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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 604/07
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
Anforderungen an die Darlegung der Notwendigkeit eines veränderten Anforderungsprofils, hier im Rahmen einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 604/07

Verkündet am: 16. Januar 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Zwack und Krause für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 11.05.2007, Az. 39 Ca 12660/06, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung vom 30.08.2006.

Die am 10.08.1951 geborene Klägerin trat am 06.11.1969 in die Dienste der S. AG ein. 1998 gliederte die S. AG Logistikdienstleistungen aus und übertrug diese auf die neu gegründete Beklagte (damaliger Firmenname: H. GmbH). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der S. AG ging mit Wirkung vom 01.09.1998 auf die Beklagte über. Die Klägerin schloss hierzu mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag vom 30.06.1998, der in § 1 unter anderem regelt, dass S.-Dienstzeiten angerechnet werden (Arbeitsvertrag vom 30.06.1998, Bl. 4 ff. d.A.).

Zur Übertragung der "Aktivitäten der Logistikdienste in München an allen Standorten" vereinbarte der Gesamtbetriebsrat der S. AG mit der S. AG unter dem 16.06.1998 "Überleitungsregeln" (Bl. 134 ff. d.A.). Nach Ziffer 15 behalten Mitarbeiter, die "aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S.-Richtlinien genießen", diesen weiterhin. Nach zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte gültigen S.Richtlinien durfte Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie, vgl. Ziffer 1 der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 34/93, Bl. 139 d.A.). Verwiesen wurde im Übrigen auch auf die tarifvertraglichen Bestimmungen, z.B. den MTV Bayern, wonach Lohnempfänger und Angestellte mit 55 Lebensjahren und 10 Dienstjahren bzw. 50 Lebensjahren und 15 Dienstjahren nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können (vgl. Ziffer 4 der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 34/93).

Die Klägerin war bei der Beklagten zuletzt in der Warenannahme gegen eine Vergütung von € 1.200,25 netto pro Monat beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.08.2006 sprach die Beklagte der Klägerin "aus betriebsbedingten Gründen" eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis 31.08.2007 aus (Bl. 3 d.A.).

Die Klägerin hat bestritten, dass das Bedürfnis für ihre Weiterbeschäftigung entfallen sei. Allein der Umstand, dass die S. AG mitgeteilt habe, dass zu einem noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt die Mitarbeiterzahlen sich bei der S. AG reduzieren würden, führe nicht zwangsläufig zur einem Wegfall der Aufträge bzw. zur Reduzierung des Auftragsvolumens. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, zukünftig nur noch Mitarbeiter mit Führerschein einsetzen zu können, sei dies unsachlich, willkürlich und unvernünftig. In der Warenannahme sei kein Führerschein erforderlich und Fahrer könnten diese Tätigkeiten nicht ohne weiteres übernehmen (zum Vortrag der Klägerin in erster Instanz wird insbesondere auf ihre Schriftsätze vom 15.12.2006, Bl. 43 ff. d.A., und 13.04.2007, Bl. 168 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.08.2006 nicht aufgelöst wird.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31.08.2007 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen jedoch am Standort O. fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt sei. Sie erziele ihre Umsätze zu 95 % mit Aufträgen der Fa. S.. Die Mitarbeiterzahl der Fa. S. werde sich durch die Ausgliederung der Sparte "COM" an den Standorten P., H., M. und W. um 42,6 % reduzieren. Mit Schreiben vom 11.08.2006 (vorgelegt als Anlage B3, Bl. 40 f. d.A.) habe die S. AG angekündigt, ab 01.12.2006 die für Logistikdienstleistungen an die Beklagte bezahlte monatliche Pauschale um eben diesen Prozentsatz zu reduzieren. Da Einsparpotentiale erschöpft seien, sei angesichts des drastischen Auftrags- und Umsatzrückgangs um 42,6 % ein Personalabbau unumgänglich. Von insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeitern bestehe für die Beschäftigung von mindestens 17 künftig kein Bedarf mehr. Angesichts des geringeren Personalbestandes sei man auch zu dem Entschluss gekommen, dass künftig jeder Mitarbeiter in der Lage sein müsse, Ware auch mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Demzufolge sei für eine weitere Tätigkeit der Besitz einer Fahrerlaubnis zwingend erforderlich. Außer 3 schwerbehinderten Mitarbeitern habe sie deshalb allen Mitarbeitern ohne Fahrerlaubnis - so auch der Klägerin - gekündigt. Die Gestaltung des Anforderungsprofils - nämlich dass jeder Mitarbeiter in der Lage sein müsse, Ware mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern - beruhe auf einer organisatorischen Unternehmerentscheidung und sei von den Gerichten nicht auf ihrer Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Für die von der Klägerin geschilderte isolierte Tätigkeit - das Vergleichen des Lieferscheins und des Empfängerscheins mit den Barcodes auf dem Karton - bestehe angesichts des Auftrags- und Umsatzrückgangs künftig kein Bedarf mehr. Vielmehr würden künftig die die Warenannahme betreffenden Tätigkeiten "aus einer Hand" wahrgenommen (zu den weiteren erstinstanzlichen Ausführungen der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 10.11.2006, Bl. 25 ff. d.A., und 13.03.2007, Bl. 148 ff. d.A., Bezug genommen).

Mit Urteil vom 11.05.2007 hat das Arbeitsgericht München dem Kündigungsschutzantrag statt gegeben und den allgemeinen Feststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Ein betriebsbedingter außerordentlicher Kündigungsgrund gemäß den S.-Richtlinien liege nicht vor. Die Beklagte habe darüber hinaus auch nicht darlegen können, dass der Arbeitsplatz der Klägerin überhaupt weggefallen sei. Es sei schon nicht nachvollziehbar dargestellt worden, dass die Verringerung der Mitarbeiterzahlen bei der Fa. S. im gleichen Umfang zu einer Reduktion der Aufträge bei der Beklagten führe. Die Entscheidung, allen Personen, die keine Fahrerlaubnis besitzen, zu kündigen, sei nicht durch ein entsprechendes Organisationskonzept belegt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, wie sie beabsichtige, zukünftig ihre Aufgaben zu organisieren und die Arbeit an die Fahrer zu verteilen. Es bleibe offen, ob es nicht noch Arbeitsplätze gebe, für die keine Fahrerlaubnis erforderlich sei (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil vom 11.05.2007, Bl. 181 ff. d.A., Bezug genommen).

Gegen das der Beklagten am 25.06.2007 zugestellte Urteil wendet sie sich mit am 29.06.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangener Berufung, die innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden ist.

Die Regelungen der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 34/93 bei der S. AG könnten nicht mehr praktiziert werden, weil kein Betriebsrat bestehe. Damit kämen die allgemeinen Grundsätze für die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung zur Anwendung. Es sei belegt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den bei der S. AG beschäftigten Mitarbeitern und dem Auftragsvolumen bestehe. Dementsprechend habe die S. AG mit Schreiben vom 11.08.2006 angekündigt, die von ihr gezahlte Pauschale mit Wirkung am 01.12.2006 um 42,6 % zu kürzen. Es komme auch nicht darauf an, um wie viel Prozent die Pauschale tatsächlich gekürzt worden sei, denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung sei der Zugang der Kündigungserklärung, wobei eine Prognose für die Zeit nach dem Entlassungstermin anzustellen sei. Zum Organisationskonzept habe sie dargelegt, dass sie angesichts der Tatsache, dass sie ihren Geschäftsbetrieb künftig mit einem geringeren Personalbestand führen müsse und eine Vielzahl von Außenstellen der S. AG zu betreuen habe zu dem Entschluss gekommen sei, dass künftig jeder Mitarbeiter in der Lage sein müsse, Ware auch mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Damit habe sie die organisatorische Unternehmerentscheidung getroffen, künftig nurmehr gewerbliche Mitarbeiter, die über eine gültige Fahrerlaubnis verfügten, zu beschäftigen. Diese von den Gerichten nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfbare organisatorische Unternehmerentscheidung sei nicht zu beanstanden. Sie habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass bei ihr auf der Ebene der gewerblichen Mitarbeiter bereits in den Monaten Dezember 2006 und Januar 2007 ein Mitarbeiterüberhang von etwa 13 Mitarbeitern bestanden habe - und zwar ohne, dass es infolge der Verschiebung des Joint Ventures zwischen der S. AG und der Fa. N. bis dahin zu dem prognostizierten drastischen Auftragsrückgang um 42,6 % gekommen sei. Da sie insgesamt 17 gewerbliche Mitarbeiter gekündigt habe, sei offenkundig, dass künftig etwaige Fehlzeiten infolge Urlaub oder Krankheit ohne weiteres durch die verbliebenen Arbeitnehmer aufgefangen werden könnten. Das Organisationskonzept beruhe darauf, dass künftig die die Warenannahme betreffenden Tätigkeiten "aus einer Hand" wahrgenommen würden. Eine Tätigkeit in der Transportstelle setze künftig zwingend den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis voraus, nachdem künftig sämtliche im Zusammenhang mit der Warenauslieferung stehenden Tätigkeiten von den Fahrern der Beklagten wahrgenommen würden (zur Begründung der Berufung im Übrigen wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 24.09.2007, Bl. 241 ff. d.A., und diesen ergänzenden Schriftsatz vom 11.12.2007, Bl. 332 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 11.05.2007, Az. 39 Ca 12660/06, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11.05.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin führt aus, ihr Arbeitsplatz sei mitnichten weggefallen. An der Organisation und am Ablauf der Arbeit habe sich, abgesehen von der Tatsache, dass inzwischen die Tätigkeiten durch jüngere Mitarbeiter bzw. durch Leiharbeitnehmer ausgeführt würden, nichts geändert. Die Waren würden nach wie vor geliefert, in der Warenannahme erfasst, der Barcode angebracht, der Empfänger ermittelt und die Kartons für die Empfänger zusammengestellt. Warum hierfür dringend der Führerschein erforderlich sei, habe die Beklagte immer noch nicht überzeugend vorgetragen. Aus dem Schreiben der S. AG vom 11.08.2006 gehe keine endgültige Absichtserklärung hervor, die dann in der Folge die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin entfallen lasse (zum weiteren Vortrag der Klägerin im Rahmen der Berufungserwiderung wird auf ihren Schriftsatz vom 27.11.2007, Bl. 275 ff. d.A., Bezug genommen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist aber unbegründet. Ausgehend davon, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nur außerordentlich gekündigt werden kann - was zwischen den Parteien unstreitig ist - hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass die Beklagte einen wichtigen Grund, der ausnahmsweise eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sozialer Auslauffrist rechtfertigt, nicht vorgetragen hat.

1. Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ist gegenüber ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmern allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Sie kommt in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, dass wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmern notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiter beschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist. Unzumutbar wäre etwa die Fortsetzung eines sinnentleerten Arbeitsverhältnisses über Jahre bei gleichzeitiger Fortzahlung der Vergütung.

Selbstverständlich stellt aber nicht jeder betriebsbedingter Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG im Falle des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung auch einen wichtigen Grund dar. Eine die ordentliche Kündigung ersetzende außerordentliche Kündigung kommt auch bei Einhaltung einer sozialen Auslauffrist nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es geht im Wesentlichen darum, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber nichts Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürden darf. In erheblich weiterem Umfang als bei einer ordentlichen Kündigung ist es dem Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist zumutbar, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Hierzu muss der Arbeitgeber mit allen zumutbaren Mitteln eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses versuchen. Besteht noch irgendeine Alternative, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, ist es dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar, diese andere Möglichkeit zu wählen. Erst wenn alle Lösungsversuche gescheitert sind, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlicher Kündigung mit Auslauffrist vorliegen (vgl. zu den vom BAG zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist bei ordentlicher Unkündbarkeit entwickelten Grundsätzen, Urteil vom 10.05.2007 - 2 AZR 626/05; vom 24.06.2004 - 2 AZR 215/03; vom 08.04.2003 - 2 AZR 355/02; vom 05.02.1998 - 2 AZR 227/97).

2. Die Darlegungen der Beklagten lassen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin erkennen.

Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Beklagte tatsächlich Personal abbauen musste und ob sie die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, dass alle ihre gewerblichen Beschäftigten über eine Fahrerlaubnis verfügen müssen. Auch wenn ein Personalabbau notwendig ist und selbst wenn eine solche Entscheidung vorliegt, ist nicht nachvollziehbar, warum es der Beklagten unzumutbar sein sollte, die Klägerin auch ohne Fahrerlaubnis weiter zu beschäftigen.

Die Klägerin war zuletzt in der Warenannahme mit dem Vergleich des Liefer- und des Empfängerscheins mit den Barcodes auf den Kartons beschäftigt. Es mag ja sein, dass für eine "derart isolierte Tätigkeit" künftig kein Bedarf mehr besteht und künftig die die Warenannahme betreffenden Tätigkeiten "aus einer Hand" wahrgenommen werden sollen (so wiederholt die Beklagte, vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz vom 24.09.2007, dort Seite 7). Warum ein Arbeitnehmer, der in der Warenannahme tätig ist und die dort anfallenden Tätigkeiten "aus einer Hand" wahrnehmen soll, über eine Fahrerlaubnis verfügen muss, ist dennoch nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat die "Warenannahme" offensichtlich nach wie vor organisatorisch von der "Transportstelle" getrennt (vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz vom 24.09.2007, Seite 7 und 8). Dass eine "Tätigkeit in der Transportstelle ... künftig zwingend den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis vor-aussetzt" (a.a.O.), lässt ja noch einen logischen Zusammenhang erkennen. Warum das aber auch in der Warenannahme der Fall sein soll, wird von der Beklagten weder erläutert und lässt sich erst recht nicht aus allgemeinem Erfahrungswissen erschließen.

Auch wenn die Beklagte im Ausgangspunkt argumentiert, dass sie Personal abbauen müsse, versucht sie mit der unternehmerischen Entscheidung, zukünftig Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis nicht mehr zu beschäftigen, einen durch Kündigung im Rahmen des Personalabbaus in jedem Fall betroffenen Personenkreis zu isolieren. Die Organisationsentscheidung rückt damit nahe an den Kündigungsentschluss gegenüber bestimmten Mitarbeitern heran. In einem solchen Fall ist im Einzelnen darzulegen, warum das Beschäftigungsbedürfnis für Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis tatsächlich entfallen sein soll. Eine behauptete organisatorische Entscheidung hinge andernfalls ohne Bezug zum konkreten Arbeitsplatz in der Luft.

Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers sind insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Sonst hätte der Arbeitgeber die naheliegende Möglichkeit, unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung eine missbräuchliche Umgehung des Kündigungsschutzes des betreffenden Arbeitnehmer dadurch zu erzielen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Vorbildung des betreffenden Arbeitsplatzinhabers verschärft. Der Arbeitgeber hat insoweit darzulegen, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine "wünschenswerte Voraussetzung", sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine Stellenprofilierung handelt (BAG vom 07.07.2005 - 2 AZR 399/04, NZA 2006, Seite 266).

Stehen diese Überlegungen bereits einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung entgegen, gilt dies erst recht für eine außerordentliche Kündigung der ordentlich nicht kündbaren Klägerin.

Die Berufungskammer kann nicht erkennen, warum es der Beklagten nicht zumutbar sein soll, die Klägerin weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hat nicht ansatzweise konkret bezogen auf die Anforderungen in der Warenannahme, erst recht nicht konkret bezogen auf die Klägerin, begründet, warum sie ohne Fahrerlaubnis nicht mehr einsetzbar sein soll.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, § 72 Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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