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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 655/05
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 12
BGB § 249
BGB § 280
BGB § 862
BGB § 1004
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Eine feste Regelfrist, nach deren Ablauf eine Abmahnung ihre Wirkung verliert und deshalb aus der Personalakte zu entfernen ist, besteht nicht (im Anschluss an BAG 10.10.2002, Az. 2 AZR 418/01).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 655/05

Verkündet am: 20. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Raila und Metko für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.05.2005 - 10b Ca 2764/03 I - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die von der Klägerin begehrte Entfernung dreier Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin.

Die aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.07.2001 bei der Beklagten zur Betreuung und Akquisition von Kunden und Agenturpartnern beschäftigte Klägerin erhielt mit Schreiben vom 17.06.2003 eine Abmahnung wegen Verlassens des Arbeitsplatzes ohne Genehmigung am 13.06.2003, ferner eine Abmahnung vom selben Tage wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz in der Zeit vom 13.06.2003 bis 17.06.2003 sowie wegen unterlassener Information der Beklagten über einen anstehenden Krankenhausaufenthalt, schließlich eine Abmahnung vom 31.07.2003 wegen Führens privater Telefonate über Geschäftsanschlüsse mit einer hierdurch verursachten Kostenbelastung im Zeitraum Januar bis Mai 2003 in Höhe von 827,61 €. Die Klägerin befindet sich derzeit in Elternzeit.

Sie begehrt Entfernung aller drei Abmahnungen aus ihrer Personalakte.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 12.05.2005, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im einzelnen, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, der Klage im vollem Umfang stattgegeben mit der Begründung, die Klägerin habe Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen aus dem Gesichtspunkt der Schadenersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 249 BGB, ferner deshalb, weil die Beklagte in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet sei, die mit der Erteilung der Abmahnungen erfolgte Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu beseitigen. Die Abmahnungen seien unwirksam und mithin rechtswidrig, weil die gerügten Pflichtverletzungen nicht hinreichend dargelegt seien. Die Einlassungen der Beklagten zu den beiden Abmahnungen vom 17.06.2006 erschöpften sich in allgemeinen, pauschalen Behauptungen ohne Ansehung des Gegenvortrags der Klägerin. Bezüglich der Abmahnung vom 31.07.2003 lasse die Beklagte nicht hinreichend konkret erkennen, ob und inwieweit sie die Behauptung der Klägerin bestreite, dass Privattelefonate bislang geduldet worden seien.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16.06.2005 zugestellte Endurteil vom 12.05.2005 am 22.06.2005 (Schriftsatzeingang) Berufung eingelegt und diese am 01.07.2005 (Schriftsatzeingang) begründet.

Sie meint, der Auffassung des Arbeitsgerichts könne nicht gefolgt werden, weil bereits im Schriftsatz der Beklagten vom 25.06.2004 der Sachverhalt für die beiden Abmahnungen vom 17.06.2003 ausführlich dargestellt und unter Beweis gestellt worden sei. Der relativ einfache Lebenssachverhalt könne schwerlich genauer substantiiert werden. Auch hinsichtlich der Abmahnung vom 31.07.2003 wegen der von der Klägerin geführten Privattelefonate sei in den erstinstanzlichen Schriftsätzen ausreichend und umfangreich vorgetragen und Beweis erboten worden. Es sei insbesondere klar dargelegt, dass Privattelefonate beklagtenseits nie geduldet und von der Klägerin ohne entsprechende Erlaubnis geführt worden seien. Im Übrigen rügt die Beklagte die Verletzung der richterlichern Hinweispflicht.

Sie beantragt deshalb,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.05.2005 - 10b Ca 2764/03 I - abzuändern, die Klage abzuweisen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenfällig zurückzuweisen

und verweist zur Begründung insbesondere auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint, eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht liege nicht vor. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass die Abmahnungen, die nunmehr über 2 Jahre zurücklägen, aufgrund Zeitablaufs unwirksam geworden und daher aus der Personalakte zu entfernen seien.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 29.06.2005, der Klägerin vom 18.08.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20.10.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass alle drei Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen sind.

Dieses Ergebnis folgt schon daraus, dass die Abmahnungen inzwischen aufgrund Zeitablaufs ihre Wirkung verloren haben. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Abmahnung ihre Warn- und Androhungsfunktion verlieren kann, wenn das Arbeitsverhältnis längere Zeit nach Erteilung einer Abmahnung unbeanstandet vollzogen wurde. In einem solchen Falle erwächst das Recht des Arbeitnehmers, die Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten zu verlangen (BAG AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969, Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 87, 458). Die Anspruchsgrundlagen des Entfernungsverlangens sind vom Arbeitsgericht zutreffend dargestellt worden, so dass insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils verwiesen wird.

Allerdings besteht - entgegen einer weit verbreiteten Meinung in der Praxis - keine feste Regelfrist, nach deren Ablauf die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist (BAG vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01). Insbesondere ist nicht stets davon auszugehen, dass ein Entfernungsverlangen nach einem Ablauf von 2 Jahren berechtigt ist.

Gleichwohl ist im vorliegenden Falle aufgrund der konkreten Umstände anzunehmen, dass alle drei Abmahnungen ihre Wirkung verloren haben und somit aus der Personakte zu entfernen sind. Denn seit ihrer Erteilung sind nunmehr über 2 Jahre vergangen. Während dieser Zeit haben sich keine erneuten Belastungen des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Klägerin ergeben. Auch scheint es schon deshalb nicht notwendig, die Warn- und Androhungsfunktion der Abmahnungen mit Rücksicht darauf aufrechtzuerhalten, dass in absehbarer Zeit ansonsten wieder mit ähnlichen Pflichtverletzungen zu rechnen wäre, weil sich die Klägerin noch geraume Zeit in Elternzeit befindet. Auch sind keinerlei Anzeichen dafür ersichtlich, dass die Klägerin zur Befolgung der ihr obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Anzeige absehbarer krankheitsbedingter Arbeitsverhinderungen und zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen künftig nicht bereit wäre. In Bezug auf die Abmahnung vom 31.07.2003 hat die Beklagte, soweit ersichtlich, mit der Abmahnung selbst und dem kurz zuvor - am 29.07.2003 - geführten Gespräch erstmals deutlich gemacht, dass Privattelefonate über Geschäftsanschlüsse keinesfalls geduldet würden. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass sich die Klägerin künftig an diese Vorgabe nicht halten wird.

Im Übrigen ist auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im zweiten Rechtszug dem Arbeitsgericht darin beizupflichten, dass jedenfalls hinsichtlich der Abmahnungen vom 17.06.2003 ein konkreter Vortrag zu den detaillierten Einwendungen der Klägerin gegen diese Abmahnung fehlt. Hinsichtlich der Abmahnung vom 31.07.2003 hat sich die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht mit dem detaillierten Vortrag der Klägerin zur fehlenden Berechtigung eines erheblichen Teils der Vorwürfe auseinandergesetzt, obwohl dazu nach den tragenden Gründen des angefochtenen Endurteils aller Anlass bestanden hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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