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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 88/08
Rechtsgebiete: BGB, BDSG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 138
BGB § 779
BGB § 781
BGB § 812
BDSG § 6 b
ZPO § 767
1. Die Sittenwidrigkeit eines notariellen Schuldanerkenntnisses, das ein Arbeitnehmer im Hinblick auf ihm von Seiten des Arbeitgebers angelastete Vermögensdelikte abgegeben hat, folgt nicht allein daraus, dass der anerkannte Schaden nicht hätte bewiesen werden können, oder dass der anerkannte Betrag die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Anerkennenden deutlich übersteigt. Vielmehr müssen zusätzliche, dem Gläubiger zuzurechnende Umstände hinzukommen, die zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen

2. Zwar kann ein auffälliges Misssverhältnis zwischen der wahren Ausgangslage und den Leistungen, die der Schuldner übernommen hat, ein solcher, die Sittenwidrigkeit des Schuldanerkenntnisses begründender Umstand sein. Maßgebend hierfür ist aber nicht die fehlende Beweisbarkeit des Schadens, sondern, von welcher Einschätzung die Parteien bei Abgabe des Anerkenntnisses ausgegangen sind und in welchem Ausmaß sie davon abgewichen sind.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

3 Sa 88/08

Verkündet am: 18.12.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Zwack und Hofer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.10.2007 - 2b Ca 7669/07 H - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Schuldanerkenntnis.

Der Kläger, der nach einer bei der Beklagten absolvierten und am 01.09.1999 begonnenen Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann vom 04.07.2002 bis 24.07.2006 in einem Großmarkt der Beklagten beschäftigt und dabei auch zum Bedienen der Kassen und für die Leergutannahme eingesetzt wurde, unterzeichnete am 24.07.2006 ein notarielles Schuldanerkenntnis, wonach er anerkannte, der Beklagten aufgrund vorsätzlicher unerlaubter Handlungen, die ihn gemäß § 823 Abs. 2 BGB gegenüber der Gläubigerin zum Schadenersatz verpflichteten, einen Betrag in Höhe von Euro 113.750,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von ein Prozent über dem Basiszinssatz zu schulden. In der notariellen Urkunde unterwarf er sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung einschließlich der Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung. Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen dem Kläger und mehreren Mitarbeitern der Beklagten, darunter der Marktleiter und die damalige Betriebsratsvorsitzende, in dem der Kläger mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, er habe eine Vielzahl von Unterschlagungen begangen, indem er an sich selbst für die angebliche Rückgabe von Leergut durch Kunden, die in Wahrheit nicht stattgefunden habe, entsprechende Pfandbeträge ausgezahlt habe. Diese Behauptung beruhte auf einer Auswertung der Pfandbuchungen des Monats Juni 2006 und einer dreitägigen Videoüberwachung, die von einer Detektei ausgewertet wurde. Laut Mitschnittsbericht dieser Detektei ergab die Addition der erkennbaren Unterschlagungsvorgänge an den genannten drei Tagen einen Gesamtbetrag in Höhe von Euro 1.120,00. Im Verlauf dieses Gesprächs erstellte der Kläger einen handschriftlichen Text, in dem ausgeführt ist, er habe seit ca. vier Jahren an seinem Arbeitsplatz Geld gestohlen (...) und dabei Pfandzettel für Leergut an sich selbst ausbezahlt. Dies habe mit ca. Euro 10,00 am Tag angefangen; nachdem er aber gemerkt habe, dass dies nicht auffalle, habe er immer mehr Geld genommen, tageweise seien das Euro 500,00 bis Euro 600,00 gewesen. Er habe so einen Gesamtschaden von mindestens Euro 110.000,00 innerhalb von vier Jahren verursacht (...). Er sei bereit, den Schaden zu ersetzen (...). Er habe dies freiwillig und ohne Drohung zugegeben und aufgeschrieben. Hierauf fuhren die am Gespräch teilnehmenden Mitarbeiter der Beklagten - bis auf die Betriebsratsvorsitzende - mit dem Kläger und einer Kollegin, der ein gleichartiger Vorwurf gemacht wurde - allerdings mit wesentlich geringeren behaupteten Schadensbeträgen - von dem in einer Gemeinde südöstlich von München gelegenen Großmarkt nach München zum Notar.

Mit Anwaltsschreiben vom 29.12.2006 ließ der Kläger das notarielle Schuldanerkenntnis gemäß § 123 BGB wegen Täuschung und Drohung anfechten und berief sich auf die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 138 Abs. 1 BGB, weil der Kläger sich regelrecht in einer Zwangslage befunden habe, da er alleine und ohne Beistand von insgesamt fünf leitenden Mitarbeitern des Unternehmens "bearbeitet" worden sei, sämtliche Schuld einzugestehen und horrende, völlig unbelegte Schadenersatzansprüche anzuerkennen.

Aus dieser Zwangslage heraus seien die Unterschriftsleistungen des Klägers entstanden. Die Beklagte habe eine Fürsorgepflicht, die es ihr verbiete, einen Mitarbeiter derart zu überrumpeln.

Die Beklagte hat eine Vertrauensschadensversicherung abgeschlossen und vom Versicherer aufgrund des Schuldanerkenntnisses des Klägers eine Entschädigungsleistung in Höhe von Euro 113.750,00 erhalten. Aufgrund dieser Entschädigungsleistung ging die titulierte Forderung gemäß § 67 VVG auf den Versicherer über, ohne dass der Titel umgeschrieben wurde. Nach Erlass des arbeitsgerichtlichen Urteils trat der Versicherer am 18.02.2008 die titulierte Forderung wiederum an die Beklagte ab.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 08.10.2007 dem Versicherungsunternehmen den Streit verkündet. Dieses ist nach Zustellung des Ersturteils mit Schriftsatz vom 24.01.2008 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 24.10.2007 - 2b Ca 7669/07 H -, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 für unzulässig erklärt und die Beklagte verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde an den Kläger herauszugeben.

Es hat dies damit begründet, dass die Beklagte zwar passivlegitimiert sei, da sie Vollstreckungsgläubigerin aus dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis geblieben sei, dass sie jedoch wegen Forderungsübergangs gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht mehr Inhaberin der titulierten Forderung sei; Gläubigerwechsel sei aber eine zulässige Einwendung im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage, auch wenn die Überleitung des Anspruchs auf gesetzlicher Grundlage bestehe.

Gegen dieses, der Beklagten und der Streitverkündeten am 02.01.2008 zugestellte Urteil haben die Beklagte mit einem am 01.02.2008 und die Streitverkündete mit einem am 30.01.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese jeweils innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet.

Die Beklagte bringt vor, nachdem die Streitverkündete nunmehr die titulierte Forderung wiederum an die Beklagte abgetreten habe, sei über die materielle Rechtmäßigkeit des Schuldanerkenntnisses zu entscheiden. Hierzu wiederholt die Beklagte ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint überdies, die Verurteilung zur Herausgabe der Schuldurkunde sei falsch, weil das Eigentum hieran gemäß § 952 BGB i. V. m. § 67 VVG der Streitverkündeten zugestanden habe, die Urkunde somit allenfalls an diese, nicht jedoch an den Kläger herauszugeben gewesen sei.

Die Streitverkündete schließt sich dieser Auffassung an und betont, beim notariellen Schuldanerkenntnis handele es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Sie trägt vor, nachdem der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2006 zunächst nicht die Umstände habe rügen lassen, die er nunmehr anführe, sondern lediglich um Stellungnahme habe bitten lassen, woraus sich die Höhe des Schadenersatzes errechne, und nachdem er sich erst mit Schreiben vom 29.12.2006 zur Anfechtung verstanden habe, spreche schon diese zeitliche Abfolge dagegen, dass der Kläger völlig überrumpelt worden sei. Die Angriffe des Klägers stützten sich ausschließlich auf die behaupteten Überrumpelungsumstände und die angeblich willkürliche Höhe des titulierten Rückzahlungsbetrages. Unstreitig sei, dass der Kläger Unterschlagungshandlungen begangen habe, die sich seinem Vortrag zufolge nur nicht auf den im Schuldanerkenntnis titulierten Betrag addierten.

Beklagte und Streitverkündete beantragen, das Urteil vom 24.10.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und bringt vor, es gebe keinen Beweis für die Täterschaft des Klägers. Dieser sei überfordert und perplex gewesen. Die Schadenshöhe sei so gut wie nicht vorstellbar, auch sei zu fragen, wo das unterschlagene Vermögen geblieben sei. Die Beklagte habe im Gespräch vom 24.07.2006 mit Strafanzeige und Freiheitsstrafe gedroht; dies sei eine unzutreffende rechtliche Wertung. Dem jungen und unerfahrenen Kläger sei keine Überlegungsfrist in Ruhe eingeräumt worden. Auch sei ihm das Handy abgenommen worden. Er sei von fünf Mitarbeitern der Beklagten bearbeitet worden unter Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Deshalb sei das Schuldanerkenntnis sittenwidrig und wirksam angefochten. Auch werde der Schaden bestritten.

Der Kläger wiederholt seine bereits im ersten Rechtszug geäußerte Auffassung, wonach die Videoüberwachung unzulässig sei, insbesondere wegen § 6 b BDSG. Der Kläger hafte nicht für die Kosten der Videoüberwachung. Der Inhalt der Videoaufzeichnung werde bestritten, ebenso die von der Beklagten vorgelegten Dokumente sowie die Geständnisse und Erklärungen des Klägers. Wie schon im ersten Rechtszug trägt dieser erneut vor, letztere seien ihm von der Beklagten vorgegeben worden.

Der Kläger meint, die im notariellen Schuldanerkenntnis genannte Summe sei unangemessen hoch. Der Beklagten sei es um ein möglichst hohes Schuldanerkenntnis gegangen, um eine entsprechende Versicherungssumme zu erhalten.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.08.2008, der Streitverkündeten und Nebenintervenientin vom 03.03.2008 und 29.05.2008 sowie des Klägers vom 06.05.2008, 02.09.2008 und 05.12.2008 verwiesen, ferner auf die Sitzungsniederschriften vom 05.06.2008, 25.09.2008 und 11.12.2008.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 10.07.2008 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen G. und O. und der Zeugin B. sowie durch Vernehmung des Klägers als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 25.09.2008 und vom 11.12.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientin ist begründet, weil die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 zulässig ist. Zum einen ist die Beklagte nach Rückabtretung der titulierten Forderung von Seiten der Nebenintervenientin nunmehr Inhaberin dieser Forderung, und zum anderen ist das genannte Schuldanerkenntnis weder sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB noch - mangels eines Anfechtungsgrundes gemäß § 123 BGB Abs. 1 - wirksam angefochten.

1. Das Arbeitsgericht hat auf der Grundlage der damaligen Rechtslage zutreffend die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen, weil die Beklagte zwar Vollstreckungsgläubigerin und damit passivlegitimiert, aber aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 67 VVG in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht Inhaberin der titulierten Forderung sei.

Diese Begründung der klageabweisenden Entscheidung ist nunmehr nach Rückabtretung der titulierten Forderung an die Beklagte hinfällig geworden. Vollstreckungsgläubigerschaft und materiell-rechtliche Inhaberschaft der Forderung sind wieder in einer Hand vereinigt. Die Zwangsvollstreckung ist somit aus jetziger Sicht nicht mehr aus den im angefochtenen Urteil genannten Gründen unzulässig.

2. Das notarielle Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 ist als deklaratorisches Schuldanerkenntnis wirksam.

a) Das Anerkenntnis ist nicht als Vergleich im Sinne von § 779 BGB anzusehen, weil keine Verhandlungen und kein gegenseitiges Nachgeben in Bezug auf Bestehen und Höhe der von der Beklagten erhobenen Forderung stattgefunden haben (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 779 Rn. 9 mit Rechtsprechungsnachweisen). Aber auch ein konstitutives bzw. abstraktes oder selbständiges Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB liegt nicht vor, weil nach dem Inhalt der notariellen Urkunde vom 24.07.2006 keine vom zugrunde liegenden Rechtsverhältnis unabhängige Verpflichtung begründet (vgl. BGH 10.12.1987 - III ZR 205/86; BGH 18.05.1995 - VII ZR 11/94; BAG 15.03.2005 - 9 AZR 502/03), sondern auf den Schuldgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung Bezug genommen wurde. Damit hat das notarielle Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 die Wirkung, dass das Schuldverhältnis insgesamt dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entzogen werden und insoweit endgültig festgelegt werden soll (vgl. BAG 15.03.2005 - 9 AZR 502/03; BAG 15.12.1999 - 10 AZR 881/98; BAG 22.10.1998 - 8 AZR 457/97). Somit ist der Kläger aufgrund dieses Schuldanerkenntnisses mit den Einwendungen ausgeschlossen, die er bei der Abgabe kannte oder mit denen er zumindest rechnete (vgl. BAG 11.09.1984 - 3 AZR 184/82; Palandt/Sprau, a.a.O. § 781 Rn. 4). Dazu gehört insbesondere der Einwand, die anerkannte Schuld bestehe nicht oder nicht in dieser Höhe. Dagegen sind Einwendungen gegen das Schuldanerkenntnis selbst nicht ausgeschlossen, so vor allem der Einwand, das Anerkenntnis sei wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB oder aufgrund wirksamer Anfechtung gemäß § 123 BGB i. V. m. § 142 Abs. 1 BGB nichtig.

b) Das Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 ist nicht sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB.

aa) Die Sittenwidrigkeit folgt nicht schon daraus, dass die Beklagte, wie der Kläger zu Recht anführt, den Schaden allenfalls zu einem geringen Teil hätte beweisen können. Wie die Beklagte selbst einräumt, hat sie aufgrund ihrer Langzeitauswertungen der Kassenbedienernummer des Klägers im Mai und Juni 2006 einen Schaden in Höhe von Euro 9.225,00 zuordnen können. Nach ihrem weiteren Vortrag ergab die vom 22. Bis 24.06.2006 durchgeführte Videoüberwachung weitere Schädigungshandlungen des Klägers in Höhe von Euro 1.120,00. Ein Beweis des darüber hinaus gehenden, vom Kläger verursachten Schadens wäre unabhängig von dessen Eingeständnis und Schuldanerkenntnis am 24.07.2006 kaum denkbar gewesen. Möglicherweise hätte das Gericht letztlich die Höhe des Schadens gemäß § 287 ZPO schätzen müssen. Da der Kläger jedoch den Umstand als solchen, dass er die Beklagte über Jahre hinweg hintergegangen hat, nicht geleugnet hat, war es nicht als anstößig anzusehen, dass sich die Beklagte im Hinblick auf die beiderseits ungewisse Schadenshöhe vom Kläger einen Betrag hat anerkennen lassen, der möglicherweise erheblich über der im Streitfall nachweisbaren Schadenssumme lag (vgl. BAG 11.09.1984 - 3 AZR 184/82).

bb) Auch die berechtigte Annahme, dass es dem Kläger - wenn überhaupt - nur unter großen Mühen gelingen wird, die anerkannte Schuld nebst Zinsen zu tilgen und dass er unter normalen Umständen hierzu viele Jahre benötigen wird, führt für sich genommen nicht zur Sittenwidrigkeit des Schuldanerkenntnisses. Denn die vertragliche Fixierung einer Zahlungspflicht ist nicht schon deshalb anstößig, weil der Gläubiger konkret damit rechnen muss, dass der Schuldner nicht oder nicht in voller Höhe leistungsfähig ist. Abgesehen davon erscheint es hier durchaus nicht ausgeschlossen, dass der Kläger seiner Ratenzahlungsverpflichtung nachkommen kann und wird, sei es aufgrund einer günstigen beruflichen Entwicklung oder weil er auf sonstige Weise zu Vermögen gelangen wird.

Der lange Zeitraum, den die ratenweise Abzahlung der anerkannten Schuld in Anspruch nehmen wird, führt gleichfalls nicht zur Sittenwidrigkeit des Schuldanerkenntnisses, weil die Raten nicht so bemessen sind, dass von vornherein mit einer wirtschaftlichen Knebelung des Klägers zu rechnen ist.

cc) Das Schuldanerkenntnis vom 24.07.2006 ist auch nicht nach den Gesamtumständen bei Vertragsabschluss, insbesondere nach Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts, sittenwidrig.

Zwar gehören Umstände, die das Zustandekommen eines Vertrages betreffen, an sich nicht zum Regelungsbereich des § 138 BGB. Die Vorschrift bezieht sich vielmehr auf die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts selbst. Sie kann nur aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung und Berücksichtigung aller Umstände, die den Vertrag kennzeichnen, der objektiven Verhältnisse, unter denen er zustande gekommen ist, seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale, wie dem verfolgten Zweck und dem zugrundeliegenden Beweggrund beurteilt werden. Bei der Würdigung des Gesamtcharakters eines Rechtsgeschäfts ist somit auch die Art und Weise seines Zustandekommens mit zu berücksichtigen (BAG 15.03.2005 - 9 AZR 502/03; BAG 22.10.1998 - 8 AZR 457/97; BGH 07.06.1988 - IX ZR 245/86). Bei einer Verpflichtung, die - wie hier - die Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt, kommt Sittenwidrigkeit dann in Betracht, wenn zusätzliche, dem Gläubiger, also hier der Beklagten, zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (BAG 22.10.1998 - 8 AZR 457/97, BGH 16.01.1997 - IX ZR 250/95).

Ein solcher Fall liegt indes hier nicht vor.

Ein solcher zusätzlicher, zur Sittenwidrigkeit führender Umstand ist zunächst nicht daraus abzuleiten, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen der wahren Ausgangslage und den Leistungen, die der Kläger übernommen hat, bestünde. Denn entscheidend ist, wie die Parteien die Sach- und Rechtslage bei Abschluss des Schuldanerkenntnisses eingeschätzt haben und in welchem Ausmaß sie davon abgewichen sind. Vorliegend ist die Beklagte bereits aufgrund ihrer Langzeitauswertungen im Mai und Juni 2006 davon ausgegangen, vom Kläger in erheblichem Umfang - in einer Größenordnung von nahezu Euro 10.000,00 in nicht einmal zwei Monaten - geschädigt worden zu sein. Sie ist aufgrund der vom Kläger selbst eingeräumten Tatsache, dass es schon länger so sei, und dass es mit Euro 10,00 angefangen habe und dann immer mehr geworden sei, sowie aufgrund ihrer im einzelnen angeführten Berechnungen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der vom Kläger verursachte Schaden - bei eher vorsichtiger Berechnung - auf eine Gesamtsumme von ca. Euro 110.000,00 belaufe. Von dieser, gerade nicht aus der Luft gegriffenen, sondern gut begründbaren Annahme ist die Beklagte bei Veranlassung der Fixierung der anerkannten Schuld im notariellen Schuldanerkenntnis nicht abgewichen; vielmehr hat sie lediglich zum Schaden die Detektivkosten hinzugerechnet. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen der von ihr angenommenen Schuld des Klägers und der vertraglich festgelegten Zahlungsverpflichtung liegt somit nicht vor (vgl. BAG 11.09.1984 - 3 AZR 184/82). Der Beweggrund der Beklagten, vom Kläger durch das Anerkenntnis einen Ausgleich für dessen angenommene Schädigungshandlungen zu erhalten, ist nicht zu beanstanden.

Ein unerträgliches Ungleichgewicht der Vertragsparteien bei Abschluss des notariellen Schuldanerkenntnisses liegt auch nicht darin, dass die Beklagte dem Kläger jede Überlegungsfrist genommen hätte. Zum einen führt der bloße Umstand, dass einem Vertragspartner keine oder nur eine kurze Überlegungsfrist für den Vertragsabschluss eingeräumt wurde, schon deshalb nicht zur Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts, weil dies allenfalls die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts wegen Drohung nach sich zieht (BAG 15.03.2005 - 9 AZR 502/03). Zum anderen hat die Beklagte dem Kläger schon nach dessen eigener Schilderung der Vorgänge, die zur Abgabe des notariellen Schuldanerkenntnisses geführt haben, nicht jegliche Überlegungsfrist genommen. Denn der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag nach Abschluss des Gesprächs im Büro des Großmarkts im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden gewartet, bis die Vertreter der Beklagten ein Gespräch über gleichartige Vorwürfe mit der Kollegin des Klägers im Nebenzimmer geführt hatten. Nach seiner eigenen Aussage hat er die Betriebsratsvorsitzende, als er allein mit ihr im Raum war, gefragt, was jetzt passiere und wo "wir" hinkämen. Sie habe es ihm erklärt. Er habe gefragt, ob sie mitfahre, sie habe zuerst gemeint, sie versuche es, und dann gesagt, sie könne nicht. Er hat ferner bekundet, er denke, zwischen dem Ende des Gesprächs und der Fahrt zum Notar habe etwa eine Dreiviertelstunde gelegen. Währenddessen hatte er ausreichend Zeit, sich die Sache noch einmal zu überlegen und von seinem Eingeständnis eines Gesamtschadens von mindestens Euro 110.000,00 abzurücken, und zwar ohne den Druck der bisher anwesenden Mitarbeiter der Beklagten, von denen er mit gutem Grund annehmen durfte, dass sie ihm nicht wohlgesonnen seien.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Geschäftsunerfahrenheit des Klägers in unzulässiger Weise ausnutzte, um zum Schuldanerkenntnis zu gelangen. Der Kläger war im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses 22 Jahre alt. Er stand nicht mehr in einem Ausbildungsverhältnis, sondern war seit vier Jahren als ausgebildeter Einzelhandelskaufmann festangestellt. Bereits aufgrund dieser - sehr einschlägigen - Ausbildung und der mehrjährigen Berufserfahrung kann schlechterdings nicht ohne weitere, im Einzelnen darzulegende Gründe angenommen werden, dass der Kläger geschäftsunerfahren war. Auch sein Lebensalter war nicht mehr jugendlich. All dies unterscheidet den vorliegenden Fall von demjenigen, der dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.03.1999 (22 U 193/98) zugrunde lag.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte im Gespräch am 24.07.2006 im Büro des Großmarkts, auf der Fahrt zum Notar oder in den Räumen des Notars gegenüber dem Kläger eine unerträgliche "Drohkulisse" aufgebaut und ihn somit in eine seelische Zwangslage versetzt hätte.

Zwar hat der Kläger schriftsätzlich vortragen lassen, man habe ihm im Verlauf seines Gesprächs sein Handy weggenommen. Er hat jedoch im Rahmen seiner Einvernahme als Partei selbst bekundet, man habe ihm nicht gesagt, dass man das Handy wegnehme oder einkassiere; er habe nicht gebeten, telefonieren zu dürfen. Somit hat die Beklagte nicht die Kontakte des Klägers nach außen bzw. zu aus der Sicht des Klägers vertrauenswürdigen Personen oder Ratgebern unterbunden; vielmehr hat der Kläger solche Möglichkeiten ohne ein entsprechendes Verbot der Beklagten schlicht nicht genutzt. Dass er in der für ihn unzweifelhaft sehr prekären Situation hieran nicht dachte, kann nicht der Beklagten angelastet werden.

Die Mitarbeiter der Beklagten haben den Kläger beim Gespräch am 24.07.2006 auch nicht dadurch in eine unerträgliche Zwangslage versetzt, dass sie mit einer hohen Freiheitsstrafe gedroht hätten. Zwar hat der Kläger bei seiner Einvernahme als Partei eben-dies bekundet. Dieser Darstellung ist jedoch der gegenbeweislich vernommene Zeuge O entgegengetreten mit der Aussage, er habe dem Kläger "in der Form gesagt, dass eine Strafanzeige erstattet werden würde und der Kläger abschätzen müsse, was der Richter daraus macht". Er habe nicht gesagt, dass dies passiere, wenn er nicht ein Schuldanerkenntnis abgebe oder unterschreibe. Auch die Zeugin B. und der Zeuge G. vermochten sich an eine Drohung mit einer Freiheitsstrafe nicht zu erinnern. Mit der bloßen Drohung einer Strafanzeige jedoch, wie sie der Zeuge O. bestätigt hat, wurde der Kläger aber nicht in eine anstößige Zwangslage versetzt. Denn ein ruhig und verständig denkender Arbeitgeber durfte bereits aufgrund der Ergebnisse der Langzeitauswertungen, wie sie von der Beklagten vorgelegt worden sind, von einem strafbaren Verhalten des Klägers ausgehen und ihm die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht stellen. Bereits aufgrund dieser Auswertungen ergab sich ein hinreichend konkreter Tatverdacht gegenüber dem Kläger. Zwar hat dieser im zweiten Rechtszug die Auswertungsergebnisse bestritten, sich hierbei jedoch lediglich konkret auf vier Tage - den 06., 08., 15. und 22.05.2006 - bezogen, an denen er nicht gearbeitet habe. Im Übrigen hat er sich auf ein nicht ausreichendes pauschales Bestreiten der Auswertungsergebnisse beschränkt. Die Berufungskammer vermochte jedoch anhand der vorgelegten Auswertungsunterlagen unschwer nachzuvollziehen, dass sich aus diesen ein erheblicher Tatverdacht gegenüber dem Kläger ergab.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann auch nicht angenommen werden, dass dem Kläger durch ein Diktat des Textes seines handschriftlichen Schuldeingeständnisses jegliche Entscheidungsfreiheit genommen worden wäre. Er hat die Frage des Gerichts, ob man ihm gesagt habe, er solle solange im Raum bleiben, bis er es zugebe, verneint, und lediglich bekundet, man habe ihm gesagt, er solle es zugeben und zahlen, sonst werde eine Strafanzeige erstattet und gekündigt. Allerdings hat er ausgesagt, ihm sei "praktisch diktiert" worden, weil er ja gar nicht gewusst habe, was er schreiben solle; diktiert habe Herr O.. Dieser Darstellung ist jedoch der Zeuge O. entgegengetreten, der ausgesagt habe, er habe gesagt, der Kläger solle dann aufschreiben, was "wir da haben" und er habe ihm bei der Formulierung geholfen - was passiert sei und warum er es gemacht habe. Auch die Zeugin B. hat bekundet, dem Kläger sei nicht wortwörtlich gesagt worden, was er schreiben solle, sondern vielleicht ein paar Eckpunkte, wie er anfangen solle. Wenn, habe man nur gesagt, er solle aufschreiben, wann es angefangen habe und mit welchen Beträgen. Der Zeuge G. hat ebenfalls ausgesagt, Herr O. habe dem Kläger bei den Eckpunkten geholfen. Der Kläger habe gefragt, wie er es jetzt machen solle; dann habe Herr O. irgendeinen Punkt erwähnt. Er wisse nicht mehr, ob Herr O. komplette Sätze diktiert habe.

Aus diesen Zeugenaussagen ergibt sich somit nicht, dass dem Kläger in einer Weise die Hand geführt worden wäre, der er sich nicht hätte entziehen können. Vielmehr ist das handschriftliche Geständnis im Zusammenwirken der Parteien zustande gekommen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Schadenssumme von Euro 110.000,00 gewissermaßen unverrückbar vorgeschrieben bzw. diktiert worden wäre. Dies ergibt sich bereits aus der eigenen Einlassung des Klägers nicht. Der Zeuge O. hat bekundet, dass der Kläger bei der Errechnung des Schadensbetrags mitgewirkt habe, indem er auf dem Papier Zahlen geschrieben habe. Die Zeugin B. dagegen hat ausgesagt, der Kläger sei gebeten worden, den Betrag zu schätzen, habe dies jedoch nicht können. Bei der Hochrechnung habe er sich nicht beteiligt; er habe nicht dementiert, aber er habe es dann bestätigt. Von einer dem Kläger unausweichlich vorgegebenen Schadenssumme kann somit nicht gesprochen werden.

Des Weiteren hat die Beklagte nicht dadurch eine Zwangslage bewirkt, dass sie dem Kläger gegenüber dargestellt hätte, er müsse das notarielle Schuldanerkenntnis unterschreiben. Der Kläger selbst hat ausgesagt, der Notar habe "schon gesagt", er müsse das notarielle Schuldanerkenntnis nicht unterschreiben.

Auch, dass der Kläger aufgefordert wurde, seine Hosentaschen zu leeren und dass ihm die Eigenkündigung nahegelegt wurde, ist angesichts der konkreten Situation und der gegenüber dem Kläger im damaligen Zeitpunkt bestehenden Verdachtsgesichtspunkte nicht als anstößiges Verhalten der Beklagten zu werten. Dass insoweit ein innerer Widerstand des Klägers gebrochen worden wäre, ist auch aufgrund dessen eigener Aussage nicht erkennbar. Der Zeuge O. hat hierzu ausgeführt, er habe das Gefühl gehabt, dass der Kläger gemeint habe, das sei jetzt auf dem Tisch und er wolle es erzählen. Der Zeuge G. hatte seiner Aussage zufolge den Eindruck, dass der Kläger das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte und dass ihm dies unangenehm und vor allem gegenüber seinen früheren Vorgesetzten, z. B. der stellvertretenden Marktleiterin, peinlich gewesen sei. Aus diesen Bekundungen lässt sich eine gewisse Erleichterung des Klägers darüber ableiten, dass ein jahrelanges Versteckspiel nunmehr vorüber sei.

Für die Glaubhaftigkeit der Aussage des als Partei vernommenen Klägers spricht, dass sie die Geschehnisse hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs, der Erklärungen und Handlungen der Beteiligten und die Art und Weise der Reaktion der Mitarbeiter der Beklagten auf die Erklärungen und Verhaltensweisen des Klägers und umgekehrt klar, gut nachvollziehbar und in sich stimmig wiedergibt. Der Kläger erschien der Berufungskammer auch insoweit als glaubwürdig, als er die Vorgänge ruhig und ohne erkennbare Aggressionen und mentale Vorbehalte gegenüber der Beklagten und ihren am Gespräch beteiligten Mitarbeitern geschildert hat. Die Kammer hatte nicht den Eindruck, dass es dem Kläger darauf ankam, die Beklagte und ihre Mitarbeiter in ein ungünstiges Licht zu setzen. Vor allem hat er die Vorgänge weder dramatisiert noch in überspitzten Formulierungen wiedergegeben. Auch hat er durchaus Umstände vorgebracht bzw. eingeräumt, die geeignet sind, die Beklagte, verglichen mit seinem schriftsätzlichen Vortrag - z. B. hinsichtlich der Wegnahme des Handys, des Fehlens einer Überlegungsmöglichkeit oder des behaupteten Zwangs zur Unterzeichnung der notariellen Erklärung - zu entlasten. Allerdings fällt auf, dass der Kläger im Hinblick auf den sehr wesentlichen Punkt der Drohung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zunächst diese Drohung bestätigt, dann jedoch lediglich ausgeführt hat, man habe ihm gesagt, er solle es zugeben und zahlen, sonst werde eine Strafanzeige erstattet; an dieser Stelle der Aussage ist von der Drohung mit einer Freiheitsstrafe nicht die Rede. Dies lässt vermuten, dass der Kläger gerade in diesem Punkt das objektive Geschehen durch seine subjektive und laienhafte Bewertung der Folgen einer Strafanzeige ergänzt hat.

Auch die Aussagen der vernommenen Zeugen erscheinen als glaubhaft. Sie sind in sich stimmig und plausibel und stehen auch im Verhältnis zueinander nicht in Widerspruch. Die Zeugen erschienen der Kammer auch glaubwürdig, weil sie die Geschehnisse durchweg ruhig und erkennbare Abneigung sowie Belastungsabsicht gegenüber dem Kläger geschildert haben. Sie haben sich zu Erinnerungslücken bekannt, auch wenn dadurch die Version der Beklagten vom Ablauf der Vorgänge am 24.07.2006 nicht gestützt wurde, und nicht versucht, die damalige prekäre Situation des Klägers herunterzuspielen. So hat der Zeuge O., der nicht mehr in den Diensten der Beklagten steht, den Umstand der Drohung mit einer Strafanzeige bestätigt, auch wenn dies auf eine Zwangslage des Klägers hindeuten konnte. Alles in allem hatte die Kammer nicht den Eindruck, dass die Zeugen den Kläger belasten und die Beklagte entlasten wollten, sondern dass sie sich nach bestem Wissen und Gewissen um eine wahrheitsgemäße Aussage bemühten.

Da somit zumindest ebensoviel gegen wie für die Version des Klägers von den Vorgängen am 24.07.2006 spricht, hat dieser die eine Sittenwidrigkeit des notariellen Schuldanerkenntnisses begründenden Umstände nicht zu beweisen vermocht.

3. Die Beklagte war auch berechtigt, sich auf das Anerkenntnis zu berufen, ohne rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) zu handeln. Zwar hat sie durch fehlende bzw. lasche Kontrolle und eine ungenügende Inventur ein Fehlverhalten der dem Kläger vorgeworfenen Art begünstigt. Dieses - vielleicht leichtfertige - Vertrauen bzw. diese Vertrauensseligkeit kann ihr jedoch nicht entgegengehalten werden. Denn der Kläger durfte ein solches Vertrauen nicht als Aufforderung zu unredlichem Verhalten missverstehen.

Er kann deshalb nicht geltend machen, es bestehe auf seiner Seite ein schutzwürdiges Vertrauen - sei es aus Fürsorge- oder Mitverschuldungserwägungen - dahin, dass die Beklagte von dem notariellen Schuldanerkenntnis keinen Gebrauch mache.

4. Auch eine Anfechtung gemäß § 123 BGB wegen Drohung oder Täuschung scheidet nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus.

Die Mitarbeiter der Beklagten haben dem Kläger nach dem oben (zu 2. b), cc)) Ausgeführten nicht mit einer Freiheitsstrafe gedroht; sie haben ihm nicht das Telefonieren verboten oder ihn sonst von Außenkontakten abgeschnitten. Sie haben keine unerträgliche Zwangslage herbeigeführt oder ausgenützt. Auch haben sie ihn nicht zur Unterzeichnung seines handschriftlichen Geständnisses und des notariellen Schuldanerkenntnisses gezwungen oder ihm den Text seines Geständnisses aufoktroyiert.

Der Kläger befand sich am 24.07.2006 in einer prekären Situation, aber nicht in einer Zwangslage im Sinne einer Inadaequanz von Mittel und Zweck (statt Vieler: Palandt/Ellenberger a.a.O. § 123 Rn. 21 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Die Drohung mit einer Strafanzeige war in der damaligen Situation nach dem oben (zu 2. b), cc)) Ausgeführten nicht unangemessen.

Auch eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 BGB scheidet aus den genannten Gründen aus. Insbesondere hat die Beklagte dem Kläger nicht übervorgespiegelt, ihm drohe eine Freiheitsstrafe.

5. Sonstige Gründe, die zu einer Unwirksamkeit des notariellen Schuldanerkenntnisses führen könnten, sind nicht ersichtlich.

Auch kann der Kläger das Anerkenntnis nicht im Wege der Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB kondizieren, da es sich nicht um ein selbständiges bzw. abstraktes, sondern um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt (s. o. zu 2 a)).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten der Nebenintervention werden ihm nach § 101 Abs. 1 ZPO auferlegt.

7. Die Revision wird für den Kläger zugelassen. Näheres hierzu ist der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen.

Ende der Entscheidung

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