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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 1086/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 111
BetrVG § 112
Inzident geltend gemachte Unwirksamkeit eines Sozialplanes durch Spruch der Einigungsstelle.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 1086/05

Verkündet am: 27. April 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Schnoy und Fischer für Recht erkannt:

Tenor: I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 21. September 2005 - 38 Ca 3719/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten als seiner früheren Arbeitgeberin die Zahlung einer weitergehenden Abfindung aus einem durch Spruch der Einigungsstelle zu Stande gekommenen Sozialplan geltend.

Der Kläger war auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages mit der Fa. R. GmbH als Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 21.04.1994 (Anl. K1, Bl. 5 f d. A.) seit 01.07.1994 als einer von mehreren Hausmeistern des früheren Betriebsgebäudes der Beklagten in der N. Straße in M. mit einer Vergütung von zuletzt 2.616,63 € brutto/Monat tätig. Da im Zusammenhang mit einem Umzug der Beklagten in neue Räumlichkeiten im Gebäude N. Staße in M., dessen Hausverwaltung von einem anderen Unternehmen betrieben wird, der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten entfiel, schlossen die Parteien unter dem 31.05.2003 einen Aufhebungsvertrag (Anl. K2, Bl. 9/10 d. A.), mit dem das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2003 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 7.000,-- € beendet wurde. Der Kläger setzte seine Tätigkeit nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten übergangslos bei dem Unternehmen (Fa. W. GmbH), das die Hausverwaltung des Gebäudes N. Straße in M. durchführt, fort - nach seiner Darlegung zu schlechteren finanziellen und sonstigen Bedingungen als denjenigen bei der Beklagten.

Im Zusammenhang mit einer größeren betrieblichen Umstrukturierung, verbunden mit Personalabbau - auch im Zusammenhang mit der Verlegung eines von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erworbenen Verlages von H. nach M. und der beabsichtigten Verlagerung des "Verlagsteils" S. vom Standort B. nach M. -, hatte der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat den Abschluss eines Interessenausgleiches und Sozialplanes gefordert, wobei der anwaltschaftliche Vertreter des Betriebsrates mit Schreiben vom 18.03.2002 (Anl. B2, Bl. 135 d. A.) der Beklagten einen Entwurf eines entsprechenden Interessenausgleichs und Sozialplans unterbreitete hatte (Anl. B3, Bl. 136 f d. A.), der unter Abschnitt A. (Interessenausgleich) in Ziffer 1. unter der Überschrift "Betriebsänderung" formulierte:

"R. beabsichtigt, den Betrieb in M. und B. einzuschränken und Teile des Betriebes still zu legen bzw. zu veräußern. Dies ist mit Personalabbau, Versetzungen und einer Umorganisation verbunden."

Eine Einigung über die Person des Vorsitzenden der zu diesem Regelungsgegenstand einzurichtenden Einigungsstelle wurde zwischen den Betriebsparteien außergerichtlich erzielt, nachdem der Betriebsrat mit Antragsschriftsatz vom 13.11.2002 (Anl. B6, Bl. 140 f d. A.) einen Antrag gemäß § 98 ArbGG hinsichtlich der Bestellung eines "Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand: Interessenausgleich und Sozialplan betreffend die Betriebe der Antragsgegnerin in M. und B. ..." gestellt hatte.

Die Einigungsstelle entschied durch Spruch am 04.07.2003 (Anl. K3, Bl. 11 bis 22 d. A.) einen Sozialplan, der rückwirkend zum 01.12.2002, mit Geltung bis 31.12.2005, in Kraft trat und eingangs folgende Regelungen enthält:

"1. Betriebsänderung

R. beabsichtigt, den Betrieb in M. einzuschränken und Teile des Betriebes still zu legen bzw. zu veräußern. Des Weiteren kommt es zu einer räumlichen Verlegung. Dies ist mit Personalabbau, Versetzung und einer Umorganisation verbunden.

2. Geltungsbereich

2.1. Sachlich

Dieser Sozialplan gilt für die Betriebsänderungen gemäß Ziffer 1 sowie für alle personellen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Betriebsänderung gemäß Ziffer 1 stehen, auch wenn diese im Einzelnen nicht sozialplanpflichtig wären und zu Nachteilen für die betroffenen MitarbeiterInnen führen.

...

2.3 Ausschluss vom Geltungsbereich

Dieser Sozialplan findet keine Anwendung auf

- leitende Angestellte im Sinne § 5 Abs. 3 BetrVG;

- MitarbeiterInnen, deren Arbeitsverhältnis aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen gekündigt oder einvernehmlich beendet wird;

..."

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Abfindungsbetrag, der sich aus dem Sozialplan gemäß Spruch der Einigungsstelle vom 04.07.2003 ergeben würde, und der im Aufhebungsvertrag vom 31.05.2003 individualvertraglich vereinbarten Abfindung in der unstreitigen Höhe der Klageforderung geltend.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 21.09.2005, das dem früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.09.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, dass der Sozialplan sowohl in sachlicher Hinsicht auf den Kläger Anwendung finde - nachdem die Stilllegung der Hausverwaltung des ehemaligen Betriebsgebäudes der Beklagten und die räumliche Verlegung innerhalb Münchens und der hierdurch verursachte Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers hiervon erfasst würden und der Sozialplan sich nicht lediglich auf Betriebsänderungen aus den Jahren 2001 und 2002 beziehe - und der Kläger ebenso unter den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplanes falle - wobei die zwischen den Parteien streitige Frage, ob sich die von der Anwendung des Sozialplanes ausgenommene einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses lediglich auf eine solche aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen beziehe, dahingestellt bleiben könne, da der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Abfindung jedenfalls nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe -.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz vom 26.10.2005, am 27.10.2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie innerhalb der auf ihren Antrag verlängerten Frist vorgetragen hat, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 04.07.2003 über einen Sozialplan unwirksam, weil die Zuständigkeit der Einigungsstelle überschreitend gewesen sei, was inzident im Rahmen der vorliegenden Leistungsklage geltend gemacht werden könne. Die Zuständigkeit der Einigungsstelle richte sich nach dem vereinbarten Regelungsgegenstand, der im Laufe des Einigungsstellenverfahrens nur im Einverständnis beider Betriebspartner geändert werden könne. Ihr sei es um die Frage eines Interessenausgleiches und eines Sozialplanes für die in M. vorgesehene Personalreduzierung, die konkrete Formen angenommen gehabt habe, gegangen, wobei etwaige weitere Betriebsänderungen oder sonstige unternehmerische Maßnahmen nicht Gegenstand des Streits zwischen den Betriebsparteien gewesen seien und auch im Entwurf des Sozialplans des Betriebsrates vom 18.03.2002 keinen Niederschlag gefunden hätten, weshalb die Einigungsstelle auf die beabsichtigte Reduzierung von Mitarbeitern beschränkt gewesen sei. Der räumliche Umzug der Beklagten vom früheren Gebäude N. Straße in das Gebäude N. Straße in M. Anfang 2003 habe nichts mit der Einschränkung des Betriebes (Personalreduzierung), weswegen die Einigungsstelle bestellt gewesen sei, zu tun gehabt. Im Gebäude N. Straße in München sei die Fa. B. GmbH angesiedelt (gewesen), mit ehemals etwa 800 Arbeitnehmern, was der Unterbringungskapazität dieses Gebäudes entspreche. Da sich der dortige Personalbestand auf ca. 300 Arbeitnehmer verringert gehabt habe, sei durch den Vorstandsvorsitzenden gegen Ende 2002 beschlossen worden, dass die Beschäftigten der Beklagten in die freiwerdenden räumlichen Kapazitäten des Gebäudes N. Straße als auch repräsentativeren Gebäudes umziehen sollten. Die räumliche Verlegung von etwa 100 Metern sei keine Betriebsänderung. Hierfür habe es keine Zuständigkeit der Einigungsstelle gegeben. Da die Einigungsstelle somit hinsichtlich der Einbeziehung der räumlichen Verlegung in den Einigungsstellenspruch außerhalb ihrer begründeten Zuständigkeit tätig geworden sei, sei dieser schlechterdings unwirksam. Nur eine Ermessensüberschreitung müsse innerhalb von 14 Tagen geltend gemacht werden - wie hier auch ursprünglich geschehen, wobei das ursprüngliche Anfechtungsverfahren im Termin am 30.04.2004 erledigt worden sei - ; andere Rechtsfragen wie die vorliegende der Rechtsunwirksamkeit des Einigungsstellenspruches insgesamt könnten jederzeit geltend gemacht werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 21.09.2005 - 38 Ca 3719/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass diese bereits unzulässig sei, da sie sich mit dem angefochtenen Urteil vom 21.09.2005 praktisch an keiner Stelle auseinandersetze, sondern lediglich auf die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruches vom 04.07.2003 wegen behaupteter Zuständigkeitsüberschreitung abstelle. Ungeachtet dessen argumentiere die Beklagte auch in der Sache ungenau, als der erfolgte Umzug von der N. Straße zur N. Straße in M. zum einen eine räumliche Veränderung von mindestens 200 Metern dargestellt habe und es hierbei außerdem nicht vorrangig um die Veränderung der räumlichen Lage gegangen sei, sondern um eine Umorganisation im Rahmen der Betriebsänderung insgesamt, in welchem Zusammenhang der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag mit dem Kläger zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung gemäß dessen Wortlaut geschlossen worden sei - eine solche Kündigung wäre durch den Umzug in die N. Straße verursacht gewesen, da dort der Aufgabenbereich der Hausverwaltung bereits an eine Fremdfirma vergeben gewesen und somit durch den Umzug der Arbeitsplatz auch des Klägers bei der Beklagten weggefallen sei. Erstinstanzlich habe die Beklagte selbst ausgeführt, dass der Umzug auf Grund der geänderten Kostenstruktur vollzogen worden sei. Der Kläger unterfalle somit unstreitig dem Geltungsbereich des Sozialplanes und habe deshalb einen Abfindungsanspruch aus diesem.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 20.12.2005, vom 23.02.2006 und vom 23.03.2006, nebst der jeweils vorgelegten Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 06.04.2006.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

1. Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht bereits entgegen, dass, wie der Kläger geltend macht, die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung - allerdings - erstmals und nahezu ausschließlich mit der Frage der Wirksamkeit des Einigungsstellenspruches vom 04.07.2003 über einen Sozialplan wegen Überschreitung des der Einigungsstelle unterbreiteten Streitgegenstandes/ihres Zuständigkeitsrahmens befasst:

Zwar setzt sich die Berufung nicht mit den Argumenten des Ersturteils zur Begründetheit der Klageforderung - insbesondere hinsichtlich des sachlichen Geltungsbereiches des Sozialplans, vor allem in zeitlicher Hinsicht, und dessen persönlichen Anwendungsbereiches im Zusammenhang mit einer Beendigung durch Aufhebungsvertrag - auseinander, sondern stützt sich nunmehr dezidiert, allein, auf die Frage der Rechtsunwirksamkeit des Sozialplanspruches vom 04.07.2003 als einziger Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Anspruch im Hinblick auf die Zuständigkeit der Einigungsstelle. Die Geltendmachung ausschließlich neuer rechtlicher Gesichtspunkte muss aber ebenso für die Bejahung der Zulässigkeit der Berufung genügen wie der Fall, dass die Berufung ausschließlich auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt wird (vgl. nur BAG, U. v. 16.05.1990, AP Nr. 21 zu § 554 ZPO; BGH, U. v. 04.10.1999, NJW 1999, S. 3784 f, und U. v. 05.12.1996, NJW 1997, S. 859; vgl. auch Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 520 Rz. 35).

II.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Der Sozialplanspruch vom 04.07.2003 als Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen überschießenden Abfindungsanspruch hieraus ist wirksam.

1. Zwar können schwerwiegende Verfahrensfehler der Einigungsstelle, die die Nichtigkeit ihres Spruches zur Folge haben, und Rechtsfehler, etwa hinsichtlich der Zuständigkeit der Einigungsstelle, zeitlich unbefristet und in vollem Umfang - außerhalb der nur für Ermessenfehler der Einigungsstelle geltenden Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG -, auch inzident als Vorfrage im Rahmen einer Zahlungsklage eines durch den Sozialplan qua Spruch der Einigungsstelle vom 04.07.2003 möglicherweise anspruchsberechtigten Arbeitnehmers wie hier gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. etwa BAG, B. v. 11.07.2000, AP Nr. 2 zu § 109 BetrVG 1972, m. w. N.; Fitting/Engels/Schmidt et al., BetrVG, 23. Aufl. 2006, § 76 Rz. 97 und Rz. 101/102) - weshalb die Erledigung des ursprünglich durch die Beklagte eingeleiteten Verfahrens zur Anfechtung des Spruches der Einigungsstelle unschädlich ist.

2. Jedoch erweist sich der Spruch der Einigungsstelle vom 04.07.2003 als wirksam, weil ohne Überschreitung der Zuständigkeit der Einigungsstelle zustandegekommen.

a) Wie die Beklagte in der Berufung selbst im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, ist die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung allerdings zwar nicht an die Anträge der Betriebspartner - die während des Verfahrens auch geändert/erweitert werden können -, aber an den ihr unterbreiteten Verfahrensgegenstand gebunden. Sie hat jedoch den ihr unterbreiteten Konflikt vollständig zu lösen und darf wesentliche Fragen hierbei nicht offen lassen, wobei sie andere Fragen außerhalb des ihr unterbreiteten Verfahrensgegenstandes nicht ohne Einvernehmen der Betriebspartner einbeziehen darf - nach den Beispielen der Beklagten in der Berufung (Schriftsatz vom 23.03.2006): nicht etwa während des Einigungsstellenverfahrens genuin neu entstehende Mitbestimmungstatbestände, für die sie nicht bestellt war, einbeziehen/mitregeln (vgl. insgesamt etwa GK-BetrVG-Kreutz, Bd. II, 8. Aufl. 2005, § 76 Rzn. 95/96 m. w. N.; Fitting/Engels/Schmidt et al., aaO, Rz. 60).

Das Bundesarbeitsgericht hat in den von der Beklagten selbst bzw. in der vorstehend zitierten Kommentarliteratur in Bezug genommenen Entscheidungen näher ausgeführt, dass gerichtliche Prozessordnungen mit ihren streng formalisierten Regeln für das Einigungsstellenverfahren nicht gelten, sondern dessen Verlauf und Inhalt von der Einigungsstelle selbst freizügig gestaltet werden dürfen. Der "Antrag" dient vorwiegend dazu, das Einigungsstellenverfahren einzuleiten, dessen Gegen- stand zu umreißen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Veränderungen des Verfahrensgegenstandes sind deshalb nicht nach prozessualen Gesichtspunkten zu behandeln und zu entscheiden - die Einigungsstelle hat vielmehr den Konflikt vollständig zu lösen, soweit das Mitbestimmungsrecht reicht: "Infolgedessen besitzt die Einigungsstelle den Spielraum, den ihr vorgelegten Sachverhalt vollständig einer Entscheidung zuzuführen und ihn dadurch sachgerecht zu regeln, ohne dabei streng an die Anträge der Beteiligten gebunden zu sein" (vgl. BAG, B. v. 30.01.1990, 1 ABR 2/89, AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung - II. 2. c der Gründe -; B. v. 27.10.1992, 1 ABR 4/92, AP Nr. 29 zu § 95 BetrVG 1972). Deshalb können auch weitere Mitbestimmungsgegenstände nach Einigung der Betriebspartner bzw. deren Vertreter in der Einigungsstelle in deren Entscheidungsfindung einbezogen werden (vgl. etwa LAG Frankfurt/M., B. v. 13.11.1984, DB 1985, S. 1535).

Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht auch ausgeführt, dass eine Einigungsstelle, die von der Arbeitgeberin an sich zunächst wegen des streitigen Betriebsurlaubs für das Folgejahr angerufen war (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) und diese der Einigungsstelle als "Antrag" die dauerhafte Einführung eines jährlichen Betriebsurlaubes ab dem Folgejahr mitgeteilt hatte, zuständig gewesen sei, Betriebsferien auch dauerhaft - wie durch Spruch der Einigungsstelle geschehen - zu regeln, da auch insoweit keine Einigung der Beteiligten zu Stande gekommen gewesen sei, der Betriebsrat sich noch in den Verhandlungen vor der Einigungsstelle gegen die Einführung von Betriebsurlaub überhaupt gewendet gehabt habe und für ihn erkennbar gewesen sei, dass die Arbeitgeberin eine auf Dauer angelegte Lösung angestrebt habe; die Einigungsstelle habe deshalb die mitbestimmungspflichtige Frage der Einführung von Betriebsurlaub auch langfristig, generell, regeln können, zumal etwaige Anträge der Betriebspartner für das Einigungsstellenverfahren später geändert oder erweitert werden dürften (BAG, B. v. 28.07.1981, 1 ABR 79/79, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub).

b) Zumal angesichts dieser weniger formalisierten Voraussetzungen und Verfahrensgrundsätze der Einigungsstelle und deren Zuständigkeit für den Mitbestimmungstatbestand, zu dessen Regelung sie angerufen war, insgesamt gehen die im Ergebnis formal streitgegenstandsbezogenen - auf die Beschreibung der Betriebsänderung unter Abschnitt A. Ziff. 1. des Entwurfes eines Interessenausgleichs und Sozialplanes der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates vom 18.03.2002 hermetisch fokussierten - Überlegungen der Beklagten fehl:

Die Einigungsstelle sollte vom Betriebsrat im März 2002 wegen von der Beklagten unstreitig beabsichtigter Einschränkung/Teilstilllegung der Betriebe in M. und B. und wegen damit verbundenen "Personalabbaus, Versetzungen und Umorganisation" angerufen werden. Wenn dann danach, während der Umsetzung der Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 f BetrVG - nach Darlegung der Beklagten auf Grund Entscheidung des Vorstandsvorsitzenden (offensichtlich der Muttergesellschaft B. AG) gegen Ende 2002 - , zeitlich parallel auch der Umzug der Beklagten in frei gewordene räumliche Kapazitäten eines verschwisterten Unternehmens 100 Meter oder 200 Meter, auf derselben Straßenseite, beschlossen wird, dann konnte die Einigungsstelle dies in ihrer nachfolgenden Entscheidung vom 04.07.2003 legitimer Weise berücksichtigen bzw. in die formale Definition der sozialplanrelevanten Betriebsänderung unter Ziffer 1. ihres Spruches im Rahmen des ihr zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraumes einbeziehen/aufführen. Hier ging es um eine rein formale Beschreibung der zum Teil offensichtlich bereits erfolgt gewesenen bzw. in Gang befindlichen Betriebsänderung - im Detail lässt sich dies dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen -, die sich schlicht auch auf die aktuelle - zum Zeitpunkt des Vorschlages des Betriebsrates vom März 2002 unstreitig noch nicht bekannte - Betriebs-/Büroverlegung in ein wenig entferntes anderes Gebäude eines weiteren, wohl, Konzernunternehmens bezog. Es ist hierbei allerdings, auf der Hand liegend, unerheblich, dass dieser Umzug 100 Meter bis 200 Meter weiter auf derselben Straße(nseite) - nur diese Entfernung ist streitig ... -, isoliert betrachtet, wegen seiner marginalen örtlichen Veränderung keinen eigenständigen weiteren Betriebsänderungstatbestand im Sinne des § 111 (Satz 3 Ziff. 2.) BetrVG auslöste - was weder hier der Kläger noch offensichtlich der Betriebsrat im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens hinsichtlich des Abschlusses eines Interessenausgleichs/Sozialplanes 2002/2003 geltend machte - (vgl. den bereits von der Beklagten angezogenen Beschluss des BAG vom 17.08.1982, 1 ABR 40/80, AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972). Der "sachliche" Geltungsbereich unter Ziffer 2.1 des Sozialplanspruches vom 04.07.2003 stellt, zulässig, ausdrücklich lediglich darauf ab, dass dieser Sozialplan für die Betriebsänderungen gemäß Ziffer 1, "auch wenn diese im Einzelnen wie hier nicht sozialplanpflichtig wären und zu Nachteilen für die betroffenen MitarbeiterInnen führen", Anwendung finde - die konkrete Ausgestaltung/Kompensationsregelung ist inhaltlicher Bestandteil des Sozialplanes im Rahmen des Ermessens der Einigungsstelle. Der Umzug der Beklagten in nahe gelegene neue Räumlichkeiten in zeitlichem Zusammenhang mit der generellen betrieblichen Umstrukturierung und dem Personalabbau 2001/2002 (f), der noch in 2002 beschlossen und 2003 durchgeführt wurde, war nicht etwa eine genuine andere Betriebsänderung, sondern - jedenfalls konnte dies die Einigungsstelle im Rahmen ihres Ermessens, nahe liegend, so beurteilen - Bestandteil der gesamten Betriebsänderungsmaßnahme, auf die sich das Einigungsstellenverfahren gemäß §§ 111 f BetrVG bezog, wenngleich hinsichtlich seiner Bedeutung und Auswirkungen nur ein eher marginaler Randaspekt hieraus. Die schlichte Beschreibung der Betriebsänderung in Ziffer 1. des Sozialplanspruches vom 04.07.2003 bezog sich ersichtlich auch nur auf die aktuelle Situation zu diesem Zeitpunkt - ohne Einbeziehung des ursprünglich vom Betriebsrat in seinem Vorschlag vom 18.03.2002 mitakzentuierten B. Betriebes, beinhaltend aber nunmehr eine (wenngleich geringfügige) Betriebsverlegung/-verlagerung. Dies konnte und musste die Einigungsstelle deshalb auch so formulieren - unabhängig davon, ob, was nicht vorgetragen oder erkennbar ist, nicht etwa eine - im Rahmen der Verhandlungen etwa auch konkludent denkbare - einvernehmliche Änderung/Erweiterung des Gegenstandes des Mitbestimmungsverfahrens gemäß §§ 111 f BetrVG auf Grund der maßgeblichen aktuellen Situation auch des Umzuges erfolgt gewesen war. Auch ist weder vorgetragen noch dem Einigungsstellenspruch vom 04.07.2003 ersichtlich sonst zu entnehmen, dass dieser etwa im Rahmen der beschlossenen umfassenden Sozialplan-Ausgleichsregelungen den Umzug in das nahezu benachbarte Gebäude, unmittelbar oder mittelbar, gesondert dotiert hätte (etwa irgendeine Wegstreckenentschädigung o. ä. hierfür vorsehen würde ...).

Die formalistische, in Analogie etwa zur ZPO prozessual-streitgegenstandsbezogene, Argumentation der Beklagten, dass/weshalb die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit überschritten habe - zumal mit Unwirksamkeits-/Nichtigkeitsfolge für ihre Entscheidung insgesamt -, geht deshalb ersichtlich fehl. Die allenfalls salopp formulierte ansatzweise Umschreibung der Betriebsänderung nach dem Stand des Entwurfes des Betriebsrates vom März 2002 musste nicht unverändert im Spruch der Einigungsstelle ca. 16 Monate später und vor einem zu diesem Zeitpunkt geringfügig veränderten tatsächlichen Betriebsänderungshintergrund so erscheinen, um deren Zuständigkeit und damit die Wirksamkeit ihrer Entscheidung nicht in Frage zu stellen.

Der Kläger fiel deshalb grundsätzlich unter den Geltungsbereich des wirksamen Sozialplanspruches vom 04.07.2003.

3. Da die Beklagte die angegriffene Entscheidung des Arbeitsgerichtes nicht auch, wenigstens hilfsweise, hinsichtlich der dortigen Begründung der stattgebenden Entscheidung - "einvernehmliche Beendigung" als Ausschlusstatbestand gemäß Ziffer 2.3 zweiter Spiegelstrich des Sozialplanspruches (dort allerdings ersichtlich allein auf eine Beendigung aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen, insoweit entweder in Form der Kündigung oder des Aufhebungsvertrages, bezogen!), jedenfalls Anspruch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG (auch ständ. Rspr. des BAG, vgl. zuletzt etwa Ue. v. 22.07.2003 und v. 26.10.2004, AP Nr. 160 und 171 zu § 112 BetrVG 1972), und des zeitlichen Geltungsbereiches des Sozialplanes: nicht nur für Tatbestände 2001 und 2002 - in Frage gestellt hat (insoweit wäre ihre Berufung allerdings mangels jeglichen Begründungsansatzes unzulässig) und die Höhe der Klageforderung unstreitig ist, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III.

Die Beklagte hat damit die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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