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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: 3 TaBV 24/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 3
BetrVG § 93
BetrVG § 95 Abs. 3
BetrVG § 99
BetrVG § 101
1. Für einen Verstoß gegen das Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats nach § 93 BetrVG ist es nicht ausreichend, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit in mehreren Einzelfällen der Forderung des Betriebsrats, bestimmte gleichartige Positionen innerbetrieblich auszuschreiben, nicht nachgekommen ist.

2. Für die Frage, ob ein anderer Arbeitsbereich im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs (§ 95 Abs.3 BetrVG) vorliegt, kommt es in der Regel nicht auf eine rein quantitative Betrachtungsweise an, so dass im Allgemeinen nicht allein auf den zeitlichen Anteil der Veränderung - z. B. 20 % der Gesamttätigkeit - abzustellen ist.

3. Im Einzelfall kann eine Veränderung des Aufgabenbereichs, die lediglich 15 % der Gesamttätigkeit ausmacht, verbunden mit der Übertragung einer besonderen Verantwortlichkeit, ausreichen.

4. Dies gilt z. B. bei der Übertragung der Funktion eines stellvertretenden Gruppenleiters für den Fall der Abwesenheit des Gruppenleiters, wenn die Vertretungsfälle weder nach ihrer Zahl noch in Bezug auf ihre Dauer oder den Zeitpunkt ihres Eintritts exakt vorhersehbar sind. In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass mit der Übertragung der Funktion des stellvertretenden Gruppenleiters die Zahlung einer "Verantwortungszulage" verbunden ist.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

3 TaBV 24/05

Verkündet am: 6. Oktober 2005

In dem Beschlussverfahren

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der Anhörung vom 29. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Handel und Twells-Koether für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 17.03.2005 - 23 BV 136/04 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen in Ziffern 2 bis 4 geändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die mit Wirkung ab 01.11.2003 erfolgte Versetzung von Frau L. auf die Position der stellvertretenden Gruppenleiterin aufzuheben.

2. Im Übrigen werden die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die vom Antragsteller - dem für die Hauptverwaltung und die Niederlassung M. der Antragsgegnerin gebildeten Betriebsrat - verlangte Aufhebung einer Versetzung, ferner um die vom Antragsteller begehrte Verhängung von Ordnungs- bzw. Zwangsgeld und schließlich um das Begehren, die Besetzung einer Stelle als stellvertretender Gruppenleiter innerhalb des Betriebs auszuschreiben.

Die Mitarbeiter der Antragsgegnerin Frau L. , die als Sachbearbeiterin in der Abteilung "Leistung Sonderfall AZV" tätig ist, unter anderem mit der Bearbeitung von Erstattungsanträgen/Vorgängen im Bereich Anzeigepflichtverletzung einschließlich der erforderlichen Korrespondenz, wurde am 01.11.2003 zur stellvertretenden Gruppenleiterin ernannt. Sie ist in dieser Funktion Abwesenheitsvertreterin der Gruppenleiterin der Gruppe "AZV/EER/BM (Anzeigepflichtverletzung/Ersteinreicher/Be­schwerdemanagement). Für diese einheitliche Gruppe gibt es außer Frau L., die für die Bereiche AZV/EER zuständig ist eine weitere stellvertretende Gruppenleiterin. Die Funktion der stellvertretenden Gruppenleiterin wurde Frau L. mit Schreiben vom 06.11.2003 zunächst befristet bis 31.10.2004 übertragen. Diese Übertragung ist zwischenzeitlich verlängert worden. Frau L. obliegen weiterhin - in einem zwischen den Beteiligten streitigen Umfang - ihre bisherigen Aufgaben als Sachbearbeiterin.

Die von der stellvertretenden Gruppenleiterin im Vertretungsfall wahrzunehmenden Aufgaben bestehen - in allgemeiner, zusammenfassender Beschreibung - in der Sicherstellung der Schadensregulierung, der Gewährleistung eines reibungslosen und termingerechten Arbeitsablaufs, der Entscheidung bei außergewöhnlichen Fällen, der Gewährleistung der Einhaltung des Qualitätsstandards bei den Mitarbeitern und der Sicherstellung der Maßnahmen zum Schadenmanagement.

Vor der Ernennung zur stellvertretenden Gruppenleiterin wurde der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG beteiligt. Vielmehr wurde er hierüber nur nachträglich informiert. Mit Schreiben vom 21.11.2003 verlangte er deshalb die Stellenausschreibung des stellvertretenden Gruppenleiters nach § 93 BetrVG, teilte ferner mit, es sei bisher betriebsüblich gewesen, die stellvertretenden Gruppenleiterpositionen auszuschreiben und den Vorgang den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorzulegen, der personellen Maßnahme werde wegen unterbliebener Ausschreibung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG widersprochen. Die Antragsgegnerin entgegnete mit Schreiben vom 26.11.2003, die ständige Beauftragung eines Mitarbeiters mit der Vertretung eines Gruppenleiters sei keine zu besetzende Stelle, eine Ausschreibung nach § 93 BetrVG daher nicht nötig.

Frau L. erhält im Hinblick auf ihre Funktion als stellvertretende Gruppenleiterin eine halbe sog. Verantwortungszulage in Höhe von 105,50 €.

In der Zeit vom 01.04.2003 bis einschließlich 31.03.2004 war die Leiterin der Gruppe AZV/EER/BM an insgesamt 38 Arbeitstagen wegen Urlaubs, Krankheit oder Seminarteilnahme verhindert. Dies entspricht etwa 15 % der Jahresarbeitszeit von Frau L.. Es ist unstreitig, dass die Gruppenleiterin während dieser Fehlzeiten von den beiden stellvertretenden Gruppenleiterinnen vertreten werden musste.

Der antragsstellende Betriebsrat ist im Hinblick auf Umfang und Natur der Funktion von stellvertretenden Gruppenleitern der Auffassung, die Übertragung dieser Funktion stelle eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG dar. Da die Antragsgegnerin diese Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt habe, müsse die Antragsgegnerin die Versetzung nach § 101 Satz 1 BetrVG aufheben. Ferner begehrt der Antragsteller unter Berufung auf § 101 Satz 2 BetrVG die Verhängung eines "Ordnungsgelds". Der Antragsteller meint, die beharrliche Weigerung der Arbeitgeberin, ihrer Verpflichtung aus § 93 BetrVG zu innerbetrieblichen Ausschreibung bezüglich der Besetzung einer Stelle als stellvertretende Gruppenleiter nachzukommen, sei als grober Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 3 zu werten. Daraus ergebe sich die Berechtigung des Antrags auf Verurteilung zur Stellenausschreibung, wenn es der Betriebsrat verlange. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung sei nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG die Androhung eines Ordnungsgelds berechtigt.

Die Antragsgegnerin ist demgegenüber der Auffassung, eine zustimmungspflichtige Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne liege nicht vor, weil Frau L. kein "anderer Arbeitsbereich" gewiesen worden sei, und zwar weder in quantitativer Hinsicht - da die neuen Tätigkeiten von Frau L. nicht zu einer Veränderung von mehr als 30 %, sondern allenfalls von etwa 15 % ihrer Arbeitszeit geführt hätten - noch in qualitativer Hinsicht, weil die Abwesenheitsvertretung so weit hinter der nach wie vor wahrzunehmenden Sachbearbeitertätigkeit zurücktrete, dass von einem prägenden Einfluss der stellvertretenden Gruppenleitung auf die Gesamttätigkeit nicht die Rede sein könne. Die Funktion als stellvertretende Gruppenleiterin sei nicht als Arbeitsplatz im Sinne von § 93 BetrVG anzusehen. Die Anträge auf Verurteilung zur Stellenausschreibung und auf Androhung eines Ordnungsgelds für jeden Fall der Zuwiderhandlung seien abweisungswürdige Globalanträge.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 17.03.2005, auf den hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug und der erstinstanzlich gestellten Anträge verwiesen wird, nach diesen Anträgen erkannt und entschieden:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Versetzung von Frau L. zur stellvertretenden Gruppenleiterin zum 01.11.2003 aufrechtzuerhalten.

2. Für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 1. wird der Antragsgegnerin bezogen auf jeden Tag der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250,00 angeordnet.

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Besetzung einer Stelle als stellvertretender Gruppenleiter innerhalb des Betriebes auszuschreiben, wenn es der Antragsteller verlangt.

4. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus 3. wir der Antragsgegnerin bezogen auf jeden Arbeitnehmer und jeden Tag der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angeordnet.

Gegen diesen - mit einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung versehenen - und der Antragsgegnerin am 30.03.2005 zugestellten Beschluss hat diese am 13.04.2005 (Schriftsatzeingang) Beschwerde eingelegt und diese am 13.05.2005 (Schriftsatzeingang) begründet.

Sie trägt vor, ein Vertretungsfall sei nur gegeben, wenn die Ausübung der Leitungsfunktion keinen Aufschub dulde. Dies setze mindestens ganztägige Abwesenheit voraus; einen stundenweisen Vertretungsfall gebe es nicht. Deshalb schrumpfe der Aufgabenkatalog laut Beschluss des Arbeitsgerichts München von vornherein zusammen. Die Abwesenheitsvertretung konzentriere sich auf vordringliche Aufgaben. Ein Anlass zur Sicherstellung der Schadenregulierung und der Maßnahmen zum Schadenmanagement, also der Aufsichtsaufgaben, bestehe bei einer nur zeitweisen Verhinderung der Gruppenleiterin durch Besprechungen oder ähnliches nicht. Entsprechende gelte hinsichtlich der Gewährleistung eines reibungslosen und termingerechten Arbeitsablaufs. In außergewöhnlichen, dringlichen Fällen finde eine Rücksprache mit dem Abteilungsleiter statt. Auch die Gewährleistung des Qualitätsstandards obliege der stellvertretenden Gruppenleiterin allenfalls bei längerer Abwesenheit der vertretenen Person. Somit liege die Beanspruchung mit Teiltätigkeiten der Gruppenleitung bei Abwesenheitsvertretung weit unter 20 %. Eine stundenweise Vertretung finde auch deshalb nicht statt, weil sich die Mitarbeiter im Falle der kurzfristigen Abwesenheit der Gruppenleiterin aufgrund der wöchentlichen Gruppenleiterbesprechung oder von Besprechungen mit Abteilungsleitern und anderen Führungskräften erst nach diesen Besprechungen an die Gruppenleiterin wendeten. Die stellvertretende Gruppenleiterin wäre auch gar nicht berechtigt, kurzfristig eine ins Gewicht fallende Entscheidung zu treffen. Entsprechendes gelte im Hinblick auf die Außendienstmitarbeiter, die sich während einer kurzzeitigen Abwesenheit der Gruppenleiterin an diese wenden wollten. Eine Notwendigkeit der Rücksprache mit der stellvertretenden Gruppenleiterin bestehe bei kurzzeitiger Abwesenheit der Gruppenleiterin nicht.

Im Hinblick auf das Ausschreibungsverlangen bringt die Antragsgegnerin vor, für die stellvertretende Gruppenleitung gebe es keine "Stelle", die im Stellenplan ausgewiesen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt deshalb,

den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 17.03.2005 - 23 BV 136/04 - aufzuheben und die Anträge zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und stellt in Abrede, dass eine stundenweise Vertretung des Gruppenleiters nicht gebe. Die Arbeitsabläufe im Betrieb ließen es nicht zu, dass Entscheidungen erst nach Rückkehr der Gruppenleitung getroffen werden, z.B. hinsichtlich versicherungsvertragsrechtlicher Fristen, Abarbeitung "ältester Tag", Terminzusagen gegenüber dem Kunden sowie Rückruf gegenüber Kunden. Auch sei zu berücksichtigen, dass es für den Mitarbeiter nicht ersichtlich sei, wie lange die Abwesenheit des Gruppenleiters dauere. Auch werde nicht konkret mitgeteilt, für welchen Zeitraum der Gruppenleiter wegbleibe. Auch bei kurzfristiger Abwesenheit müsse die Funktion des Gruppenleiters vollständig übernommen werden. Die Gruppenleiterbesprechungen dauerten nicht lediglich eine Stunde, sondern mindestens einen halben Tag. Abteilungsrelevante Entscheidungen müsse auch der Gruppenleiter nach Rücksprache mit dem entsprechenden Abteilungsleiter treffen. Die Mitarbeiter, der Außendienst bzw. Kunden verlangten auch schon bei einstündiger Abwesenheit des Gruppenleiters die Stellvertretung, um ggf. Entscheidungen herbeizuführen. Mit Recht sei das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass vorliegend bei einer Vertretungstätigkeit von insgesamt 38 Arbeitstagen (urlaubsbedingt) zuzüglich 42 Arbeitstagen, mithin insgesamt 82 Arbeitstagen, was bei einer Gesamtarbeitszeit von 220 Arbeitstagen ungefähr 37 % der Jahresarbeitszeit entspreche, eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG vorliege.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 13.05.2005 und 22.09.2005, des Antragstellers vom 24.06.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.09.2005 verwiesen.

II.

Die - zulässige - Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

1. Die Beschwerde ist begründet soweit das Arbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats auf Verhängung eines Ordnungsgelds (Antrag Ziffer II.), auf Verurteilung zur Stellenausschreibung (Antrag Ziffer III.) und auf Androhung eines Zwangsgelds (Antrag Ziffer IV.) stattgegeben hat.

a) Der Antrag auf Verhängung eines "Ordnungsgelds" bis zu 250,00 € für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung, die Versetzung von Frau L. nicht aufrechtzuerhalten, der auf § 101 Satz 2 BetrVG gestützt ist, ist unschlüssig.

Denn die genannte Bestimmung setzt eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zur Aufhebung der personellen Maßnahme - hier Versetzung - voraus. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Daran ändert auch die "Einkleidung" des Aufhebungsverlangens in das Gewand eines Unterlassungsantrages, die im Übrigen aus keinesfalls überzeugenden Gründen vorgenommen wurde, nichts.

b) Auch dem Begehren, der Arbeitgeberin die Besetzung einer Stelle als stellvertretender Gruppenleiter innerhalb des Betriebs auszuschreiben, wenn es der Antragsteller verlangt, muss der Erfolg versagt bleiben.

Voraussetzung für eine solche Verurteilung ist, dass der Betriebsrat zuvor irgendwann einmal generell die Ausschreibung freiwerdender oder neugeschaffener Arbeitsplätze allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten innerhalb des Betriebs verlangt hat. Nicht ausreichend ist dagegen, dass Ausschreibungsverlangen aus Anlass einer oder mehrerer konkreter Stellenbesetzungen vorgebracht wird (allgemeine Meinung, z.B. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 93 Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen).

Dem Vortrag des Antragstellers ist jedoch nur zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin - im Gegensatz zur Rechtsvorgängerin - bereits mehrmals dem Verlangen des Betriebsrats nach innerbetrieblicher Stellenausschreibung nicht nachgekommen ist. Dies bedeutet, dass die Antragsgegnerin sich in konkreten Einzelfällen dem Ausschreibungsbegehren des Betriebsrats widersetzt hat. Dass der Betriebsrat irgendwann einmal beschlossen hätte, vom Arbeitgeber zu verlangen, dieser solle künftig alle Positionen von stellvertretenden Gruppenleitungen innerbetrieblich ausschreiben, und dass dieses Begehren ihm auch so mitgeteilt worden wäre, folgt aus dem Vortrag des Antragstellers gerade nicht. Auch deutet die Fassung von Ziffer III. des Antrags "... wenn es der Antragsteller verlangt" darauf hin, dass ein generelles Ausschreibungsverlangen bislang nicht gestellt wurde.

Demnach ist ein allgemeines Ausschreibungsverlangen erstmals mit dem vorliegenden Antrag gestellt worden. Eine Verurteilung zur Vornahme solcher Stellenausschreibungen, die auf § 23 Abs. 3 BetrVG gestützt ist, kann somit allenfalls nach künftiger Missachtung des § 93 BetrVG erfolgen.

c) Aus den vorgenannten (s.o. zu b.) Gründen scheidet die Androhung eines Zwangsgeldes gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 BetrVG für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die aus § 93 BetrVG folgende Verpflichtung aus.

2. Dagegen hat das Arbeitsgericht der Antragsgegnerin in der Sache zu Recht aufgegeben, die Versetzung von Frau L. auf die Position der stellvertretenden Gruppenleiterin aufzuheben.

Unerheblich ist insoweit, dass das Erstgericht der aus - unmaßgeblichen - zwangsvollstreckungsrechtlichen Gründen vorgenommenen Formulierung dieses Antrages als Unterlassungsantrag gefolgt ist. Denn in der Sache begehrt der Antragsteller, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 101 Satz 1 BetrVG, die Aufhebung dieser Maßnahme.

a) Das Beschwerdegericht folgt, wie das Erstgericht, den von der Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen zur Auslegung des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Nach diesen Grundsätzen liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, wenn der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, also der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert (vgl. z.B. BAG vom 27.03.1980 - 2 AZR 506/78; BAG vom 10.04.1984 - 1 ABR 67/82; BAG vom 02.04.1996 - 1 AZR 743/95; BAG vom 13.05.1997 - 1 ABR 82/96; BAG vom 11.09.2001 - 1 ABR 2/01). Eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs, die die übliche Schwankungsbreite übersteigt und so erheblich ist, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit dadurch ändert, kann auch im Falle der Übertragung einer neuen Teilfunktion vorliegen (BAG vom 02.04.1996 - 1 AZR 743/95 mit weiteren Rechtssprechungsnachweisen). Ob eine wesentliche oder erhebliche Änderung in diesem Sinne vorliegt, kann sich - je nach den Umständen des Einzelfalles - aus einer (eher) quantitativen, einer (eher) qualitativen oder einer an quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten gleichermaßen orientierten Betrachtungsweise ergeben. Die Frage, ob es eine quantitative Untergrenze gibt, bei der eine Hinzufügung von Teilfunktionen (oder der Entzug solcher Funktionen) regelmäßig als unerheblich anzusehen ist, ist vom Bundesarbeitsgericht bisher nicht entschieden worden. So hat es das Bundesarbeitsgericht dahingestellt sein lassen, ob der in der Praxis häufig angenommene Grenzwert von 20 % maßgebend ist (BAG vom 02.04.1996 - 1 AZR 743/95). In der Regel wird nicht allein auf den zeitlichen Anteil der Veränderung abzustellen sein.

b) Auch vorliegend wird eine an rein quantitativen Gesichtspunkten orientierte Betrachtungsweise, auf die der angefochtene Beschluss letzten Endes abstellt, den von der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts gestellten Anforderungen nicht gerecht. Dass der zeitliche Umfang der Stellvertretertätigkeit nach den Feststellungen des Erstgerichts ca. 37 % der Gesamtarbeitszeit beansprucht, führt deshalb für sich genommen ebenso wenig zur Bejahung des Vorliegens einer Versetzung wie andererseits die Annahme der Arbeitgeberin, die Stellvertretertätigkeit mache allenfalls 15 % der Gesamtarbeitszeit aus.

Festzuhalten bleibt allerdings, dass sich mit einem Anteil der Vertretungstätigkeit von 15 % an der Gesamtarbeitszeit von Frau L. ein nicht unerheblicher Teil der bisherigen reinen Sachbearbeitertätigkeit verändert hätte. Allein dies würde jedoch noch nicht genügen, um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs bejahen zu können. Entscheidend erscheint demgegenüber, dass die Zuweisung der Abwesenheitsvertretung der Gruppenleiterin zweifelsohne eine erhöhte Verantwortlichkeit des Inhabers der Stellvertretungsfunktion mit sich bringt. Dies wird nicht zuletzt darin dokumentiert, dass Frau L. seit ihrer Ernennung zur stellvertretenden Gruppenleiterin eine halbe Verantwortungszulage erhält. Die Bedeutung bzw. die Auswirkungen dieser Verantwortlichkeit für die Gesamttätigkeit der stellvertretenden Gruppenleiterin kann aber nicht anhand rein zeitlicher Maßstäbe ermessen werden. Denn es liegt auf der Hand, dass der Eintritt eines Vertretungsfalles ebenso wie dessen Dauer und die Art der während der Abwesenheit der Gruppenleiterin oder des Gruppenleiters wahrzunehmenden Leitungsaufgaben nur bei einem Teil der Abwesenheitszeiten der Gruppenleitung vorhersehbar, planbar und von vornherein klar bestimmbar sind. Eine solche Kalkulierbarkeit des Vertretungsfalls kann insbesondere bei längeren Abwesenheitszeiten, z.B. wegen Urlaubs, Schulungs- bzw. Semiarteilnahme und im Falle längerfristig geplanter Dienstreisen gegeben sein. Aber selbst bei einem Teil dieser länger dauernden Abwesenheitszeiten der Gruppenleitung sind Zeitpunkt, Dauer und Art der Vertretungstätigkeit nicht so exakt vorhersehbar, dass eine umfassende Vorsorge für die Vertretungszeit erfolgen könnte. Dies betrifft z.B. kurzfristig gewährte Urlaube, die kurzfristige Anordnung einer Seminar- oder Schulungsteilnahme der Gruppenleiterin bzw. des Gruppenleiters, kurzfristig angesetzte Dienstreisen und Ähnliches. Vor allem die Vertretung bei Erkrankung der Gruppenleitung, die ggf. längere oder auch sehr lange Zeit dauern kann, ist in der Regel nicht vorhersehbar und planbar. Aber auch bei kürzerer Abwesenheitsdauer der Gruppenleiterin oder des Gruppenleiters kann die Art der im Einzelfall anfallenden Vertretungstätigkeit nicht von vornherein exakt bestimmt werden. So ist dem Antragssteller durchaus darin beizupflichten, dass es Entscheidungen gibt, die keinen - auch keinen kurzfristigen - Aufschub dulden. Zu dem vom Betriebsrat in diesem Zusammenhang genannten Beispielsfällen (versicherungsvertragsrechtliche Fristen, Abarbeitung "ältester Tag", Terminzusagen gegenüber dem Kunden, Rückruf gegenüber Kunden, Deliktmanagement, Kladde bzw. manuelle Statistik, elektronische Statistiken, Tagesmeldung an Abteilungsleitung, Zuteilung an Mitarbeiter) hat sich die Antragsgegnerin nicht konkret geäußert. Auch erscheint es weltfern anzunehmen, dass sich Mitarbeiter, Angehörige des Außendienstes oder Kunden, die in einer bestimmten Angelegenheit dringend und unverzüglich die Gruppenleitung sprechen wollen, stets vertrösten oder abwimmeln ließen. Dagegen erscheint es - auch nach der eigenen Erfahrung der Kammer - praxisnäher anzunehmen, dass jedenfalls ein Teil dieser Personen dann eben die Stellvertreterin oder den Stellvertreter zu sprechen wünscht. Nicht zuletzt entspricht es der Lebenserfahrung, dass Besprechungen, mit wem auch immer, nicht immer den geplanten Verlauf - auch in zeitlicher Hinsicht - nehmen, sondern zuweilen erheblich länger als ursprünglich angesetzt dauern. Deshalb mag es durchaus sein, dass z.B. Gruppenleiterbesprechungen bei der Antragsgegnerin in der Regel für eine Stunde angesetzt sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Besprechungen ggf. auch erheblich länger dauern können.

Hinzu kommt, dass sich die stellvertretende Gruppenleiterin - wegen der Unvorhersehbarkeit eines erheblichen Teils der Abwesenheitszeiten der Gruppenleitung - stets bereits halten muss, in die Vertretungsfunktion einzurücken. D.h., dass sich der Vertretungsfall an jedem beliebigen Tag in der Woche und zu jeder beliebigen Zeit innerhalb des Arbeitstages ereignen kann.

Aus alledem ergibt sich, dass einerseits die Beschränkung der Vertretungsfälle auf Abwesenheitszeiten der Gruppenleitung im Umfang von mindestens einem Tag, wie sie von der Arbeitgeberin hier angenommen wird, einer kritischen Überprüfung ebenso wenig standhält wie die Annahme, die Beanspruchung durch Stellvertretertätigkeit beschränke sich generell auf Urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten der Gruppenleiterin und mache allenfalls 15 % der Gesamtarbeitszeit der stellvertretenden Gruppenleiterin aus. Vom Zufallsumstand, ob die zu vertretenden Gruppenleiterin bzw. der zu vertretende Gruppenleiter nie, wenig oder häufig krankheitsbedingt abwesend ist, kann die Beurteilung, ob die Vertretungstätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt, ohnehin nicht entscheidend abhängen. Die Arbeitgeberin zahlt im vorliegenden Fall ja auch nicht die hälftige Verantwortungszulage abhängig vom konkreten zeitlichen Umfang der Tätigkeit in einem bestimmten Monat.

Aus dem bisher Ausgeführten ergibt sich auch, dass die Funktion der stellvertretenden Gruppenleitung, gerade angesichts der Unvorhersehbarkeit und fehlenden Planbarkeit eines Großteils der Vertretungsfälle, auf die Gesamttätigkeit der diese Funktion innehabenden Personen ausstrahlt, und zwar unabhängig davon, ob der rein zeitliche Anteil bei 15, 20 oder - wie dies das Arbeitsgericht angenommen hat - 37 % liegt.

Nachdem auch die Behauptung, der Katalog der vom Arbeitsgericht festgestellten Aufgaben der stellvertretenden Gruppenleiterin schrumpfe insoweit von vornherein erheblich zusammen, als die dort genannten Aufgaben der stellvertretenden Gruppenleiterin allenfalls dann oblägen, wenn die Gruppenleiterin über einen längeren Zeitraum abwesend ist, nicht plausibel erscheint, ist anzunehmen, dass die Funktion der stellvertretenden Gruppenleitung der Gesamttätigkeit ein solches Gepräge gibt, dass nach ihrem Hinzutreten insgesamt von einer anderen Tätigkeit ausgegangen werden muss (vgl. BAG vom 02.04.1996 - 1 AZR 743/95). Es ist die besondere Verantwortlichkeit, die mit der Zuweisung dieser Funktion verbunden ist, und das Erfordernis des ständigen Sich-Bereithaltens für die Vertretung, die, zusammen mit der nicht unerheblichen zeitlichen Inanspruchnahme durch die Vertretungstätigkeit zu der Schlussfolgerung führt, es liege im Verhältnis zur reinen Sachbearbeitertätigkeit eine andere Tätigkeit im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs vor. Die Arbeitgeberin hat Frau L. mit der Ernennung zur stellvertretenden Gruppenleiterin nach allem im Sinne von § 99 BetrVG i.V.m. § 95 Abs. 3 BetrVG versetzt.

c) Da die Maßnahme auf längere Zeit als einen Monat geplant war und im Unternehmen der Antragsgegnerin in der Regel mehr als 20 Wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, hätte der Betriebsrat nach § 99 BetrVG beteiligt werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, kann er nach § 101 Satz 1 die Aufhebung der personellen Maßnahme verlangen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nach § 92a ArbGG zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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