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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 189/06
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG
BGB § 315
Die Absenkung einer betrieblichen Alterversorgung von monatlich € 570,00 auf monatlich € 190,00 kann bei einem Arbeitnehmer mit 40-jähriger Betriebszugehörigkeit in der Höhe unangemessen sein (Einzelfall).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 189/06

Verkündet am: 9. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter von Ahl und Schönauer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 21. Dezember 2005 - Az. 6 Ca 4074/04 S - abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 2280,00 brutto (Oktober 2004 bis einschließlich März 2005) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 380,00 ab 3. November 2004, aus weiteren € 380,00 ab 3. Dezember 2004, aus weiteren € 380,00 ab 3. Januar 2005, aus weiteren € 380,00 ab 3. Februar 2005, aus weiteren € 380,00 ab 3. März 2005, aus weiteren € 380,00 ab 3. April 2005, zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin für jeden weiteren Kalendermonat eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von jeweils € 570,00 zu bezahlen.

3. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Kürzung einer der Klägerin zugesagten betrieblichen Altersversorgung.

Die Klägerin war bei der Beklagten zu 1. von März 1960 bis 31. August 2002 als Bilanzbuchhalterin beschäftigt gewesen.

Die Arbeitgeberin (Beklagte zu 1.) hatte ihren Mitarbeitern, darunter die Klägerin, betriebliche Versorgungsleistungen für die Fälle des Erreichens der Altersgrenze oder bei Invalidität über eine Unterstützungskasse nach Maßgabe eines Versorgungsplanes vom 22. Februar 1965 versprochen (vgl. Blatt 41 bis 43 der Akte). In einer Gründungssitzung am 18. Dezember 1964 war die nicht rückgedeckte L. e.V. (Beklagte zu 2.) gegründet und am 22. Januar 1965 ins Vereinsregister eingetragen worden. Nach § 2 der Satzung dieser Unterstützungskasse soll sie ehemaligen Mitarbeitern und deren Angehörigen im Alter und in Fällen von Not einmalige oder laufende Unterstützungen nach Maßgabe der beschlossenen Satzung gewähren.

Nach dem ursprünglichen Leistungsplan war vorgesehen, ehemaligen Mitarbeitern der Beklagten zu 1., die eine anrechnungsfähige Dienstzeit von 25 Jahren haben, einen Grundbetrag von 10 % des rentenfähigen Einkommens zu zahlen, zuzüglich eines Steigerungsbetrages von 0,3 % für jedes zurückgelegte anrechnungsfähige Dienstjahr bis zur Höchstgrenze von 15 % des rentenfähigen Einkommens. Altersrenten sollten nach § 6 des Leistungsplans Mitarbeiter ab dem 65. Lebensjahr, Mitarbeiterinnen ab dem 60. Lebensjahr bekommen.

In einem ersten Änderungsbeschluss vom 1. Mai 2003 durch den Beklagten zu 2. ist festgelegt worden, dass neue Rentenempfänger nur mehr den Grundbetrag ohne weitere Steigerungsbeträge erhalten sollen.

Mit einer zweiten Änderung des Leistungsplans vom 2. Juni 2004 (Blatt 12 der Akte) hat die Unterstützungskasse ab 1. Oktober 2004 den Steigerungsbetrag bei den laufenden Renten sowie bei allen Rentenneuberechnungen ersatzlos gestrichen sowie den Grundbetrag von 10 % auf 5 % des rentenfähigen Einkommens abgesenkt. Die von der Klägerin bislang bezogene Betriebsrente von € 570,00 wurde dadurch auf € 190,00 abgesenkt und dieser geringere Betrag seitens der Beklagten zu 2. ab 1. Oktober 2004 auch nur mehr bezahlt.

Die Klägerin ist mit einer solch erheblichen Kürzung nicht einverstanden. Am 10. November 2004 hat sie gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin (Beklagte zu 1.) und die Unterstützungskasse (Beklagte zu 2.) als Gesamtschuldner Klage Nachzahlung des Kürzungsbetrages und Verurteilung der Beklagten auf künftige Zahlung einer Betriebsrente in der ursprünglich ausbezahlten Höhe erheben lassen, die vor dem angerufenen Arbeitsgericht Regensburg aber erfolglos geblieben ist. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 21. Dezember 2005 wird Bezug genommen.

Mit der am 10. Februar 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 11. Januar 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Begründung des Rechtsmittels ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 10. April 2006 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, zu Unrecht von einer wirtschaftlichen Notlage der Beklagten zu 1. ausgegangen zu sein. Eine solche ergebe sich nicht aus den beklagtenseits vorgelegten Unterlagen. Das von der Klägerin zum Beweis des Gegenteils beantragte Einholen eines entsprechenden Gutachtens sei nicht erfolgt. Stattdessen habe das Erstgericht den vorgetragenen Rückgang des Gewinns und Verluste in drei Kalenderjahren, die durch Rückstellungen ausgeglichen werden konnten, zur Rechtfertigung der angegriffenen Kürzung genügen lassen. Dies sei geschehen, obwohl die Klägerin umfangreich schriftsätzlich dazu hatte vortragen lassen, dass allein die Betrachtung des Gewinnrückgangs bzw. von eingetretenen Verlusten keineswegs ausreichend sei, um eine solche Kürzung der zugesagten betrieblichen Altersversorgung zu rechtfertigen. Die notwendige Prognose in die Zukunft bezüglich der Erbringung von Versorgungsleistungen durch den Beklagte zu 2. gegenüber der Beklagten zu 1. fehle ebenfalls gänzlich. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass in dieser Versorgungszusage von Anfang an keinerlei Rentendynamik enthalten gewesen sei und der Gesetzgeber 1974 bereits der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Unterstützungskassen von Trägerunternehmen bei der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung dadurch Rechnung getragen hatte, dass der Insolvenzschutz für Leistungen der Unterstützungskassen erst dann einsetze, wenn einer der Sicherungsfälle beim Arbeitgeber eingetreten sei, die Zuwendungen an die Kasse leiste gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrAVG.

Schließlich habe das Erstgericht in keiner Weise geprüft, aufgrund welcher Unterlagen, Bilanzen, BWAŽs der teilweise Widerruf dieser Versorgungszusage erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte man auch eine Prognose für das laufende Jahr bereits vornehmen können.

Den Widerruf habe außerdem der Beklagte zu 2. vorgenommen, obwohl dieser dazu gar nicht berechtigt gewesen sei. Im letzten Absatz seines Widerrufsschreibens vom 27. Juli 2004 werde deutlich, dass eine Prognose nicht erstellt worden war. Ebenfalls nicht geprüft habe er, inwieweit eine Anpassung dieser Versorgungszusage wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich sei und ob die volle Rückstellung für die Altersversorgung der Geschäftsführer noch zulässig sei, wenn gleichzeitig die über 40 Jahre erdienten Altersvorsorgezusagen gegenüber Mitarbeitern angeblich nicht mehr eingehalten werden können.

Das Erstgericht habe bei seiner Entscheidung die stillen Reserven der Beklagten zu 1. nicht angesprochen und auch nicht berücksichtigt, dass das Bankguthaben im Jahr 2004 um € 500.000,00 angestiegen sei.

In dem Widerruf sei schließlich kein Prüfungsvorbehalt enthalten. Die Klägerin lässt auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni 2003 - 3 AZR 396/02 verweisen und beantragen:

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Regensburg vom 21. Dezember 2005 - Az. 6 Ca 4074/04 s - werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin brutto € 2.280,00 (Oktober 2004 bis einschließlich März 2005) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 380,00 ab 3. November 2004, aus weiteren € 380,00 ab 3. Dezember 2004, aus weiteren € 380,00 ab 3. Januar 2005, aus weiteren € 380,00 ab 3. Februar 2005, aus weiteren € 380,00 ab dem 3. März 2005, aus weiteren € 380,00 ab dem 3. April 2005 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin für jeden weiteren Kalendermonat eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von jeweils € 570,00 zu bezahlen.

Die Beklagten lassen beantragen:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung treten sie entgegen. Ergänzend dazu wird darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Notlage für eine Kürzung dieser betrieblichen Altersversorgung gerade nicht notwendig sei, es genüge bei sog. Übergangsfällen das Vorliegen sachlicher Gründe. Das Erstgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Gewinn- und Verlustsituation der Beklagten zu 1. die streitige Kürzung sachlich gerechtfertigt erscheinen lasse. Ein Rückgriff auf Anlagevermögen oder die Aufnahme eines Bankkredits würde die bereits angespannte finanzielle Situation verschärfen und sei der Beklagten zu 1. nicht zumutbar.

Das Widerrufsschreiben vom 27. Juli 2004 habe die Beklagte zu 2. auf einem Briefpapier der L. GmbH erstellt, weil sie über keinen eigenen Briefkopf verfügte und Herr H. Geschäftsführer beider Beklagten (gewesen) sei.

Aufgrund der Umsatz- und Gewinnsituation im Einzelhandel müsse man auch bei der Prognosefrage darauf abstellen, dass sich die wirtschaftliche Lage bei der Beklagten zu 1. nicht positiv ändern werde. Die Weiterführung dieser Zahlungen hätte die Existenz des Betriebs dauerhaft infrage gestellt. Ein entsprechendes Handeln sei im Juli 2004 aus sachlichen Erwägungen deshalb zwingend notwendig gewesen. Sollte sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1. nachhaltig verbessern, werde über eine mögliche Anpassung der Versorgungszusagen nachgedacht werden.

Seitens der Beklagten zu 2. wird darauf hingewiesen, dass sich aus Betreff und Grußformel des Kürzungsschreibens vom 27. Juli 2004 eindeutig ergebe, wem dieses Schreiben zuzurechnen sei: der Unterstützungskasse. Der klägerinseits zitierten Entscheidung des BAG lassen die Beklagten entgegen halten, dass die dortige Versorgungszusage direkt durch den Arbeitgeber und nicht durch eine Unterstützungskasse erfolgt sei.

Im Streitfall wesentlich erscheint der Beklagten zu 2. der ausdrückliche Hinweis in der Versorgungszusage auf die Freiwilligkeit dieser Zahlungen und die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs. Für sog. Übergangsfälle müsse es bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1987 verbleiben. Es gehe darum, wie § 15 der Satzung und die dortige Regelung auszulegen sind, dass die Leistungsempfänger keinen Rechtsanspruch auf Leistungen haben und alle Zahlungen freiwillig mit der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs geleistet werden. In diesen Fällen reiche für den Widerruf oder die Kürzung ein sachlicher Grund aus, eine wirtschaftliche Notlage im Sinne von § 7 BetrAVG (a.F.) sei nicht erforderlich.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 10. April 2006 (Blatt 142 bis 153 der Akte) mit Anlage, auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten zu 1. vom 9. Juni 2006 (Blatt 167 bis 169 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten zu 2. vom 12. Juni 2006 (Blatt 172/173 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 7. November 2006 (Blatt 182 bis 184 der Akte) und vom 9. Januar 2007 (Blatt 189/190 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die vorgenommene Kürzung der betrieblichen Versorgungsleistungen rückgängig gemacht zu bekommen, hat Erfolg. Antragsgemäß waren die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, der Klägerin weiterhin eine monatliche betriebliche Altersversorgung in Höhe von jeweils € 570,00 brutto zu bezahlen.

Das Erstgericht hat mit zutreffender Begründung auch die Beklagte zu 2. als passiv legitimiert und die Klage damit insgesamt als zulässig angesehen. Diesen Ausführungen schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Berufungskammer folgt den beiden Beklagten und dem Erstgericht auch dahin, dass in dem hier vorliegenden Übergangsfall bei dieser betrieblichen Altersversorgung, die bereits vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes versprochen war, aber erst danach in Anspruch genommen worden ist, ein Widerruf oder eine Kürzung der zugesagten Leistungen nur aus sachlichen Gründen erfolgen kann. Solche lagen bei der Kürzungsentscheidung am 2. Juni 2004 aber nicht in ausreichendem Umfang vor. Dies hat die Klägerin von Anfang an beanstanden und in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen vom 2. August und 14. Dezember 2005 auch nachvollziehbar begründen lassen. Ein wesentliches Indiz dafür sind auch die unterbliebenen Kürzungen bei der betrieblichen Altersversorgung für die Geschäftsführer. Auf die in der Sitzungsniederschrift vom 7. November 2006 festgehaltenen Erklärungen der Beklagtenvertreter wird Bezug genommen. Wenn so schwerwiegende Eingriffe in den Besitzstand der Betriebsrentner nötig sein sollen, können die Betriebsrenten der Geschäftsführer, gezahlt von der Beklagten zu 2., nicht unangetastet bestehen bleiben.

Unabhängig davon erscheint die der Klägerin auferlegte Absenkung ihrer betrieblichen Altersversorgung von € 570,00 auf € 190,00 aber auch in der Höhe unangemessen (§ 315 BGB). Eine Begründung oder Rechtfertigung dafür lässt sich weder dem Beklagtenvortrag noch dem vorgelegten Prüfbericht zum Jahresabschluss 2004 der Beklagten zu 1. entnehmen.

Der Klägerin war ursprünglich nach rund vierzigjähriger Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten zu 1. auf der Grundlage des Versorgungsplanes vom 22. Februar 1969 eine betriebliche Altersrente in unstreitiger Höhe von € 570,00 bezahlt worden und diese € 570,00 kann sie auch künftig verlangen. Beide Beklagten haften dafür gesamtschuldnerisch.

Der Zinsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 286, 288 BGB.

Auf die Berufung war die angefochtene Entscheidung mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO entsprechend abzuändern.

Für die Beklagten wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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