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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 689/07
Rechtsgebiete: ERA-TV, MTV, KSchG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ERA-TV § 2 Abs. 2
MTV § 12 Ziff. 5 Abs. 3
BGB § 313
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 2
BGB § 313
ArbGG § 64 Abs. 2
Änderungskündigung mit dem Ziel den bislang außertariflich vergüteten Arbeitnehmer nach den Bedingungen eines im Betrieb neu anwendbaren Tarifvertrages (hier: ERA-Tarifvertrag) zu behandeln.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 689/07

Verkündet am: 30. Januar 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Wanhöfer sowie die ehrenamtlichen Richter Zwack und Krause für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.05.2007, Az. 34 Ca 185/07, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht seit dem 15.07.1981. Nach § 1 des Anstellungsvertrages vom 27.05./03.07.1987 (Bl. 8 ff. d.A.) wurde der Kläger "mit Wirkung vom 01.07.1987 im außertariflichen Anstellungsverhältnis" weiterbeschäftigt (zu den vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen wird auf den "Anstellungsvertrag" vom 27.05./03.07.1987 Bezug genommen).

Die Wochenarbeitszeit des Klägers betrug zuletzt 39 Wochenstunden mit einer Bruttomonatsvergütung von € 5.821,00 sowie einer jährlichen Zusatzleistung von € 9.817,00, zahlbar mit dem Juligehalt.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und Mitglied des Arbeitgeberverbandes "Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e.V." (BayME).

BayME und IG Metall haben am 01.11.2005 den sog. ERA-Einführungstarifvertrag vom 01.11.2005 für die bayerische Metall- und Elektroindustrie abgeschlossen. Nach dessen § 2 sollten die Betriebsparteien in der Zeit vom 01.11.2005 bis 30.09.2006 die sachlichen Voraussetzungen für die betriebliche Einführung des Entgeltrahmentarifvertrages vom 01.11.2005 für die bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV) schaffen, um ihn danach bis 30.09.2009 stichtagsbezogen einführen zu können.

Nach § 2 Abs. 2 ERA-TV erfolgt die Eingruppierung der Arbeitnehmer "aufgrund der gesamten übertragenen Arbeitsaufgaben", wobei zur Bewertung der Arbeitsaufgabe eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen vorzunehmen sei. Nach § 2 Ziff. 4 Abs. I Satz 1 bieten die tariflichen Orientierungsbeispiele im Anhang zum Tarifvertrag Anhaltspunkte für die Eingruppierung.

Die Beklagte traf im Jahre 2006 die unternehmerische Entscheidung, in ihrem Betrieb den ERA-TV zum 01.01.2007 einzuführen. Sie schloss mit ihrem Betriebsrat am 12.10.2006 eine entsprechende "Rahmen-Betriebsvereinbarung über die Einführung der Tarifverträge zum Entgelt-Rahmenabkommen (ERA)". § 8 der Betriebsvereinbarung sieht vor, dass die Betriebsparteien alle Vorbereitungen treffen, um eine Umstellung der Entgelte zum 01.01.2007 zu ermöglichen.

Nach § 1 Ziffer 3 Abs. II lit. d des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie - Stand: 01.07.2002 - (MTV-Angestellte) gelten nicht als Angestellte im Sinne dieses Tarifvertrages "sonstige Angestellte, deren Gehalt auf außertariflicher Grundlage über den Rahmen des höchsten Tarifsatzes der Gruppe VII um 25 v. Hd. hinaus geregelt ist".

Nachdem zwischen den Parteien über eine von der Beklagten beabsichtigte Eingliederung des Klägers in den ERA-TV keine Verständigung zustande kam, hörte die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2006 den Betriebsrat zu einer Änderungskündigung gegenüber dem Kläger an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 22.12.2006 (Bl. 23 d.A.). Mit Datum vom 22.12.2006 sprach die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung zum 31.07.2007 aus (Bl. 12 d.A.) und bot ihm einen Arbeitsvertrag als Tarifangestellter an (Bl. 14 ff. d.A.). Das Angebot sieht unter anderem folgende Regelungen vor (zum Vertragsinhalt im Übrigen wird auf Bl. 14 ff. d.A. Bezug genommen):

"§ 2 Entgelt

Das Bruttoentgelt beträgt € 5.401,00

Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen Tarifentgelt der Entgeltgruppe 10 € 4.120,00

Tarifliche Leistungszulage (14 %) € 577,00

Übertarifliche Zulage € 704,00

Das Bruttogehalt basiert auf einer Arbeitszeit von wöchentlich 35 Stunden.

Die übertarifliche Zulage stellt eine freiwillige Leistung dar und wird dem Mitarbeiter bis 31.01.2009 zugesichert.

...

§ 3 Kündigungsfristen

Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

§ 5 Urlaub

Der Umfang des jährlichen Urlaubsanspruchs richtet sich nach den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Bestimmungen. Die zeitliche Festlegung muss im Einvernehmen mit der Firma erfolgen."

Zusätzlich zum "Arbeitsvertrag Tarifangestellter" enthielt das Angebot der Beklagten die "Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 22.12.2006" (Bl. 17 d.A.) und die "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 22.12.2006" (Bl. 18 d.A.). Letztere enthält in den §§ 1 und 2 folgende Regelungen:

§ 1 Arbeitszeit

Herr U.

wird mit Wirkung vom 01.08.2007 befristet bis 31.01.2009 39 Stunden pro Woche beschäftigt.

§ 2 Vergütung

Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beträgt das derzeitige Entgelt € 5.401,00

Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beträgt das derzeitige Entgelt € 6.018,00

Mit Schreiben vom 29.12.2006 nahm der Kläger die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob mit Schriftsatz seines Anwalts ebenfalls vom 29.12.2006 Klage (eingegangen beim Arbeitsgericht München am 04.01.2007).

Der Kläger hat geltend gemacht, die Änderungskündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, denn der neue Arbeitsvertrag sehe eine Schlechterstellung bei der Bezahlung sowie bei der lediglich bis 31.01.2009 vorgesehenen Befristung auf 39 Wochenstunden vor. Hinzu kämen Einbußen bei der betrieblichen Altersversorgung sowie die Schlechterstellung beim Kündigungsschutz, bei der Entgeltfortzahlung sowie beim Urlaubsanspruch. Hierfür bestehe keine betriebliche Notwendigkeit.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderungskündigung vom 22.12.2006 unwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist am 31.07.2007 zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, im Betrieb den ERA-TV zum 01.01.2007 einzuführen, liege ein betriebsbedingter Grund vor. Gemäß § 2 Ziffer 2 dieses Tarifvertrages erfolge eine Eingruppierung aufgrund der Anforderungen der übertragenen Arbeitsaufgabe. Die Stellen im Betrieb der Beklagten hätten daher neu bewertet und den Entgeltgruppen des ERA-TV zugeordnet werden müssen. Die Stelle des Klägers sei hiernach in Entgeltgruppe 12 einzugruppieren und nicht mehr übertariflich zu bewerten. Im Vergütungsbereich liege lediglich eine geringfügige Abweichung durch den neuen Arbeitsvertrag vor. Bei der betrieblichen Altersversorgung gebe es keine Einbußen. Der besondere Kündigungsschutz sei in § 12 Ziffer 5 Abs. 3 des MTV-Angestellte geregelt und bedürfe deshalb keiner besonderen Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Ebenso sei die Entgeltfortzahlung nunmehr tarifvertraglich geregelt. Im Übrigen sei eine Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB erforderlich.

Zum erstinstanzlichen Vortrag der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 16.05.2007 hat das Arbeitsgericht München der Klage stattgegeben. Die Änderungskündigung sei unwirksam, weil die geänderten Bedingungen des Arbeitsvertrages nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG seien. Für den Kläger bedeute die von der Beklagten angestrebte Änderung eine Reduzierung im Entgeltbereich, sowie eine Verschlechterung bei der Arbeitszeit und den Kündigungsfristen. Die Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts für eine Reduzierung des Entgelts durch Änderungskündigung seien nicht gegeben. Da es individualrechtlich möglich sei, außertarifliche Vertragsbedingungen mit einer Besserstellung gegenüber dem Tarifvertrag zu vereinbaren, sei die Einführung eines Tarifgefüges kein betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer irrtümlichen Eingruppierung könne nicht herangezogen werden, da die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Für eine Anwendung des § 313 BGB sei kein Raum, denn die Notwendigkeit einen Arbeitsvertrag an geänderte Bedingungen anzupassen sei an den Maßstäben des KSchG zu prüfen (zur Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf das Urteil vom 16.05.2007, Bl. 93 ff., Bezug genommen).

Mit Berufungsschriftsatz vom 25.09.2007 hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass die Änderungskündigung vom 22.12.2006 wirksam sei. Zwar treffe es zu, dass der Kläger über den 31.07.2007 hinaus mit gleich bleibenden Arbeitsaufgaben beschäftigt werde und sich der Arbeitsinhalt nicht verändert habe. Sie habe aber die unternehmerische Entscheidung getroffen, in ihrem Betrieb den ERA-TV einzuführen. Selbst der Kläger räume ein, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit den Anforderungen gemäß der Entgeltgruppe 12 des ERA-TV entspreche, während sie in den höheren Gehaltsgruppen des bisherigen Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages so nicht abgebildet gewesen sei. Die Neubewertung der Stellen und Zuordnung zu Entgeltgruppen habe zur Folge, dass die Stelle des Klägers der Entgeltgruppe 12 des ERA-TV, d.h. der höchsten Entgeltgruppe, zuzuordnen und damit nicht mehr übertariflich einzugruppieren sei. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts entfalle das Bedürfnis, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.03.1991 (2 AZR 582/90) müsse ein Arbeitgeber, der alle seine Arbeitnehmer grundsätzlich nach Tarif bezahle, eine Möglichkeit haben, eine unbewußt und zu Unrecht erfolgte Höhergruppierung auf das tarifgerechte Maß zurückzuführen. Das müsse erst recht hier gelten, da sie ihre Arbeitnehmer grundsätzlich nach den Tarifverträgen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie entlohne und ihr bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 27.05./03.07.1987 der ERA-TV noch gar nicht bekannt gewesen sein könne und insoweit die Beschäftigung in einem außertariflichen Arbeitsverhältnis mit übertariflicher Vergütung unbewußt und zu Unrecht erfolgt sei. Auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.06.2005 (2 AZR 642/04) stelle darauf ab, dass sich das Erfordernis für eine Änderungskündigung aus einem geänderten Anforderungsprofil ergeben könne. Der ERA-TV berücksichtige die veränderte Arbeitswelt mit neuen Aufgaben und Prozessen. Zu Unrecht ziehe das Arbeitsgericht die Grundsätze zur Änderungskündigung zur Entgeltminderung heran. Um eine solche Änderungskündigung handle es sich hier gar nicht. Der dem Kläger unterbreitete Arbeitsvertrag vom 22.12.2006 entspreche im Übrigen den für Tarifangestellte verwendeten Standardarbeitsverträgen und man habe diesen aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch dem Kläger angeboten. Deshalb seien auch die weiteren geänderten Bedingungen sachlich durch die Einführung des ERA-TV begründet, zumal der Kläger durch das neue Arbeitsvertragsangebot im Wesentlichen nicht schlechter gestellt werde. Die Änderungskündigung sei das mildeste Mittel, dem zum 01.01.2007 eingeführten ERA-TV Rechnung zu tragen; anderenfalls bliebe nur der Weg, sich vom Kläger zu trennen und die Stelle mit einem tariflichen Mitarbeiter zu besetzen. Die Geschäftsgrundlage sei gestört, weil eine schwerwiegende Änderung der Umstände ohne Zutun der Parteien vorliege. Ihr könne ein Festhalten an dem außertariflichen Arbeitsvertrag nicht zugemutet werden, weil 2 Kollegen des Klägers die gleiche Tätigkeit ausübten und mit einem tariflichen Arbeitsvertrag in die Entgeltgruppe 12 eingruppiert worden seien. Sie könne sich schließlich auch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Die Lohnungerechtigkeit habe sie selbst nicht herbeigeführt. Wie bei einem Betriebsübergang, der zu einer unterschiedlichen Lohnstruktur führe, sei der Weg einer Änderungskündigung zur Herbeiführung der Lohngerechtigkeit eröffnet (zur Berufungsbegründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.09.2007, Bl. 134 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Beklagte stellt den Antrag:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.05.2007, Az. 34 Ca 185/07, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts München (zur Argumentation des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seinen Berufungserwiderungsschriftsatz vom 09.10.2007, Bl. 144 f. d.A., Bezug genommen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Änderungskündigung vom 22.12.2006 unwirksam, weil sozial ungerechtfertigt ist, §§ 1, 2 KSchG. Der Kläger ist deshalb zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billiger Weise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (ständige Rechtssprechung des BAG, vgl. Urteil vom 23.06.2005 - 2 AZR 642/05, NZA 2006, Seite 92).

2. Um eine inhaltliche Veränderung der vom Kläger arbeitsvertraglich zu erbringenden Arbeitsleistung - etwa im Zuge einer Umstrukturierung oder einer Veränderung des Anforderungsprofils des Arbeitsplatzes - geht es bei der Änderungskündigung vom 22.12.2006 nicht. Auch in der Berufungsbegründung bestätigt die Beklagte noch einmal, dass der Kläger mit gleichbleibenden Arbeitsaufgaben beschäftigt wird und sich der Arbeitsinhalt nicht verändert hat. Das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Bedingungen ist also nicht entfallen.

Mit einem veränderten Anforderungsprofil hat es auch nichts zu tun, dass die Tätigkeit des Klägers nunmehr im ERA-TV erfasst und nach Darlegung der Beklagten in der Entgeltgruppe 12 und dem Orientierungsbeispiel Nr. 57 abgebildet wird. Spricht das BAG in den einschlägigen Entscheidungen von einem Anforderungsprofil einer Stelle, sind damit die vom Inhaber der Stelle geforderten Qualifikationsmerkmale gemeint und nicht, ob Tarifvertragsparteien das Anforderungsprofil an einen Stelleninhaber in ihrem Tarifvertrag erfassen.

Die Beklagte strebt eine Veränderung vornehmlich auf der Ebene der Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Arbeit an. Der ursprünglich außertariflich vergütete Kläger soll insbesondere in das Entgeltschema des bei der Beklagten eingeführten ERA-TV eingepasst werden. Daneben soll auch die Arbeitszeit des Klägers den tariflichen Bedingungen angepasst werden.

Es braucht hier nicht weiter vertieft zu werden, ob der Kläger im Falle einer tariflichen Eingruppierung nach dem ERA-TV in die Entgeltgruppe 12 einzugruppieren wäre (was zwischen den Parteien auch nicht weiter streitig ist). Ein dringendes betriebliches Bedürfnis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, in das arbeitsvertraglich zwischen den Parteien vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einzugreifen, besteht nämlich nicht.

3. Das Änderungsangebot der Beklagten ist mit einer - auch finanziellen - Schlechterstellung, verbunden. Diese wirkt sich für den Kläger zwar - bis auf ein paar Euro - nicht sofort aus, denn die Beklagte garantiert dem Kläger durch die "Zusatzvereinbarung" vom 22.12.2006 befristet bis 31.01.2009 die Beschäftigung mit 39 Stunden pro Woche und die hierfür vorgesehene monatliche Vergütung von € 6.018,00 zuzüglich des tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes führt momentan zu einer annähernd gleichen Jahresvergütung (nach Berechnung der Beklagten € 4,00 Differenz, vgl. Schriftsatz vom 15.03.2007).

Erhebliche Unterschiede ergeben sich allerdings, wenn der Kläger auf die im Angebot entsprechend den tariflichen Bedingungen vorgesehene Regelarbeitszeit von 35 Stunden zurückfällt.

Dazu kommt, dass die Beklagte € 704,00 der dann vorgesehenen Monatsvergütung von € 5.401,00 als "übertarifliche Zulage" zahlen möchte, für die das Vertragsangebot die Reglung vorsieht, dass es sich dabei um eine "freiwillige Leistung" handelt, die dem Mitarbeiter bis 31.01.2009 zugesichert wird. Es braucht hier nicht weiter darauf eingegangen werden, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte an diesem Gehaltsbestandteil Kürzungen vornehmen kann; an der bisherigen Gehaltszusage konnte die Beklagte, außer durch wirksame Änderungskündigung, jedenfalls einseitig gar nichts zu Lasten des Klägers verändern.

4. Die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an im Wege der Änderungskündigung angebotene Vertragsänderungen, die in einer Absenkung der bisherigen Vergütung ohne Veränderung des Arbeitsinhalts bestehen, sind nicht erfüllt. Danach kann die Unrentabilität des Betriebes einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen durchaus entgegen stehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen darstellen, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Auf eine solche Situation hat sich die Beklagte nicht berufen.

5. Ihre Argumentation zielt in eine andere Richtung. Sie möchte Mitarbeiter, die außertariflich bezahlt wurden, weil ihre Tätigkeit im alten Tarifgefüge nicht abgebildet war, in das neu anwendbare Tarifwerk eingliedern, weil die Tätigkeit hier nunmehr erfasst ist.

Ein solcher kollektivrechtlich geprägter Ansatz trägt aber nicht. Die Beklagte hat mit dem Kläger die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, also insbesondere auch die Gegenleistung für die Arbeit, arbeitsvertraglich vereinbart und hier stellt sich allein die Frage, ob es ein dringendes betriebliches Bedürfnis dafür gibt, den Kläger fortan ebenfalls exakt "nach Tarif" zu bezahlen.

Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten und es ist nicht erkennbar, warum dies nur deshalb nicht mehr gelten sollte, weil die Beklagte nunmehr ein anderes Tarifvertragsgefüge zur Verfügung hat, das im Übrigen für den Kläger als Nichtgewerkschaftsmitglied (in Ausübung seiner negativen Koalitionsfreiheit) in seinem normativen Teil keine unmittelbare rechtliche Bedeutung hat.

6. Einer Arbeitgeberin, die mit einem einzelnen Arbeitnehmer einzelvertraglich eine höhere Vergütung vereinbart, als sie dem betrieblichen Niveau entspricht, ist es verwehrt, diese Vergütung unter Berufung auf Gleichbehandlungsgesichtspunkte dem Lohn der übrigen Arbeitnehmer anzupassen, mit denen sie eine solche Lohnvereinbarung nicht getroffen hat, was die Konsequenz des Rechtssatzes ist, dass beim Abschluss eines Arbeitsvertrages der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat (BAG vom 01.07.1999 - 2 AZR 826/98, AP Nr. 53 zu § 2 KSchG 1969; vgl. auch BAG vom 28.04.1982 - 7 AZR 1139/97, EzA § 2 KSchG Nr. 4).

Dementsprechend hat das BAG entschieden, dass es auch im Falle eines Tarifwechsels keine Rechtfertigung dafür gibt, einen unter Vereinbarung des zuvor angewandten Tarifvertrages eingestellten Arbeitnehmer durch Änderungskündigung die schlechteren Arbeitsbedingungen des nunmehr angewandten Tarifvertrages anzubieten, mit denen sich neu eingestellte Arbeitnehmer einverstanden erklärt haben (BAG vom 12.01.2006 - 2 AZR 126/05, NZA 2006, Seite 587). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte ein Interesse daran haben mag, einheitliche Vertragsbedingungen in ihrem Betrieb zu schaffen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz führt nicht zur Einschränkung von Rechten von Arbeitnehmern (BAG vom 12.01.2006, a.a.O.; vgl. auch BAG vom 20.01.2000 - 2 ABR 40/99, AP Nr. 40 zu § 103 BetrVG 1972).

7. Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des BAG vom 15.03.1991 (2 AZR 582/90, NZA 1992, Seite 121). Hiernach kann ein Arbeitgeber, der durchgängig ausschließlich nach Tarif bezahlt (dort öffentlicher Dienst) und einen einzelnen Arbeitnehmer irrtümlich zu hoch eingruppiert, dies durch Änderungskündigung korrigieren. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass der Fall einer bewusst vereinbarten übertariflichen Eingruppierung anders zu beurteilen ist.

8. Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB berufen. Ein solcher Fall ist nur gegeben, wenn der Zweck des Arbeitsverhältnisses durch äußere Ereignisse endgültig oder doch für unabsehbare Zeit für beide erkennbar unerreichbar geworden ist. Hier kann das Arbeitsverhältnis der Parteien aber nach wie vor realisiert werden; es geht lediglich um Vertragsbedingungen, keinesfalls ist der ganze Vertrag gegenstandslos geworden. Der Konflikt über eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen ist über eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG zu lösen. Wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen, kann nicht auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB zurückgegriffen werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wird zugelassen, § 72 Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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