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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 925/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 16
Frage einer weiteren "Überleitung" der einzelvertraglichen Vergütungsregelung eines Chefarztes, mit dem ursprünglich ausdrücklich Entgeltzahlung nach Vergütungsgruppe I letzte Dienstaltersstufe BAT- nebst üblicher dynamischer Tarifersetzungsklausel - vereinbart war, in den TV-Ärzte/VKA, nachdem er, wie alle anderen Ärzte des Klinikums, zunächst in den kurz zuvor inkraft getretenen TVöD "übergeleitet" worden war.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

4 Sa 925/08

Verkündet am: 19.02.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtliche Richterin Rickert und den ehrenamtlichen Richter Brutscher

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 25. April 2008 - 4 Ca 2384/07 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Vergütungsregelung/-ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Frage der Ablösung der einzelvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglichen Bestimmungen ggf. durch neue Tarifverträge.

Der am 00.001952 geborene Kläger ist seit 01.11.1994 als Leitender Arzt - Chefarzt - der F., dessen Rechtsträger nunmehr der Beklagte ist, beschäftigt. Der aktuelle "Dienstvertrag" (Änderungsvertrag - Anl. K1, Bl. 6 bis 32 d. A.), den der Kläger mit Wirkung vom 01.03.1997 mit dem damaligen K. als Rechtsvorgänger der Beklagten abgeschlossen hat, bestimmt hinsichtlich der Vergütungsregelung des Klägers:

"...

§ 9

Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des Liquidationsrechts

1) Der Chefarzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich

a) als feste Vergütung eine Monatsvergütung nach VergGr. 1 BAT, Stufe 12 (jeweils Endstufe), einschließlich Ortszuschlag sowie Zulagen, in der jeweils gültigen Fassung für Mitglieder der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände;

b) jährlich eine Zuwendung nach dem Zuwendungstarifvertrag vom 12.10.1973 in der jeweils gültigen Fassung;

c) jährlich ein Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angelstellte vom 16.03.1977 in der jeweils gültigen Fassung;

d) vermögenswirksame Leistungen nach dem Tarifvertrag vom 17.12.1970 in der jeweils gültigen Fassung.

Wird der BAT oder der maßgebende Vergütungstarifvertrag der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen.

2) Der Chefarzt erhält

a) das Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben;

...

6) Mit der Vergütung nach Abs. 1 und der Einräumung des Liquidationsrechts nach Abs. 2 sind Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Rufbereitschaft abgegolten.

..."

Weiter enthält dieser Dienstvertrag die Option einer zusätzlichen erfolgsabhängigen Zulage (dort § 9 Abs. 7) und eine Nebentätigkeitsgenehmigung u. a. für die ambulante Beratung und Behandlung von Privatpatienten (dort § 8). Nach Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 leitete der Beklagte bzw. dessen Rechtsvorgänger die arbeitsvertragliche Vergütungsregelung mit dem Kläger (wie aller anderen insbes. nachgeordneten Ärzte) auf diesen Tarifvertrag über und/bzw. zahlte an den Kläger Vergütung nunmehr nach Entgeltgruppe 15 Ü TVöD. Mit "Rundschreiben Nr. 00" vom 00.00.2006 (Bl. 145 bis 147 d. A. bzw. Anl. K6, Bl. 261 bis 263 d. A.), gerichtet "an alle ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", teilte der Beklagte unter der Überschrift: "Überleitung in den TV-Ärzte/VKA ab 01.08.2006" mit, dass die Texte der zum 01.08.2006 abgeschlossenen Tarifverträge, darunter der TV-Ärzte/VKA und der TVÜ-Ärzte/VKA, der Arbeitgeberin erst seit einigen Tagen vorlägen und das Klinikum A. "aufgrund des höheren Organisationsgrades im Marburger Bund bei allen Ärztinnen und Ärzten die mit dieser Organisation abgeschlossenen Tarifverträge" anwende, da "die parallele Anwendung der mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge für eine kleinere Gruppe von Mitarbeitern ... nur mit einem unvertretbar hohen organisatorischen Aufwand verbunden und ... damit nicht zu rechtfertigen" wäre. Gleichzeitig wies der Beklagte dort darauf hin, dass alle Ärzte rückwirkend ab 01.08.2006 vom TVöD-BT-K in den TV-Ärzte/VKA übergeleitet würden und letzterer Tarifvertrag ab 01.08.2006 den bisher geltenden TVöD-BT-K ersetze - "eine Neuausfertigung der Arbeitsverträge ist deshalb nicht notwendig"; weiter wurde dort mitgeteilt, dass ab 01.08.2006 nunmehr die Wochenarbeitszeit 40 Stunden betrage (usw.). Nach Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA vom 17.08.2006 rückwirkend zum 01.08.2006 - abgeschlossen zwischen der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dem Marburger Bund - machte der Kläger mit Schreiben vom 14.02.2006 (Anl. K3, Bl. 42/43 d. A.) die Zahlung einer Vergütung nunmehr nach Entgeltgruppe IV der Eingruppierungsregelung in § 16 dieses Tarifvertrages und Nachzahlung der entsprechenden Entgeltdifferenz ab 01.08.2006 geltend, was der Beklagte mit Schreiben vom 05.06.2007 (Anl. K4, Bl. 44/45 d. A.) ablehnte. Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein entsprechendes Begehren auf Vergütungszahlung nach Entgeltgruppe IV des § 16 TV-Ärzte/VKA ab Inkrafttreten dieses Tarifvertrages zum 01.08.2006 weiter.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts Augsburg vom 25.04.2008, das den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 10.09.2008 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses der Klage mit der Begründung stattgegeben hat, dass zum einen nunmehr der TV-Ärzte/VKA einzelvertraglich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar und der Kläger zum anderen in die Entgeltgruppe IV dieses Tarifvertrages eingruppiert sei. Zwar scheide eine unmittelbare Anwendung des TV-Ärzte/VKA bereits deshalb aus, weil dieser Tarifvertrag nach § 1 Abs. 2 dort nicht für Chefärztinnen und Chefärzte gelte, wenn deren Arbeitsbedingungen - wie hier - einzelvertraglich vereinbart seien. Dieser Tarifvertrag komme jedoch über die dynamische Verweisungsklausel in § 9 Abs. 1 Satz 1 a des Dienstvertrages zur Anwendung, was sich aus der Auslegung dieser Bestimmung ergebe. Deshalb sei hier der BAT durch den TV-Ärzte/VKA ersetzt worden, wobei ausschlaggebend sei, dass der Beklagte selbst in einem Rundschreiben Nr. 00 vom 00.00.2006 die Belegschaft darauf hingewiesen gehabt habe, dass die mit dem Marburger Bund abgeschlossenen Tarifverträge bei allen Ärzten und Ärztinnen angewendet würden, ohne dass eine Differenzierung hinsichtlich einer Ausnahme bei den Chefärzten vorgenommen worden sei. Auch die Tatsache, dass der Kläger zunächst in die Entgeltgruppe 15 Ü TVöD eingruppiert gewesen sei, ändere hieran nichts, da der hier streitgegenständliche TV-Ärzte/VKA zeitlich erst danach rückwirkend zum 01.08.2006 geschlossen worden sei und das Rundschreiben des Beklagten vom 00.00.2008 gerade die Notwendigkeit der erneuten Überleitung vom TVöD in den TV-Ärzte/VKA deutlich mache, wodurch der Beklagte sich selbst darauf festgelegt habe, dass dieser Tarifvertrag nunmehr allein zur Anwendung gelangen solle. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte einerseits im Rundschreiben vom 00.00.2006 den TV-Ärzte/VKA als nunmehr allein maßgebendes Tarifwerk deklariere und andererseits hier den Standpunkt vertreten wolle, dass die Annahme, die damaligen Vertragsparteien hätten redlicher Weise, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA bereits bedacht gehabt hätten, diesen zur Geltung gelangen lassen wollen, rein spekulativer Natur und abzulehnen sei. Auch habe durch die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag gerade sichergestellt werden sollen, dass die Tarifvorschriften auch mangels deren Anwendbarkeit aufgrund der besonderen Stellung des Klägers als Chefarztes anzuwenden wären. Die Ablösung des BAT als auch des TVöD durch den TV-Ärzte/VKA werde durch § 2 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA bestätigt. Dass durch die Erhöhung der Grundvergütung letztlich eine ungekürzte Erhöhung des Gesamtpaketes aller entgeltwirksamen Komponenten des Dienstvertrages bewirkt werde, hindere ebenfalls nicht die Anwendung des TV-Ärzte/VKA, da dies im Dienstvertrag der Parteien von Anfang an dynamisch so angelegt gewesen sei. Da der Kläger unstrittig bis 30.09.2005 eine feste Monatsvergütung nach Vergütungsgruppe I Stufe 12 BAT (jeweilige Endstufe) erhalten habe und dann zum 01.10.2005 in die höchste Vergütungsgruppe 15 Ü des TVöD übergeleitet worden sei, sei er nach den Bestimmungen des TVÜ-Ärzte/VKA konsequent weiter in die Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA überzuleiten, zumal er unstreitig die Position eines Chefarztes bekleide - dies erscheine auch insofern interessengerecht, als der Kläger dergestalt wiederum, wie unter Anwendung des BAT und dessen Vergütungsgruppe I, die Vergütung aus der höchsten Entgeltgruppe letzteren Tarifvertrages erhalte.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2008, am 09.10.2008 zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er mit am selben Tag zunächst wiederum per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom 10.11.2008 ausgeführt hat, dass mit Wirkung vom 01.10.2005 als Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD eine Bezahlung des Klägers im dienstlichen Aufgabenbereich nach der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD-K und damit unter Berücksichtigung der Überleitungsbestimmungen - bezogen auf die Vergütungsgruppe I BAT - eine abschließende Überleitung erfolgt seien und für eine weitere Überleitung bzw. einen erneuten Wechsel des Tarifvertrages keine Notwendigkeit bestehe. Der dynamischen Bezugnahmeklausel im Dienstvertrag des Klägers sei dadurch Genüge getan, da der TVöD-K im Betrieb der Beklagten weiterhin auf die überwiegende Zahl der (nichtärztlichen) Beschäftigten Anwendung finde. Die Überleitungsbestimmungen des erst annähernd ein Jahr nach Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 abgeschlossenen TV-Ärzte/VKA im TVÜ-Ärzte/VKA erfassten nur Assistenzärzte und Fachärzte, nicht aber die ehemalige Vergütungsgruppe I BAT oder die Entgeltgruppe 15 Ü TVöD, in der der Kläger sich zu diesem Zeitpunkt befunden habe. Die vom Arbeitsgericht Augsburg für notwendig gehaltene ergänzende Auslegung des Dienstvertrages der Parteien könne nicht allein darin bestehen, dass der Kläger sich die Entgeltgruppe aussuche, die ihm am besten gefalle. Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Bedeutung des Rundschreibens Nr. 00 des Beklagten vom 00.00.2006 seien verfehlt und würden dessen Charakter nicht gerecht. Hier sei das innerdienstliche Kuvert mit dem Rundschreiben Nr. 00 mit der Adresse "Sekretariat F." versehen worden und habe mehrere Rundschreibenexemplare enthalten, von denen eines den Adressaufkleber: "Herr Chefarzt Prof. Dr. W., F." getragen habe - woraus sich eindeutig ergebe, dass dieser dieses Rundschreiben in seiner Funktion als Chefarzt und nicht als persönliches Anschreiben mit unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen für sein eigenes Dienstverhältnis erhalten habe. Aufgrund ihrer exponierten Stellung im Klinikum würden Chefärzte üblicherweise mit Einzelanschreiben bedient. Diese Rundschreiben habe den Kläger über die künftige Bezahlung seiner nachgeordneten Ärzte und deren Umsetzung informieren sollen, ohne dass es ihn in eigener Person betroffen habe. Bei den Chefärzten handle es sich um eine kleine Zahl herausgehobener Ärzte, die nicht automatisch mit angesprochen seien, wenn sich der Beklagte mit einem Rundschreiben an alle ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wende. Hier sei der Kläger und seine chefärztlichen Kollegen auch mit persönlichen Schreiben vom 05.06.2007 darüber informiert worden, dass der TV-Ärzte/VKA auf diese Personengruppe weder unmittelbar noch aufgrund einzelvertraglicher Verweisungsregelungen im jeweiligen Dienstvertrag zur Anwendung komme, sondern dass Letzterer mit Bezahlung nach der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD Genüge getan sei. In diesem Rundschreiben Nr. 00 vom 00.00.2006 sei an keiner Stelle von Chefärzten die Rede, vielmehr sei dort differenziert nach Ärzten, Fachärzten, Oberärzten und Leitenden Oberärzten. Chefärzte hätten aufgrund ihrer übergeordneten Position auch eine Vielzahl von verwaltungstechnischen und organisatorischen Aufgaben, die sie trotz ihrer ärztlichen Ausbildung fachlich in die Nähe der Führungskräfte im Verwaltungsbereich brächten, weshalb die Bezahlung des Klägers für seinen dienstlichen Aufgabenbereich nunmehr nach der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD angemessen und mit den dienstvertraglichen Regelungen kompatibel - die dynamische Verweisungsklausel des Dienstvertrages damit endgültig umgesetzt - sei. Trotz dieses Rundschreibens finde der TVöD-K auf mindestens eine Ärztin aufgrund deren gesonderter tariflicher Bindung im tariflichen Arbeitsverhältnis Anwendung. Nach Ansicht des Beklagten dürfe auch nicht außer acht gelassen werden, dass sich durch den TVöD-K und den TV-Ärzte/VKA die tarifliche Systematik für Ärzte vollkommen verändert habe, da für diese die Jahressonderzahlung bzw. die Weihnachtszuwendung abgeschafft und diese in das Tabellenentgelt mit eingerechnet worden seien. Dagegen erhalte der Kläger neben seiner Bezahlung aus der Entgeltgruppe 15 Ü weiterhin eine Jahressonderzahlung. Darüber hinaus sei für alle Ärzte im tariflichen Bereich die Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden erhöht worden. Der Kläger würde im Vergleich zu allen anderen Ärztinnen und Ärzten besser gestellt, wenn für ihn an die Stelle der Vergütungsgruppe I BAT einfach die Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA treten würde, ohne dass sich die insgesamt veränderte Tarifsystematik auf ihn auswirken würde. Die vorliegende Bezugnahme- bzw. Ersetzungsklausel würde hiernach nicht eine Gleichstellung, sondern eine unverhältnismäßige Besserstellung des Klägers bewirken. Dafür gäben weder der Dienstvertrag noch sonstige Umstände etwas her. Auch sei der Kläger gemäß den Eingruppierungsbestimmungen in § 16 Buchst. d TV-Ärzte/VKA keinesfalls als der ständige Vertreter des Leitenden Arztes anzusehen, da dies beim Kläger als Leitenden Arzt/Chefarzt bedeuten würde, dass er für sich selbst als ständige Vertretung bestellt wäre. Eine hypothetische Vertragsauslegung könne deshalb nicht stattfinden.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 25.04.2008, Az.: 4 Ca 2384/07, wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass der Beklagte sich zwar zutreffend darauf beziehe, dass der BAT zum 01.10.2005 - zunächst - durch den TVöD ersetzt worden sei, da ja der TV-Ärzte/VKA zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte führe jedoch nunmehr selbst aus, dass für das Gros der ärztlichen Mitarbeiter nunmehr der TV-Ärzte/VKA Anwendung finde. Das Arbeitsgericht habe die Überleitung auch in den TV-Ärzte/VKA unter Anwendung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf den Inhalt des Rundschreibens Nr. 00 des Beklagten vom 00.00.2006 überzeugend bejaht. Dieses Rundschreiben sei auch dem Kläger direkt und persönlich dergestalt zugesandt worden, dass sich dieses Anfang Januar (2007) auf dem Schreibtisch des nur vom Kläger genutzten Büros befunden habe und ausdrücklich an das "Sekretariat F." adressiert gewesen sei. Der Kläger sei wie die anderen ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher ebenfalls persönlich durch dieses Rundschreiben angesprochen gewesen. Dieses Rundschreiben sei nicht an den Kläger in seiner Funktion als Chefarzt, sondern auch an ihn persönlich gerichtet gewesen. Die Beklagte unterscheide dort auch nicht zwischen Assistenz-, Ober- und Chefärzten, wobei der Kläger sich aufgrund der in seinem Dienstvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel auf den damaligen BAT selbstverständlich auch als Arzt "im tariflichen Bereich" angesprochen fühlen habe dürfen. Dem Kläger selbst sei bislang nicht bekannt gewesen, dass er aufgrund seiner Funktion als Chefarzt immer auf besondere Art und Weise separat angesprochen worden sei. Die Darlegung des Beklagten, dass es mit der Überleitung des Klägers in die Entgeltgruppe 15 Ü TVöD sein Bewenden haben müsse, stehe deshalb in krassem Widerspruch zu den Ausführungen des Beklagten, dass der TV-Ärzte/VKA nunmehr das Gros seiner ärztlichen Mitarbeiter erfasse. Hierzu gehöre auch der Kläger. Im Zusammenhang mit der Anwendung letzteren Tarifvertrages sei es auch irrelevant, wenn aufgrund seines Dienstvertrages nunmehr dort geschuldete Vergütungskomponenten weiterbezahlt würden. Eine vom Beklagten behauptete Besserstellung des Klägers resultiere nicht aus seiner Überleitung in den TV-Ärzte/VKA, sondern allenfalls aus seinen besonderen dienstvertraglichen Bestimmungen. Der Kläger erfülle auch die Voraussetzungen einer Eingruppierung/Vergütung nach § 16 lit. d TV-Ärzte/VKA, da er als Chefarzt und Leitender Arzt im Sinne dieser Regelung damit auch mindestens die Voraussetzungen seines eigenen Vertreters erfülle.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 10.11.2008, vom 11.12.2008 und vom 14.01.2009, nebst der jeweils vorgelegten Anlagen - auch: Entscheidungsabdrucke aus anderen Rechtsstreitigkeiten usw. - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Das Berufungsgericht nimmt zunächst in vollem Umfang Bezug auf die im Ergebnis zutreffenden und inhaltlich ausführlich und überzeugend begründeten Erwägungen des Arbeitsgerichts (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und weist insbesondere im Hinblick auf die Berufungsangriffe ergänzend und teilweise zusammenfassend auf Folgendes hin.

1. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass sich ein Anspruch des Klägers auf die begehrte "Eingruppierung" - Entgeltzahlung - nach dem TV-Ärzte/VKA selbst im Falle beiderseitiger Tarifbindung (also auch Mitgliedschaft des Klägers in der tarifschließenden Gewerkschaft Marburger Bund: § 3 Abs. 1 TVG) nicht aus einer normativen Geltung dieses Tarifvertrages unmittelbar ergeben könnte:

Dieser Tarifvertrag findet nach seiner eigenen Regelung ausdrücklich keine Anwendung auf die Arbeitsverhältnisse von Chefärzten - wie den Kläger -, wenn (falls) deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart sind (§ 1 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA, ebenso: § 3 lit. i BAT; ähnlich: § 1 Abs. 2 lit. a TVöD/TV-L).

Dass hier, unabhängig von einem etwaigen AGB-Charakter dieses Arbeitsvertrages (?), wie der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hatte, angesichts der umfangreichen und differenzierten Vertragsregelungen etwa zum Liquidationsrecht des Klägers und der dieses flankierenden Nutzungsentgeltregelung (Abführungspflicht), der Nebentätigkeitsgenehmigung, seiner Abführungspflichten an einen, ärztlichen und nichtärztlichen, Pool, der Versorgungsbestimmungen usw. eine einzelvertragliche Vereinbarung der Arbeitsbedingungen vorliegt, hat bereits das Arbeitsgericht überzeugend ausgeführt - hieran kann auch kein Zweifel bestehen und wird von den Parteien ersichtlich nicht (mehr) anders gesehen.

Auch fehlen im TVÜ-Ärzte/VKA vom 13.09.2005 - unterstellt, dieser würde aufgrund Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers unmittelbar gelten: §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG - Überleitungsbestimmungen zumal hinsichtlich übertariflich/außertariflich eingestufter, "eingruppierter", Ärzte (solche müssen fehlen, da der Tarifvertrag denknotwendig nicht individualvertraglich atypisch geregelte spezifische Sonder- und Einzelfälle erfassen und kollektivrechtlich normativ abstrakt regeln könnte).

2. Die Anwendung der (Eingruppierungs-)Bestimmungen des TV-Ärzte/VKA ergibt sich jedoch aus der Auslegung - ergänzenden Vertragsauslegung - der arbeitsvertraglichen dynamischen Ersetzungsregelung in § 9 Abs. 1) letzter Satz des maßgeblichen aktuellen Arbeitsvertrages (Dienstvertrages) der Parteien (des Klägers mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten) vom 03.03.1997 i. V. m. im konkreten Fall hier insbesondere dem Inhalt des Rundschreibens Nr. 00 des Beklagten vom 00.00.2006, gerichtet an "alle ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter".

a) Die arbeitsvertragliche Regelung hinsichtlich einer Ersetzung der einzelvertraglich in Bezug genommenen Vergütungsregelung des BAT durch die "entsprechende Vergütungsgruppe" eines etwaigen künftig ersetzenden neuen Tarifvertrages ("unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen" - § 9 Abs. 1) letzter Satz des Dienstvertrages) enthält allerdings eine Regelungslücke, da es - was bei Vertragsschluss nicht antizipierbar sein konnte - nunmehr zwei Tarifverträge gibt, die beide potentiell ersetzenden Charakter hinsichtlich auch der Vergütungsregelung des BAT (dort Anlage 1a) haben können: Zum einen die Vergütungs-(und Überleitungs-)Bestimmungen des zeitlich zuerst, zum 01.10.2005, in Kraft getretenen (allgemeinen) TVöD und zum anderen diejenigen des zehn Monate danach in Kraft getretenen TV-Ärzte/VKA als erstmals arztspezifischen Spartentarifvertrages. Die Parteien haben bei Abschluss des (Änderungs-) Dienstvertrages im Jahr 1997 und damit hier mehr als acht Jahre vor Inkrafttreten des TVöD ersichtlich nicht daran gedacht und konnten auch kaum daran denken, dass der BAT im ärztlichen Bereich später vor allem durch erstmals artspezifische, nicht für den öffentlichen Dienst allgemein und dessen nunmehr sämtliche Beschäftigtengruppen geltende, (Sparten-)Tarifverträge ersetzt werden würde.

Die arbeitsvertragliche Ersetzungsregelung lässt sich auch nicht dahin auslegen, dass mit einmaliger Ersetzung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütungsgruppe -durch den TVöD als den zeitlich zuerst in Kraft getretenen Tarifvertrag - diese Ersetzungsoption abschließend ausgeschöpft - eine etwaige weitere Ersetzung durch einen nachfolgenden spezifischen (Ärzte-Sparten-)Tarifvertrag ausgeschlossen - ist/sein sollte.

Nach §§ 153, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. etwa BAG, U. v. 19.09.2007, 4 AZR 710/06, AP Nr. 54 zu § 133 BGB - Rz. 20, m. w. N. -).

Sinn und Zweck dieser arbeitsvertraglichen Ersetzungsregelung ist es hiernach (§§ 153, 157 BGB), die hier von vornherein nur einzelvertraglich für den Grundvergütungsbereich der Parteien vereinbarte BAT-Vergütungsgruppe durch eine dynamisch angelegte Art Tarifwechselklausel zu flexibilisieren und die Vergütungsregelung/-gruppe eines etwa künftig ersetzenden neuen Tarifvertrages bereits zum potentiellen Vertragsbestandteil zu machen. Dies ist hier von vornherein dynamisch und offen angelegt und kann nicht im Sinne einer etwa einmaligen Ersetzungsoption erschöpft gesehen/verstanden werden, wie der Beklagte meint, wenn er argumentiert, dass mit der -von ihm vorgenommenen - "Überleitung" des Klägers in den TVöD zum Zeitpunkt dessen Inkrafttretens, der ab da (01.10.2005) erfolgten Vergütungszahlung an den Kläger nach EG 15 Ü TVöD, die arbeitsvertragliche Ersetzungsoption abschließend ausgeschöpft gewesen sei und dies einer etwaigen weiteren Ersetzung durch den TV-Ärzte/VKA von vornherein entgegenstehe.

b) Damit liegt eine planwidrige Unvollständigkeit des Arbeitsvertrages vor. Aus diesem Grund muss der hypothetische Wille der Vertragsparteien ermittelt werden.

aa) Für die Ausfüllung der deshalb bestehenden Regelungslücke des Arbeitsvertrages der Parteien, die Ergänzung des Vertragsinhalts danach, wie die Vertragsparteien im Zusammenhang mit der Geltung eines gänzlich neuen, die Regelungen des BAT und dessen Vergütungsgruppensystem novierenden, Tarifvertrages die einzelvertraglich übertariflich erfolgte "Eingruppierung" des Klägers geregelt hätten, wie sie einen etwaigen Tarifwechsel zum TVöD und/oder, mit geringer zeitlicher Verschiebung, ggf. auch zum TV-Ärzte/VKA, bedacht/geregelt hätten, ist - wenn, wie vorliegend, unmittelbar geltendes dispositives Rechts zur Füllung der Lücke nicht zur Verfügung steht - darauf abzustellen, was die Parteien nach dem Vertragszweck als redliche Vertragspartner bei angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbart hätten, wenn sie im Falle eines Tarifwechsels - zum TVöD bzw. zum TV-Ärzte (hier: Fassung VKA) - den nicht geregelten Fall einer Weiterführung der außertariflichen Vergütung des Klägers bedacht hätten, anknüpfend an die Bestimmungen und Wertungen des vorliegenden Arbeitsvertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. etwa BGH, U. v. 03.11.1999, VIII ZR 269/98, NJW 2000, S. 323 f - II: 4. a der Gründe, m. w. N. -; BGH, U. v. 24.01.2008, III ZR 79/07, NJW-RR 2008, S. 562 f). Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet nach ständiger Rechtsprechung auch des BGH dann aus, wenn zur Ausfüllung einer vertraglichen Regelungslücke verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommen und kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien getroffen hätten (sh. auch die Urteile der Berufungskammer vom 23.10.2008, 4 Sa 580/08 - II. 4. der Entscheidungsgründe - , und vom 27.11.2008, 4 Sa 703/08 - II. 4. a der Entscheidungsgründe -).

bb) Im vorliegenden Fall, unter den besonderen konkreten Umständen, ist die Regelungslücke durch grundsätzliche Anwendung der Eingruppierungsbestimmungen in § 16 TV-Ärzte/VKA zu schließen. Hätten die Parteien bei Abschluss des Änderungsvertrages im Jahr 1997 die nunmehr vorliegende Situation eines - nach seiner eigenen Intention (§ 2 TVÜ-VKA) - den BAT ersetzenden neuen allgemeinen Tarifvertrages für sämtliche Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes (über den AngestelltenAnwendungsbereich des BAT hinaus) sowie den (nachfolgenden) Abschluss eines weiteren ärztespezifischen Spartentarifvertrages antizipiert, hätten sie auch zur Überzeugung der Berufungskammer in der arbeitsvertraglichen Ersetzungsklausel einzelvertraglich nahezu zwingend - allein - auf letzteren Bezug genommen.

Beim TV-Ärzte/VKA handelt es sich um den spezielleren, sachnäheren, Tarifvertrag. Der kurz davor abgeschlossene TVöD wurde zwar hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereiches grundsätzlich auch für den ärztlichen Bereich geschlossen (vgl. auch § 41 bis § 43 TVöD-BT-K) - allerdings: Bereits vor Abschluss des TVöD war die jahrzehntelang tradierte Tarifgemeinschaft von ver.di (ÖTV) und Marburger Bund als der ärztespezifischen Spartengewerkschaft mit - zumal im Krankenhausbereich und erst recht dort im ärztlichen Bereich - auch gerichtsbekannt durchschnittlich deutlich höherem Organisationsgrad als demjenigen der Gewerkschaft ver.di zerbrochen. Der TVöD gilt deshalb - ausgehend von der offensichtlich bestehenden Mitgliedschaft des Beklagten im in beiden Tarifbereichen tarifschließenden Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Bayern (von dessen Referenten der Beklagte im vorliegenden Verfahren vertreten wird) - unmittelbar und zwingend nur in den Arbeitsverhältnissen mit den wenigen/vereinzelten ver.di-Mitgliedern im ärztlichen Bereich (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG - hier räumt der Beklagte nahezu unverblümt ein, dass dies vorliegend wohl bei einer - einzigen - Ärztin von, undementiert, 639 in der Klinik des Beklagten beschäftigten Ärzten der Fall sei ... ; gerichtsbekannt sind in den öffentlichen Krankenhäusern häufig deutlich mehr als die Hälfte der - nicht nur - sog. nachgeordneten Ärzte Mitglieder des Marburger Bundes, während im nichtärztlichen Bereich regelmäßig nur ein marginaler bis homöopathischer Teil der dortigen Beschäftigten überhaupt Mitglied insbesondere der Gewerkschaft ver.di ist). Unmittelbar und zwingend gilt hiernach dagegen andererseits der TV-Ärzte/VKA für die Arbeitsverhältnisse der großen Zahl der in der hier tarifschließenden Spartengewerkschaft Marburger Bund organisierten Ärzte. Eben aus diesem Grund des dort ausdrücklich in Bezug genommenen "höheren Organisationsgrades im Marburger Bund bei allen Ärztinnen und Ärzten" (Hervorhebung dort im Original) wendet der Beklagte gemäß seinem Rundschreiben Nr. 00 vom 00.00.2006 auf diesen Personenkreis den TV-Ärzte/VKA an. Gerichtsbekannt gilt der TV-Ärzte/VKA auch generell in wohl allen im tarifschließenden Arbeitgeberverband KAV Bayern organisierten - und weitgehend bei den nichttarifgebundenen - Rechtsträgern von Krankenhäusern u. ä. -.

Es kann hiernach für die Berufungskammer keinem greifbaren Zweifel unterliegen, dass die (damaligen) Vertragsparteien bei Abschluss des Änderungs-/Dienstvertrages 1997 übereinstimmend gewollt hätten, dass für den Fall, dass künftig sowohl ein den BAT ablösender allgemeiner und unspezifischer Tarifvertrag für nunmehr alle Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes als auch, wenig später, zusätzlich ein ärztespezifischer Spartentarifvertrags existent wären, sie einzelvertraglich die Geltung letzteren spezifischen Spartentarifvertrages vereinbart hätten - nicht alternativ den unspezifischen und Besonderheiten des ärztlichen Tätigkeitsbereichs/-bildes naturgemäß weitgehend vernachlässigenden allgemeinen TVöD für alle - Angestellten- und Arbeiter- - Beschäftigtengruppen des öffentlichen Diensts in TVöD (so auch LAG Niedersachsen, U. v. 12.12.2008, 16 Sa 901/08 E - hier, wie vom Kläger vorgelegt, Bl. 285 f d. A.; ebenso: LAG Niedersachsen, U. v. 31.10.2008, 10 Sa 1016/08 (nv); siehe auch LAG Hamm, U. v. 22.01.2009, 16 Sa 1079/08 (nv); LAG Köln, U. v. 09.06.2008, 2 Sa 357/08 (nv)).

Bestätigt wird dieses Ergebnis ergänzender Vertragsauslegung im vorliegenden Fall zur Überzeugung der Berufungskammer endgültig durch die hier bestehende konkrete Besonderheit, dass der Beklagte in seinem Rundschreiben Nr. 00 vom 00.00.2006 "an alle ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" als ausdrücklichen Adressatenkreis mitgeteilt hat, dass er aufgrund des höheren Organisationsgrades im Marburger Bund auf alle (wohl 639 abzgl. 1) Ärztinnen und Ärzte die mit diesem abgeschlossenen, dort im einzelnen aufgelisteten, Tarifverträge - also insbesondere den TV-Ärzte/VKA - anwende und alle Ärztinnen und Ärzte vom TVöD-BT-K (erneut) in den TV-Ärzte/VKA übergeleitet würden. Hieran muss der Beklagte sich festhalten lassen.

Der Adressatenkreis dieses Rundschreibens Nr. 00 vom 00.00.2006 ist mit "alle Ärztinnen und Ärzte ..." (Hervorhebung eben im Rundschreiben selbst) auch eindeutig und umfasst damit den Kläger: "Alle" bedeutet "alle" und nicht "fast alle", wie dies im Ergebnis der Beklagte mit seiner Differenzierung/Herausnahme der Ärzte auf der Chefarztebene und andererseits der sog. nachgeordneten Ärzte als Adressatenkreis meinen will. Auch die Chefärzte sind primär Ärzte - die artifiziellen Überlegungen des Beklagten in der Berufungsbegründung, dass diese aufgrund ihrer Führungsaufgaben (als in der Regel Abteilungsleiter und Klinikdirektoren) sich "fachlich in der Nähe der Führungskräfte im Verwaltungsbereich" befänden, sind erkennbar ergebnisgeleitet und wenig überzeugend: Natürlich hat der Chefarzt - auch unterhalb der Funktion des ärztlichen Direktors - zusätzliche organisatorische und personelle Leitungsaufgaben zu erfüllen. Er ist jedoch nach wie vor und in erster Linie Arzt und gewöhnlich nicht leitender Verwaltungsangestellter mit ärztlichen Annex- und Hilfsfunktionen. Dies ergibt sich hier unschwer auch aus den umfangreichen vertraglichen Regelungen im Dienstvertrag der Parteien zur Stellung des Klägers als Chefarztes (§ 2), der Beschreibung seiner "Dienstaufgaben im Bereich der Krankenhaus-Behandlung" (§ 3) - samt der Durchführung der "Durchführung der Dienstaufgaben" (§ 6) - und seinen "Sonstigen Dienstaufgaben" (§ 4) sowie der Regelung zur "Mitwirkung im Personalangelegenheiten" (§ 7 jeweils des Dienstvertrages vom 03.03.1997). Der Beklagte versucht deshalb hier in kaum nachvollziehbarer Weise, den Chefarzt als eine Art "aliud" darzustellen, als Arzt, der im allgemeinen Informationskontext als solcher nicht gemeint sein könne.

Der Beklagte räumt auch selbst ein, dass das Rundschreiben Nr. 00 vom 00.00.2006 hier im Konvolut an das "Sekretariat F." geschickt worden sei und eines der in diesem Kuvert zur Weiterleitung befindlichen Rundschreibenexemplare sogar den Adressaufkleber: "Herr Chefarzt Prof. Dr. W., F." getragen habe. Wieso der Beklagte gleichzeitig annehmen will, dass es sich damit gleichwohl nicht um ein "persönliches Anschreiben" an den Kläger gehandelt habe, sondern lediglich eine Information des Klägers über die künftige Bezahlung seiner nachgeordneten Ärzte, ist für die Berufungskammer hieraus nicht nachvollziehbar. Auch in seiner, allerdings, herausgehobenen Funktion als Chefarzt konnte und musste auch der Kläger sich hiernach durch dieses, mehrfach und dezidiert, an alle Ärztinnen und Ärzte - und sogar zusätzlich in einem eigenen Anschreiben an ihn - gerichtete Rundschreiben und dessen Inhalt zwangsläufig als solcher Adressat angesprochen/betroffen sehen.

An dem Inhalt dieses somit auch den Kläger betreffenden Rundschreibens muss der Beklagte sich im Zusammenhang mit den Grundsätzen ergänzender Vertragsauslegung und der Lückenfüllung qua Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens festhalten lassen - weshalb seine arbeitsvertragliche Entgeltregelung samt deren tarifdynamischer Ersetzungsbestimmung sich ab Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA dem Grunde nach allein nach diesem Tarifvertrag bestimmen konnte und bestimmte.

3. Der "Höhe" nach, hinsichtlich der konkreten Entgeltgruppe des damit dynamisch verwiesenen TV-Ärzte/VKA, kann - wie das Arbeitsgericht ebenfalls überzeugend ausgeführt hat - hier allein die (höchste) Entgeltgruppe IV des § 16 lit. d TV-Ärzte/VKA in Frage kommen:

In der arbeitsvertraglichen (Grund)Vergütungsregelung war dezidiert, eindeutig und unmissverständlich, sowohl auf die höchste Vergütungsgruppe (der Anlage 1a) des BAT - für Ärzte und alle anderen nichtärztlichen Angestellten - als auch auf deren höchste Lebens-/Dienstaltersstufe abgestellt (Vergütungsgruppe 1, Stufe 12 BAT - "jeweilige Endstufe" -).

Wiederum nach obigen Grundsätzen ergänzender Vertragsauslegung kann dies in den TV-Ärzte/VKA allein so "übergeleitet" - ausgelegt - werden, dass auch hier allein die höchste Entgeltgruppe dieses Tarifvertrages denkbar sein kann. Alles andere wäre nicht zu begründen und unnachvollziehbar:

Der Beklagte hatte den Kläger zuvor im ersten Schritt konsequent in die höchste Entgeltgruppe des TVöD (15 Ü) mit dem Zeitpunkt dessen Inkrafttretens "übergeleitet". Bei der nach den Grundsätzen ergänzender Vertragsauslegung nach vorigen Ausführungen hier allein gebotenen (weiteren) Überleitung in den TV-Ärzte/VKA kann deshalb wiederum allein dessen - mit der Entgeltgruppe 15 Ü TVöD ebenfalls vergleichbare/kompatible (entsprechend Besoldungsgruppe A 16 der einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen) - höchste Entgeltgruppe IV in Frage kommen.

Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages und dessen, auf der Hand liegenden, Sinn und Zwecks sollte der Kläger - neben seinen sonstigen Vergütungsbestandteilen im Rahmen der vereinbarten Privatliquidation, der Nebentätigkeitsgenehmigung u. a. - als Grundvergütung einzelvertraglich dezidiert die absolut höchste Tarifvergütung erhalten -entsprechend gleichzeitig derjenigen des höchsteingruppierten Tarifangestellten und Arztes, nämlich des Leitenden Oberarztes (vgl. Fallgruppe 4 i. V. m. den Protokollnotizen 3 und 4 zur Vergütungsgruppe I des Vergütungsschemas des Allgemeinen Teils I der Anlage 1a zum BAT). Dem entspricht im Bereich des TV-Ärzte/VKA und dessen Eingruppierungshierarchie wiederum (allein) die Entgeltgruppe IV in § 16 lit. d dieses Tarifvertrages.

Die Argumentation des Beklagten hierzu läuft im Wesentlichen auf die eher schlichte Überlegung hinaus, dass der Kläger auch bei einer Vergütung nach EG II (oder EG III) TV-Ärzte/VKA genügend verdienen würde - zumal im Rahmen seines vertraglichen Vergütungs-Gesamtpakets -, er nicht die "sensationellen Erhöhungen" (so der Beklagte erstinstanzlich) des Entgelts v.a. in der obersten Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA beanspruchen könne (und dürfe) - was aber hier insoweit ein eher populistisches als rechtlich nachvollziehbares und schlüssiges Argument darstellt (nicht zu entscheiden ist bei den hier gestellten Anträgen, ob und ggf. inwieweit die arbeitsvertragliche Regelung der Parteien etwa einer Anwendung auch der sonstigen Regelungen des TV-Ärzte/VKA - der auf 40 Stunden verlängerten Wochenarbeitszeit, dem dort tarifrechtlich implizierten Wegfall der Sonderzuwendung etc. - entgegenstehen sollte ...). Der Kläger ist hier - anders als in Fällen von bei Oberärzten vereinbarter bewusst übertariflicher Vergütung - nicht etwa mit der vertraglich vereinbarten Vergütungsgruppe I BAT aufgrund einer individuellen Abstandssituation nur "zufällig" in der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe "eingruppiert" - deren Geltung vereinbart -, sondern er sollte als Chefarzt und Klinikleiter/Abteilungsleiter ersichtlich (§§ 133, 157 BGB - siehe die obigen Grundsätze zur Vertragsauslegung) (Grund-)Vergütung gerade nach der höchsten tariflichen Vergütungs-/Entgeltgruppe, derjenigen des Leitenden Oberarztes, erhalten - alles andere wäre unnachvollziehbar und wird in diesem Sinn auch vom Beklagten so nicht geltend gemacht.

Es ist deshalb zwanglos davon auszugehen/zu unterstellen, dass hier die Vereinbarung einer Vergütung dezidiert nach der höchsten Vergütungsgruppe des BAT als Grundvergütung des Chefarztes insoweit die Tarifvergütung des höchst eingruppierten Tarifangestellten unter den dem Kläger unterstellten Ärzten, nämlich dem Leitenden Oberarzt als seinem ständigen und ausdrücklich hierzu bestellten Vertreter, nicht unterschreiten, sondern dieser entsprechen sollte - was nur durch eine ersetzende Vergütungsregelung nach EG IV TV-Ärzte/VKA, in die eben - allein - diese herausgehobene Ärztegruppe (Leitende Oberärzte) eingruppiert ist, der Fall sein kann (siehe auch LAG Niedersachsen, U. v. 12.12.2008, aaO; ebenso LAG Niedersachsen, U. v. 31.10.2008, aaO).

Deshalb ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

III.

Der Beklagte hat damit die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Sachverhalts - insbesondere dem Rundschreiben Nr. 00 des Beklagten vom 00.00.2006, dessen Inhalt und dessen Bewertung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung - besteht auch keine Divergenz zum vorgelegten und vom Beklagten angezogenen Urteil des Hess. LAG vom 15.08.2008, 3 Sa 1798/07, Anl. B3, Bl. 214 f. d. A. -auch: ZTR 2009, S. 29 f -).

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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