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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 460/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 5
BGB § 613 a Abs. 6
1.) Die Frist für einen Widerspruch nach § 613 a Abs. 6 BGB beginnt erst nach ordnungsgemäßer Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB.

2.) Zur ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB gehört auch die korrekte Benennung des übernehmenden Unternehmers.

Irreführende Angaben zum übernehmenden Unternehmen machen die Unterrichtung fehlerhaft.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 460/05

Verkündet am: 14. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Wolff sowie die ehrenamtlichen Richter Bächer und Burggraf für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers vom 29.04.05 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.04.2005 - 11 Ca 20806/04 abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 01.08.2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen besteht.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis über den 31.07.2004 hinaus fortbestand.

Der Kläger war seit 01.06.1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Projekteur zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt € 4.100,-- beschäftigt. Mit Schreiben vom 23.07.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Bereich, in dem er beschäftigt war, mit Wirkung vom 01.08.2004 auf die H. GmbH übertragen werden sollte. Im Einzelnen heißt es in dem Schreiben:

"Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses - Betriebsübergang

Sehr geehrter Herr K.,

die M. GmbH, beabsichtigt, den verbleibenden Bereich Anlagen- und Systemtechnik der Standorte F., S. und M. auf die Fa. H. GmbH zu übertragen. Bei dieser Firma handelt es sich um ein mittelständisches Industrieunternehmen aus M.. Die H. GmbH fertigt unter anderem Niederspannungsschaltanlagen für den deutschen und internationalen Markt.

Die H. GmbH wird mit Wirkung vom 01.08.2004 die Kundenkontakte und den vollständigen Prozess zu Vertrieb, Projektierung und Service des gegenwärtigen Produktspektrums übernehmen. Alle Prozesse einschließlich deren Anlagevermögen werden übernommen und fortgeführt.

Unternehmerischer Grund der Entscheidung für die Übertragung auf die H. GmbH ist die erklärte Absicht, den verbleibenden Bereich Anlagen- und Systemtechnik bei M. einzustellen und auf Partner zu übertragen. Um Arbeitsplätze von M.-Mitarbeitern in den genannten Bereichen zu erhalten, wurden die Verhandlungen mit der H. GmbH aufgenommen, welche wir nunmehr für den verbleibenden Bereich Anlagen- und Systemtechnik der oben genannten Standorte erfolgreich abschließen konnten.

Von dem beschriebenen Betriebsübergang ist auch Ihr Arbeitsverhältnis betroffen. Ihr Arbeitsverhältnis geht infolge dessen kraft Gesetzes (§ 613a BGB) mit allen Rechten und Pflichten auf die H. GmbH über. Dies bedeutet insbesondere, dass Ihre bisherige Betriebszugehörigkeit bei der M. GmbH ab dem Übertragungsstichtag von der H. GmbH übernommen wird. Geplanter Übertragungsstichtag ist der 01.08.2004, 00.00 Uhr. Ihre vertraglichen Ansprüche werden in ihrem derzeitigen Bestand überführt.

Soweit Sie bisher bei der M. GmbH als Tarifmitarbeiter beschäftigt waren, werden die bisher für Sie geltenden Tarifverträge ab dem Übertragungsstichtag als Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages weiter gelten.

Betriebsvereinbarungen, die bei der M. GmbH bisher für die galten werden auch zukünftig für Sie weiter gelten. Dies trifft insbesondere auf die betriebliche Altersversorgung zu.

Was Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis anbelangt, so haftet die H. GmbH als Erwerberin für alle rückständigen und zukünftigen Ansprüche. Zusätzlich bleibt auch eine (beschränkte) Haftung der M. GmbH bestehen. Dies gilt für solche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die bereits vor dem Betriebsübergang am 01.08.2004 entstanden sind und die vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang fällig werden.

Den Standortbetriebsräten der M. GmbH steht für längstens sechs Monate ein Übergangsmandat zu.

Die H. GmbH plant aus Anlass des Betriebsübergangs keine für sie nachteiligen Maßnahmen wie Versetzung, Verlagerung des Arbeitsplatzes oder Kündigung des Arbeitsvertrages. Letztere wäre nach § 613a BGB ohnehin unwirksam. Das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen bleibt unberührt.

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Schreibens zu widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber der M. GmbH (Abt. D....) in schriftlicher Form erklärt werden.

Im Falle eines Widerspruchs würde das Arbeitsverhältnis mit der M. GmbH mangels Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedoch umgehend betriebsbedingt gekündigt werden.

Die M. GmbH dankt Ihnen für Ihre Tätigkeit. Die H. GmbH begrüßt Sie sehr herzlich. Wir hoffen auf eine Zustimmung Ihrerseits zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der H. GmbH und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

M. GmbH H. GmbH"

Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht, sondern erst mit Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom 22.09.2004.

Die in dem Schreiben der Beklagten vom 23.07.2004 erwähnte übernehmende Gesellschaft, die H. GmbH, war aus einer Vorratsgesellschaft, der C. GmbH hervorgegangen. Die Änderung der Firma, des Sitzes und des Gegenstands des Unternehmens war am 30.06.2004 von der alleinigen Gesellschafterin beschlossen, von einer Notarin beurkundet und am 05.07.2004 beim AG Oldenburg angemeldet worden. Wegen geplanter gesellschaftsrechtlicher Veränderungen wurde die Eintragung ins Handelsregister verzögert. Schließlich bat der Geschäftsführer der H. GmbH, Herr O., mit Schreiben vom 13.04.2005 um baldige Eintragung, die im Juli 2005 schließlich erfolgen sollte.

Der Kläger meint, die H. GmbH habe am 01.08.2004 noch nicht bestanden, die Information im Schreiben vom 23.07.2004 sei insofern falsch gewesen und auch im Übrigen teilweise unvollständig, so dass die Frist, innerhalb der der Kläger nach § 613 a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen konnte, nicht zu laufen begonnen hatte. Sein Widerspruch vom 22.09.2004 sei deshalb rechtzeitig erfolgt mit der Folge, dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf die H. GmbH übergangen sei, vielmehr zur Beklagten fortbestehe.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.08.2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen besteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Information vom 23.07.2004 sei vollständig und ordnungsgemäß gewesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auf die H. GmbH mangels rechtzeitigen Widerspruchs übergegangen.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 14.04.2005, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.04.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat in dieser Entscheidung die Klage abgewiesen und die Ansicht vertreten, die Unterrichtung des Klägers im Schreiben vom 23.07.2004 sei ordnungsgemäß gewesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 29.04.2005, die am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist und zu deren Begründung der Kläger fristgemäß vorgetragen hat, das Informationsschreiben vom 23.07.2004 sei unvollständig und enthalte unrichtige Informationen. So werde dort zwar darauf hingewiesen, dass die Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit behielten, es sei jedoch kein Hinweis, ob dies auf kollektiv- oder individualrechtlicher Basis erfolge. Die gesetzliche Bestimmung des § 513 a Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die in den Arbeitsvertrag übergehenden Regelungen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen einer einjährigen Veränderungssperre unterliegen, habe keine Erwähnung gefunden. Insbesondere sei in dem Informationsschreiben ein falsches Bild über das übernehmende Unternehmen, die Haase Solution GmbH, sowie über dessen Planung hinsichtlich der Betriebsfortführung wiedergegeben. Es fehle an der Anschrift des übernehmenden Unternehmens, an Angaben über die Größe und Beschäftigtenzahl. Teilweise seien die Angaben zudem falsch gewesen. So habe es nicht zugetroffen, dass es sich bei der H. GmbH um ein mittelständisches Industrieunternehmen aus M. handelt. Vielmehr sei das Unternehmen erst und ausschließlich zum Zwecke der Übernahme des Anlagengeschäfts der Beklagten gegründet worden. Wegen der weiteren vom Kläger vorgetragenen Mängel in dem Schreiben vom 23.07.2005 wird auf die Darstellung in der Berufungsbegründung vom 31.05.2005 verwiesen.

Der Kläger hat dann auch darauf hingewiesen, dass die Änderungen betreffend Firma, Sitz und Gesellschaftszweck der H. GmbH nach § 54 Abs. 3 GmbHG erst mit Eintragung ins Handelsregister wirksam worden. Die Information über die übernehmende Gesellschaft sei auch insofern unrichtig gewesen.

Der Kläger beantragt zu erkennen:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14.04.2005 - Gz.: 11 Ca 20806/04 - wird abgeändert:

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 01.008.2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen besteht.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt im Wesentlichen aus, das Schreiben vom 23.07.2004 habe den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Die H. GmbH habe im Juli 2004 bereits bestanden, nur die administrative Eintragung ins Handelsregister habe sich verzögert.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung vom 31.05.2005, einen weiteren Schriftsatz des Klägers vom 31.05.2005 und im Schriftsatz vom 03.08.2005 sowie auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 27.07.2005. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ging noch ein Schriftsatz der Beklagten vom 19.08.2005 ein.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt zu einer Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist begründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten besteht fort, da der Kläger mit Schreiben vom 22.09.2004 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die H. GmbH widersprochen hat.

1. Der Widerspruch war rechtzeitig, da die Unterrichtung der Beklagten vom 23.07.2004 über den geplanten Betriebsübergang den Beginn der Frist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht ausgelöst hat.

a) Die Unterrichtung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben in § 613 a Abs. 5 BGB.

Die Rechtsfolge der unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist gem. § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen beginnt (BAG vom 24.05.2005 - 8 AZR 398/04).

b) Nach allgemeiner Ansicht gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (BAG a.a.O. m.w.N.).

c) Die Beklagte hat den Kläger nicht vollständig und ordnungsgemäß über die erwerbende Gesellschaft unterrichtet.

Dabei geht die Kammer davon aus, dass bei der Unterrichtung auch der Übernehmer (korrekt) angegeben werden muss. Das versteht sich nahezu von selbst (vgl. Hauck, NZA 2004, Sonderbeilage zu Heft 18, Seite 23).

Die Beklagte hat die H. GmbH als die übernehmende Gesellschaft bezeichnet. Unter dieser Firma bestand zum damaligen Zeitpunkt (noch) keine Gesellschaft. Zwar hatte die Alleingesellschafterin am 30.06.2004 der Änderung der Firma beschlossen, diese war nach § 54 Abs. 3 GmbHG jedoch bis zu ihrer Eintragung im Handelsregister - frühestens im Juli 2005 - ohne rechtliche Wirkung geblieben. Die Eintragung wird insoweit konstitutiv (vgl. Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 54, Rn. 62).

Da die Information über die Identität des Übernehmers zur vollständigen Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB gehört, war die Information der Beklagten vom 23.07.2004 unvollständig und löste den Lauf der Frist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht aus.

d) Daneben ist die Information im Schreiben vom 23.07.2004 auch falsch und irreführend, was die weiteren Angaben zur H. GmbH betrifft.

Im ersten Absatz des Schreibens vom 23.07.2004 wird die H. GmbH als mittelständisches Unternehmen aus M. bezeichnet, das u.a. Niederspannungsschaltanlagen für den deutschen und internationalen Markt fertigt. Weder hatte die Gesellschaft damals ihren Sitz in M. noch fertigte sie Niederspannungsschaltanlagen für den deutschen und internationalen Markt. Es handelte sich vielmehr um eine Neugründung zum Zwecke der Übernahme eines Bereichs der Beklagten. Eine frühere Geschäftstätigkeit hatte es nicht gegeben. Mit der Formulierung "...fertigt u.a. Niederspannungsschaltanlagen für den deutschen und internationalen Markt" wird der Eindruck erweckt, diese Gesellschaft sei bereits aktiv am Markt tätig. Das war aber nicht der Fall.

Die Unterrichtung des Arbeitnehmers gem. § 613 a Abs. 5 BGB soll diesem eine Entscheidungsgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts geben. Auf der Grundlage der Informationen soll der Arbeitnehmer die Folgen des Betriebsübergangs für sich abschätzen können (vgl. LAG München vom 12.05.2005 - 2 Sa 1098/04). Diesen Zweck kann sie jedoch nur erfüllen, wenn sie ordnungsgemäß erfolgt.

Da die Information im Schreiben vom 23.07.2004 auch insoweit nicht ordnungsgemäß war, konnte sie auch aus diesem Gesichtspunkt den Lauf der Frist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht auslösen.

2. Ob die Unterrichtung vom 23.07.2004 noch weitere Mängel aufweist, wie der Kläger meint, kann bei dieser Sachelage unentschieden bleiben.

III.

Da die Beklagte im Rechtsstreit unterlegen ist, hatten sie dessen Kosten zu zahlen (§ 91 ZPO).

Ende der Entscheidung

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