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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1163/06
Rechtsgebiete: BGB, ArbZG, VO (EWG) Nr. 3820/85


Vorschriften:

BGB § 611
ArbZG § 2 Abs. 1
ArbZG § 3
VO (EWG) Nr. 3820/85
Darlegungs- und Beweislast beim Anspruch auf Vergütung von Überstunden/Mehrarbeit - Einzelfallentscheidung.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 1163/06

Verkündet am: 15. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Friedmann und Dünne für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14. September 2006 - 20 Ca 17842/05 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 % zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch um Ansprüche des Klägers auf Abgeltung von Mehrarbeit/Überstunden durch die beklagte Arbeitgeberin.

Der, ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Lohnabrechnung), am 00.00.1949 geborene Kläger war gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 15.04.2004 (Anl. K1, Bl. 5 bis 9 d. A.) ab diesem Zeitpunkt bei der Beklagten als Lkw-Fahrer mit einer Vergütung von 2.400,-- brutto/Monat (zzgl. Auslösung/Spesen) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag legt eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden fest. Der Kläger ist gemäß Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 13.07.2006 (Anl. K13, Bl. 406 d. A.) mit Wirkung vom 27.04.2006 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Mit Klageschriftsatz vom 17.11.2005 hat der Kläger die Abgeltung einer Vielzahl von im Zeitraum vom Januar 2005 bis Oktober 2005 - in der Folge erweitert bis insgesamt Dezember 2005 -, geleisteter Überstunden, zunächst bezogen auf die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Bestimmungen, und Ansprüche auf tarifvertragliche Überstunden-, Sonntags- usw. zuschläge, geltend gemacht. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 24.02.2006 ordentlich zum 31.03.2006 und mit weiterem Schreiben vom 28.06.2006 erneut zum 31.07.2006.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 14.09.2006, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.10.2006 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses den im Wege der Klageerweiterung erhobenen Feststellungsanträgen hinsichtlich beider Arbeitgeberkündigungen sowie der Leistungsklage auf Zahlung der Arbeitsvergütung für Juli 2006 und Entfernung einer schriftlichen Abmahnung aus der Personalakte des Klägers stattgegeben, die Klage hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche des Klägers - insbesondere auf Abgeltung von Mehrarbeit/Überstunden - jedoch mit der Begründung abgewiesen hat, dass er nicht substantiiert dargelegt habe, dass er Überstunden geleistet habe. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass seine auf die vorgelegten Tachoscheibenkopien bezogenen Ausführungen einen substantiierten Sachvortrag hierzu darstellten, habe er damit nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er Überstunden geleistet habe, da er nach seinem Arbeitsvertrag - tarifvertragliche Bestimmungen fänden keine Anwendung - eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden habe, weshalb Überstunden erst gegeben seien, wenn er in einer Woche 46 und mehr Stunden gearbeitet hätte, was den Darlegungen des Klägers nicht zu entnehmen sei. Soweit sich der Kläger auf Warte- und Ladezeiten und damit eine Arbeitszeit von insgesamt mehr als 45 Stunden/Woche beziehe, sei dies von der Beklagten bestritten, während der Kläger weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt habe, dass es sich bei den Warte- und Ladezeiten um Arbeitszeit handle. Soweit er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, dass er, obwohl nicht dazu verpflichtet zu sein, gelegentlich beim Abladen helfe, lege dies gerade nicht dar, dass es sich bei den Ladezeiten regelmäßig um Arbeitszeit und nicht um Pausen handle; soweit der Kläger hinsichtlich der Wartezeiten ausführe, dass ihm manchmal gesagt worden sei, er solle in einer Stunde oder in zwei Stunden wieder kommen, oder ihm ein Piepser in die Hand gedrückt worden sei, lasse sich dem nicht entnehmen, dass die Wartezeiten durchgängig keine Pausenzeiten darstellten. Auch wenn davon auszugehen sei, dass sicherlich ein Teil der Warte- und Ladezeiten des Klägers Arbeitszeiten seien, obliege es im Rahmen der Überstundenklage gleichwohl ihm darzulegen, dass die einzelnen Warte- und Ladezeiten jeweils konkret Arbeitszeit gewesen seien, was er nicht getan habe.

Gegen die Klageabweisung hinsichtlich der Mehrarbeits-/Überstundenvergütungsansprüche richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz vom 30.10.2006, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er - unter Bezugnahme auf eine als Anlage K15 zum Berufungsbegründungsschriftsatz vorgelegte tageweise aufgeschlüsselte Tabelle (Bl. 471 f d. A.) - fristgerecht ausgeführt hat, dass es nicht angehen könne, dass die Beklagte dem Kläger fortlaufend Touren in Auftrag gebe, die ohne teilweise drastische Überstunden überhaupt nicht erledigt werden könnten, sie dann aber nicht zur Bezahlung dieser Überstunden verpflichtet werde. Mit den zum Nachweis der geleisteten Arbeitsstunden ab Arbeitsbeginn bis zur Rückkehr des Klägers von der jeweiligen Fahrt als Arbeitsende erstinstanzlich vorgelegten sämtlichen Tachoscheiben, auf denen zusätzlich jeweils handschriftlich die Arbeitszeiten und eventuelle Pausenzeiten vermerkt seien, habe der Kläger dies unter Beweis gestellt, ebenso durch die arbeitstäglichen Fahrtenblätter mit den detaillierten täglichen Tourenvorgaben der Beklagten in Kopie. Die diesbezüglichen Ausführungen des Ersturteils gingen vollkommen an der Realität vorbei und seien eindeutig rein formaljuristisch überspitzt, zumal jeglicher gerichtliche Hinweis darüber fehle, dass nach Ansicht des Gerichts der ausführliche und detaillierte klägerische Sachvortrag hinsichtlich der Überstundenberechnung noch nicht substantiiert genug dargestellt worden sei, wie nunmehr geschehen. Genauso, wie zwischenzeitlich höchstrichterlich anerkannt sei, dass es sich bei dem Bereitschaftsdienst von Klinikärzten um Arbeitszeiten handle, handle es sich bei den Stand- und Wartezeiten sowie Be- und Entladezeiten um Arbeitszeiten des Klägers, da dieser verpflichtet sei, bei seinem Fahrzeug zu bleiben, um dieses jederzeit, soweit erforderlich, bewegen zu können. Der Kläger habe, obwohl er Pausenzeiten tatsächlich nur äußerst selten in Anspruch nehmen habe können, nunmehr jeden Tag einfach pauschal eine Stunde von den aufgelisteten Arbeitsstunden als Pausenzeit in Abzug gebracht. Auch werde nunmehr, anders als erstinstanzlich, von einer regulären wöchentlichen Arbeitszeit gemäß Arbeitsvertrag von 45 Stunden ausgegangen, ohne Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen und Zuschläge, woraus sich eine Monatsarbeitszeit von 180 Stunden und daraus ein Stundensatz von 13,33 € ergäben. Die falschen Vermutungsüberlegungen der Beklagten hierzu seien völlig unbehelflich, da die vom Kläger aufgelisteten umfangreichen Überstunden nötig gewesen seien, um die vorgegebenen Arbeitsanweisungen erledigen zu können. Anders als vom Beklagten behauptet habe bis dato kein einziger Fahrer des Beklagten jemals eine Stunde Freizeitausgleich erhalten; es habe noch nie eine Bezahlung oder gar einen Freizeitausgleich für Überstunden gegeben.

Der Kläger beantragt:

Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.09.06 wird in Ziff. 3. dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, 12.650,77 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.08.06 an den Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten zu bezahlen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung - eine gleichzeitig erhobene Anschlussberufung hat sie in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zurückgenommen - vor, dass sich die Berufung des Klägers in Allgemeinplätzen erschöpfe, obwohl er nicht nur durch den Beklagten, sondern vor allem durch das Arbeitsgericht darauf hingewiesen worden sei, seine Ansprüche substantiiert zu begründen, wobei er die Höhe seiner behaupteten Ansprüche erstinstanzlich mehrfach geändert habe. Gehe man im Hinblick auf die nunmehr vorgelegte Auflistung des Klägers davon aus, dass dieser im Jahr 2005 vier Wochen krank gewesen sei und 24 Werktage Urlaub gehabt habe, verteilten sich die nunmehr behaupteten 769 Überstunden auf zehn Monate, mithin 76,9 Überstunden pro Monat, somit ca. 20 Überstunden je Woche: Dass der Kläger dies klaglos für die Dauer von einem Jahr gemacht haben wolle, sei einfach unglaubwürdig - er habe nie auf die nunmehr aufgetauchte Überstundenproblematik hingewiesen. Sämtliche Lkw-Fahrer der Beklagten, auch der Kläger, wüssten durch ständige Hinweise der Fahrdienstleitung, dass die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten gemäß dem Fahrpersonalgesetz einzuhalten sein. Keiner der anderen Lkw-Fahrer habe bislang irgendeine Überstunde geltend gemacht, weil es betriebliche Übung gewesen sei, dass die Fahrer angefallene Überstunden mit Freizeitausgleich vergolten bekämen, was verständlich sei, weil nie genau gesagt werden könne, wie viele Tiere pro Tag geschlachtet und demgemäß das Fleisch abtransportiert werden müssten. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er in den aufgelisteten Ruhezeiten auch gearbeitet hätte.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 24.11.2006, vom 26.01.2007 und vom 02.02.2007, nebst der vorgelegten Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

1. Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Die Beklagte hat ihre Anschlussberufung hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Entfernung der Abmahnung vom 12.04.2005 aus dem Personalakt des Klägers gemäß Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 26.01.2007 zurückgenommen, weshalb Ausführungen zu deren Zulässigkeit - Fristeinhaltung gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO - nicht veranlasst sind (vgl. im Hinblick auf die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hierzu: vgl. BAG, U. v. 30.05.2006, NZA 2006, S. 1170 f - LS 3., Rz. 45 -; LAG Niedersachsen, U. v. 10.11.2006, 10 Sa 546/06 B (juris)).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche des Klägers auf Vergütung von Mehrarbeit/(769) Überstunden für den Zeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2005 - die allein noch Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind - zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint.

1. Es mag offen bleiben, ob die Berücksichtigung des weitergehenden Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung - vor allem die dort in Bezug genommene neue Anlage K15 mit tageweise aufgeschlüsselter Auflistung von "Regul. Std.", "Gesamt.Std. lt. Tachoscheiben", "Überstd." und "Fahrten" (Fahrtstrecken) - nicht bereits gemäß § 67 Abs. 2 und Abs. 3 ArbGG ausgeschlossen ist, nachdem das Arbeitsgericht dem Kläger - anders, als von ihm in der Berufung behauptet - bereits in der ersten Güteverhandlung vom 22.12.2005 und erneut in der weiteren Güteverhandlung vom 02.03.2006 mit, die klärungsbedürftigen und vorzutragenden Punkte jeweils detailliert bezeichnenden, Auflagenbeschlüssen aufgegeben hatte, "für jede behauptete Überstunde ..." im Einzelnen deren Leistung und Voraussetzungen, unter Beweisantritt, darzulegen - in letzterem Fall mit Belehrung gemäß § 56 Abs. 2 ArbGG -, und dies, nach einem Aktenvermerk der Kammervorsitzenden, erneut in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 08.08.2006, unter Hinweis auf die Unschlüssigkeit seines bisherigen Vorbringens, erfolgt sei.

2. Jedenfalls hätte der Kläger auch in der Berufung unverändert die Leistung von Mehrarbeit/Überstunden überhaupt nicht ansatzweise schlüssig und substantiiert, wie erforderlich, dargelegt (dazu a bb), ungeachtet auch der Unschlüssigkeit seines nunmehrigen Vorbringens zur Höhe eines Abgeltungsanspruches (dazu b).

a)

aa) Nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und ebenso des LAG München muss der Arbeitnehmer zur Begründung eines Anspruches auf Überstunden-/Mehrarbeitsvergütung im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Arbeitszeiten er über die - welche - übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss also vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er jeweils ausgeführt hat. Je nach Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (BAG, zuletzt etwa U. v. 25.05.2005, AP Nr. 17 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung; U. v. 03.11.2004, AP Nr. 49 zu 611 BGB Mehrarbeitsvergütung; U. v. 29.05.2002, AP Nr. 27 zu § 812 BGB - II. 3. b dd der Gründe -; U. v. 17.04.2002, AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung; siehe auch z. B. LAG Schleswig Holstein, U. v. 31.05.2005, NZA-RR 2005, S. 458 f = LAGE Nr. 2 zu § 3 ArbZG; LAG Hamm, U. v. 10.08.2004, ArbRB 2005, S. 74; LAG Thüringen, U. v. 19.03.2002, LAGE Nr. 1 zu § 3 ArbZG).

Verlangt ein Berufskraftfahrer Mehrarbeitsvergütung, muss er somit, tageweise aufgeschlüsselt, im Einzelnen substantiiert darlegen und bei Bestreiten - wie hier - unter geeigneten (Voll-/Streng-)Beweis stellen, dass und in welchem zeitlichen Umfang er über die jeweils geschuldete oder betriebsübliche tägliche Arbeitszeit hinaus tatsächlich Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn geleistet habe, dass und in welchem zeitlichen Umfang etwa Standzeiten, Warte-/Ladezeiten bei einer Anlieferung oder zwischen zwei Lieferstellen etc. Arbeitszeit - zumindest in Form der Arbeitsbereitschaft - im vergütungsrechtlichen Sinn darstellten, weil er sich im konkreten Fall vom Fahrzeug nicht entfernen habe können, ständige Bereitschaft zum Entladen/Beladen oder Weiterrücken in einer Warteschlange bestanden habe sollte u. ä. (vgl. hierzu auch BAG, U. v. 11.07.2006, NZA 2007, S. 155 f; U. v. 19.08.1987, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr; Didier, NZA 2007, S. 120 f). Auch wenn insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gilt, muss das Vorbringen des Klägers doch zunächst ausreichend schlüssig erkennen lassen, weshalb und ggf. in welchem zeitlichen Umfang einzelne Zeiträume vor, zwischen und nach den Lenkzeiten Arbeitszeit/-bereitschaft im vergütungsrechtlichen Sinn darstellen sollen, als Grundlage jedenfalls für eine etwaige abschließende Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO).

Tachoscheiben sind als Beweismittel für behauptete, als Arbeitszeiten in diesem Sinn anzusehende Wartezeiten u. ä. kaum oder gar nicht geeignet, da sie nach den Regelungen der VO (EWG) Nr. 3821/85 vom 20.12.1985 zum Kontrollgerät nur die Lenkzeiten im Sinne des Art. 6 der VO (EWG) Nr. 3820/85 vom 20.12.1985 technisch aufzeichnen, nicht aber ausweisen (können), welchen Rechtscharakter hierin nicht aktiv dokumentierte Zeiträume vor, zwischen und nach Lenkzeiten, im arbeitszeitschutzrechtlichen - öffentlichrechtlichen - Sinn (VO (EWG) Nr. 3820/85 und §§ 3 und 2 Abs. 1 ArbZG) und im zivil-/arbeitsrechtlichen und damit vergütungsrechtlichen Sinn, haben sollen (LAG Schleswig Holstein, U. v. 31.05.2005, aaO - 2. b der Gründe -; LAG Thüringen, U. v. 19.03.2002, aaO).

bb) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers in der Berufung - auch die dort ausdrücklich in Bezug genommene tabellarische Auflistung in Anl. K15 zum Berufungsbegründungsschriftsatz - nicht wenigstens ansatzweise:

- Hinsichtlich einzelner der aufgelisteten Tage fehlen selbst die als einziges Beweismittel (untauglich) in Bezug genommenen Tachoscheiben (etwa 07.01.2005 ...);

- weshalb der Kläger in seiner nunmehrigen Aufstellung, als Folie des Umfangs seiner angegebenen Überstunden, als "Regul. Std." zum Teil neun Stunden und zum Teil zehn Stunden/Tag angibt, erschließt sich nicht (die öffentlich-rechtlich zulässige Lenkzeit gemäß Art. 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 hat mit der arbeitsvertraglich vereinbarten/geschuldeten täglichen Arbeitszeit zunächst nichts zu tun ...;

- vor allem die vom Kläger vorgelegten Tachoscheiben belegen die aufgelisteten täglichen Arbeitszeiten als solche in keiner Weise (- nur - beispielsweise:

Am/für den 06.01.2005 gibt der Kläger einen Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr und eine Arbeitszeit bis 24.00 Uhr - am Folgetag, 07.01.2005, von 0.00 Uhr bis 19.30 Uhr - an, während die in Kopie vorgelegte Tachoscheibe für den 06.01.2005, soweit aus den vorgelegten Kopien jeweils ausreichend dechiffrierbar, am 06.01.2005 eine Lenkzeit von 6.40 Uhr bis 7.33 Uhr und von 8.32 Uhr bis 9.58 Uhr (hier wie im Folgenden: zeitliche Näherungswerte) ausweist - danach an letzterem Tag ersichtlich keinerlei Dienst am Steuer mehr -, für den Folgetag fehlt eine Tachografenscheibe; für den (Sonntag) 09.01.2005 gibt der Kläger eine Arbeitszeit von 5.30 Uhr bis 13.30 Uhr an (ohne Pausenabzug), während die hierzu vorgelegten Tachoscheibe für diesen Tag Lenkzeiten von 5.20 Uhr bis 6.08 Uhr und von 7.55 Uhr bis 8.41 Uhr ausweist und für diesen Tag (Bl. 148 d. A.) als ergänzende Angabe des Klägers eine Arbeitszeit von 5.30 Uhr bis 9.00 Uhr = 3,5 Gesamtarbeitsstunden vermerkt!

Ähnlich gibt der Kläger in seiner nunmehrigen Aufstellung unter Anl. K15 zum Berufungsbegründungsschriftsatz für Sonntag, 16.01.2005, eine Arbeitszeit von 17.30 Uhr bis 24.00 Uhr und für den Folgetag - Montag, 17.01.2005 - eine durchgehende Arbeitszeit von 0.00 Uhr bis 19.00 Uhr an; die vorgelegten Tachoscheiben für diese beiden Tage weisen ersichtlich Lenkzeiten am 16.01.2005 von 17.40 Uhr bis 22.45 Uhr (mit einer 20-minütigen Unterbrechung), sodann von 2.50 Uhr bis 8.10 Uhr (wiederum mit einer 20-minütigen Unterbrechung) und alsdann von 14.44 Uhr bis 19.00 Uhr aus; am 19.01.2005 listet der Kläger eine Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr - mit vier angegebenen Überstunden - auf, während die Tachoscheibe für diesen Tag (Bl. 155 d. A.) Lenkzeiten von 7.05 Uhr bis 12.10 Uhr und von 15.45 Uhr bis 20.40 Uhr dokumentiert (und wiederum der Vermerk des Klägers auf dieser Tachoscheibe eine "Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr", mit vier Stunden Lenk- und Wartezeiten, enthält ... - was nun?); - insbesondere lassen die Auflistungen des Klägers auch nicht ansatzweise erkennen - geschweige denn wäre dies inhaltlich hierdurch unter Beweis gestellt! -, dass es sich bei den angegebenen bzw. aus den vorgelegten Tachoscheiben ermittelbaren Zeiten vor, zwischen und nach den Lenkzeiten tatsächlich um Arbeitszeiten im rechtlichen Sinne gehandelt haben soll, dass also der Kläger in diesen Zeiten tatsächlich aktuell und aktiv Arbeitsleistungen zu erbringen gehabt hätte oder jedenfalls Wartezeiten in Form sog. "Arbeitsbereitschaft" vorgelegen hätten ("wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung", vgl. zuletzt BAG, U. v. 11.07.2006, aaO - Rz. 40/41 f -) oder etwa Bereitschaftsdienst oder auch Rufbereitschaft - ggf. mit Teilvergütungspflicht nach den von der einschlägigen Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien - gegeben gewesen hätten sein sollen.

Das Vorbringen des Klägers erstreckt sich unverändert auf eine schlichte Auflistung seiner Fahrten und Fahrtziele und die Angabe seiner Abwesenheitszeiten - obwohl ihm eben bereits das Arbeitsgericht mehrfach konkret und ins Einzelne gehend aufgegeben hatte, auch Ort und vor allem die jeweils verrichteten Tätigkeiten als solche, unter Beweisantritt, konkret und detailliert und im einzelnen, für alle behaupteten Überstunden, darzulegen. Auch im angegriffenen Endurteil vom 14.09.2006 hatte das Arbeitsgericht hierzu zutreffend dargelegt (unter S. 11 - 5.2. - der Entscheidungsgründe), dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt gehabt habe, dass er, ohne Verpflichtung, gelegentlich beim Abladen geholfen habe und ihm - offensichtlich ebenfalls in der mündlichen Verhandlung dargestellt - manchmal gesagt worden sei, er solle in einer oder zwei Stunden wiederkommen, oder ihm ein Piepser in die Hand gedrückt worden sei (!), - weshalb zwar davon auszugehen sei (im Rahmen einer praxisnahen, vorrechtlichen, Hypothese ?), dass ein Teil der Warte- und Ladezeiten "sicherlich" Arbeitszeiten seien, es dem Kläger im Rahmen der Überstundenklage gleichwohl obliege, die einzelnen Warte- und Ladezeiten als Arbeitszeiten und damit ggf. Überstunden darzulegen.

Trotz dieser vielfachen Hinweise und gerichtlichen Auflagen und der einschlägigen Ausführungen hierzu auch im angegriffenen Urteil zieht sich der Kläger nach wie vor auf eine naive Argumentationsstrategie im Sinne schlichter Behauptungen und undifferenzierter Tabellen zurück - weil er offensichtlich zu meinen glaubt, mehr nicht leisten zu können (zu wollen ...?) -.

Damit fehlt es an jeglichen Voraussetzungen selbst für eine etwaige Schätzung von etwaigen Überstundenabgeltungsansprüchen gemäß § 287 Abs. 2 ZPO.

b) Die Klage und deshalb die Berufung sind damit bereits mangels eines Überstundenabgeltungsanspruches dem Grunde nach unbegründet, ohne dass es auf die ebenso unschlüssig vorgetragene Höhe eines Abgeltungsanspruches, den der Kläger geltend macht, ankommt (die von ihm nunmehr kalkulatorisch angesetzte Wochenarbeitszeit von 45 Arbeitsstunden gemäß § 4 des Arbeitsvertrages vom 15.04.2004 ergibt eine Monatsarbeitszeit von (45 Stunden/Woche x 13 Wochen/Quartal (52 Wochen/Jahr : 4) : 3 Monate =) 195 Stunden, was bei einem Grundgehalt von 2.400,-- € brutto/Monat einem Stundensatz von (2.400,-- € brutto/Monat : 195 Stunden =) 12,31 € brutto/Stunde entspricht - der Kläger setzt jedoch 13,33 € (brutto)/Stunde an...).

Auch die ebenfalls naiven Einwände der Beklagten unter Verweis auf ein "Fahrpersonalgesetz", den, streitigen, Hinweis auch gegenüber dem Kläger auf gesetzlich zulässige Fahr- (?) und Lenkzeiten und eine angebliche betriebliche Übung hinsichtlich der Abgeltung angefallener Überstunden durch Freizeitausgleich sind damit nicht entscheidungserheblich.

3. Offen bleiben kann damit weiter, dass ein etwaiger Abgeltungsanspruch nicht etwa nach der einzelvertraglichen Verfallfristenregelung in § 14 des Arbeitsvertrages vom 15.04.2004 verfallen wäre, weil diese Ausschlussfrist, zumal als einseitige Klausel, auch nach ihrer Länge rechtsunwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. nur BAG, U. v. 31.08.2005, AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG; U. v. 18.09.2005, AP Nr. 7 zu § 307 BGB).

III.

Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO), wobei im Hinblick auf die Rücknahme der Anschlussberufung durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ihr anteilige Kosten aufzuerlegen waren (entsprechend § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Kläger hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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