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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 389/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 9
KSchG § 10
Betriebsbedingte Kündigung eines Wirtschaftsprüfers und Prokuristen - Soziale Auswahl und Auflösungsantrag des Arbeitgebers - Einzelfallentscheidung
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 389/05

Verkündet am: 6. April 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Ragaller und Schneiderbauer-Schwendler für Recht erkannt:

Tenor: I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24. Februar 2005 - 23 Ca 7867/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht die fehlende soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung der Beklagten geltend.

Der am 00..1958 geborene, verheiratete, Kläger war seit 01.05.2001 bei der Beklagten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater beschäftigt, wobei dem Arbeitsverhältnis zunächst ein Anstellungsvertrag vom 05.04.2001 (Bl. 5 bis 8 d. A.) - nach dem die Beklagte dem Kläger Gesamtprokura mit der Berechtigung, sie zusammen mit einem anderen Prokuristen oder einem Vorstandsmitglied zu vertreten, erteilte - und zuletzt, mit Wirkung vom 01.06.2003, ein "Anstellungsvertrag für Prokuristen vom 05.03.2003 (Bl. 9 bis 13 d. A.) zu Grunde lag. Nach letzterem Arbeitsvertrag betrug die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 28 Stunden, wobei er zuletzt ein Gehalt von 62.634,-- € brutto/Jahr erhielt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.04.2004 zum 31.12.2004 "aus betrieblichen Gründen" (Bl. 14 d. A.).

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 24.02.2005, das der Beklagten am 23.03.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, dass offen bleiben könne, ob hinreichende betriebliche Erfordernisse samt einer entsprechenden Unternehmerentscheidung vorgelegen hätten bzw. ein anderer freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen sei, da die Kündigung an einer fehlerhaften Sozialauswahl scheitere, weil nach eigener Wertung der Beklagten jedenfalls die Wirtschaftsprüfer H. und B. sozial weniger schützenswert als der Kläger gewesen seien und von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden sei, dass insbesondere der Wirtschaftsprüfer H., der sein Examen erst im Frühjahr 2004 gemacht gehabt habe, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen wäre - die entsprechenden Behauptungen seien für die Kammer wenig nachvollziehbar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit Schriftsatz vom 08.04.2005, am 11.04.2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie fristgemäß vorgetragen hat, dass sie entgegen der Darstellung im Ersturteil keineswegs konzediert gehabt habe, dass die Wirtschaftsprüfer H. und B. sozial weniger schützenswert als der Kläger seien, sondern sie erstinstanzlich lediglich ausgeführt habe, diese seien "allenfalls" sozial weniger schutzwürdig als dieser. Für die Abwägung der Sozialfaktoren genüge es, dass diese von der Beklagten nach den Umständen des Einzelfalles in nicht unbeachtlichem Umfang berücksichtigt worden seien, weshalb der eine längere Betriebszugehörigkeit als der Kläger aufweisende Wirtschaftsprüfer B. objektiv als sozial schutzwürdiger als der Kläger eingestuft habe werden dürfen und auch der etwa gleichlang wie der Kläger beschäftigte Wirtschaftsprüfer H. auf Grund des Auswahlermessens der Beklagten als nicht weniger sozial schutzwürdig als dieser qualifiziert habe werden dürfen, zumal der Kläger als älterer Wirtschaftsprüfer bessere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt als jüngere Wirtschaftsprüfer habe, zumal die bei ihm formal bestehende Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau außer Betracht bleiben müsse, da diese auf Grund deren Einkünfte als Rechtsanwältin nicht mit einer tatsächlichen Unterhaltsbelastung verbunden sei. Die Ehefrau des Klägers verfüge als Partnerin einer Sozietät aus Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten über Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit mindestens in Höhe der Arbeitseinkünfte des Klägers - entgegen der späteren Auskunft des Klägers habe diese ein eigenes Einkommen von weit oberhalb von 12.000,-- € vor Steuern und Sozialversicherungsabgaben; der Kläger habe deshalb tatsächliche Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau nicht zu erbringen, weshalb diese nicht als unterhaltsberechtigt zu berücksichtigen sei. Des Weiteren seien die Wirtschaftsprüfer H. und B. gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, da der Wirtschaftsprüfer B. als einziger Wirtschaftsprüfer der M. Niederlassung der Beklagten die Prüfung zum CPA habe, was auf Grund besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet der amerikanischen Rechnungslegung und Prüfung nach amerikanischen Standards eine besondere Qualifikation darstelle und für die Prüfaufträge der M. Niederlassung der Beklagten erforderlich sei. Vergleichbare Kenntnisse weise der Kläger nicht auf. Der Wirtschaftsprüfer H. habe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eigenständig die Unternehmen der B.-Gruppe betreut, wobei deren kaufmännischer Leiter, der Zeuge D., gegenüber dem Zeugen B. - Niederlassungsleiter der Beklagten in München - unmissverständlich erklärt habe, dass die Beklagte das Mandat für die verbleibenden Bereiche der B.-Gruppe nur dann weiter erhalten werde, wenn die Beklagte die Kontinuität insbesondere in der Person des Wirtschaftsprüfers H. garantieren könne, was diesem der Zeuge B. zugesichert habe, zumal die Beklagte mit der B.-Gruppe einen Umsatz von etwa 250.000,-- € - ausweislich der Auftragsübersicht aus dem SAP-System: im Jahr 2004 sogar 319.524,24 € - erwirtschaftet habe, weshalb die B.-Gruppe unter Berücksichtigung dieser Umsatzzahlen eines der wesentlichen Mandate der Beklagten in München und für diese von herausragender Bedeutung und deshalb die Weiterbeschäftigung des Wirtschaftsprüfers H. unverzichtbar gewesen seien. Des Weiteren sei Herr H. auch als WP-Prüfungsleiter beim Mandat der D.-Gruppe tätig gewesen, wo er der einzige Mitarbeiter der Beklagten vor Ort sei, der dieses Mandat länger als einen Prüfungszyklus kenne.

Mit Schriftsatz vom 21.09.2005, während des Berufungsverfahrens, hat die Beklagte hilfsweise weiter die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung mit der Begründung beantragt, dass hierbei die Stellung des Klägers als Prokuristen (gemäß Wirtschaftsprüferordnung) und damit leitenden Angestellten zur berücksichtigen sei, wobei der Kläger schriftsätzlich den Verdacht einer Bilanzmanipulation seitens der Beklagten geäußert und es für möglich gehalten habe, dass diese nachträglich ihre Buchführung verfälsche, wodurch das Vertrauensverhältnis der Parteien irreparabel zerstört worden sei, zumal dies letztlich den Vorwurf des Prozessbetruges bzw. der Falschbeurkundung darstelle. Auch könne eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu verneinen sein, wenn der Arbeitnehmer infolge der betrieblichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses den Kontakt zum Betrieb und zu seiner Arbeit derart verloren habe, dass er seine Aufgaben selbst nach angemessener Einarbeitungszeit nicht mehr sachgerecht erledigen könne; hier habe es der Kläger nach Obsiegen in erster Instanz unterlassen, die tatsächliche Weiterbeschäftigung geltend zu machen, und es vorgezogen, in der von seiner Ehefrau betriebenen Rechtsanwaltskanzlei in B. tätig zu werden, weshalb der Kläger in den Betrieb der Beklagten nicht mehr integriert werden und die ihm als Wirtschaftsprüfer obliegenden Aufgaben nicht mehr sachgerecht bewältigen könne. Auch habe der Kläger trotz Aufforderung bisher keine Auskunft darüber erteilt, welche Anstrengungen er unternommen habe, um Zwischenverdienst im Sinne des § 615 Satz 2 BGB zu erzielen, weshalb angenommen werden müsse, dass er sich nicht bzw. nicht ausreichend bemüht habe, in seinem Beruf als Wirtschaftsprüfer wieder tätig zu werden. Auf diese Auflösungsgründe sei es ohne Einfluss, dass die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Vergleichsverhandlungen ohne Präjudiz eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter angeboten gehabt habe, welche er an seinem Wohnsitz, außerhalb der Betriebsräume der Beklagten, ausüben hätte können.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 24.02.2005 - Az.: 23 Ca 7867/04 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch € 15.000,00 (brutto) nicht übersteigen sollte.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Anträge auf Zurückweisung der Berufung sowie des hilfsweise gestellten Auflösungsantrages der Beklagten vor, dass das Arbeitsgericht zunächst die vorgenommene Sozialauswahl zu Recht als fehlerhaft angesehen habe, da Herr B., der zwar geringfügig länger als der Kläger bei der Beklagten beschäftigt, im Gegensatz zu diesem nicht unterhaltsverpflichtet und deutlich jünger als dieser sei und - wie der Wirtschaftsprüfer H. - kaum Berufserfahrung als Wirtschaftsprüfer gehabt habe, wobei dessen besondere Qualifikation mit dem hervorgehobenen Abschluss CPA in Deutschland zur Bearbeitung der von der Beklagten angesprochenen Mandate nicht erforderlich sei. Der Wirtschaftsprüfer H. sei, nachdem er ebenfalls erst im Jahr 2004 das Wirtschaftsprüferexamen abgelegt habe, nicht eigenständig für die Prüfung des Unternehmens der B.-Gruppe verantwortlich gewesen, wobei die behauptete Aussage des benannten Zeugen D. gegenüber dem Zeugen B. hinsichtlich der Notwendigkeit des weiteren Einsatzes des Herrn H. für den Fortbestand des Mandates der B.-Gruppe bestritten sei, ebenso wie der von der Beklagten, mit unterschiedlichen Angaben hierzu, behauptete Umsatz der M. Niederlassung der Beklagten mit der B.-Gruppe. Auch für das Mandat D. wäre der Kläger ohne erhebliche Einarbeitungszeit einsetzbar gewesen, nachdem er über die Vorgänge dieser Unternehmensgruppe bereits bestens unterrichtet gewesen sei. Die Ehefrau des Klägers sei als unterhaltsberechtigt zu berücksichtigen, da diese im Jahre 2004 maximal 12.000,-- € vor Steuer und Sozialabgaben verdient habe.

Ein endgültiges Zerwürfnis der Parteien, das eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß dem zuletzt gestellten Auflösungsantrag der Beklagten rechtfertigen könnte, liege nicht vor, da der Kläger keinerlei Behauptungen erhoben habe, die Anlass bieten könnten anzunehmen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten sei. Der Kläger habe weder die Einkommensverhältnisse seiner Ehegattin verschleiert - nach dem Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamts entsprächen seine Angaben der Wahrheit, wobei seine Ehefrau ihre Tätigkeit in der angegebenen Kanzlei in reiner Außensozietät verrichte und der Kläger auch nicht entgeltlich für seine Ehegattin gearbeitet, sondern lediglich gelegentlichen Telefondienst erbracht habe -. Auch sei keinesfalls behauptet worden, dass die Beklagte die von ihr vorgelegte SAP-Liste zum Umsatz mit der B.-Gruppe manipuliert habe, da die SAP-Auswertung durch Eingabe unterschiedlicher Parameter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könne, weshalb die Angaben des mit der B.-Gruppe erwirtschafteten Umsatzes der Beklagten stark differierten und der Kläger lediglich erläutert habe, dass es sich auf Grund von Schätzungen respektive auf Grund des Auseinanderfallens von Leistungszeitpunkt und Buchungszeitpunkt um nicht aussagekräftige Zahlen handle. Dass auch die Beklagte das Verhältnis zum Kläger nicht als zerrüttet ansehe, ergebe sich aus ihrem Angebot einer weiteren Tätigkeit des Klägers für sie in Form einer freien Mitarbeit. Bei der Prokura des Klägers habe es sich um eine bloße Titular-Prokura gehandelt, da er nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen sei und auch nicht eine Funktion als oder ähnlich der eines Geschäftsführers oder Betriebsleiters gehabt habe; damit seien sämtliche kumulativen Kriterien für den leitenden Angestellten nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht erfüllt.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 23.06.2005, vom 26.07.2005, vom 30.08.2005, vom 05.09.2005, vom 21.09.2005, vom 14.11.2005, vom 18.01.2006 , vom 24.01.2006, vom 17.02.2006 (Kläger) und ebenfalls vom 17.02.2006 (Beklagte), nebst der hierzu jeweils - und in der mündlichen Verhandlung - vorgelegten/übergebenen Unterlagen, sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 08.09.2005 und vom 26.01.2006.

Das Berufungsgericht erhoben auf Grund Beweisbeschlusses vom 29.09.2005 Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen D., B. und J.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.01.2006 (Bl. 472 f d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.04.2004 zum 31.12.2004 bereits wegen fehlerhafter sozialer Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) ist - dazu 1. -; der erstmals während des Berufungsverfahrens hilfsweise gestellte Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß der §§ 9, 10 KSchG ist unbegründet - dazu 2. -.

1. a) Es kann wegen fehlerhafter sozialer Auswahl (b) offen bleiben, ob die Kündigung auch gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist - der Kläger, angesichts des dokumentierten Beschlusses zur Streichung von neun der 47 Stellen im Bereich Wirtschaftsprüfung der Niederlassung München der Beklagten aus außerbetrieben Gründen (Umsatzrückgang), insbesondere die Möglichkeit einer beiden Parteien möglichen und zumutbaren Weiterbeschäftigung auf einem zum Zeitpunkt der Kündigung freien oder jedenfalls im Laufe der Kündigungsfrist bzw. wenig später frei werdenden geeigneten Arbeitsplatz, auf dem er insbesondere im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) nach den arbeitsvertraglichen Regelungen eingesetzt/versetzt hätte werden können, mittels hierfür erforderlichen substantiierten Bestreitens aufgezeigt hätte, und der Kündigung, wie vom Kläger weiter geltend gemacht, insoweit etwa der Vorrang der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) entgegengestanden hätte insbesondere im Hinblick auf das Angebot der Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung hinsichtlich einer Tätigkeit des Klägers als freien Mitarbeiters mit einem Mindesthonorarvolumen von 35.000,-- €/Jahr (500 Stunden/Jahr á 70,-- €/Stunde), verbindlich für mindestens drei Jahre (etwa Schreiben der Beklagten vom 27.052.004, Anl. K8, Bl. 72 f d. A.; vgl. hierzu näher zuletzt etwa BAG, U. v. 21.04.2005, 2 AZR 244/04, AP Nr. 80 zu § 2 KSchG 1969).

b) Jedenfalls erweist sich die streitgegenständliche Kündigung auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wegen fehlerhafter sozialer Auswahl als sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 3, Abs. 2 KSchG).

aa) Der Kläger ist mit den Wirtschaftsprüfern St., Frau Sch., S., H. und B. unzweifelhaft vergleichbar.

(1) Der Kläger ist als Teilzeitbeschäftigter (mit einer Wochenarbeitszeit von, offensichtlich im Jahresdurchschnitt, 28 Stunden) grundsätzlich in die soziale Auswahl mit den anderen Wirtschaftsprüfern, auch, soweit diese als Vollzeitbeschäftigte tätig sind, einzubeziehen:

Im Rahmen der sozialen Auswahl sind Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich miteinander vergleichbar, es sei denn, der Arbeitgeber hat eine Organisationsentscheidung getroffen, nach der aus offensichtlich nicht unsachlichen Gründen zukünftig Arbeitnehmer gerade mit einem bestimmten Arbeitszeitvolumen benötigt würden, wozu es allerdings einer konkreten, nachvollziehbaren, Darlegung des unternehmerischen Arbeitszeitgestaltungskonzeptes und seiner Begründung bedarf (BAG, ständ. Rspr., zuletzt Ue. v. 22.04.2004 und v. 15.07.2004, AP Nrn. 67 und 68 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; vgl. hierzu auch Gaul/Bonanni/Kulejewski, ArbRB 2005, S. 112 f).

Für das Vorliegen einer Organisationsentscheidung der Beklagten, auf Grund derer für bestimmte Arbeiten lediglich Vollzeitkräfte vorgesehen seien - was einer Einbeziehung von Voll- und Teilzeitkräften (bzw. Teilzeitbeschäftigten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten) in die soziale Auswahl entgegenstehen würde - , liegen kein Sachvortrag der Beklagten oder Anhaltspunkte sonst vor.

(2) Zum in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis zählen grundsätzlich alle vom betriebsbedingten Personalabbau potentiell betroffenen vergleichbaren Arbeitnehmer des Beschäftigungsbetriebes, also der M. Niederlassung der Beklagten. Hierbei erstreckt sich die soziale Auswahl auf sämtliche vergleichbaren - austauschbaren - Arbeitnehmer, wobei sich die Vergleichbarkeit nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen bestimmt, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht allein bei vollständiger Identität der jeweils auf gleicher betriebshierarchischer Ebene besetzten Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner formalen beruflichen Qualifikation sowie seiner bisherigen Tätigkeit(en) und Erfahrungen eine andere, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann, er qua Direktionsrecht im Rahmen des Arbeitsvertrages auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann (BAG, etwa U. v. 15.08.2002, NZA 2003, S. 430 f - III. 2. b aa der Gründe -), wobei die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit auf einem zugewiesenen anderen Arbeitsplatz, über die Einholung eines arbeitsplatzbezogenen Routinevorsprungs hinaus, die Vergleichbarkeit nicht ausschließt (vgl. etwa BAG, Ue. v. 17.02.2000 und 05.12.2002, AP Nrn. 46 und 60 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl); als zumutbare Einarbeitungszeit kann je nach den betrieblichen Umständen und sozialen Daten des Arbeitnehmers der Zeitraum angesetzt werden, den ein Arbeitnehmer im Falle einer Versetzung, Umsetzung oder Neueinstellung für die Einarbeitung benötigen würde, wobei in der Literatur zutreffend in der Regel auf die im Betrieb übliche Probezeit als maximalen Zeitraum abgestellt wird (vgl. nur APS-Kiel, 2. Aufl. 2004, § 1 KSchG Rz. 675; ErfKomm-Ascheid, 6. Aufl. 2006, § 1 KSchG Rz. 480, jeweils m. w. N.).

Die Beweis- und damit auch (abgestufte) Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl, damit auch die Vergleichbarkeit mit anderen Arbeitnehmern, trägt grundsätzlich zunächst der Arbeitnehmer (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Steht fest, dass der Arbeitgeber ersichtlich keine oder, etwa wegen eines räumlich oder inhaltlich zu eng gezogenen Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer, eine objektiv fehlerhafte soziale Auswahlüberlegung angestellt hat, besteht eine vom Arbeitgeber auszuräumende, zu widerlegende, tatsächliche Vermutung für die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl, weshalb in diesem Fall der Arbeitgeber näher darlegen muss, weshalb trotz Durchführung des Auswahlverfahrens der gekündigte Arbeitnehmer nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 KSchG nicht fehlerhaft ausgewählt worden ist (vgl. nur BAG, U. v. 15.06.1989, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).

Dass der Kläger als langjährig erfahrener Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit Prokura der Beklagten mit den von ihm genannten Wirtschaftsprüfern, die ihr Wirtschaftsprüferexamen überwiegend (erst) etwa zeitgleich mit der Kündigung des Klägers abgelegt haben - nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 24.01.2006, S. 3 f, Bl. 463/465 f d. A.) ist die Bestellung von Frau Sch., Herrn S. und Herrn H. zum Wirtschaftsprüfer erst am 22.04./25.06.2004 ins Handelsregister eingetragen worden, während Herr B. seine Examina erst 2002/2003 abgelegt habe (Schriftsatz vom 26.07.2005, S. 5, Bl. 132 f/136 d. A.) -, nicht vergleichbar sein soll, ist, wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, nicht nachzuvollziehen. Bei den vor allem erstinstanzlich anfänglich im Schriftsatz vom 03.11.2004 andeutungsweise behaupteten spezifischen Erfahrungen/Kenntnissen der Wirtschaftsprüfer S., Frau Sch. und St. handelt es sich um ein nicht ausreichend substantiiertes Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Vergleichbarkeit dieser Wirtschaftsprüfer mit dem Kläger nach formaler Qualifikation und Tätigkeitsinhalten, wobei zum anderen diesen Behauptungen jedenfalls auch nichts über nur arbeitsplatzbezogene Routinevorsprünge, die der Kläger innerhalb überschaubarer, kurzer, Einarbeitungszeit ausgleichen könnte, hinaus zu entnehmen wäre.

bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme scheidet auch eine Herausnahme jedenfalls des, frisch examinierten, Wirtschaftsprüfers H. gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus:

Hiernach sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen (...) im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

Auch wenn die von der hier darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten behauptete Notwendigkeit der Weiterbeschäftigung des Wirtschaftsprüfers H. wegen dessen persönlicher Mandatsbindung bei der Prüfung der B.-Gruppe als ein solches betriebliches Interesse im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG anerkannt werden könnte - etwa im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung dieses Mandats für den Umsatz der M. Niederlassung der Beklagten -, so kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einem sonach jedenfalls erforderlichen konkreten Risiko eines Mandatsverlustes hinsichtlich der B.-Gruppe bei einem Nichteinsatz des Herrn H. dort, wie von der Beklagten ausgeführt, zur Überzeugung der Berufungskammer nicht ausgegangen werden.

(1) Zwar war der Kläger nach der Aussage des Zeugen J. seit einigen Jahren - seit zwei bis, eher, drei Jahren, so die Aussage des Zeugen D. - der sog. "Zweitverantwortliche" bei der Prüfung der B.-Gruppe, also der Prüfungsleiter dort vor Ort, welche Auftraggeberin nach der Aussage des Zeugen D., des kaufmännischen Leiters dieser Gruppe, eine stärkere personelle Kontinuität der Prüfer der Beklagten als in der Vergangenheit, vor allem bei den Prüfern oberhalb der Ebene der Prüfungsassistenten, wünschte - ohne dass nach dessen Aussage der Beklagten individuelle Personen vorgeschrieben worden seien/hätten werden können. Auch nach Aussage des Zeugen B., des nunmehrigen Niederlassungsleiters der Beklagten in München, habe ihn der Zeuge D. bei der üblichen Abschlussbesprechung (im Zusammenhang mit der Frage des Fortbestandes des Mandates auf Grund der anstehenden Änderung der Gesellschafterstruktur dieses Unternehmens/dieser Unternehmensgruppe) darüber in Kenntnis gesetzt, dass er sich über eine personelle Kontinuität im Prüfteam, insbesondere der Herren H. und J., freuen würde, da dies in der Vergangenheit anders gewesen sei. Nach Aussage des Zeugen B. weiter habe der Umsatz für die Jahresabschlussprüfung bei der B.-Gruppe vor der Prüfung 2005 ca. 230.000,-- € betragen, zzgl. eines Mandates für diese Gruppe im Steuerbereich mit einem Umsatzvolumen von ca. 80.000,-- € (ersichtlich: im Jahr), bei einem Umsatz der M. Niederlassung der Beklagten von zuletzt insgesamt ca. 3 Mio. € (Jahr) (Sitzungsniederschrift vom 26.01.2006, S. 3 f, Bl. 472/474 bis 483 d. A.).

Die Aussagen der Zeugen J., D. und B. waren für die Berufungskammer sämtlich uneingeschränkt glaubhaft. Der Zeuge D. ist als kaufmännischer Leiter der B.-Gruppe Auftraggeber der M. Niederlassung der Beklagten und steht damit in keinerlei etwa Abhängigkeitssituation zu dieser. Auch die Zeugen J. und B. haben sich nach dem Eindruck der Berufungskammer ersichtlich bemüht, nach Möglichkeit distanziert und wahrheitsgemäß auszusagen. Die Aussagen der Zeugen waren jeweils für sich betrachtet und auch im Verhältnis zueinander ohne erkennbare Widersprüche. Auch der Eindruck der Berufungskammer von der Persönlichkeit der Zeugen und Stil und Ablauf ihrer Aussagen gibt zu keinerlei Zweifeln hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit und/oder der Glaubwürdigkeit der Zeugen Anlass.

(2) Eine annähernd zwingend notwendige Weiterbeschäftigung des Herrn H., der erst nahezu zeitgleich mit der Kündigung des Klägers das Wirtschaftsprüferexamen ablegte, als somit faktisch existentiell für den Fortbestand des Mandats der B.-Gruppe, das wiederum von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für den Umsatz jedenfalls der M. Niederlassung der Beklagten sein mag - wobei es insoweit nicht ohne weiteres nur auf diese, sondern die Beklagte insgesamt als Unternehmen ankommen kann! -, wie von der Beklagten behauptet, lässt sich den Aussagen der Zeugen zur Überzeugung der Berufungskammer nicht entnehmen (§ 286 Abs. 1 ZPO). Zwar mag dieses Mandat vor allem auch wegen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung bei diesem Mandanten - die nach Aussage des Zeugen D. normalerweise einen Wechsel der Konzernprüfungsgesellschaft zur Folge habe - gefährdet gewesen sein, auch im Zusammenhang mit dem vorausgegangenen häufigen Prüferwechsel bei der Prüfung dieser Gruppe durch die Beklagte. Bei der von dieser Auftraggeberin, dem Zeugen D., gewünschten stärkeren personellen Kontinuität kam es aber nicht oder kaum auf die individuelle Person des Klägers als Prüfungsleiters an. Wieso nicht etwa der Wirtschaftsprüfer und Zeuge J., der dieses Mandat als Wirtschaftsprüfer und damit verantwortlicher Erstprüfer nach seiner Aussage "von Anfang an betreut" hatte, Prüfungsleiter vor Ort hätte sein können - oder auch z. B. ein als Prüfungsleiter einsetzbarer früher dort tätig gewesener Prüfungsassistent bzw. ein anderer Wirtschaftsprüfer der Beklagten -, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Die Einarbeitungszeit eines neuen Prüfungsleiters - bis zur Fähigkeit der Ausübung einer für den Mandanten produktiven Tätigkeit - hat der Zeuge B. im Rahmen des Mandats der D.-Gruppe glaubhaft und überzeugend als etwa einen Monat umfassend bezeichnet, was die generalisierbare Situation darstellen dürfte. Ein weiterer Einsatz des Herrn H. bei der Prüfung der B.-Gruppe war nach dem Gesamtergebnis-/tenor der Aussagen der Zeugen J., D. und B. durchaus wünschenswert oder sinnvoll, aber jedenfalls nicht in einer Weise annähernd zwingend erforderlich, dass dies ein berechtigtes betriebliches Interesse im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG und damit die Herausnahme des Herrn H. aus dem in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis begründen könnte.

Gleiches gilt im Ergebnis für die von der Beklagten - wenngleich eher peripher - behauptete Notwendigkeit eines Einsatzes des Herrn H. bei der Prüfung der D.-Gruppe.

(3) Es kann deshalb offen bleiben, ob auf Grund der auch insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen B. (s. o. (2)) die Zusatzqualifikation des Wirtschaftsprüfers B. als CPA, angesichts der Mandanten-/Prüfungsstruktur der M. Niederlassung der Beklagten, dessen Herausnahme aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG rechtfertigen würde.

cc) Die soziale Auswahl zu Lasten des Klägers war fehlerhaft, weil die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum zumindest im Verhältnis zum hiernach als vergleichbar anzusehenden Wirtschaftsprüfer H. - wohl auch im Verhältnis zu den Wirtschaftsprüfern S. und Frau Sch. - überschritten hat, als zwei der drei zu berücksichtigenden sozialen Faktoren Betriebszugehörigkeit, Alter und Unterhaltspflichten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 HS 1 KSchG) jeweils deutlich zu Gunsten des Klägers sprechen.

(1) Die rechtliche Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Ehefrau ist zu berücksichtigen.

Auch wenn es nicht von vornherein - was deshalb wiederum offen bleiben kann - nur auf die rechtliche, als solche bestehende - nicht die im konkreten Fall, auf Grund fehlender oder geringer Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person, gegebene tatsächliche - , Unterhaltspflicht ankommt (siehe etwa KR-Etzel, 7. Aufl. 2004, § 1 KSchG Rzn. 676 f, m. w. N., sowie den gerichtlichen Beschluss vom 29.09.2005, Ziff. 4. lit. a; siehe auch LAG Düsseldorf, U. v. 04.11.2004, LAGReport 2005, S. 127 f; Fröhlich, LAGReport 2005, S. 257 f; Lunk, NZA Beilage 1/2005, S. 41 f/43; Kleinebrink, DB 2005, S. 2522 f), ist die Ehefrau des Klägers als unterhaltsrelevant gegenüber diesem anzusehen, da diese nach den vom Kläger vorgetragenen und durch Vorlage des Gewinnfeststellungsbescheides des Finanzamts (M.) vom 01.08.2005 (Anl. K12, Bl. 229 f d. A.) sowie der Einnahme-/Überschussrechnung 2004 (Anl. K13, Bl 231 d. A.) ausreichend unter Beweis gestellten Sachverhalten nur über relativ bescheidene Einkünfte verfügt (Überschuss 2004: 10.529,51 €, Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2004: 11.034,-- €). Dies mag für eine selbstständig tätige Rechtsanwältin wenig sein - es liegen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vortrag des Klägers hierzu und die vorgelegten Unterlagen zur Einkunftshöhe - im Sinne eines (versuchten) Prozessbetrugs (wie von der Beklagten in der Folge insbesondere im Zusammenhang mit ihrem hilfsweise gestellten Auflösungsantrag gemutmaßt) - unrichtig/gefälscht sein sollten.

Dass das, wesentlich, höhere Lebensalter des Klägers gegenüber demjenigen des Herrn H. und des Herrn S./der Frau Sch. (s. u. (3)) nicht - oder nicht wesentlich - zu berücksichtigen sei, weil auch und gerade für Wirtschaftsprüfer mit dem Alter des Klägers ausgezeichnete Berufsaussichten bestünden, wie von der Beklagten behauptet, verschließt sich der Berufungskammer (die aus langer Erfahrung eher das Gegenteil als gegeben ansehen muss ...).

(2) Nach dem Gesetzeswortlaut hat der Arbeitgeber die sozialen Gesichtspunkte allerdings (nur) "ausreichend" zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 HS 1 KSchG), so dass ihm bei der Gewichtung der sozialen Kriterien ein (erheblicher) Wertungs-/Beurteilungsspielraum zukommt. Die Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein und auch nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es selbst soziale Erwägungen anstellen hätte müssen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Beurteilungsspielraum führt deshalb dazu, dass nur deutliche schutzwürdigere Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl mit Erfolg rügen können (vgl. etwa BAG, U. v. 05.12.2002, NZA 2003, S. 791 f - B. III. 1. der Gründe, m w. N. -).

(3) Im Vergleich zu Herrn H. hatte der Kläger einerseits die nahezu gleiche Betriebszugehörigkeit (Eintrittsdatum des Klägers: 01.06.2001, Eintrittsdatum des Herrn H.: 01.07.2001, also einen Monat weniger), jedoch andererseits, anders als Herr H., eine Unterhaltspflicht und zusätzlich das deutlich höhere Lebensalter aufzuweisen (zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung (30.04./03.05.2004) war der am 00.00.1958 geborene Kläger somit 45,5 Jahre alt, während Herr H., am 00.00.1966 geboren, sonach erst 37/knapp 38 Jahre alt war).

Da zwei der drei nach der gesetzlichen Regelung bei der sozialen Auswahl zwingend zu berücksichtigenden Faktoren somit - jeweils für sich betrachtet und erst recht in kumulierter Hinsicht - deutlich zu Gunsten des Klägers sprechen, hat die Beklagte bei der sozialen Auswahl zu Lasten des Klägers jedenfalls im Verhältnis mit dem als vergleichbar anzusehenden Wirtschaftsprüfer H. ihren, wenngleich erheblichen, Beurteilungsspielraum im obigen Sinn überschritten.

Gleiches dürfte - wenngleich dies hiernach wiederum offen bleiben kann - im Verhältnis zu den ebenfalls als vergleichbar anzusehenden Wirtschaftsprüfern S. und Frau Sch. gelten:

Beide waren nach dem vorgetragenen Sachverhalt zwar länger als der Kläger beschäftigt (Herr S. zum Zeitpunkt der Erklärung der streitgegenständlichen Kündigung ca. 3,3 Jahre länger (Eintritt: 16.02.1998), Frau Sch. zu diesem Zeitpunkt 3,66 Jahre länger (Eintritt: 01.10.1997)), jedoch beide deutlich jünger - auch wesentlich jünger als Herr H. (was letztlich, im Verhältnis zu diesem, dessen kürzere Betriebszugehörigkeit annähernd kompensieren müsste ...) - und beide erst 32 Jahre alt: Herr S. ist am 00.00.1971 und Frau Sch. ist am 00.00.1971 geboren; somit sind beide allerdings deutlich jünger als insbesondere der 45-jährige Kläger, was im Ergebnis die gleiche Auswahl(fehler)bewertung wie im Verhältnis des Klägers zu Herrn H. indizieren müsste.

dd) Wegen Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl erweist sich die Kündigung der Beklagten vom 30.04.2004 hiernach als sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 3, Absatz 2 KSchG).

2. Der im Berufungsverfahren hilfsweise gestellte Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß der §§ 9 und 10 KSchG ist unbegründet.

a) Die Beklagte konnte diesen Antrag zulässig auch noch während des Berufungsverfahrens stellen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG).

b) Dem Auflösungsantrag steht zwar nicht entgegen, dass die Kündigung der Beklagten nicht allein wegen fehlender sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 KSchG, sondern auch - oder allein - aus anderen Gründen rechtsunwirksam gewesen wäre - was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie der Berufungskammer eine Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers von vornherein ausschließen würde (vgl. nur BAG, zuletzt Ue. v. 21.09.2000 und v. 10.10.2002, AP Nrn. 35 und 45 zu § 9 KSchG 1969) -, da die Kündigung hier, wie vorstehend (1. b) ausgeführt, wegen fehlerhafter sozialer Auswahl sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs.3, Abs. 2 KSchG) ist, andere Unwirksamkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

c) Das Vorbringen der Beklagten hierzu rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass eine weitere betriebsdienliche Zusammenarbeit der Parteien nicht zu erwarten wäre.

aa) Der Auflösungsantrag der Beklagten bedurfte einer Begründung, da der Kläger nicht den Status eines Betriebsleiters oder ähnlichen leitenden Angestellten, soweit dieser zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist, hatte, was die Notwendigkeit einer Begründung des Auflösungsantrages entfallen lassen würde (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 KSchG).

Der Kläger hatte zwar unstreitig Prokura - nach dem Vorbringen der Beklagten hierzu deshalb, weil nach § 45 der Wirtschaftsprüferordnung Wirtschaftsprüfer als Angestellte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften diese Rechtsstellung haben sollen - . Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom 05.04.2001 erhielt der Kläger Gesamtprokura mit Zeichnungsberechtigung zusammen mit einem anderen Prokuristen oder einem Vorstandsmitglied. Nach dem, novierenden, "Anstellungsvertrag für Prokuristen" vom 05.05.2003 waren die Befugnisse des Klägers allerdings im Innenverhältnis zur Beklagten sehr überschaubar und hinsichtlich personeller Kompetenzen nicht näher geregelt.

Auch und vor allem hat die Beklagte sich nicht zum bestreitenden Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 14.11.2005, Seit 9 - unter B I. -, Bl. 394 f/402 d. A.) hierzu geäußert, dass er - anders als von § 14 Abs. 2 KSchG ausdrücklich gefordert - "keinerlei Personalentscheidungskompetenz" besessen habe und nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt, sondern bloßer Titular-Prokurist gewesen sei.

Vorm Vorliegen der erforderlichen Personalbefugnisse im Sinn des § 14 Abs. 2 KSchG kann deshalb keinesfalls ausgegangen werden, so dass der Auflösungsantrag der Beklagten einer Begründung bedurfte.

bb)

(1) An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, da das Kündigungsschutzgesetz vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz ist (vgl. nur BAG, zuletzt Ue. v. 02.06.2005 und v. 22.06.2005, AP Nrn. 51 und 52 zu § 9 KSchG 1969 - II. 2. der Gründe letzteren Urteils -, jeweils m. w. N.; BVerfG, KammerB. v. 22.10.2004, AP Nr. 49 zu § 9 KSchG 1969).

Voraussetzung ist somit die - vom Arbeitgeber zunächst darzulegende - Prognose zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, die Arbeitsvertragsparteien würden in Zukunft nicht mehr gedeihlich zusammenarbeiten, was voraussetzt, dass greifbare Tatsachen vorgetragen sind, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er eine Kündigung nicht rechtfertigt, und ggf. weitergehende Umstände gleichwohl so beschaffen sind, dass sie eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen.

(2) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen näher solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen, wobei die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, nicht allein im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten, des Arbeitnehmers - sondern ggf. auch im personenbedingten Bereich - liegen müssen. Es kommt vielmehr darauf an, ob die objektive Lage zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit gefährdet ist.

Als Auflösungsgründe sind hiernach im Einzelfall geeignet etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen, wobei auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann, jedenfalls, wenn der Arbeitnehmer diese sich zu Eigen macht und sich nachträglich nicht hiervon distanziert. Liegen solche Gründe an sich vor, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob in Anbetracht der konkreten betrieblichen Umstände noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist, wobei auch ein zwischenzeitlich eingetretener Wandel der betrieblichen Verhältnisse Berücksichtigung finden kann und grundsätzlich die wechselseitigen Grundrechtspositionen des betroffenen Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und abzuwägen sind (BAG, aaO).

(3) Hiernach kann eine Prognose einer fehlenden betriebsdienlichen Zusammenarbeit bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht angenommen werden:

Dass der Kläger, so der Vorwurf der Beklagten hierzu zum einen, der Beklagten mit seinem schriftsätzlichen (bestreitenden) Hinweis auf die von ihr vorgelegten SAP-Listen zum mit der B.-Gruppe erwirtschafteten Umsatz - mit denen sich der Beweis eines zuletzt behaupteten Umsatzes von 319.524,24 € nicht erbringen lasse, da diese Listen entsprechend verändert werden könnten - (zumindest konkludent) die Vorlage manipulierter Beweisstücke und damit im Ergebnis die Fälschung ihrer eigenen Bilanz - mit Prozessbetrugsabsichten seitens der Beklagten o. ä. - unterstellen wolle, ist erkennbar abwegig. Zum einen ist die präzise Umsatzhöhe dieses Mandats, bei eher geringen Abweichungen des Vortrags hierzu, kaum entscheidungserheblich, zum anderen hat der Kläger dies nicht nur, als fehlende Behauptung in dieser Richtung, mit Schriftsatz vom 14.11.2005 (dort Seite 11 f, Bl. 394/404 f d. A.) ausdrücklich klargestellt, sondern nachvollziehbar auch darauf verwiesen, dass die Eingabe unterschiedlicher Parameter und die Verbuchung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könnten. Ein (zumindest insinuierter) Manipulationsvorwurf des Klägers gegenüber der Beklagten - nicht erst mit der zusätzlich hierzu behaupteten besonderen Akzentuierung der Unterstellung prozessbetrügerischen Verhaltens o. ä. - scheidet allerdings, unabhängig von der herausgehobenen Stellung des Klägers als (Titular)Prokuristen, erkennbar aus.

Des Weiteren ist bereits ausgeführt worden, dass konkrete, verifizierbare, Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Bestreben, sich einen Prozessvorteil zu verschaffen, unvollständige Angaben zu den Einkommensverhältnissen seiner Ehefrau gemacht haben sollte, nicht bestehen. Diese verfügt eben offensichtlich über bescheidene Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin (die gerichtsbekannt - und nach den Veröffentlichungen/Statistiken der Rechtsanwaltskammern - auch nicht völlig atypisch zu sein scheinen ...). Im Gegenteil sind die trotz Vorlage von entsprechenden Belegen hierzu und damit ausreichend dokumentierten geringen Einkünfte der Ehefrau des Klägers aufrechterhaltenen Zweifel der Beklagten und ihre in diesem Zusammenhang auch nachfolgend noch mehrfach insistierten Unterstellungen eher geeignet, von der Beklagten selbst verursachte Spannungen darzustellen/zu erzeugen, auf die sie sich allerdings bei ihrem eigenen Auflösungsantrag nicht berufen kann (vgl. BAG, U. v. 02.06.2005, aaO).

Schließlich können dem Kläger seine auf Grund der streitgegenständlichen Kündigung fehlende kontinuierliche Tätigkeit (insbesondere bei der Beklagten) und eine behauptete nachlassende Qualifikation durch den zwischenzeitlichen Zeitablauf - so der weitere Begründungsansatz der Beklagten hierzu - nicht zum Vorwurf gemacht werden. Falls die Beklagte, wie sie offensichtlich hierzu andeuten will (und was dem Sachverhalt nicht eindeutig zu entnehmen ist), den Kläger etwa zeitnah zur Kündigungserklärung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt hätte - zu Recht oder zu Unrecht -, kann sie sich billigerweise nicht selbst im Rahmen der Begründung ihres Auflösungsantrags hierauf berufen wollen ... (s. o.). Das Argument des Zeitablaufs allein würde bei längerer Prozessdauer (die hier nicht vorliegt!) allerdings - in auch verfassungsrechtlich bedenklicher Weise: BVerfG, aaO - aus dem Kündigungsschutzgesetz ein Abfindungsgesetz machen, weil dann reziprok zur Prozessdauer die Anforderungen an die Begründung eines Auflösungsantrages sinken/tendenziell gegen Null gehen müssten (im Gegenteil können bestehende Auflösungsgründe mit wachsendem Zeitabstand wieder ihr Gewicht verlieren: vgl. näher BAG, U. v. 07.03.2002, AP Nr. 42 zu § 9 KSchG 1969). Dass der Kläger, ausgehend vom Zeitpunkt der Entscheidung, bereits ca. 15 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist (31.12.2004) seine Qualifikation als Wirtschaftsprüfer derart elementar verloren haben sollte, dass er, ggf. nach kurzer Einarbeitung, seine Aufgaben bei der Beklagten nicht mehr angemessen bewältigen können sollte, ist - auf Hand liegend - für die Berufungskammer nachgerade abwegig.

Ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag war vom Kläger nicht gestellt - musste auch als Obliegenheit nicht gestellt werden - und konnte deshalb vom Arbeitsgericht nicht entschieden werden. Angedeutete Überlegungen der Beklagten hinsichtlich ggf. unterlassenen Zwischenverdienstes des Klägers gemäß § 615 Satz 2 BGB (§ 11 Ziff. 2. KSchG) sind nur im Rahmen von Annahmeverzugsansprüchen gemäß §§ 615, 293 f BGB, 11 KSchG erheblich.

Insgesamt ist hierbei allerdings nicht gänzlich zu verkennen, dass die Beklagte bestrebt scheint, bei einer allein auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und durchaus sachlich geführtem Rechtsstreit hierüber hypostasierte Auflösungsgründe tendenziell zu dramatisieren.

Damit scheidet eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß der §§ 9 und 10 KSchG aus.

III.

Die Beklagte hat damit die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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