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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 1173/03
Rechtsgebiete: BGB, TV über ergänzende Leistungen für Arbeitnehmer im Stadt- und Umlandbereich München


Vorschriften:

BGB § 613a
BGB § 133
BGB § 157
TV über ergänzende Leistungen für Arbeitnehmer im Stadt- und Umlandbereich München
Auslegung eines Personalüberleitungsvertrages mit der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1173/03

Verkündet am: 7. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Visarius und Schönauer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten vom 29. September 2003 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24. Juli 2003 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Ballungsraumzulage nach dem Tarifvertrag über die ergänzenden Leistungen für Arbeitnehmer im Stadt- und Umlandbereich München zu bezahlen.

Die Klägerin ist seit 1. Januar 1983 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Blatt 46/47 der Akte) in der Küche des Krankenhauses G. beschäftigt. Dieses Krankenhaus hatte sich bis Ende 1998 in der Trägerschaft der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern befunden und war zum 1. Januar 1999 auf der Grundlage eines Personalüberleitungsvertrages vom 29. Juni 1998 (Blatt 29 bis 32 der Akte) von der Beklagten übernommen worden.

Die Klägerin hatte bei der Landesversicherungsanstalt monatlich DM 150,00 erhalten, ausgewiesen in den Lohnabrechnungen als "ergänzende Leistung (Grundbetrag)". Von der Beklagten waren diese DM 150,00, später € 75,00, ebenfalls bezahlt worden, in den Lohnabrechnungen ausgewiesen zunächst als "Besitzstand", später als "aufzehrbarer Besitzstand".

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2002 (Blatt 12 der Akte) hatte die Beklagte unter anderem der Klägerin mitgeteilt, dass sie die seit dem Betriebsübergang weiterhin freiwillig zu 100 % ausgezahlte Ballungsraumzulage ab dem 1. Januar 2003 leider ersatzlos streichen müsse.

Der Tarifvertrag über ergänzende Leistung für Arbeitnehmer im Stadt- und Umlandbereich München (sog. Ballungsraumzulage) vom 15. Juni 2001 war zunächst bis 31. De­zember 2002 befristet gewesen. Mit Tarifvertrag vom 13. Dezember 2002 haben die Tarifvertragsparteien die Zahlung einer Ballungsraumzulage in Höhe von € 75,00 bis 31. Dezember 2004 verlängert.

Die Klägerin möchte die Beklagte zur Zahlung dieser Ballungsraumzulage über den 31. Dezember 2002 hinaus verpflichtet sehen. Dies folge aus den vorbehaltlosen Zahlungen in der Vergangenheit und aus dem Überleitungsvertrag.

Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 20. Dezember 2002 hat sie ihr Begehren gerichtlich geltend machen lassen und war damit vor dem angerufenen Arbeitsgericht München auch erfolgreich gewesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 24. Juli 2003 wird Bezug genommen.

Mit der am 29. September 2003 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 29. August 2003 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 12. November 2003 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, Rechtsgrundlagen für das klägerische Begehren zu Unrecht aus dem Arbeitsvertrag und aus dem Tarifvertrag abgeleitet zu haben. Die Beklagte sei nach Übernahme des G. Krankenhauses dem Verband kommunaler Arbeitgeber beigetreten, um auf diese Weise den von der LVA übernommenen Arbeitnehmern eine Mitgliedschaft in der Zusatzversorgungskasse zu ermöglichen. Dazu enthalte der Überleitungsvertrag auch Regelungen.

Grundlage der sog. Ballungsraumzulage sei ein Tarifvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und den Gewerkschaften ÖTV und DAG bzw. zuletzt Ver.di gewesen, zum 31. Dezember 2002 außer Kraft getreten unter Ausschluss einer Nachwirkung. Die Beklagte habe diese Ballungsraumzulage zunächst abgerechnet als "Besitzstand", später als "aufzehrbarer Besitzstand". Tariflohnsteigerungen seit Betriebsübergang hätten die Ballungsraumzulage zwischenzeitlich vollständig aufgezehrt. Dem Arbeitsgericht wird vorgehalten, die "Besitzschutz"-Klausel des Überleitungsvertrags in der denkbar weitest­reichenden Lesart zu Lasten der Beklagten interpretiert zu haben. Dem wird mit Nachdruck entgegengetreten, auch unter Hinweis auf die Sicht der vertragschließenden Parteien.

Die Berufungsanträge lauten damit:

Die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 24. Juli 2003, Az. 17 Ca 23301/02, abzuweisen.

Die Klägerin lässt beantragen:

Die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Ein nur betragsmäßig garantierter Besitzstand hätte aus ihrer Sicht nur beschränkte Bedeutung und sei auch deshalb abzulehnen, weil die Parteien des Überleitungsvertrages keine Regelung nur für eine Übergangsphase schaffen, sondern die Rechtsposition der betroffenen Arbeitnehmer auch für die Zukunft sichern wollten.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 12. November 2003 (Blatt 75 bis 82 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 21. November 2003 (Blatt 93/94 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 7. September 2004 (Blatt 99/100 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die von der Klägerin zur Entscheidung gestellten Anträge abgewiesen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Das Erstgericht hat tragfähige Rechtsgrundlagen dafür zu Recht aus § 1 Abs. 2 und 3 des Überleitungsvertrages vom 29. Juni 1998 in Verbindung mit den Tarifverträgen über die ergänzenden Leistungen abgeleitet. Seinen dazu gegebenen sorgfältigen Begründungen schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Im Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1983 haben die Parteien rechtswirksam auf die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 (BAT) in der für den Bereich des Bundes und der Länder jeweils geltenden Fassung verwiesen, auf die einschlägigen Sonderregelungen zum BAT und auf die zusätzlich für den Bereich des Arbeitgebers verbindlichen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das Gleiche soll gelten für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in jeder jeweiligen Fassung.

Dazu entsprechend hatte die Beklagte in § 1 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages vom 29. Juni 1998 (Blatt 29 bis 32 der Akte) zugesichert, dass sich alle Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer aus den jeweiligen Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT, Fassung Bund und Länder), des Manteltarifvertrages der Arbeiter/Arbeiterinnen, ....., und den sie ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie aus der für die Fachklinik München-G. abgeschlossenen Dienstvereinbarung ergeben. Soweit sich von diesem Absatz 2 im Hinblick auf § 4 Abs. 2 des Personalüberleitungsvertrages Abweichungen ergeben, hat sich die Beklagte in Abs. 3 (darüber hinaus) verpflichtet, etwaige Verringerungen der Vergütungen (Lohn/Gehalt) der Arbeitnehmer im Wege des Besitzschutzes auszugleichen.

Der Wortlaut dieser Vereinbarungen erscheint eindeutig (§§ 133, 157 BGB). Er lässt den Willen der Landesversicherungsanstalt Oberbayern erkennen, seine ehemaligen Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Fachklinik München-G. gehaltsmäßig zu schützen und bezogen auf die Arbeitsverträge eine Weitergeltung der angesprochenen Tarifverträge sicherzustellen. Und die Beklagte hat sich damit auch einverstanden erklärt. All das spricht für die vom Erstgericht vertretene Auslegung dieser Vertragsregelungen und steht einem - wie von der Beklagten vertreten - nur betragsmäßig garantierten Besitzschutz entgegen. Dieser Absatz 3 kann nicht für sich genommen ausgelegt werden, er ist im Zusammenhang mit Absatz 2 zu sehen und zu verstehen.

Der den BAT ergänzende Tarifvertrag vom 15. Juni 2001 (Blatt 85 bis 91 der Akte) kommt auf das klägerische Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme zur Anwendung, seine Geltung ist von den Tarifvertragsparteien zumindest bis 31. Dezember 2004 verlängert worden und so schuldet die Beklagte der Klägerin zumindest bis zum 31. Dezember 2004 auch die beanspruchte Ballungsraumzulage.

Das Erstgericht hat bei Abfassung des Tenors zu seiner Entscheidung diese Abhängigkeit des Anspruchs vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen auch deutlich gemacht und so muss die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO ohne Erfolg bleiben.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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