Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 804/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
1. Zu den Anforderungen an die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Stelle zu streichen und die vom Stelleninhaber erledigten Aufgaben auf andere Mitarbeiter umzuverteilen, als betriebsbedingter Kündigungsgrund.

2. Gegen die Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden an der Erarbeitung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung, auf Grund derer der Bedarf für die Beschäftigung eines Mitarbeiters entfällt und die schließlich zu dessen Kündigung führt, bestehen keine rechtlichen Bedenken.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 804/04

Verkündet am: 24. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Müller-Arends und Meindl für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.06.2004 - 10b Ca 1308/03 I - in Ziff. 1 und 2 abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der Kläger wurde von der Beklagten, für die in der Regel ca. 400 Arbeitnehmer tätig sind, jedenfalls seit 01.08.1992 beschäftigt, zuletzt als Organisationsleiter zu einer Monatsvergütung in Höhe von 5.400,00 € brutto. In einer Stellenbeschreibung vom 16.12.1992 sind seine Aufgaben zum damaligen Stand festgehalten. Der Kläger war bereits von 1972 bis Ende April 1990 bei der Beklagten angestellt. Mit Vereinbarung vom 05.04.1990 wurde dieses Anstellungsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst gegen Zahlung einer Abfindung von 24.000,00 DM. Zwischen April 1990 und August 1992 war der Kläger auf Wunsch der Beklagten mit der Führung eines verschwisterten Unternehmens befasst.

Der Kläger hatte neben seinen regulären Aufgaben immer wieder auch Sonderaufgaben für die Beklagte zu erfüllen.

In einer Stellungnahme an das Integrationsamt in einer anderen Sache teilte die Beklagte mit, die Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, die sich ihr Recht - auf Privatnutzung eines Firmen-PKW - über eine Anwaltskanzlei erstreiten wollten, hätten mit einer Entlassung zu rechnen ("jeder einzelne"), da dies von einem Personenkreis dieser Einkommensklasse und feinsten Arbeitsbedingungen einfach unannehmbar wäre.

Unter der Überschrift "Betriebsratsanhörung zur Kündigung von Herrn R." ist in einem von der Betriebsratsvorsitzenden mit Datum 30.06.2003 unterzeichneten Papier ausgeführt:

"Aus Kostengründen soll die Lehrlingsausbildung als Vollzeit-Job wegfallen. Herr R. hat sich auch noch um bestimmt innerbetriebliche Arbeiten gekümmert, wie zum Beispiel Verwaltung der Schlüssel und Telefonanlage, sowie betriebliche Umbaumaßnahmen mit Herrn M. zusammen.

Künftig kümmert sich Herr M. alleine um die innerbetrieblichen Arbeiten und Herr F. übernimmt die Lehrlingsausbildung.

Die Sozialauswahl ist in diesem Fall nicht zu berücksichtigen, da Herr R. diese Funktion der Lehrlingsausbildung allein ausgeführt hat.

Personaldaten:

Geburtsdatum: 0.0.1949

verheiratet, 2 Kinder

Herr R. ist erstmalig am 01.04.1972 in die Firma R. eingetreten und am 30.04.1990 in gegenseitigem Einvernehmen mit Abfindung ausgeschieden.

Am 01.08.1992 ist Herr R. ohne schriftlichen Vertrag wieder eingetreten.

Herr R. wird fristgemäß am 01.07.2003 zum 31.10.2003 gekündigt.

Der Betriebsrat nimmt die Kündigung zur Kenntnis. Wie besprochen ist die Sache für den Betriebsrat hiermit abgeschlossen."

Mit Schreiben vom selben Tag - 30.06.2003 - erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2003.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der Begründung, der betriebsbedingte Kündigungsgrund sei nur vorgeschoben; die von der Beklagten dargestellte negative Umsatzentwicklung sei unzutreffend. Die - von der Beklagten unvollständig und zutreffend dargestellten - Aufgaben des Klägers seien lediglich teilweise auf andere Mitarbeiter übertragen worden. Eine vollständige Übertragung sei gar nicht möglich. Die behauptete Unternehmerentscheidung, die verbliebenen Aufgaben des Klägers anderweitig zu verteilen, werde bestritten. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß und fristgerecht angehört worden und habe nicht ordnungsgemäß Beschluss gefasst. Die Kündigungsfrist sei unzutreffend.

Die Beklagte begründet die Kündigung mit einer vom damaligen Geschäftsführer in der letzten Juniwoche 2003 getroffenen Organisationsentscheidung, die Aufgaben des - nicht ausgelasteten - Klägers anderweitig zu verteilen und somit auf die Position eines Organisationsleiters zu verzichten. Dies habe der Geschäftsführer der Betriebsratsvorsitzenden jedenfalls ab 16.06.2003 in mehreren Gesprächen mitgeteilt. Die Organisationsentscheidung sei sukzessive umgesetzt worden und funktioniere seit Oktober 2003 ohne Schwierigkeiten und ohne überobligationsmäßige Leistungen des verbliebenen Personals. Ein anderweitiger freier Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung. Die Kündigungsfrist sei wegen Nichtanrechenbarkeit der Vordienstzeiten zutreffend.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 24.06.2004, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2003 nicht aufgelöst worden ist, weil die behauptete unternehmerische Entscheidung mangels Nennung eines konkreten Zeitpunkts der Entscheidung und unzureichenden Vortrags zur Belastungssituation der die Aufgaben des Klägers übernehmenden Arbeitnehmer nicht ausreichend dargelegt sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 15.07.2004 zugestellte Endurteil vom 24.06.2004 am 16.07.2004 (Schriftsatzeingang) Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der First für die Begründung der Berufung bis 15.10.2004 - am 06.10.2004 begründet.

Sie bringt vor, der Aufgabenbereich des Klägers habe sich seit dem Jahr 2000 auf fünf Aufgaben reduziert, von denen die Aufgabe "Ausbildung der kaufmännischen Auszubildenden" geschätzt 80 % der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch genommen habe. In Anbetracht der offensichtlichen Unausgelastetheit des Klägers seien mit ihm Gespräche über die Übernahme zusätzlicher Aufgaben geführt worden. Der Kläger habe sich hiermit nicht einverstanden erklärt. Weil sich die Tätigkeit des Klägers nicht durch Erledigung von Aufgaben im Tagesgeschäft ausgezeichnet habe, sondern in "Zuständigkeit oder Verantwortlichkeit" oder "Mitwirkung und Hilfestellung" bestanden habe, sei zuletzt ein echter Output einer zeitaufwendigen Arbeitsleistung jedenfalls im betrieblichen Tagesgeschäft kaum erkennbar gewesen.

Deshalb habe der Geschäftsführer die dargestellte Organisationsentscheidung getroffen, die ab 16.06.2003 der Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt worden und Gegenstand der Beschlussfassung des Betriebsrats gewesen sei. Die Entscheidung sei im Laufe der Kündigungsfrist umgesetzt worden. Das Aufgabengebiet des Klägers sei seit Oktober 2003 anderweitig verteilt. In der IT-Abteilung fielen hierdurch für die dort beschäftigten 11 Vollzeitmitarbeiter im Jahr insgesamt ca. 51 Tage zusätzlicher Arbeitsbelastung an, also rund 4 Tage monatlich (für 11 Vollzeitbeschäftigte). Dies sei eine zumutbare Leistungsverdichtung.

Ein anderer Arbeitsplatz habe für den Kläger nicht zur Verfügung gestanden, eine soziale Auswahl sei mangels vergleichbarer und austauschbarer Mitarbeiter nicht durchzuführen gewesen. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 24.06.2004, Az.: 10b Ca 1308/03 I - wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, das Arbeitsverhältnis sei in den Jahren 1990 bis 1992 rechtlich nicht unterbrochen gewesen, auch weil verschiedene Sozialleistungen und Versicherungen weiter gezahlt worden seien.

Der Aufgabenbereich des Klägers habe sich nicht reduziert, weil auf den Kläger in erheblichem Umfang neue Tätigkeiten hinzugekommen seien. Abgesehen von der - bestrittenen - Organisationsentscheidung wäre vorrangig eine Änderungskündigung auszusprechen gewesen. Der Kläger bestreitet auch die Umsetzbarkeit der behaupteten Unternehmerentscheidung und bemängelt, dass eine Sozialauswahl nicht durchgeführt und der Betriebsrat einseitig und unvollständig informiert worden sowie nicht ordnungsgemäß beraten und Beschluss gefasst habe.

Wegen des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 05.10.2004 und 19.01.2005, des Klägers vom 10.11.2004 und 14.03.2005 sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 03.02.2005 und 12.05.2005 verwiesen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben auf Grund Beschlusses vom 10.02.2005 durch uneidliche Vernehmung der Zeugin B.. Wegen des Ergebnisses des Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2005 verwiesen. Der Kläger hat zum Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schriftsatz vom 08.06.2005 Stellung genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist begründet. As Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 30.06.2003 zum Ablauf des 31.10.2003 beendet worden.

Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten entgegenstehen, § 1 Abs. 2 KSchG. Eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG war nicht durchzuführen, weil vergleichbare Arbeitnehmer nicht vorhanden waren. Die Kündigungsfrist ist eingehalten, weil die Vordienstzeiten des Klägers vor dessen Wiedereintritt in die Dienste der Beklagten nicht bei der Bestimmung der Kündigungsfrist mitzählen. Die Kündigung scheitert schließlich nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG an einer nicht oder nicht ordnungsgemäßen erfolgten Betriebsratsanhörung.

1. Die Kündigung ist durch betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

Die Beklagte hatte in der Person des damaligen Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterinnen jedenfalls am 27.06.2003 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Aufgaben des Klägers anderweitig zu verteilen und die Position des Organisationsleiters entfallen zu lassen. Dies steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts auf Grund der Aussage der als Zeugin vernommenen Betriebsratsvorsitzenden fest.

Diese hat bekundet, bereits im Herbst 2002 habe sie auf Bitte des Geschäftsführers in den einzelnen Abteilungen aufgrund der ihr übergebenen Stellenbeschreibung - es handelte sich um diejenige vom 16.12.1992 - erkundet, was der Kläger mache. Das - von der Zeugin im Einzelnen geschilderte - Ergebnis habe sie dem Geschäftsführer mitgeteilt, nämlich dass sich der Kläger, abgesehen von der Ausbildung der kaufmännischen Auszubildenden und der Mitwirkung bei Sonderaufgaben, nach dem Wegfall einiger Aufgaben um den Rest eventuell nicht mehr gekümmert habe. Der Kläger habe überall mitgeredet, d.h. sich eingemischt. Das sei es dann aber gewesen. Sie habe dieses Ergebnis als Info auch dem Betriebsrat im Dezember 2002 mitgeteilt. Am 27.06.2003 habe ihr der Geschäftsführer mitgeteilt, sie solle sich darum kümmern, wie die ver­bleibenden Aufgaben des Klägers verteilt werden sollten. Darauf sei sie mit dem Personalleiter Angestellte die Stellenbeschreibung durchgegangen. Beide hätten nachgefragt, wer was mache, und auch Herrn M. dazugeholt, der ohnehin das meiste gemacht habe. Der Personalleiter Angestellte habe sich bereit erklärt, das mit den Lehrlingen zu machen. Zu dritt sei besprochen worden, dass Herr M. die Beschaffungen mache. Mehr sei nicht gewesen. Das Gespräch habe kurz vor der Betriebsratssitzung stattgefunden. Sie - die Zeugin - habe den Geschäftsführer so verstanden, dass sie die anderweitige Verteilung der Aufgaben des Klägers mit dem Personalleiter Angestellte zusammen machen solle und es dann so geschehen solle; Hauptsache, es funktioniere.

Die Aussage der Zeugin erscheint glaubhaft. Der von ihr geschilderte Ablauf der Ereignisse weist keine Brüche auf und ist plausibel. Auch das Motiv der Maßnahme - Beseitigung von betrieblichen Leerlauf und überflüssigen Funktionen insbesondere, soweit es um bloße Mitsprache und Mitwirkung ging - ist deutlich geworden. Die Glaubhaftigkeit der Aussage wird auch dadurch erhärtet, dass die Vorgänge nicht in strikter Geheimhaltung vonstatten gingen, sondern unter Information des Betriebsrats und Beteiligung anderer Mitarbeiter. Es ist kaum anzunehmen, dass die Zeugin die Information des Betriebsratsgremiums und die Beteiligung anderer Mitarbeiter an der Genese der Unternehmerentscheidung erwähnt hätte, wen diese lediglich vorgeschoben wäre.

Die Zeugin erschien auch glaubwürdig. Sie hat unbefangen - gewissermaßen "frisch von der Leber weg" - von den Vorgängen berichtet und nicht etwa im Stil einer sorgsam vorbereiteten und eingeübten Redeweise. Auch hat sie sich keiner vorsichtig abwägenden oder juristisch absichernden Sprache bedient. Emotionale Voreingenommenheit gegen den Kläger war nicht erkennbar, trotz ihrer Bemerkung, "wir" hätten immer gesagt, Herr R. habe den schönsten Job. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wird auch nicht dadurch erschüttert, dass sie Betriebsratsvorsitzende ist. Denn ein - allerdings ungewöhnliches gutes - Verhältnis zur Geschäftsleitung, wie es hier vorzuliegen scheint, reicht für sich genommen nicht zur Annahme aus, es liege ein abgekartetes Spiel zwischen der Betriebsratsvorsitzenden und dem Geschäftsführer vor. Im Gegenteil: Aus der Aussage der Zeugin wird deutlich, dass sie sich mit dem Unternehmen identifizierte, um sein Wohl besorgt war und deshalb dabei mitwirkte, unproduktive Strukturen zu beseitigen. Das ist auch für ein Betriebsratsgremium und eine Betriebsratsvorsitzende alles andere als ehrenrührig.

Damit steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass sich die Beklagte gegen Ende Juni 2003 entschlossen hatte, die Aufgaben des Klägers, soweit sie ihr unverzichtbar erschienen, anderweitig zu verteilen, die Mitsprache- und Mitwirkungsfunktionen des Klägers entfallen zu lassen und die Position des Organisationsleiters zu beseitigen.

Diese Organisationsentscheidung ist als freie Unternehmerentscheidung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht folgt, nur begrenzt auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. z.B. BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99; BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02). Allerdings gilt hier, dass sich die Entscheidung des Arbeitgebers im wesentlichen darin erschöpfte, Personal einzusparen, mit der Folge, dass sie nahe an den Kündigungsentschluss heranrückt, der seinerseits nicht frei ist, sondern der Begründung bedarf. Deshalb muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Nachhaltigkeit bzw. Dauer verdeutlichen, damit das Gericht überprüfen kann, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig und willkürlich, d.h. also missbräuchlich ist (BAG, a.a.O.). Dazu gehört auch die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose, aus der sich ergibt, wie die umverteilten Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98).

Diese Konkretisierung ist vorliegend gelungen. Denn die Beklagte hat nicht einfach beschlossen, den Kläger aus dem Betrieb und Unternehmen zu entfernen und seine Position einzusparen. Sie hat vielmehr, wie aufgrund der Aussage der Zeugin feststeht, ermittelt, welche Aufgaben vom Kläger tatsächlich in alleiniger Verantwortung erledigt werden und bei welchen Aufgaben sich die Rolle des Klägers in einer Mitsprache, Mitwirkung oder einer - letztlich redundanten - bloß papiermäßigen Mitverantwortlichkeit erschöpft. Sodann hat sie mittels der Zeugin, des Personalleiters Angestellte und unter Beteiligung eines in Frage kommenden weiteren Mitarbeiters Überlegungen angestellt, wie die unverzichtbaren, also originären Aufgaben des Klägers umverteilt werden könnten, und die neue Aufgabenverteilung festgelegt. Dabei sind der Zeugin zufolge allerdings nicht alle vom Kläger in den Jahren zuvor erledigten Aufgaben zur Sprache gekommen. So ist der Aussage der Zeugin nicht zu entnehmen, was mit den vom Kläger im Verlauf des Arbeitsverhältnisses erledigten Sonderaufgaben geschehen sollte. Zur Behandlung dieser - mehr oder weniger unregelmäßig oder auch nur einmalig anfallender - Aufgaben bestand jedoch kein Anlass, weil zur gebotenen Verdeutlichung der Organisationsentscheidung im Sinne der oben wiedergegebenen Grundsätze nicht gehört, dass bis in alle Einzelheiten zu überlegen ist, welche Arbeitsschritte von welcher Person konkret ausgeführt werden und wie alle denkbaren Entwicklungen und Eventualitäten bewältigt werden können.

Denn der Sinn, dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vorgetragen muss, besteht darin, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen (BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02). Dieser Vortrag ist weder Selbstzweck noch darf er dazu dienen, dass das Gericht in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreift. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Arbeitskräfte-Bedarfspro­gnose, die so weit konkretisiert ist, dass offensichtliche Unsachlichkeit oder Willkür ausgeschlossen erscheinen. Diesen Maßstäben genügt das von der Beklagten gewählte Verfahren der Ermittlung der Aufgaben des Klägers, der Prüfung, welche Funktionen anderweitig zu verteilen sind und der Erarbeitung der neuen Aufgabenzuordnung. Hinsichtlich anfallender Sonderaufgaben durfte sich die Beklagte die Bestimmung der für deren Erledigung zuständigen Personen von Fall zu Fall vorbehalten.

Die Beklagte hat somit ein hinreichend fundiertes Organisationskonzept entwickelt, bei dessen Verwirklichung eine rechtswidrige Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals nach der angestellten Bedarfsprognose mutmaßlich nicht eintreten würde.

Damit erscheint es - trotz der gewiss nicht unproblematischen Auseinandersetzung um den Firmen-PKW kurz vor der Kündigung - ausgeschlossen, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wurde, um den Kläger bei nach wie vor bestehendem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen. Im übrigen hat sich die Prognose dadurch bestätigt, dass das neue Konzept offensichtlich ohne Probleme im Verlauf der Kündigungsfrist umgesetzt und bis zum Ablauf dieser Frist, mit vergleichsweise unwesentlichen Änderungen, verwirklicht werden konnte.

Die dargestellte unternehmerische Entscheidung verliert ihre Qualität auch nicht dadurch, dass ihre Einzelheiten auf der Basis der Grundsatzentscheidung des Geschäftsführers von der Zeugin, also der Betriebsratsvorsitzenden, zusammen mit dem Personalleiter Angestellte und unter Mitwirkung eines weitern Mitarbeiters erarbeitet und festgelegt wurden. Denn es ist Sache des Arbeitgebers, kraft seiner Organisationshoheit zu entscheiden, dass die Entwicklung und Festlegung eines organisatorischen Konzepts nicht durch ein Organmitglied selbst, sondern durch einen oder mehrere Mitarbeiter - gewissermaßen eine Kommission - erfolgen solle, die sein Vertrauen genießen. Dass zu dieser "Kommission" die Betriebsratsvorsitzende gehörte, gibt nach dem oben Ausgeführten keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken.

Die Delegation der Unternehmerentscheidung auf die Betriebsratsvorsitzende und den Personalleiter Angestellte ist nach allem unschädlich.

2. Die betrieblichen Erfordernisse sind dringend im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, weil die Kündigung nicht durch Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz oder durch Ausspruch einer Änderungskündigung oder sonstige Maßnahmen vermeidbar war. Die Kündigung ist somit keine unverhältnismäßige Maßnahme.

Der insoweit zunächst darlegungsbelastete Kläger vermochte keine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem Arbeitsplatz aufzuzeigen, der im Zeitpunkt der Kündigung noch frei gewesen oder dessen Freiwerden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist absehbar gewesen wäre. Arbeitsplätze, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits besetzt waren oder bei denen die Besetzungsentscheidung bereits getroffen war, scheiden aus.

Auch durch eine Änderungskündigung wäre die Kündigung vom 30.06.2003 nicht vermeidbar gewesen. Denn die Organisationsentscheidung der Beklagten zielte gerade auf eine vollständige Beseitigung der Position des Klägers ab. Wie unter diesen Umständen eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen hätte erfolgen können, hat sich dem Berufungsgericht nicht erschlossen.

3. Die Kündigung scheitert auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG an einer fehlenden oder fehlerhaften Sozialauswahl. Denn bei der Beklagten gab es im Zeitpunkt der Kündigung nur einen Arbeitnehmer mit dem vertraglichen Aufgabengebiets eines Organisationsleiters: den Kläger. Die Vergleichbarkeit des Kläger mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten scheitert also schon an der fehlenden arbeitsvertraglichen Austauschbarkeit.

4. Die Kündigung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Denn die Beklagte hat - nach allgemeinem Bestreiten durch den Kläger insoweit - zur Betriebsratsanhörung, soweit sie in ihren Verantwortungsbereich fiel, ausreichend vorgetragen.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass dem Betriebsrat - in der Person der empfangszuständigen (vgl. § 26 Abs. 2 BetrVG) Betriebsratsvorsitzenden - die aus der Sicht der Beklagten maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt wurden bzw. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 30.06.203 bekannt waren. Ob dies bereits im Zeitpunkt der ursprünglich vorgesehenen Beschlussfassung am 27.06.2003 der Fall war - insbesondere in Bezug auf die anderweitige Verteilung der Aufgaben des Klägers - kann letzen Endes dahinstehen.

Auch insoweit ist die Aussage der Zeugin glaubhaft. So hat sie vor allem zum Zeitpunkt der Information des Betriebsrats und der Beschlussfassung eine plausible Erklärung gegeben - Verschiebung vom 27.06.2003 auf 30.06.2003 wegen Beschlussunfähigkeit am 27.06.2003.

Das Gericht hat auch in diesem Punkt aus den oben (zu 1.) wiedergegebenen Gründen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Insbesondere hat sie auch auf insistierendes Nachfragen ruhig und frei von erkennbarer Animosität gegen den Kläger geantwortet.

Soweit der Kläger Mängel des Informationsflusses innerhalb des Betriebsrats oder bei dessen Beschlussfassung rügt, ist darauf hinzuweisen, dass Fehler in der Sphäre des Betriebsrats dem Arbeitgeber grundsätzlich nur zuzurechnen sind, wen sie dieser selbst verursacht oder veranlasst hat (BAG vom 24.06.2004 - 2 AZR 461/03).

5. Die Kündigungsfrist ist eingehalten.

Anzurechnen ist nur die Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien nach Wiedereintritt des Klägers in die Dienste der Beklagten am 01.08.1992. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch Aufhebungsvereinbarung vom 05.04.1990 rechtlich beendet. Dies folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung, sondern vor allem aus dem Umstand, dass der Kläger eine Abfindung in Höhe von 24.000,00 DM erhielt. Wäre der Kläger, wie er meint, nie aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten ausgegliedert gewesen, hätte kein Anlass zur Zahlung einer steuerbegünstigten Abfindung bestanden. Die Fortführung der Direktversicherung zugunsten des Klägers und die weiterhin bestehende Privatnutzbarkeit des Firmen-PKW führt zu keiner andern Beurteilung. Denn die Fortführung des Aufbaus einer betrieblichen Altersversorgung bei einem Wechsel des Arbeitnehmers von einem Unternehmen einer Unternehmensgruppe zu einem anderen ist nichts Ungewöhnliches und führt nicht zwingend zur Annahme des Fortbestehens des bisherigen Arbeitsverhältnisses als ruhendes Rechtsverhältnis. Dasselbe gilt dann, wenn der Arbeitnehmer seinen bisherigen Dienst-PKW behalten und weiterhin privat nutzen kann, weil diese Nutzungsmöglichkeit durchaus so (um-)gestaltet werden kann, dass nunmehr eine Sachbezugsgewährung durch den neuen Arbeitgeber vorliegt. Eine andere Frage, die hier allerdings dahinstehen kann, ist, ob dies alles steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich korrekt gehandhabt wird.

Es hätte den Parteien ohne weiteres freigestanden, das bisherige Arbeitsverhältnis durch eine Vertragsregelung lediglich zum Ruhen zu bringen. Dies hätte allerdings die Zahlung einer steuerbegünstigten Abfindung ausgeschlossen. Die Argumentation des Klägers läuft insoweit auf eine so nicht begründbare Rosinentheorie hinaus. Schließlich und vor allem hätte es den Parteien freigestanden, bei Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses eine Anrechenbarkeit der Vordienstzeiten zu vereinbaren. Dass dies nicht geschehen ist, hat der Kläger (auch) sich selbst zuzuschreiben.

Betrug die Dauer des Arbeitsverhältnisses somit im Zeitpunkt der Kündigung mehr als 10, aber noch keine 12 Jahre, die nach Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres zurückgelegt wurden, beläuft sich die Dauer der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB auf 4 Monate zum Monatsende. Diese Frist ist eingehalten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück