Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 276/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
Antrag auf nachträgliche Klagezulassung - Darlegung der Einhaltung der Antragsfrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG), unverschuldetes Versäumen der Klagefrist und Glaubhaftmachung - Einzelfallentscheidung -
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

4 Ta 276/06

In Sachen

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger am 4. Oktober 2006 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten, Gerichtstag Memmingen, vom 22. Juni 2006 - 05 Ca 603/06 M - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.031,77 € festgesetzt.

Gründe:

1. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Die sofortige Beschwerde des Klägers mit Schriftsatz vom 12.07.2006, am selben Tag beim Arbeitsgericht Kempten eingegangen, gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 29.06.2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 22.06.2006 ist statthaft (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG) und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und damit zulässig.

b) Die sofortige Beschwerde des Klägers ist jedoch nicht begründet.

aa) Zum einen fehlt es an einer Glaubhaftmachung der Angaben des Klägers im Antragsschriftsatz/Klageschriftsatz vom 03.03.2006, da die dort aE (unter: "Anlagen") in Bezug genommene eidesstattliche Versicherung des Klägers zur Glaubhaftmachung seiner Angaben zum Antrag auf nachträgliche Klagezulassung entgegen der dortigen Ankündigung nicht nachgereicht wurden.

bb) Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Klagezulassung scheitert zum anderen wohl bereits an der nicht erkennbaren Einhaltung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG, was den Antrag unzulässig machen würde. Hiernach kann der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt werden.

Weggefallen ist das Hindernis zur Klageerhebung - mit der Folge des Beginns der Frist für den Zulassungsantrag -, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, also somit zu dem Zeitpunkt, zu dem die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den Wegfall des Hindernisses hätte erkennen können (so zur im wesentlichen gleichlautenden Regelung beim Wiedereinsetzungsrecht in § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO: zuletzt etwa BGH, B. v. 21.03.2006, VersR 2006, S. 1141 f - unter Nr. 9 -, m. w. N.; siehe auch Born, NJW 2005, S. 2042 f/2043, m. w. N.). Die Einhaltung der Antragsfrist hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. nur LAG Thüringen, B. v. 05.03.2001, LAGE Nr. 100 zu § 5 KSchG, m. w. N.).

Der Antragsteller/Kläger hätte somit innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem er zumindest erkennen hätte können, dass die behauptete Zusage der Betriebsübernahme durch den potentiellen Übernehmer W. bei Unterbleiben einer Kündigungsschutzklage nicht eingehalten würde, einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung stellen müssen. Der Kläger hat jedoch weder im Klageschriftsatz mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung noch im Beschwerdeschriftsatz auch nur ansatzweise ausgeführt, wann er erfahren habe bzw. ihm klar geworden sei, dass die in Aussicht gestellte Übernahme durch den in der Betriebsversammlung am 09.12.2005, wie vorgetragen, vorgestellten Investor nicht realisiert werde, sondern im Klage-/Antragsschriftsatz vom 03.03.2006 lediglich ausgeführt, dass "tatsächlich ... die Übernahme der Firma bislang nicht erfolgt" sei bzw., so der Beschwerdeschriftsatz, die Firma zum 01.04.2006 durch einen anderen Übernehmer weitergeführt werde/worden sei.

Die Einhaltung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist damit nicht dargelegt oder erkennbar, was den Zulassungsantrag bereits unzulässig machen müsste.

cc) Ungeachtet der Frage der Einhaltung der Antragsfrist ist der Antrag jedenfalls unbegründet, weil, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Kläger auch nicht trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang der schriftlichen Kündigung am 15.12.2005 zu erheben (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG).

Die vorgetragene Situation der zugesicherten/in Aussicht gestellten Firmenübernahme bei unterlassener Kündigungsschutzklage gegen die erst sodann, mit Schreiben des Beklagten/Antragsgegners vom 15.12.2005, erfolgte Kündigung ist vergleichbar der Fallgestaltung, dass nach ausgesprochener Kündigung Vergleichsverhandlungen aufgenommen werden. In diesem Fall darf sich der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres auf den Erfolg von Vergleichsverhandlungen verlassen; unterlässt der Arbeitnehmer im Vertrauen auf einen erfolgreichen Abschluss der Vergleichsverhandlungen die rechtzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage, handelt er auf eigenes Risiko, da es ihm unbenommen ist, Klage zu erheben, sie zustellen zu lassen und - wie in der erstinstanzlichen Praxis nicht selten - wegen schwebender außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen um vorläufiges Unterlassen einer Terminierung oder einen weiter hinausgeschobenen Gütetermin zu bitten (vgl. etwa KR-Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rzn. 24 und 66; siehe auch ErfKomm-Ascheid, 6. Aufl. 2006, § 5 KSchG Rz. 17, jeweils m. w. N.).

Ein Fall, dass der Beklagte - oder der in der Betriebsversammlung am 09.12.2005 vorgestellte Übernahmeinteressent/Investor - arglistig gehandelt, dem Kläger also vorgespiegelt habe, dass die Übernahme sicher erfolgen werden, mit der dolosen Absicht, ihn von der rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten, liegt - wie das Arbeitsgericht, auf dessen Ausführungen hierzu Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG entsprechend), überzeugend ausgeführt hat - nicht vor (welche Konstellation die instanzgerichtliche Rechtsprechung unter der Frage der unverschuldeten Versäumung der Klagefrist gemäß § 5 Abs. 1 KSchG behandelt). Der Kläger hat, wie der angefochtene Beschluss näher ausführt - und wozu sich die Beschwerde nicht äußert -, lediglich die Hoffnung auf eine Betriebsübernahme durch den vorgestellten Investor bei Nicht-Erheben einer Kündigungsschutzklage gehabt, ohne dass ihm konkret, auch persönlich, eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses versprochen wurde. Anhaltspunkte für ein arglistiges Handeln des Beklagten und/oder des vorgestellten potentiellen Betriebsübernehmers/Investors - also die Absicht, ihn über die tatsächlich fehlende Übernahmeabsicht mit dem Ziel zu täuschen, ihn von der rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten - sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar (vgl. auch LAG Köln, B. v. 19.04.2004, LAGE Nr. 108a zu § 5 KSchG; LAG Berlin, B. v. 17.12.2002, LAGE Nr. 1 zu § 139 ZPO (2002); LAG Köln, B. v. 26.11.1999, LAGE Nr. 97 zu § 5 KSchG; KR-Friedrich, aaO, Rz. 40; APS-Ascheid, 2. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rz. 21; ErfKomm-Ascheid, aaO; Fiebig/Gallner et al., KSchG, 2. Aufl. 2004, § 5 Rz. 53; KDZ-Zwanziger, KSchR, 6. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rz. 5, jeweils m. w. N.).

Damit ist die sofortige Beschwerde des Klägers zurückzuweisen.

2. a) Der Kläger hat damit die Kosten seiner erfolglosen sofortigen Beschwerde zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

b) Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde in Höhe einer Vierteljahresvergütung des Klägers festgesetzt (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG nF, ausgehend von den Angaben im Klageschriftsatz).

3. Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, da eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht statthaft wäre (vgl. BAG, B. v. 20.08.2002, AP Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

Dieser Beschluss ist damit unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück