfüllt nicht die Voraussetzungen der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA. Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger insoweit die medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktionsbereiche der Abteilung - ausdrücklich oder nicht ausdrücklich - übertragen worden wäre.

aa) Es ist schon nicht ersichtlich, dass und ggf. welche "selbständigen Teil- oder Funktionsbereiche" innerhalb der Anästhesieabteilung bestünden - abgesehen vom Bereich der (ambulanten) Schmerztherapie -, die dem Kläger hätten übertragen werden können. Der Kläger hat, abgesehen vom Bereich der Schmerztherapie, nicht dargetan, in welche Teil- oder Funktionsbereiche die Anästhesieabteilung untergliedert wäre. Auch in Bezug auf die von ihm genannten Aufgaben der Anästhesie bei multimorbiden Hochrisikopatienten sowie der schwierigen und riskanten Therapien bei Intensivpatienten oder bei Patienten in der Notaufnahme ist nicht erkennbar, dass es sich um selbständige Teil- oder Funktionsbereiche im Sinne der genannten Protokollnotiz handelte.

bb) Soweit der Kläger anführt, er habe im Arbeitsbetrieb fachliche und organisatorische Entscheidungen gegenüber den Assistenzärzten zu treffen, er führe Tätigkeiten durch, die ein Assistenz- und Facharzt aufgrund der fachlichen Kompetenz nicht durchführen könne, er vertrete den Chefarzt bei dessen Abwesenheit und leiste OberarztRufbereitschaft, lässt dies zum einen weder auf eine "medizinische Verantwortung" für Teil- oder Funktionsbereiche noch auf eine "medizinische Verantwortung" für die gesamte Abteilung schließen. Denn aus seinem Vortrag lässt sich letzten Endes nur entnehmen, dass die Beklagte seine Fachkompetenz nutzt - sei es im Rahmen seiner eigenen ärztlichen Tätigkeit oder im Rahmen der Möglichkeit, dass die Beklagte seine Fachkompetenz auch anderen Ärzten zur Verfügung stellt -, nicht aber, dass dem Kläger ein "Mehr" an Verantwortung obliegen würde als dasjenige Maß, das auch bei Fachärztinnen und Fachärzten vorliegt. Dagegen hat er nicht konkret dargelegt, welche medizinische Verantwortung ihm als Facharzt obliegt und welche über diesen Verantwortungsbereich hinausgehenden Tätigkeiten bzw. Aufgaben er wahrzunehmen hat (vgl. LAG Düsseldorf 21.02.2008 - 15 Sa 1617/07). Warum z. B. Anästhesien bei multimorbiden Hochrisikopatienten und schwierige oder riskante Therapien bei Intensivpatienten oder Patienten in der Notaufnahme nicht von einem Facharzt ausgeführt werden könnten, hat sich der Berufungskammer nicht erschlossen. Auch ist nicht dargelegt, dass der Kläger eine Aufsichtsoder Kontrollfunktion gegenüber Fachärzten oder Assistenzärzten hätte, verbunden mit der Befugnis, streitige bzw. unklare Fragen abschließend zu entscheiden. Die von ihm angeführte Verantwortung bei Abwesenheit des Chefarztes ist keine ständige medizinische Verantwortung, sondern lediglich eine zeitlich begrenzte oder punktuelle zur Bewältigung jeweils anstehender Fragen oder Probleme. "Medizinische Verantwortung" im Sinne der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA meint jedoch eine Dauerverantwortung. Eine Abwesenheitsvertretung des Chefarztes wird einer solchen Verantwortung nicht gerecht.

cc) Da somit schon nicht von der Übertragung der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich auszugehen ist, kann dahinstehen, ob im Falle des Klägers die Voraussetzung der "ausdrücklichen" Übertragung erfüllt ist. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dies nicht der Fall ist. Das Berufungsgericht folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts und auch des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Entscheidung vom 21.02.2008 (15 Sa 1617/07).

3. Der Kläger erfüllt auch aufgrund seiner Tätigkeiten in der Schmerztherapie nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III.

Selbst wenn man in Bezug auf diesen Arbeitsvorgang unterstellt, dass der Kläger damit einen selbständigen Teil- oder Funktionsbereich der Abteilung abdeckt und dass ihm für diesen Bereich die medizinische Verantwortung ausdrücklich übertragen ist - jeweils im Sinne der Protokollerklärung zu § 16 Buchstabe c TV-Ärzte/VKA -, ist er nicht in Entgeltgruppe III eingruppiert, weil dieser Arbeitsvorgang nicht mindestens die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllt. Damit entspricht seine gesamte auszuübende Tätigkeit nicht den Tätigkeitsmerkmalen der begehrten Entgeltgruppe im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA.

Es ist unstreitig, dass der Kläger in seinen Arbeitswochen regelmäßig vormittags von 07.30 Uhr bis 13.30 Uhr im Bereich der Anästhesie (OP, Intensivstation, Schmerzkathedervisite usw.) eingesetzt ist und erst ab ca. 14.00 Uhr je nach Patientenanfall seine Tätigkeit im Rahmen der Therapie chronischer Schmerzzustände beginnt. Damit macht der Arbeitsvorgang "Schmerztherapie" weit weniger als 50 Prozent der Gesamttätigkeit des Klägers aus. Der Kläger selbst hat diesen Anteil im zweiten Rechtszug auf ca. 25 Prozent beziffert (vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz vom 04.06.2008 Seite 10).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Im Einzelnen gilt:

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.



Ende der Entscheidung

Zurück