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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 3 TaBV 69/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Wenn sich bei einer "Massenumgruppierung" die Tätigkeit der umzugruppierenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ändert und die betreffenden Personen aus bisher geltenden tarifvertraglich geregelten Tätigkeitsbezeichnungen in neue, ebenfalls unmittelbar im Tarifvertrag genannten Tätigkeitsbezeichnungen ("Job Titeln") übergeleitet werden, muss der Arbeitgeber ohne Nachforderung ergänzender Informationen des Betriebsrats im Einzelfall nicht im Rahmen des Beteiligungsverfahrens gem. § 99 BetrVG Tätigkeits- oder Stellenbeschreibungen vorlegen.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes BESCHLUSS

3 TaBV 69/08

Verkündet am: 04.12.2008

In dem Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Raum und Kirchschlager

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.05.2008 - 3 BV 542/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Beteiligten zu 2. - des in der Niederlassung M. der Antragstellerin gebildeten Betriebsrats - zur Umgruppierung der in der Niederlassung beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt.

Zwischen der Antragstellerin und der v. kam am 20.07.2006 ein "Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der F." zustande, gültig ab 01.10.2005, der in § 3 eine Vergütungsgruppenregelung mit elf statt bisher sieben Tarifgruppen sowie eine Tarifgruppe S0 und eine Tarifgruppe S1 vorsieht. Die einzelnen Tarifgruppen sind mittels abstrakter Merkmale beschrieben, die sich vornehmlich an der Qualität der für die jeweilige Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse orientieren. Ferner enthält § 2 des genannten Vergütungstarifvertrages (künftig: VTV) einen Katalog von Tätigkeitsbezeichnungen in englischer Sprache - sog. Job Titeln -, die jeweils bestimmten Tarifgruppen zugeordnet sind. § 4 VTV enthält Vergütungstabellen, in denen der jeweiligen Tarifgruppe ein sog. Minimum, ein Midpoint und ein Maximum zugeordnet sind. Dies bedeutet, dass der jeweiligen Tarifgruppe nicht ein bestimmter, unverrückbarer Entgeltbetrag entspricht, sondern eine Entgeltbandbreite, wobei der sog. Midpoint deren Mittelwert darstellt.

§ 2 VTV enthält unter der Überschrift "Eingruppierungsgrundsätze" folgende Regelung:

1. Für die Eingruppierung sind allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten und nicht etwaige Berufsbezeichnungen maßgebend.

2. Für die Eingruppierung in eine der nachgenannten Vergütungsgruppen ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Hierbei wird ein Bewertungszeitraum von mindestens 4 Wochen zugrunde gelegt. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer kann nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen.

Diese Eingruppierungsgrundsätze waren in Wortlaut und Inhalt bereits in den vorangegangenen Vergütungstarifverträgen enthalten.

§ 8 VTV enthält eine Regelung der Leistungsbeurteilung, die in Bezug gesetzt wird zur Festlegung des Entgelts innerhalb der tarifvertraglichen Bandbreite der jeweiligen Tarifgruppe.

Die Antragstellerin nahm aufgrund einer von ihr erstellten und im Rahmen der Tarifverhandlungen vorgelegten Liste "Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/"Midpoint" vs. neue Stellenbezeichnung/"Midpoint"" die Umgruppierung der dem Tarifvertrag unterfallenden Beschäftigten vor. Allerdings wurde der Betriebsrat erst durch sog. Inter-Office Memoranden vom 06.09.2007 über die Umgruppierung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert, wobei jeweils solche Beschäftigte in einem Memorandum zusammengefasst wurden, die gemeinsam von der bisherigen alten Tarifgruppe in dieselbe neue Tarifgruppe überführt werden sollten. Nicht erwähnt ist in dem genannten Informationsschreiben die Positionierung der jeweiligen Beschäftigten innerhalb der Bandbreite bzw. Spanne der jeweiligen Tarifgruppe, also im Verhältnis zum sog. Midpoint.

Der Beteiligte zu 2. teilte mit gleichlautenden, auf jede einzelne Mitarbeiterin bzw. jeden einzelnen Mitarbeiter bezogenen Schreiben u. a. mit, er widerspreche der Eingruppierung "nach § 99 Abs. 2 Nr. 1, da die Eingruppierung mehrfach gegen gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen" verstoße. Sie verstoße gegen § 2 des Tarifvertrages, weil in der Anhörung lediglich Berufsbezeichnungen/Job Titel mitgeteilt seien. Der Betriebsrat könne auf Grundlage der "Massenanhörung" in keiner Weise überprüfen, welche Tätigkeiten die betreffenden Mitarbeiter tatsächlich ausübten. Ihm sei eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen Mitarbeiter überwiegend Tätigkeiten ausübten, die nichts mit ihrem Job Titel zu tun hätten. Die Antragstellerin müsse ihm schon mitteilen, welche Tätigkeiten im Einzelfall konkret ausgeübt würden, damit er von seinem Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG Gebrauch machen könne. Eine individualisierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Eingruppierungen im Hinblick auf die tatsächlich erbrachten Tätigkeiten könne mangels Mitteilung konkreter Tätigkeiten nicht erfolgen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die dem Betriebsrat vorgelegten Informationen den Anforderungen des § 99 BetrVG entsprechen. Die Zustimmungsverweigerung sei unbeachtlich, weil zum einen ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG nicht als Gesetzesverstoß und damit Widerspruchsgrund i. S. v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG anzusehen sei und zum anderen lediglich eine formelhafte, nicht auf die Umstände des jeweiligen Falls abstellende Zustimmungsverweigerung vorliege. Im Übrigen verstoße die Information über die Umgruppierungen nicht gegen § 2 VTV, weil es sich jeweils um eine Umgruppierung bei gleichbleibender Tätigkeit handle. Da somit eine rechtlich beachtliche Zustimmungsverweigerung nicht vorliege, sei die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eingetreten.

Der Beteiligte zu 2. meint demgegenüber, die Arbeitgeberin habe ihrer Informationspflicht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG nicht genügt. Denn nach § 2 VTV hätten jeweils die konkreten tatsächlich übertragenen und ausgeführten Arbeiten der jeweiligen Beschäftigten und nicht lediglich die Job Titel mitgeteilt werden müssen. Die Liste "Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/"Midpoint" vs. neue Stellenbeschreibung/"Midpoint"" sei keine ausreichende Informationsgrundlage, zumal diese Liste entgegen der Behauptung der Arbeitgeberin nicht gemeinsam mit der Tarifkommission oder Vertretern von v. erstellt worden sei. Aus Sicht des Betriebsrats sei deshalb die Wochenfrist nicht in Gang gesetzt worden.

Selbst wenn man dies anders sähe, bliebe zu beachten, dass die Arbeitgeberin mehrere Monate betriebsverfassungswidrig den Betriebsrat zur durchgeführten Umgruppierung nicht beteiligt habe.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 27.05.2008 - 3 BV 542/07 -, auf den hinsichtlich des umfangreichen Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, festgestellt, dass die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Umgruppierung von 49 - namentlich bezeichneten - Arbeitnehmern als erteilt gelte.

Es hat zur Begründung ausgeführt, die Mitbestimmung sei nicht deshalb hinfällig, weil die Anhörung mehr als ein Jahr nach Unterzeichnung des VTV und beinahe zwei Jahre nach dessen rückwirkendem Inkrafttreten erfolgt sei. Mit der Anhörung vom 06.09.2007 habe die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG zu laufen begonnen, weil die von der Arbeitgeberin dem Betriebsrat erteilte Information den Anforderungen des § 99 Abs. 1 BetrVG gerecht werde. Da die Eingruppierung der Mitarbeiter seit Jahren gem. § 2 des jeweiligen VTV im Einvernehmen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite bestimmt worden sei, sei es bei den hier vorliegenden rein technischen und nicht inhaltlich zu beurteilenden Umgruppierungsakten ausreichend mitzuteilen, in welcher Vergütungsgruppe der einzelne Mitarbeiter bislang eingestuft war und welcher Vergütungsgruppe er künftig zugeordnet werden solle. Weil sich die Arbeitgeberin an die Liste mit dem Vergleich der aktuellen und der neuen Stellenbezeichnungen gehalten habe, habe es sich lediglich um ein "Umsortieren" der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den bisherigen in die neuen Vergütungsgruppen gehandelt. Diese Neuzuordnung sei in Bezug auf jeden einzelnen betroffenen Arbeitnehmer deutlich geworden mit der Folge, dass der Betriebsrat die Zuordnung auf Fehler hin habe überprüfen können. Eine Neueinschätzung der tatsächlichen Tätigkeit der Arbeitnehmer in Abweichung von der früher einvernehmlich erfolgten Eingruppierung sei nicht erfolgt. Die von der Arbeitgeberin erteilte Information genüge den vom Bundesarbeitsgericht zur Massenumgruppierung entwickelten Grundsätzen (BAG 05.02.1971 = DB 1971, 1528). Weil die Zustimmungsverweigerung jeweils nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen und damit auch nicht erkennbar sei, welcher Tarif- oder Gesetzesverstoß tatsächlich gerügt werde, liege keine ordnungsgemäß begründete Zustimmungsverweigerung vor mit der Folge, dass diese unbeachtlich und mit Ablauf der Wochenfrist die Zustimmungsfiktion eingetreten sei. Der Hinweis auf die verspätete Beteiligung des Betriebsrats sei keine ausreichende Begründung für eine Zustimmungsverweigerung i. S. v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, weil er sich nicht auf die personelle Maßnahme selbst beziehe. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 2 VTV enthalte zwar grundsätzlich einen plausiblen Hinweis auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund. Insofern liege jedoch wegen den gleichlautenden Betriebsratsschreiben eine unbeachtliche Pauschalablehnung vor.

Der Beteiligte zu 2. hat gegen den ihm am 10.06.2008 zugestellten Beschluss vom 27.05.2008 mit einem am 01.07.2008 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 11.08.2008, einem Montag, eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, durch die englischsprachige Information des Betriebsrats vonseiten der Arbeitgeberin sei die Wochenfrist nicht ausgelöst worden. Ein entsprechender Hinweis des Betriebsrats hierauf sei nicht erforderlich gewesen, da dies eine offensichtlich unzureichende Information sei. Desgleichen sei die Mitteilung der Zuordnung der Arbeitnehmer zur jeweiligen Tarifgruppe offensichtlich unvollständig, weil keine Zuordnung zum Midpoint erfolgt sei. Die Arbeitgeberin habe im Zuge der Implementierung der neuen Tarifstruktur die Zuordnung sämtlicher Arbeitnehmer zum Midpoint verändert, ohne den Betriebsrat hierbei beteiligt zu haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstrecke sich aber die Eingruppierungsmitbestimmung auch auf die Fallgruppen. Die Arbeitgeberinformation sei auch wegen fehlender Angabe der jeweils tatsächlich ausgeübten Tätigkeit unvollständig. Es liege kein bloßes "Umsortieren" vor. Vor allem aber sei eine Zustimmungsersetzung und -fiktion durch § 2 VTV ausgeschlossen, da nach dessen Ziffer 2. die Eingruppierung der Arbeitnehmer nur "im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen" könne. Der Beteiligte zu 2. verweist erneut auf die verspätete Anhörung und meint, die Zustimmungsverweigerung sei hinreichend einzelfallbezogen, weil für die Arbeitgeberin erkennbar gewesen sei, dass sich der Betriebsrat auf die konkret ausgeübte Tätigkeit beziehe.

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.05.2008 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 1. und Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bringt vor, der Betriebsrat sei deutschsprachig informiert worden. Er habe im Übrigen die angeblich englischsprachige Information nicht innerhalb der Wochenfrist gerügt. Auch habe er selbst vorgetragen, es seien Stellenbeschreibungen auf Deutsch vorgelegt worden. Die Antragstellerin meint, § 99 Abs. 1 BetrVG verlange streng genommen nicht Informationen über den Arbeitsplatz. Auch sei ein Bezug zum Midpoint nicht mitzuteilen, weil der Betriebsrat kein Mitbeurteilungsrecht bei der Festlegung des Gehalts innerhalb der Gehaltsspanne habe. Sein Mitbeurteilungsrecht bestehe nur in Bezug auf die Anwendung einer abstrakten Vergütungsordnung - hier derjenigen gem. § 3 VTV -, nicht aber hinsichtlich der von der Leistungsbeurteilung im Einzelfall abhängigen Festlegung des Gehalts innerhalb der Varianz, bei der es um die Umsetzung einer entsprechenden Gesamtbetriebsvereinbarung und nicht um die Umsetzung eines Tarifvertrages gehe. Die Antragstellerin habe somit im Rahmen der Umgruppierung nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung ihrer Informationspflicht genügt. Auch enthalte der VTV keine Lebensalters- und Fallgruppen, in die eingruppiert werden müsste. Eine Information des Betriebsrats über die jeweilige Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer sei nicht erforderlich gewesen, weil diese Tätigkeit gleich geblieben und dem Betriebsrat bekannt gewesen sei. Die Antragstellerin habe im Verfahren aufgezählt, welche Mitarbeiter wegen geänderter Tätigkeit neu einzugruppieren gewesen seien. Der Betriebsrat habe insoweit zugestimmt. Die Antragstellerin ist der Auffassung, das nach § 2 Ziffer 2 VTV erforderliche "Einvernehmen" mit dem Betriebsrat über die Eingruppierung bedeute nicht, dass § 99 Abs. 4 BetrVG ausgeschlossen wäre. Sie wiederholt schließlich ihre Auffassung, dass die Zustimmungsverweigerungen nicht ordnungsgemäß seien.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Beteiligten zu 2. vom 11.08.2008 und 24.09.2008, auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 18.09.2008 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 19.11.2008 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der im Antrag genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt, weil innerhalb der Äußerungsfrist, die mit der Anhörung vom 06.09.2007 in Gang gesetzt worden sei, keine rechtlich beachtliche Zustimmungsverweigerung erfolgt sei.

a) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats hat die Arbeitgeberin ihn mit den "Sammelanhörungsschreiben" vom 06.09.2007 ausreichend über die beabsichtigten Umgruppierungen unterrichtet.

aa) Dem Betriebsrat wurde die bisherige und die neue Tätigkeitsbezeichnung mitgeteilt unter Bezugnahme auf die Liste "Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/"Midpoint" vs. neue Stellenbezeichnung/"Midpoint"" (vgl. Seite 2 des jeweiligen InterOffice Memorandum vom 06.09.2007). Dabei hat die Arbeitgeberin - für den Betriebsrat unschwer erkennbar - deutlich gemacht, dass sich die mit der Überleitung von der bisherigen in die neue Stellenbezeichnung und damit der Umgruppierung zugrunde liegende Tätigkeit als solche in den hier streitigen Fällen nicht geändert habe bzw. ändere. Dies folgt auch daraus, dass bei denjenigen Mitarbeitern, bei denen sich aus der Sicht der Arbeitgeberin die Tätigkeit geändert hat, Beteiligungsverfahren in Bezug auf eine Versetzung und Neueingruppierung durchgeführt wurden.

Der Betriebsrat hat nicht in Abrede gestellt, dass er die genannte Liste "Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/"Midpoint" vs. neue Stellenbezeichnung/"Midpoint"" und die Bedeutung der Tätigkeitsbezeichnungen kannte. Er wusste somit, welche Arten von Tätigkeiten sich hinter der bisherigen und der neuen Stellenbezeichnung verbargen. Alles andere wäre - worauf das Arbeitsgericht mit Recht hingewiesen hat - mehr als erstaunlich, nachdem die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gem. § 2 VTV schon seit Jahren im Einvernehmen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite bestimmt wurde. Deshalb ist der Hinweis des Arbeitsgerichts berechtigt, vorliegend habe es sich lediglich um ein bloßes "Umsortieren" der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den bisherigen in die neuen Vergütungsgruppen gehandelt, wobei aufgrund der Anhörung in Bezug auf jeden einzelnen betroffenen Arbeitnehmer deutlich geworden sei, welche Neuzuordnung von der alten in die aktuelle Vergütungsgruppe vorgenommen werden solle. Berechtigt ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Arbeitsgerichts auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.02.1971 (DB 1971, 1528), wonach es ausreicht, dass der Arbeitgeber im Falle von Massenumgruppierungen die einzelnen Arbeitsplätze benennt und angibt, in welcher Entgeltgruppe er diese einzustufen und damit die tarifliche Neuregelung in seinem Betrieb umzusetzen gedenkt.

bb) Hinzu kommt, dass sich alle in den Anhörungsschreiben vom 06.09.2007 genannten bisherigen neuen Tätigkeitsbezeichnungen im VTV in der jeweiligen Fassung als Richtbeispiele unmittelbar wiederfinden und somit sowohl die jeweilige bisherige Stellenbezeichnung und die ihr zugeordnete neue Stellenbezeichnung unmittelbar eingruppierungsrelevant sind. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG reicht nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Wo es der Anwendung abstrakter Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung auf die mit einer konkreten Arbeitsstelle verbundenen Tätigkeitsaufgaben zur korrekten Einreihung des Arbeitnehmers nicht bedarf, besteht kein Erfordernis der Beurteilung der Rechtslage durch den Arbeitgeber und damit kein Erfordernis der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat. Ein solches Erfordernis der Rechtsanwendung fehlt, wenn schon die Urheber der Vergütungsordnung selbst - hier die Tarifparteien - die betreffende Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht haben. Ihre Einreihung ist in einem solchen Fall für die Betriebsparteien und die Arbeitnehmer selbst dann maßgeblich, wenn die Anwendung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führen würde (vgl. BAG 03.05.2006 - 1 ABR 2/05; zur Bedeutung von Richtbeispielen in diesem Zusammenhang: BAG 17.03.2005 - 8 ABR 8/04).

Daraus folgt, dass die Antragstellerin den Betriebsrat ausreichend über die Tätigkeit der jeweils hochzugruppierenden Beschäftigten informiert hat, indem sie ihm die bisherige und die neue Stellenbezeichnung mitgeteilt, ihn darüber hinaus durch Vorlage der Liste "Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/"Midpoint" vs. neue Stellenbezeichnung/"Midpoint"" über die Überleitung der bisherigen in die neue Stellenbezeichnung in Kenntnis gesetzt und ihn vor allem ausdrücklich darauf hingewiesen hat, im VTV selbst -und in der mit der Gewerkschaft zur Beseitigung von Zweifeln abgestimmten Liste - sei festgelegt, welche Tätigkeit in welche Tarifgruppe einzuordnen sei.

Soweit sich also nicht ausnahmsweise im Rahmen der Umgruppierung bei einzelnen Arbeitnehmern die Tätigkeit geändert hat, ist aufgrund der Anhörungsschreiben vom 06.09.2007 von einer Übereinstimmung der Tätigkeitsbezeichnung mit der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit auszugehen. Wenn der Betriebsrat im konkreten Einzelfall eine solche Übereinstimmung für nicht gegeben hielt - worauf seine Bemerkung in den "Beschlussmitteilungen" vom 13.09.2007 hindeutet, ihm sei "eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen Mitarbeiter überwiegend Tätigkeiten ausüben, die nichts mit ihrem Job Titel zu tun haben" -, musste er "Ross und Reiter nennen", d. h. die jeweiligen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter bezeichnen, bei dem eine solche Diskrepanz zwischen Job Titel und tatsächlich ausgeübter Tätigkeit angenommen wurde und mit einer auf den Einzelfall bezogenen, konkreten Begründung widersprechen oder aber (innerhalb der Wochenfrist) konkrete zusätzliche Informationen nachfordern (BAG 14.03.1989 - 1 ABR 10/87; BAG 10.08.1993 - 1 ABR 22/93; BAG 14.12.2004 - 1 ABR 55/03).

Weder das eine noch das andere ist geschehen. Dem Betriebsrat wird damit auch nichts Unmögliches abverlangt. Denn er konnte in denjenigen Fällen, in denen er Zweifel an der Korrektheit des Job Titels, gemessen an der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit, hatte, bei den betreffenden Arbeitnehmern rückfragen oder aber beim Arbeitgeber - im konkreten Einzelfall (!) - eine aktuelle Stellenbeschreibung einfordern.

cc) Das Informationsschreiben vom 06.09.2007 ist auch nicht deshalb unzureichend, weil es die jeweiligen Stellenbezeichnungen in englischer Sprache enthält. Denn der VTV selbst gibt in seiner alten und seiner neuen Fassung diese Stellenbezeichnungen auf Englisch wieder. Der Betriebsrat hat nicht gerügt, dass er die Bedeutung bzw. den Inhalt dieser Stellenbezeichnungen deshalb nicht erfassen könne, weil sie in englischer Sprache aufgeführt sind. Er hat auch nicht von der Arbeitgeberin die Übersetzung dieser Stellenbezeichnungen verlangt.

dd) Die jeweilige Information des Betriebsrats vonseiten der Arbeitgeberin ist auch nicht mit Rücksicht darauf unvollständig, dass sie keine Zuordnung zum Midpoint enthält.

Denn diese Zuordnung betrifft nicht die Umgruppierung, sondern die Gehaltsfestlegung innerhalb der Gehaltsspannen. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist § 8 VTV keine Eingruppierungsvorschrift. Sie enthält keine abstrakte Vergütungsordnungsregelung, sondern lediglich Vorschriften über die Gehaltsfestsetzung im Einzelfall auf der Grundlage der zuvor durchgeführten Einreihung in eine bestimmte Vergütungsgruppe. Sie ist nicht Bestandteil der Ein- oder Umgruppierung, sondern setzt diese als bereits geschehen voraus. Es handelt sich insoweit auch nicht um eine Fallgruppe oder Lebensaltersstufe entsprechend den Vergütungsordnungen des öffentlichen Dienstes.

b) Selbst wenn man die mit Schreiben vom 06.09.2007 gegebene Information als unzureichend ansähe, hätte mit Zugang dieses Schreibens beim Betriebsrat die Wochenfrist zu laufen begonnen.

Denn dann hätte der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht in zureichender Weise ergänzende Informationen verlangt (BAG 14.12.2004 - 1 ABR 55/03; BAG 10.08.1993 - 1 ABR 22/93; BAG 14.03.1989 - 1 ABR 10/87; s. o. zu a), bb)).

Da jede einzelne Umgruppierung jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters einen selbstständigen Anwendungsfall des § 99 BetrVG bildet und damit - ungeachtet der hier zulässigerweise durchgeführten "Sammelbeteiligungen" - als gesondertes Beteiligungsverfahren anzusehen ist, musste der Betriebsrat offen legen, in welchem Einzelfall er weitere Informationen benötige. Dies hat er sich erspart mit der Folge, dass kein ausreichendes Auskunftsverlangen i. S. der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze vorliegt und mit Ablauf der Wochenfrist die Zustimmung als erteilt gilt.

c) Die Zustimmungsfiktion ist nicht durch § 2 Nr. 2 Satz 3 VTV ausgeschlossen.

Zwar ist dort bestimmt, dass die Eingruppierung der Arbeitnehmer nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen kann. Damit ist jedoch nicht die Möglichkeit des Zustimmungsersetzungsverlangens gem. § 99 Abs. 4 BetrVG abbedungen. Abgesehen davon, dass eine solche Abdingung unzulässig und damit unwirksam wäre, weil diese Gesetzesbestimmung allseitig zwingend ist, stellt die genannte Tarifvorschrift lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf § 99 BetrVG dar (zutreffend: ArbG Stuttgart 03.04.2008 - 24 BV 244/07 - und ArbG Düsseldorf 23.07.2008 - 14 BV 165/07).

d) Die Antragstellerin ist nicht gehindert, sich auf den Ablauf der Wochenfrist und damit den Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu berufen.

Das Verhalten der Antragstellerin ist insoweit nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

Denn obwohl die Arbeitgeberin mit der Einleitung der Beteiligungsverfahren mehr als ein Jahr nach Unterzeichnung des VTV vom 20.07.2006 zuwartete, fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Betriebsrats dahingehend, dass sie sich nicht (mehr) auf den Eintritt der Zustimmungsfiktion berufen werde. Das Beteiligungsverfahren des § 99 BetrVG ist als wohl abgewogenes Ganzes zu sehen, in dem die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien sorgfältig austariert sind. Dieses Verfahren beansprucht in seiner Gesamtheit Geltung; einzelne Teile der gesetzlichen Regelung lassen sich nicht abspalten und beiseite schieben.

2. Die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist abgelaufen, ohne dass der Betriebsrat eine rechtlich beachtliche Zustimmungsverweigerung ausgesprochen hätte.

a) Dem Arbeitsgericht ist darin beizupflichten, dass die Begründung, die Beteiligung sei erst beinahe zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrages erfolgt, mithin liege ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, kein beachtlicher Zustimmungsverweigerungsgrund ist. Vielmehr muss sich die Zustimmungsverweigerung auf die personelle Maßnahme selbst richten. Dies entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, so dass sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen.

b) Soweit der Betriebsrat in allen streitigen Fällen der beabsichtigten Umgruppierung mit der Begründung widersprochen hat, ihm sei eine "Vielzahl von Fällen bekannt, in denen Mitarbeiter überwiegend Tätigkeiten ausüben, die nichts mit ihrem Job Titel zu tun haben", der Betriebsrat M. könne "auf Grundlage der "Massenanhörung" in keiner Weise überprüfen, welche Tätigkeiten die betreffenden Mitarbeiter tatsächlich ausüben", liegt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, zwar ein Hinweis auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Gleichwohl ist - mit dem Arbeitsgericht - davon auszugehen, dass damit keine rechtlich beachtliche Zustimmungsverweigerung ausgesprochen ist. Denn da alle Arbeitnehmer umgruppiert wurden, ist aus diesem in allen Beteiligungsverfahren identischen Hinweis nicht ersichtlich, in welchem konkreten Einzelfall die Eingruppierung inhaltlich falsch sein soll, d. h. also bei welcher Arbeitnehmerin oder welchem Arbeitnehmer der Betriebsrat vom Vorliegen des Zustimmungsverweigerungsgrundes des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ausgehe. Die Arbeitgeberin konnte in den streitigen Fällen bei keiner einzigen Mitarbeiterin und bei keinem einzigen Mitarbeiter sicher sein, ob es sich gerade hier um einen derjenigen Fälle handle, die zur "Vielzahl" der beanstandeten Umgruppierungen gehören sollten.

Zudem ist völlig offen geblieben, warum im Einzelfall die Umgruppierung falsch sein soll. Es fehlt jede einzelfallbezogene Begründung, weshalb die konkret ausgeübte Tätigkeit nicht dem Job Titel und damit der vorgesehenen Eingruppierung entspreche. Die Begründung der Zustimmungsverweigerung läuft letzten Endes darauf hinaus, dass die Eingruppierung nicht tarifgerecht, also falsch sei. Die Wertung des Arbeitsgerichts, es handle sich vorliegend um eine unbeachtliche Pauschalablehnung, die nach der Rechtsprechung die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auslöse, trifft zu.

Der Beschwerde war nach allem der Erfolg zu versagen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen. Einzelheiten hierzu sind der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen.

Ende der Entscheidung

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