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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 1050/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 280
- Schadensersatzhaftung eines Arbeitnehmers - Anlageberaters einer Bank - bei Missachtung von Kundenvorgaben beim Aktienkauf

- Abgrenzung grober (gröbster) Fahrlässigkeit zum bedingten Vorsatz und mögliche Haftungserleichterungen nach den Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung

- Obliegenheit des Arbeitgeber zur vorrangigen Inanspruchnahme bestehender Versicherungen


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 1050/04

Verkündet am: 20. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Rottenegger und die ehrenamtliche Richterin Sonnleitner für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. Mai 2004 - 31 Ca 7507/02 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren früheren Arbeitnehmer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Der, ausweislich der vorgelegten Unterlagen, am 00.00.1956 geborene Beklagte war gemäß Anstellungsvertrag vom 23./27.09.1999 (Anl. B1, Bl. 64 bis 68 d. A. bzw. Anl. BK1, Bl. 446 bis 450 d. A.) (spätestens) ab 01.04.2000 bei der Klägerin als "Kundenberater Wertpapier" beschäftigt, wobei seine Aufgabe näher in der Beratung und Betreuung von Privatkunden im Wertpapierbereich, der Ausführung von Wertpapierorders etc. bestand. Der Beklagte erhielt eine Vergütung von 10.000,-- DM (5.112,92 €) brutto/Monat zzgl. vermögenswirksamer Leistungen. Das Arbeitsverhältnis endete - offensichtlich auf Initiative der Klägerin gemäß Schreiben vom 05.07.2001 (Anl. K35, Bl. 489 d. A.) im Zusammenhang mit den hier insgesamt streitgegenständlichen Vorwürfen/Schadensersatzansprüchen - durch Eigenkündigung des Beklagten zum 31.12.2001.

Der Beklagte, der u.a. nach seinem vorgelegten Lebenslauf (Anl. K18 f, Bl. 88 f d. A.) ausgebildeter Bankkaufmann ist und vor seiner Tätigkeit bei der Klägerin bei einer anderen Bank als stellvertretender Zweigstellenleiter, in der Vermögensberatung und im Zeitraum von Februar 1988 bis Juni 1990 als Aktienhändler im dortigen Börsenbüro tätig war, hatte selbst u. a. in Aktien der Fa. P. investiert, deren Aktien, bei einem Aktienkapital von 1.375.000 Stück, sich in erheblichem Umfang auch in den Aktiendepots der vom Beklagten betreuten Kunden befanden. Soweit hier streitgegenständlich erhielt der Beklagte von dem von ihm betreuten Kunden J. G. am 12./13.06.2001 den Auftrag, zusätzlich zu den bereits in dessen (kreditfinanziertem) Aktiendepot befindlichen 1.100 P-Aktien weitere 500 Aktien dieses Unternehmens hinzuzukaufen und dessen Aktienbestand dieses Unternehmens mit einer sog. Stopp-Loss-Order, einem Absicherungskurs, von 20,20 vorzumerken. Diese Order wurde vom Beklagten aus, streitigen, Gründen nicht ausgeführt. Die Kursentwicklung der P.-Aktien unterschritt am Abend des 13.06.2001 das mit der Stopp-Loss-Order des Kunden G. vorgegebene Kurslimit. Mit Schreiben vom 18.06.2001 (Anl. K3, Bl. 32 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass, u. a., beim Kunden G. durch die Kursentwicklung der P.-AG der Kurswert dessen Depots unter die Inanspruchnahme gefallen sei, er jedoch um "Tolerierung bis 30.07." bitte, da sich der Kurs nach der Hauptversammlung dieses Unternehmens am 25.07. wieder an seinen Fundamentaldaten orientieren werde. Mit weiterer schriftlicher "Stellungnahme zur Engagemententwicklung J. G. ..." vom 30.06.2001 (Anl. K4, Bl. 33 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass "auf Grund des Kursverfalls der P. AG und meiner Missachtung von Stopmarken zur Absicherung" der Beleihungswert dieses Depots stark unter die Inanspruchnahme des Kontos gefallen sei. Mit erneuter Stellungnahme vom 02.07.2001 zum Depot des Kunden G. (Anl. K5, Bl. 34 d. A.) sowie weiter mit Schreiben vom 03.07.2001 (Anl. K7, Bl. 36 d. A.) führte der Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass Herr G. seinerseits keinerlei Orders erteilt und bisher immer auf ihn, den Beklagten, vertraut habe und sich inzwischen mehrmals geäußert habe, dass ihm das Risiko zu hoch sei und der Beklagte von weiteren Käufen absehen und bei den P-Aktien bei Kursen von ca. 20,-- € eine Verlustbegrenzung vormerken solle - "nachdem der Kurs am Abend des 13.06. mit einer Kursfeststellung auf 19,-- € (gefallen sei) und am 14.06. bei 13 eröffnete ... (sei) eine aus damaliger Sicht sinnvolle Verlustbegrenzung nicht möglich" gewesen, weshalb der maximale Schaden derzeit ca. DM 33.000,-- bzw. DM 39.740,-- betrage. Die Klägerin erstattete daraufhin diesem Kunden einen Betrag von 39.740,-- DM/20.320,-- €.

Die Klägerin hat eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Banken (VVB: Bl. 121 bis 127 d. A. bzw. Anl. BK3, Bl. 461 bis 467 d. A.) sowie eine Vertrauensschadenversicherung (Versicherungsbedingungen: Anl. K22, Bl. 213 bis 225 d. A.) abgeschlossen, wobei erstere eine Einstandspflicht im Hinblick auf den vertraglichen Haftungsausschluss bei bewussten Verstößen gemäß der einschlägigen Versicherungsbedingungen ablehnte (u. a. Schreiben dieser Versicherung vom 18.10.2002, Anl. K21, Bl. 211/212 d. A.).

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Teilurteils des Arbeitsgerichts München vom 26. Mai 2004, das den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 20.08.2004 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses im Wege der Teilentscheidung der Klage hinsichtlich des Schadensvorganges G. nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Schadenshöhe unter Bezugnahme auf dieses insoweit in überwiegendem Umfang mit der Begründung stattgegeben hat, dass der Anspruch der Klägerin hinsichtlich dieses Sachverhalts weitgehend begründet sei, da der Beklagte durch die Nichteingabe der Stopp-Loss-Order im Fall G. in grob fahrlässiger - jedoch hinsichtlich des Schädigungserfolges nicht vorsätzlicher - Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag kausal verstoßen habe, ohne dass - mangels Vortrags der Parteien - eine Haftungseinschränkung, die auch bei grober Fahrlässigkeit denkbar sei, vorzunehmen sei. Die Schadenshöhe ergebe sich aus der nachvollziehbaren Darlegung des Gutachters, wonach die 1.600 Aktien dieses Kunden bei Eingabe der Stopp-Loss-Order zu einem Durchschnittskurs von 18,5741 € verkauft hätten werden können.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten mit Schriftsatz vom 15.09.2004, am 16.09.2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er fristgerecht vorgetragen hat, dass der Kurs der P.-Aktie, der Anfang des Jahres 2001 bei 27,-- € gestanden habe, bis 30.04.2001 um über 60 % auf einen Stand von 54,-- € gestiegen und am 30.04.2001 auf 22,-- € gefallen sei. Eine Unternehmensstudie vom März 2001 habe für diese Aktie ein Kursziel von 109,-- € prognostiziert, weshalb aus damaliger Sicht keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass ein Wert von 20,-- € unterschritten werden könnte. Nicht nur der Beklagte selbst, der - in einem eigenen Aktiendepot bei der Klägerin und anderweitig - über ca. 9.000 dieser Aktien selbst verfügt habe, habe mit diesen Aktien spekuliert, sondern auch andere Mitarbeiter der Klägerin, darunter einer deren Vorstände. Dass er über die Depots seiner Kunden sowie mit seinem eigenen Aktienbestand 10 % der Aktien dieses Unternehmens kontrolliert haben solle, wie von der Klägerin behauptet, bestreitet der Beklagte. Er habe seinen etwa 80 bis 100 Kunden im fraglichen Zeitraum Frühjahr/Sommer 2001 neben Aktien dieses Unternehmens auch Aktien anderer Firmen empfohlen und auf das Risiko von Kursverlusten und Kursgewinnen hingewiesen. Den am 12.06.2001 seitens des Kunden G., der sein Wertpapierdepot durch Darlehen der Klägerin gegenfinanziert habe, erfolgten Auftrag des Kaufs von weiteren 500 Aktien der P. AG zum Kurswert von 22,60 € habe er am selben Tag in das EDV-System eingegeben, jedoch vergessen, die Stopp-Loss-Order dieses Kunden hinsichtlich eines Kurses von 20,20 € ebenfalls einzugeben, zumal er angesichts der neu gekauften 500 Stück Aktien dieses Unternehmens die Stopp-Loss-Order für das gesamte Depot dieses Kunden erst am Folgetag eingeben hätte können, da andernfalls der Kunde zweimal mit Gebühren belastet worden wäre, was er vermeiden habe wollen. Wegen der versehentlich unterlassenen Eingabe der Stopp-Loss-Order dieses Kunden seien dessen Aktien nach Kursabfall am Abend des 13.06.2001 nicht verkauft worden. Er habe damit weder einen vorsätzlichen noch etwa grob fahrlässigen Verstoß, wie vom Arbeitsgericht angenommen, begangen, sondern allenfalls leicht fahrlässig gehandelt, als er die Eingabe der Stopp-Loss-Order vergessen habe. Seine von der Klägerin angeführte Ausbildung sei hierbei ohne Relevanz, da auch einem gut ausgebildeten Bankkaufmann Fehler unterlaufen könnten. Bei seiner Tätigkeit bei der Klägerin habe er je Tag bis zu 30 Orders von seinen Kunden erhalten und in das EDV-System eingegeben, wobei es auch anderen Mitarbeitern, die vergleichbar dem Beklagten beratend im Wertpapiergeschäft tätig gewesen seien, gelegentlich passiert sei, dass Orders von Kunden versehentlich nicht erfasst worden seien.

Die Klägerin unterhalte zwei Haftpflichtversicherungen, wobei die Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung den Versicherungsnehmer verpflichte, unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach positiver Kenntnis von einem Versicherungsfall, diesen gegenüber dem Versicherer anzuzeigen und nach Möglichkeit für die Abwendung und für die Minderung des Schadens zu sorgen. Unklar sei, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen Anzeige des Versicherungsfalles nachgekommen sei. Auch habe die Klägerin etwa eine Streitverkündung gegenüber dem Versicherer der weiteren Vertrauensschadenversicherung unterlassen, obwohl das Arbeitsgericht erstinstanzlich ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten im Fall des Kunden G. und damit einen Haftungsausschlusstatbestand gemäß den Bedingungen dieser Versicherung verneint habe. Auch habe die Jahreshöchstleistung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der Klägerin am 01.01.2002 lediglich 800.000,-- € betragen, wobei allein der Beklagte als Wertpapierberater im Zeitraum von einem Monat Werte in Höhe von ein bis zwei Millionen Euro bewegt habe. Die Klägerin wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, vorrangig die Versicherungen in Anspruch zu nehmen.

Auch bestünden Organisationsmängel bei der Klägerin, die bereits deshalb pflichtwidrig handle, weil sie Wertpapiergeschäfte ihrer Kunden über Darlehen finanzieren habe lassen und in diesem Fall offensichtlich auch keine Stornierungsbestätigung an den Kunden versandt habe. Engpässe habe es auch wegen der extrem hohen Mitarbeiterfluktuation bei der Klägerin im Jahr 2001 gegeben.

Unklar seien die Ausführungen der Klägerin zur Ermittlung der Schadenshöhe, da ohne das schädigende Ereignis, also der Eingabe der Stopp-Loss-Order, die Aktien des Kunden G. verkauft worden und hierbei Gebühren und Courtage in Höhe von 1,08 %, also 320,-- €, angefallen wären, während dem der Depot-Wert der P-Aktien dieses Kunden vom 03.07.2001 gegenüber zu stellen sei, ohne dass letzterer nach der Differenzhypothese ebenfalls mit fiktiven Gebühren-/Courtagekosten zu belasten wäre.

Der Beklagte beantragt:

I. Das (Teil-)Urteil des Arbeitsgerichts München vom 26.05.04 (Aktenzeichen: 31 Ca 7507/02 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Hilfsweise:

Die Revision wird zugelassen.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass sie, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, vom vorsätzlichen Handeln des Beklagten ausgehe, der, bezogen auf Aktien der Fa. P., in einer Vielzahl von Fällen Kundenanweisungen missachtet und entgegen einer Stopp-Loss-Order oder einem Verkaufsauftrag Aktien nicht verkauft, in einigen Fällen sogar ohne Auftrag Aktien für Kunden gekauft habe, bevor der Kurs dieser Aktie sozusagen ins Bodenlose gestürzt sei. Der Beklagte habe die Stopp-Loss-Orders des Kunden G. und der anderen Kunden ganz bewusst missachtet, um ein weiteres Absinken des Aktienkurses zu verhindern, nachdem er hieran ein massives eigenes Interesse gehabt habe, da er selbst aus eigenem Vermögen und unter Inanspruchnahme von Krediten in erheblichem Umfang P-Aktien in mindestens sechsstelliger Euro-Größenordung erworben habe, wie sich auch aus dem in Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung für das Jahr 2001 festgestellten Verlustvortrag des Beklagten aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 279.497,-- € ergebe. Allein über die Depots seiner Kunden habe der Beklagte knapp 10 % des Aktienbestandes der Fa. P. kontrolliert. Dem Beklagten als erfahrenem Bankkaufmann sei es bewusst gewesen, dass für den Fall, dass eine weitere negative Kursentwicklung eintreten würde, die Kunden die Bank wegen der Missachtung ihrer Weisungen schadensersatzpflichtig machen könnten und dieser dadurch ein Schaden entstehen würde, weshalb er diesen mit dolus eventualis billigend in Kauf genommen habe. Entgegen seiner Einlassung habe der Beklagte weniger als 70 Kunden betreut, wobei maximal 20 Orders täglich auszuführen gewesen seien. Bei den Kollegen, die wie der Beklagte beratend im Wertpapiergeschäft tätig gewesen seien, sei entgegen seiner Einlassung kein einziger, im Reklamationsbuch dokumentierter, Fall des Vergessens einer Ordereingabe bekannt. Auch die Arbeitszeitbelastung des Beklagten habe sich in ganz normalem Rahmen bewegt. Der Beklagte hätte sofort nach Auftrag des Kunden eine Stopp-Loss-Order für dessen kompletten Depotbestand eingeben und diesen am Folgetag für den neu gekauften Bestand ergänzen müssen, zumal hierfür keine Gebühren berechnet würden. Der Versand von Wertpapierabrechnungen oder Limiteingaben erfolge unabhängig vom Versand der Kontoauszüge, zumal ohne Eingabe der Order auch keine Mitteilung hierüber auslaufen hätte können und der Kunde G. im Übrigen nur einen monatlichen Auszugsversand vereinbart gehabt habe. Auch ein Überwachungsverschulden der Klägerin o. ä. sei nicht ersichtlich; das bewusste Hinwegsetzen des Beklagten über Weisungen hätte sich auch durch Überwachung nicht verhindern lassen. Der Kurs der P-Aktien sei bereits im Zeitraum vom 01.06. bis 07.06.2001 mit dem tiefsten Stand jeweils unter 20,-- € verzeichnet gewesen.

Die Haftpflichtversicherung der Klägerin decke in keinem Fall wissentliche Pflichtverletzungen für die Bereiche des Kreditgeschäftes und der Vermögensanlage. Die Vertrauensschadensversicherung trete nur dann ein, wenn vorsätzliche Verstöße nachgewiesen werden könnten, wobei diese Versicherung auch keinen Regressverzicht kenne. Der Schaden der Klägerin sei zutreffend berechnet, wobei bei der Gegenüberstellung der Erlöswerte des Depots bei korrektem Verlauf und nach dem fehlerhaften Verlauf jeweils der auf Courtage und Gebühren anfallende Betrag abgezogen werden müsse.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 20.10.2004 (Bl. 430 f d. A.), vom 21.12.2004 (Bl. 477 f d. A.), vom 02.02.2005 (Bl. 459 f d. A.), vom 11.03.2005 (Bl. 526 f d. A.) und vom 31.03.2005 (Bl. 565 f d. A.), nebst der jeweils vorgelegten Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 10.02.2005 (Bl. 520 f d. A.) und vom 29.09.2005 (Bl. 583 f d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und im Begründungsansatz zutreffend entschieden, dass der Beklagte nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (zum damaligen Zeitpunkt: §§ 280, 286 BGB entsprechend, nunmehr: § 280 BGB i. d. F. vom 01.01.2002) der Klägerin hinsichtlich des ihr durch die Nichteingabe der Stopp-Loss-Order des Kunden G. entstandenen und diesem ersetzten Schadens in der erstinstanzlich entschiedenen Höhe haftet.

1.

a) Die tatbestandliche Pflichtverletzung des Klägers liegt hinsichtlich des hier allein streitgegenständlichen Schadensersatzanspruches wegen des Kunden G. in dem, als solchen unstreitigen, weisungswidrigen Unterlassen, entgegen dem Auftrag dieses Kunden am 12./13.06.2001 keine Stopp-Loss-Order mit einem Absicherungskurs von 20,20 € vorzumerken/ins EDV-System einzugeben.

Der Beklagte hat unstreitig schuldhaft gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB aF gehandelt - auch er selbst wertet sein diesbezügliches Handeln als leicht fahrlässig.

Auch am Vorliegen der erforderlichen haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden (adäquaten) Kausalität des Handelns des Klägers und der Pflichtverletzung sowie dem entstandenen Schaden kann kein Zweifel bestehen.

b) Unabhängig von der Frage einer Anwendung der Grundsätze einer Haftungsprivilegierung scheiden ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin und damit eine Haftungsminderung nach § 254 Abs. 1 BGB aus.

Organisatorische Mängel bei der Klägerin lagen nicht vor. Weder wendet der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte eine besondere Überlastung etwa durch eine atypische Vielzahl von Aufträgen ein - nach dem in der Folge unwiderlegten Vorbringen der Klägerin habe er lediglich weniger als 70 Kunden, mit maximal 20 Orders insgesamt täglich, betreut - noch ist vorgetragen oder sonst erkennbar, welche grundsätzlichen, notwendigen, konkreten organisatorischen Maßnahmen - Kontroll- und/oder Überwachungspflichten: welche? - bestehen hätten sollen, die etwa die streitgegenständliche Nichteingabe oder rechtzeitige Nachholung der Stopp-Loss-Order des Kunden G. am 12./13.06.2001 realistisch verhindern hätten können, noch ist erkennbar, weshalb - von der Klägerin insoweit bestritten - allgemein behauptete Reklamationen von Kunden bei anderen Wertpapierberatern etwa wegen vergessener Ordereingaben wenigstens indiziell von Bedeutung sein könnten für eine besondere Risikoträchtigkeit der Tätigkeit eines Anlageberaters bei der Klägerin. Auch die Arbeitszeit des Beklagten hielt sich nach dem von ihr vorgelegten Zeiterfassungsbogen für den Monat Juni 2001 im üblichen Rahmen (Anl. K34, Bl. 488 d. A.).

2. Die hier anwendbaren Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung (dazu a) führen nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles, wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, auch nach Auffassung der Berufungskammer nicht zu einer Haftungsbeschränkung (dazu b).

a) Die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung finden Anwendung, da eine betrieblich veranlasste Schädigung durch den Beklagten vorliegt.

aa) Die Grundsätze der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers finden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Berufungsgericht anschließt, - allein - bei solchen Tätigkeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, nicht lediglich ein zufälliger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang der Pflichtverletzung und der Arbeitstätigkeit vorliegt (BAG, etwa U. v. 18.04.2002, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers - II. 2. b der Gründe, m. w. N. -).

bb) Dies ist hier gegeben.

Das Unterbleiben der Eingabe der angewiesenen Stopp-Loss-Order als haftungsbegründende Pflichtverletzung des Beklagten ist bei der Verwaltung des Aktiendepots des Kunden G. geschehen, der am 12.06.2001 den Nachkauf weiterer 500 Stück P-Aktien in Auftrag gab und dabei gleichzeitig die Anweisung der Eingabe einer entsprechenden Stopp-Loss-Order für diese und die bereits in seinem Depot befindlichen 1.100 Aktien desselben Unternehmens erteilte - was der Beklagte sodann nach Ausführung des Nachkaufauftrages unterließ. Auch wenn bei diesem Unterlassen, bewusst oder unbewusst (vorsätzlich oder fahrlässig), die Tatsache mitbeteiligt gewesen sein sollte, dass der Beklagte unstreitig selbst in nicht unerheblichem Umfang Aktien dieses Unternehmens hielt - somit gewisse Eigeninteressen des Beklagten mitmotivierend bei der unterlassenen Eingabe der Stopp-Loss-Order gewesen sein dürften (s. u.) -, ist für die in diesem Zusammenhang allein maßgebliche objektive Zwecksetzung des Handelns (BAG, aaO) entscheidend, dass dies in dienstlichem Zusammenhang mit der Verwaltung des Wertpapierdepots des Kunden der Klägerin G., die Aufgabe des Beklagten war, bei der Ausführung von Kauf-/Verkaufsaufträgen für Aktien und der flankierenden Vorgaben zur entsprechenden Risikobegrenzung bei Transaktionen erfolgte und damit anlässlich einer durch den Arbeitsvertrag mit der Klägerin veranlassten Tätigkeit geschah.

b) Damit greifen hier die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ein, bei denen es generell darum geht, die Verantwortung des Arbeitgebers für die Organisation des Betriebes und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und damit das darin liegende Betriebsrisiko des Arbeitgebers miteinzubeziehen, da der Arbeitnehmer den vorgegebenen Arbeitsbedingungen in der Regel weder tatsächlich noch rechtlich ausweichen kann. Die auf Grund des Weisungsrechtes des Arbeitgebers arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung und die von ihm gesetzte Organisation des Betriebes prägen das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers.

Für die Haftung des Arbeitnehmers gelten deshalb gemäß § 254 BGB analog folgende Grundsätze, abhängig vom Verschuldensgrad des Arbeitnehmers:

Vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ist eine Haftungserleichterung zu seinen Gunsten nicht völlig ausgeschlossen, sondern von einer Abwägung im Einzelfall abhängig. Bei normaler Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer den Schaden im Grundsatz anteilig zu tragen. Bei leicht(est)er Fahrlässigkeit entfällt eine Haftung des Arbeitnehmers.

Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalls ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein (ständ. Rspr. des BAG, z. B. aaO - II. 3. a der Gründe, m. w. N. -).

aa) Hinsichtlich des für die Frage des Ob und des Umfangs einer Haftungsprivilegierung sonach zunächst maßgeblichen Verschuldensgrades des Beklagten ist das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht auch vom Vorliegen (nur) grober - wenngleich in Form "gröbster" - Fahrlässigkeit ausgegangen.

(1) Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, § 276 Abs. 2 BGB nF) nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wird, wenn dasjenige unbeachtet bleibt, was jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zum rein objektiven Maßstab bei einfacher - leichter - Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen. Es kommt hierbei einerseits darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen genügenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, wozu auch gehört, ob die Gefahr erkennbar und der Erfolg vorhersehbar und vermeidbar waren; abzustellen ist andererseits auch darauf, ob der Schädiger nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BAG, aaO; sowie z. B. U. v. 12.11.1998, AP Nr. 117 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

Dagegen ist Vorsatz in Form des bedingten Vorsatzes (dolus eventualis) gegeben, wenn wissentlich und willentlich sowie im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehandelt wird. Allerdings setzt dies - worauf der Beklagte insoweit zu Recht abhebt - weiter voraus, dass der Täter/Arbeitnehmer nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch den Schaden, den Schadenseintritt als solchen und in seiner konkreten Höhe, zumindest als möglich vorausgesehen und ihn für den Fall des Eintritts ebenfalls billigend in Kauf genommen hat; über die Erkenntnis der Möglichkeit des Eintritts eines schadensstiftenden Erfolges hinaus ist hier somit erforderlich, dass der Schädiger den von ihm als möglich vorgestellten Erfolg auch in seinen Willen aufgenommen hat und mit ihm für den Fall seines Eintritts einverstanden war (BAG, ebenfalls ständ. Rspr., vgl. wiederum nur U. v. 18.04.2002, aaO). Das Verschulden muss sich somit hier auch auf den konkreten Schadenseintritt beziehen.

(2) Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falls ist mit dem Arbeitsgericht von einem Verschulden noch in Form grober Fahrlässigkeit des Beklagten auszugehen - von seinem bedingten Vorsatz lediglich, was deshalb insoweit offen bleiben kann, hinsichtlich der konkreten Pflichtverletzung (Unterlassen der Eingabe einer Stopp-Loss-Order am 13.06.2001), nicht aber hinsichtlich des streitgegenständlichen Schadens der Klägerin, was für die Annahme vorsätzlichen haftungsbegründenden Handelns in vorstehendem Sinn eben noch nicht ausreicht.

Die allein zugänglichen äußeren Tatsachen ergeben hierbei Folgendes:

- Der Beklagte hatte der Klägerin bereits mit zeitnahem Schreiben vom 18.06.2001 (Anl. K3, Bl. 32 d. A.) mitgeteilt, dass der Kurswert (u. a.) des Depots des Kunden G. durch die Kursentwicklung der P. AG unter "die Inanspruchnahme gefallen" sei und er um Tolerierung bis 30.07. bitte, da er davon ausgehe, dass sich der Kurs dieser Aktie nach der Hauptversammlung am 25.07. nach oben orientieren werde; mit Notiz vom 30.06.2001 an die Klägerin verweist der Beklagte ausdrücklich darauf, dass der Beleihungswert des Depots des Kunden G. auf Grund "meiner Missachtung von Stopmarken zur Absicherung" unter dessen Kreditlinie gefallen sei (Anl. K4, Bl. 33 d. A. - Hervorhebung durch das Gericht -); mit weiteren Stellungnahmen vom 02.07.2001 (Anl. K5, Bl. 34 d. A.) und vom 03.07.2001 (Anl. K7, Bl. 36 d. A.) führt der Beklagte unmissverständlich aus, dass ihm der Kunde G. "seinerseits keinerlei Orders erteilt und bisher immer auf (ihn) vertraut" habe und er "bei Kursen von ca. 20 bei den P. eine Verlustbegrenzung vormerken" habe sollen - nachdem der Kurs am Abend des 13.06.2001 mit einer Kursfeststellung auf 19 gefallen sei und am 14.06.2001 bei 13 eröffnet habe, weshalb eine aus damaliger Sicht sinnvolle (!) Verlustbegrenzung nicht möglich gewesen sei.

Bereits dies indiziert den subjektiven Tatbestand bedingten Vorsatzes - der Beklagte habe bewusst vom Verkauf der P-Aktien am 13.06.2001 ff abgesehen, weil "eine aus damaliger Sicht sinnvolle Verlustbegrenzung nicht möglich" gewesen sei, er habe also die Stopp-Loss-Order dieses Kunden bewusst missachtet (und auf Erhöhung des Kurses in der Folge gehofft/gesetzt) - und widerlegt das Vorbringen des Beklagten, dies sei lediglich auf Grund eines schlichten Vergessens geschehen.

- Der Beklagte hat, wie von der Klägerin zuletzt zulässig ausgeführt, bereits am 11.06.2001 als Tag vor der hier streitgegenständlichen Stopp-Loss-Order des Kunden G. vom 12.06.2001 den Verkaufsauftrag eines anderen Kunden (B.) über den Verkauf dessen kompletten Bestandes von 1.300 Stück P-Aktien bei einem Kurs von 21,-- €/Stück und darunter missachtet, mit der Begründung gegenüber der Klägerin, dass er gehofft habe, dass bis zur Rückkehr dieses Kunden aus dessen zwischenzeitlichem Urlaub der Kurs sich wieder normalisiert haben und seine Fehleinschätzung ohne Folgen bleiben würden (Schreiben dieses Kunden vom 19.07.2001 und Stellungnahme des Beklagten vom 20.07.2001, Anlagen K37 und K38, Bl. 536/537 d. A.) - was der Beklagte hinsichtlich des objektiven Tatbestandes auch nicht bestreitet.

- Beim Beklagten handelt es sich, subjektiv, um einen hochqualifizierten, versierten und berufs-/branchenerfahrenen Aktien-"Profi", der nach seinem vorgelegten Lebenslauf (Anl. K18, Bl. 188 d. A.) und dem Zwischenzeugnis seiner vorherigen Arbeitgeberin (vom 09.09.1991, Anl. K19, Bl. 190 d. A.) auf Grund erfolgreicher Arbeit im Wertpapiergeschäft von Februar 1988 bis Juni 1990 als Aktienhändler für diese und ab 1994 dort in der Vermögensberatung tätig war.

- Die hier streitgegenständlichen P-Aktien waren - was der Beklagte unzweifelhaft nicht nur wissen musste, sondern wusste - angesichts einer Gesamtemission von (lediglich) 1.375.000 Stück ein (hoch)spekulatives und volatiles Papier, bei dem bereits der Handel mit wenigen tausend Aktien naturgemäß signifikante Kursausschläge auslösen konnte und musste - was entsprechende Risikoszenarien indiziert sowohl beim Handel seitens dritter Inhaber solcher Aktien als auch eines (im Falle einer entsprechenden Stopp-Loss-Order automatisch ausgelösten) Verkaufsauftrages etwa des Kunden G. am 13.06.2001 über immerhin 1.100/1.600 Stück dieser Aktien (vgl. die Umsatz-/Kursbewegungsaufstellung dieser Aktie am 13.06. und am 14.06.2001, Bl. 11 bis 31 d. A., sowie auch das Handelsprotokoll dieser Aktie an diesen Tagen, auf das das erstinstanzlich erholte Sachverständigengutachten vom 04.08.2003, dort auch auszugsweise in der Anlage - Bl. 268 f d. A. -, Bezug nehmen).

- Der Beklagte hatte selbst, wie er im Rahmen seiner ausführlichen Parteianhörung im Berufungsverfahren auch eingeräumt hat, im streitgegenständlichen Zeitraum Wertpapierdepots sowohl bei der Klägerin als auch bei zwei anderen Banken unterhalten, wo er in nicht unerheblichem Umfang - und nach undementiertem Vortrag der Klägerin: weitgehend kreditfinanziert -, Aktien der Fa. P. AG gehalten hat - er hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2005 eingeräumt, selbst insgesamt etwa 9.000 Aktien dieses Unternehmens gehalten zu haben (im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung 2001 wurde von ihm ein verbleibender Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften von annähernd 280.000,-- € geltend gemacht (Anl. K42, Bl. 550 d. A.) - davon, wiederum nach seinem eigenen Vorbringen, allein etwa 190.000,-- € aus Verlusten mit P-Aktien im Jahr 2001 -).

Der Beklagte "beherrschte" damit allerdings über eigene Aktien und vor allem auch die in den von ihm betreuten Aktienkundendepots befindlichen Aktien dieses Unternehmens unmittelbar oder mittelbar einen signifikanten und für ein hochspekulatives Papier wie diese Aktie für Kursbewegungen durchaus relevanten Anteil an deren Gesamtemission - wobei aus den von der Klägerin in Anlage K23 (Bl. 226 f) und K28 (Bl. 237 d. A.) zum Schriftsatz vom 24.07.2003 (Bl. 164 f d. A.) zum Haftungszusammenhang allgemein vorgelegten und damit auch hier verwertbaren gerichtlichen Protokollen u. a. der Zeugenaussage des Beklagten vor dem Landgericht Augsburg (Rechtsstreit Klägerin ./. M., 6 O 000/00, 10.02.2003) und den Zeugenaussagen in einem Verfahren der Klägerin gegen einen anderen Kunden vor dem Landgericht Wels/Österreich eindrucksvoll aufscheint, dass der Beklagte dringliche Kaufempfehlungen für diese Aktien, auch an weniger versierte Kunden, gab, er hierbei mit vorhandenen Insider-Informationen argumentierte etc. Gerade auch in seinen Stellungnahmen vom 02.07.2001 und vom 03.07.2001 (Anl. K5 und K7) zum Sachverhalt G. führt der Beklagte aus, dass dieser ihm keinerlei Orders erteilt und bisher immer auf ihn vertraut habe. ... (wobei es hinsichtlich der Frage einer Kontrollmöglichkeit der Aktienbewegungen der P. AG durch den Beklagten nicht entscheidungserheblich ist, ob sich in den vom Beklagten verwalteten/betreuten Kundendepots zwischen dem 30.04.2001 und dem 30.06.2001 exakt die von der Klägerin im Schriftsatz vom 24.07.2003 kumuliert aufgelisteten ca. 100.000 bis 120.000 P-Aktien - bzw., so ihr Vortrag in der Folge, ca. 10 % des Aktienkapitals dieses Unternehmens - befanden, da es sich hierbei ersichtlich nur um eine ungefähre Größenordnung handelt).

Das sich hieraus ergebende Eigeninteresse des Beklagten an der Kursentwicklung dieser Aktie wird auch deutlich aus seiner schriftlichen Vereinbarung mit einer Kollegin bei der Klägerin, der er mit Schreiben vom 08.12.2000 (Anl. K27, Bl. 235 d. A.) bestätigte/zusicherte, exakt ein Jahr (bzw., nach Prolongation, zwei Jahre) danach deren Bestand von 100 Stück P-Aktien zum Stückpreis von 60,50 € zu übernehmen bzw. einen Gewinn bei einem Erlös oberhalb dieses Preises mit ihr zu teilen ...

Nach allem ist zur Überzeugung der Berufungskammer zwingend davon auszugehen (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass der Beklagte die vom Kunden G. vorgegebene Stopp-Loss-Order vom 12./13.06.2001 bewusst nicht eingegeben/beachtet hat, nachdem der Kurs dieser Aktie bereits an diesem Tag abends, nach 19.24 Uhr, - bei geringen Einzelumsätzen, in der Regel unter 1.000 Stück - unter das vorgegebene Limit gefallen war, am Folgetag morgens bei einem Umsatz von 9.365 Stück auf 14,45 € einbrach und an diesem Tag durchgängig bei einem Kurs im Band von 12,50 € bis ca. 15,-- €/Stück blieb. Angesichts der konkreten Umstände - vor allem der deutlichen Diktion der Stellungnahmen des Beklagten selbst gegenüber der Klägerin, fast zeitgleichem ähnlichen Verhalten im Fall eines anderen von ihm betreuten Kunden, persönlicher Involviertheit des Beklagten ... - überfordert es allerdings die Gutgläubigkeit der Berufungskammer, ein bloßes Vergessen des Beklagten hierbei, auf das er sich beruft, für jedenfalls nicht ausschließbar zu halten. Der Beklagte als versierter und erfahrener Wertpapier-Profi spekulierte unmittelbar und, hinsichtlich der von ihm betreuten Depots, mittelbar mit einer hochrisikoreichen, volatilen Aktie, deren Kurs ab 13.06.2001 abends massiv einbrach, wobei er schlicht auf die Option einer späteren Erholung setzte.

(3) Hiernach muss nach Auffassung der Berufungskammer vom Vorliegen bedingten Vorsatzes des Beklagten hinsichtlich der Missachtung der Stopp-Loss-Order des Kunden G. vom 12./13.06.2001 als Pflichtverletzungstatbestandes im objektiven und subjektiven Sinn ausgegangen werden, jedoch nicht hinsichtlich des der Klägerin dadurch entstandenen Vermögensschadens:

Dass der Beklagte wissentlich und willentlich, im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit - damit (bedingt) vorsätzlich -, auch einen hierdurch entstehenden Schaden der Klägerin - zumal, wie erforderlich, in seiner jedenfalls annähernd konkreten Höhe - zumindest als möglich vorausgesehen, ihn in seinen Willen aufgenommen und für den Fall seines Eintritts - bei fehlender kurzfristiger Erholung des Kurses dieser Aktie - billigend in Kauf genommen haben sollte/mit ihm einverstanden gewesen sein sollte (BAG, U. v. 18.04.2002, aaO - II. 3. b aa der Gründe, m. w. N. -), ist nicht anzunehmen. Im Gegenteil war der Beklagte subjektiv ersichtlich vom jedenfalls mittelfristigen Kurspotential dieser Aktie überzeugt und hoffte, dass die Verluste vorübergehend bleiben würden/der Kurs dieser Aktie sich wieder erholen würde. Der Beklagte wollte somit weder einen Schaden des Kunden G. noch erst recht einen solchen der Klägerin qua deren Haftung diesem Kunden gegenüber - seine nachträglichen erkennbar offenherzigen Eingeständnisse gegenüber der Klägerin nach Intervention (auch) dieses Kunden hinsichtlich der eingetretenen Kursverluste insbesondere bei P-Aktien und generell in von ihm betreuten, kreditfinanzierten, Depots bedeuten nicht, er habe bereits bei Missachtung der Stopp-Loss-Order des Kunden G. den dort genannten Schaden in seinen Willen aufgenommen und sei mit ihm für den Fall seines Eintritts einverstanden gewesen - der Beklagte hat, wie er insoweit nachvollziehbar einwendet (Schriftsatz vom 31.03.2005, S. 4, Bl. 565 f/568 d. A.), nach der schlichten Devise gehandelt: "Es wird schon gut gehen".

Damit liegt auch hinsichtlich der Schadensfolgen grobe Fahrlässigkeit des Beklagten vor:

Zumal angesichts seiner individuellen Kenntnisse und Erfahrungen als "Börsen-Profi" und Anlageberater, dem - auch nach seiner eigenen Einlassung der Klägerin gegenüber - der Kunde G. immer vertraut hatte, hat der Beklagte beim Unterlassen der Eingabe dessen Stopp-Loss-Order seine Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Vermeidung von Risiken aus seinem spekulativen Handeln in grobem, ungewöhnlich deutlichem, Maße verletzt; er hätte bei gebotener Sorgfalt jederzeit erkennen und beachten können, dass sein Handeln im Umgang mit der Aktie der Fa. P. AG und der Weisung des Kunden G. zu Konsequenzen für die Klägerin gegenüber dem Depotkunden führen konnte.

c) Zwar ist auch bei grober Fahrlässigkeit im Einzelfall eine Schadensteilung nach Maßgabe der Grundsätze der Haftungsprivilegierung nicht ausgeschlossen, vor allem bei einem deutlichen Missverhältnis des Verdienstes des Arbeitnehmers und damit seiner regelmäßig gegebenen finanziellen Leistungsfähigkeit zum Schadensrisiko der Tätigkeit (vgl. nur BAG, Ue. v. 12.10.1998, v. 25.09.1997 und v. 15.11.2001, AP Nrn. 97, 111 und 121 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG, U. v. 23.01.1997, NZA 1998, S. 140 f, zu einem Urteil der erkennenden Kammer des LAG München v. 21.09.1995, 4 Sa 1114/94, LAGE Nr. 20 zu § 611 BGB Arbeitnehmer-Haftung; vgl. hierzu auch Krause, NZA 2003, S. 577 f/583 f m. w. N.).

Eine sonach auch hier denkbare Haftungsmilderung scheidet aber vorliegend aus, da der Beklagte mit besonders grober (gröbster) Fahrlässigkeit gehandelt hat. Wie ausgeführt ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Pflichtverletzung - wenngleich noch nicht hinsichtlich der Schadensfolgen - sogar von einem bedingt vorsätzlichen Handeln des Beklagten auszugehen, der auch im Hinblick auf seine berufliche Kompetenz und das Vertrauen, das die von ihm betreuten Kunden - nach den eigenen Einlassungen des Beklagten der Klägerin gegenüber in seinen Stellungnahmen vom 02.07.2001 und vom 03.07.2001: namentlich der hier maßgebliche Kunde G. - ihm entgegen brachten, jedenfalls mit besonderer Leichtfertigkeit handelte, auch unter Berücksichtigung seiner eigenen Spekulationsinteressen als Inhaber von, soweit eingeräumt, immerhin ca. 9.000 Aktien der Fa. P. AG seine Pflichten als Kundenbetreuer und Depotverwalter in ungewöhnlich hohem Maße leichtfertig verletzte. Ein solches Handeln ist als besonders grobe ("gröbste") Fahrlässigkeit auch hinsichtlich möglicher Schadensfolgen nicht hinnehmbar und schließt eine denkbare Haftungserleichterung aus (BAG, U. v. 25.09.1997, aaO; vgl. auch Krause, aaO; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, 3. Aufl. 1998, Rz. 201 m. w. N.; ErfKomm-Preis, 6. Aufl. 2006, § 619a Rz. 18; vgl. auch Mikosch, AuR 2002, S. 147 f/148).

d) Auch die bestehenden Versicherungen der Klägerin stehen einer Haftung des Beklagten nicht - ganz oder teilweise - entgegen (§ 254 BGB entsprechend).

aa) Unabhängig von der Frage einer Obliegenheit der Klägerin, diese Versicherung vorrangig - ggf. klageweise - in Anspruch zu nehmen (ablehnend etwa Waltermann, RdA 2005, S. 98 f/107 f m. w. N; Hübsch, NZA 1999, S. 393f/394; ders.: BB 1998, S. 690 f), besteht kein Anspruch der Klägerin aus der bestehenden Vertrauensschadensversicherung (Versicherungsbedingungen in Anl. K22, Bl. 213 f.):

Zum einen deckt diese Versicherung der Klägerin nur vorsätzlich verübte Straftaten (Abschnitt I. Ziff. 2. i. V. m. Abschnitt II. Ziff. 1.2) - dass es sich bei der hier streitgegenständlichen Nichteingabe der Stopp-Loss-Order des Kunden G. um eine solche (etwa Untreue gemäß § 266 StGB) handeln sollte, ist nicht hinreichend erkennbar -, wobei gemäß Abschnitt I. Ziff. 8.1 und Ziff. 8.2.1.3 der Nachweis eines entsprechenden Versicherungsfalls durch die Klägerin zu führen ist und am ehestens durch rechtskräftiges auch arbeitsgerichtliches Urteil geführt werden kann, und im Übrigen eine Selbstbeteiligung gemäß Abschnitt I. Ziff. 6.3 anfallen würde.

Jedenfalls würde bei Eintritt dieser Versicherung der Schadensersatzanspruch der Klägerin auf den Versicherer übergehen (Abschnitt I. Ziff. 12. i. V. m. § 67 VVG).

bb) Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung der Klägerin schließt - wiederum unabhängig davon, ob sich die Klägerin überhaupt auf eine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme dieser Versicherung als Obliegenheit verweisen lassen müsste, nachdem diese einen Eintritt aus nachstehendem Grund bereits abgelehnt hatte (Schreiben der A. Versicherung vom 18.10.2002, Anl. K21, Bl. 211/212 d. A.) - bei einem wissentlichen Abweichen z. B. von einer Weisung oder einer sonstigen wissentlichen Pflichtverletzung den Versicherungsschutz aus (§ 6 (2) der diesbezüglichen VVB, etwa Bl. 121 f/124 bzw. Bl. 461 f/464 d. A.). Von einer solchen ist hier nach Vorstehendem auszugehen, so dass eine Eintrittspflicht auch dieser Versicherung nicht erkennbar ist.

Unabhängig davon, dass jedenfalls bei Inanspruchnahme und Leistung der Vertrauensschadenversicherung wegen Anspruchsübergangs auf diese auch hier letztlich nur eine Gläubigerverlagerung qua cessio legis stattfinden würde (vgl. dazu auch Otto/Schwarze, aaO, Rzn. 510 f/512 und 146, m. w. N.) - der Beklagte sich dann den nämlichen Ansprüchen seitens des Versicherers ausgesetzt sähe -, sind beide Versicherungen hier (zunächst) nicht eintrittspflichtig, deren vorrangige Inanspruchnahme der Klägerin damit nicht zumutbar. Es ist auch weder eingewandt noch sonst erkennbar, dass sich die Klägerin im Rahmen ihrer Vorsorgeobliegenheiten den Abschluss einer weitergehenden, das konkrete Haftungsrisiko des Beklagten hier abdeckenden, Versicherung entgegenhalten lassen müsste.

e) Die Höhe des Schadens, den das Arbeitsgericht, mit der Berufung insoweit auch nicht angegriffen, zutreffend nach Maßgabe des Sachverständigengutachtens vom 04.08.2003 ermittelt hat, berechnet sich nach der Differenzhypothese zu § 249 BGB, wobei die Klägerin zu Recht im Rahmen der Saldierung/Gegenüberstellung der Vermögenslagen beim Buchwert des Depots zum Stichtag 03.07.2001 auch die für dessen Realisierung fiktiv anfallenden Kosten (Courtage/Gebühren von 1,08 %) in Abzug gebracht hat, da diese Kosten bei der Auflösung des Depots zwingend angefallen wären, so dass Nettoerlös und Nettobuchwert als gleiche Parameter gegenüberzustellen sind (alternativ - mit der Folge einer höheren Schadensdifferenz, wie die Klägerin zu Recht geltend macht - in Höhe der Bruttosummen beider Beträge).

Damit ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

III.

Der Beklagte hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Die Berufungskammer hat die Revision im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung sich im Einzelnen stellender Rechtsfragen zugelassen.

Ende der Entscheidung

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