Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 34/09
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV-Ärzte § 12
1. Die Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes muss vom Arbeitgeber übertragen werden (§ 12 Entgeltgr. Ä 4 TV-Ärzte).

2. Der Arbeitgeber kann die Übertragungsbefugnis durch eindeutige Erklärung delegieren.

3. Mangels angeordneter "ausdrücklicher" Übertragung in § 12 TV-Ärzte kann eine Übertragung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

6 Sa 34/09

Verkündet am: 01.09.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Künzl und die ehrenamtlichen Richter Gauglitz und Hartl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.11.2008 - 35 Ca 14795/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 7. Dez. 1998 (Bl. 7 f. d. A.) seit 1. Jan. 1999 beim beklagten Land in der Abteilung für Neuroradiologie im Klinikum G. beschäftigt. Der Kläger besitzt die Anerkennung als Facharzt für die diagnostische Neuroradiologie. Ihm ist durch seinen Vorgesetzten, Prof. Dr. B., mit Wirkung zum 1. Jan. 1999 die Vertretung des Leiters der Abteilung für Neuroradiologie im Klinikum G. übertragen.

Nach dem Arbeitsvertrag finden auf sein Arbeitsverhältnis "der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und die zu seiner Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung" Anwendung. Am 1. Nov. 2006 trat der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 30. Okt. 2006 in Kraft.

Der Kläger war zunächst in Tarifgruppe Ä 2 nach § 12 TV-Ärzte eingruppiert. Mit Schreiben vom 21. Dez. 2006 (Bl. 18 f. d. A.) beantragte er mit Wirkung ab 1. Juli 2006 seine Eingruppierung in Tarifgruppe Ä 4 TV-Ärzte sowie die Nachzahlung der seither angefallenen Gehaltsdifferenzen. Die Bezügemitteilung des Landesamts für Finanzen vom 20. Jan. 2007 rechnete ein Bruttogehalt von € 5.500.- als Tabellenentgelt (Entgeltgruppe Ä 2) ab. Mit Schreiben vom 26. Feb. 2007 (Bl. 20 d. A.) wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Nov. 2006 zum Oberarzt in der Abteilung für Neuroradiologie bestellt und gemäß Änderungsvertrag vom 27. Feb. 2007 (Bl. 12. d. A.) in die Vergütungsgruppe Ä 3 eingruppiert. Im Änderungsvertrag ist zudem geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem "Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte) sowie den Tarifverträgen, die den TV-Ärzte ergänzen, ändern oder ersetzen ...", richtet.

Der Vorstand des Klinikums der Universität ... informierte die Chefärzte der Kliniken, Abteilungen und Institute mit Schreiben vom 14. Nov. 2006 über den neuen TV-Ärzte (Bl. 163 ff. d. A.). In diesem Schreiben ist auf Seite 3 (Bl. 165 d. A.) u.a. ausgeführt:

"...

Zusätzlich ist die Entgeltgruppe Ä 4 (Ständiger Vertreter des leitenden Arztes) geschaffen worden. Der ständige Vertreter muss Fachärztin/Facharzt sein und den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertreten. Dieses Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb der Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden. Die Dienstaufgaben entsprechen im Vertretungsfall denen des leitenden Arztes; es handelt sich typischerweise um eine umfassende Verantwortung für einen medizinisch abgrenzbaren Bereich. Nicht Voraussetzung für die Eingruppierung ist die Vertretung in Forschung und Lehre.

Wir bitten Sie hiermit, für die Bestellung der Oberärzte und ständigen Vertreter im Angestelltenverhältnis die Teil- und Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung zu benennen und anhand der vorgegebenen Kriterien die Funktion Oberarzt schriftlich zu begründen, ohne Rücksicht darauf, ob diese Funktion von einem beamteten oder angestellten Arzt erfüllt wird. Außerdem ist für die Stufenzuordnung der Zeitpunkt erforderlich, seit dem die Funktion 'Oberarzt' ausgeübt wird. Bei befristet beschäftigten angestellten Ärzten muss eine Aussage getroffen werden, ob die Bestellung zum Oberarzt befristet (bis zu 3 Jahren) oder unbefristet erfolgen soll.

Die erforderlichen Mitteilungen bitten wir mit anliegendem Formular an die Abteilung für Personal- und Rechtsangelegenheiten (z.Hd. Frau D.) zu senden. (Hervorhebung im Original)

..."

Der Abteilungsleiter beantragte mit Schreiben vom 20. Apr. 2007 (Bl. 13 d. A.) die Eingruppierung des Klägers in Vergütungsgruppe Ä 4. Diesem Antrag entsprach das beklagte Land nicht.

Mit seiner am 30. Okt. 2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und dem beklagten Land am 3. Jan. 2008 zugestellten Klage vom 16. Okt. 2007, die zunächst gegen das Klinikum der ...Universität gerichtet und hinsichtlich des Passivrubrums mit Schriftsatz vom 27. Nov. 2007 (Bl. 32 f. d. A.) berichtigt worden war (zum gerichtlichen Berichtigungsbeschluss vgl. Bl. 38 d. A.), verfolgte der Kläger die Eingruppierung in Vergütungsgruppe Ä 4 weiter.

Er ist der Ansicht, er erfülle die Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 4, nachdem ihm vom Chefarzt die Stelle des ständigen Vertreters des Chefarztes übertragen worden sei.

Er hat beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass der Kläger ab 01.07.2006 in Entgeltgruppe Ä 4 des § 12 TV-Ärzte vom 30. 10. 2006 eingruppiert ist.

II. Der Beklagte wird verurteilt, die Gehälter des Klägers für die Zeit vom 01. 07. 2006 bis zum 31. 10. 2007 unter Berücksichtigung der Eingruppierung gem. Klageantrag I. neu abzurechnen und an den Kläger auszubezahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hält die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe Ä 4 für nicht gegeben. Die Vertretungsaufgaben seien dem Kläger nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden. Auch erfülle er nicht zu mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit Vertretungsaufgaben.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage mit Endurteil vom 25. Nov. 2007 vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung führte es u.a. aus, es sei bereits fraglich, ob dem Kläger die Vertretungsaufgaben durch den Arbeitgeber zugewiesen worden seien. Zudem habe der Kläger die Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 4 nicht ausreichend vorgetragen. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit er den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertrete. Zudem sei nicht nachzuvollziehen, dass die Vertretung mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit in Anspruch nehme. Die Anträge auf Anrechnung und Auszahlung der Vergütung (Antrag II.) hat das Arbeitsgericht als unzulässig angesehen. Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgericht im Einzelnen wird auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts München (Bl. 67 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen diese ihm am 9. Dez. 2008 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Jan. 2009, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprechend dem Antrag vom 4. Feb. 2009 (Bl. 98 f. d. A.) bis 9. März 2009 (Beschl. v. 6. Feb. 2009, Bl. 100 d. A.) - mit Schriftsatz vom 9. März 2009, eingegangen am selben Tag, begründet.

Er ist weiterhin der Ansicht, in Vergütungsgruppe Ä 4 eingruppiert zu sein. Die Abteilung für Neuroradiologie am Klinikum der Universität M. sei 1996 gegründet worden und vom Klinikum vollkommen unabhängig mit einem eigenen Personalbudget, für das der Kläger als stellvertretender Leiter zuständig sei. Angesichts des Arbeitsanfalles sei es unumgänglich, dass der Chefarzt nicht alle gleichzeitig wahrnehmen könne. Er vertrete den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Aufgaben, nicht nur zu Abwesenheitszeiten, zeitlich zu mindestens der Hälfte der Arbeitszeit.

Er beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 25. 11. 2008 - 35 Ca 14795/07 -, zugestellt am 09. 12. 2008, wird in Ziff. 1 und Ziff. 2 abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass der Kläger ab 01. 07. 2006 in die Entgeltgruppe Ä 4 des § 12 TV-Ärzte vom 30. 10. 2006 eingruppiert ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Gehälter des Klägers für die Zeit vom 01. 07. 2006 bis zum 31. 10. 2007 unter Berücksichtigung der Eingruppierung des Klägers gem. Antrag II. neu abzurechnen und an den Kläger auszubezahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor, es sei in der Vorstandssitzung des Klinikums beschlossen worden, die Position eines ständigen Vertreters des Chefarztes lediglich in Kliniken, nicht aber in Abteilungen oder Instituten einzurichten. Dem Kläger sei daher seitens des Arbeitgebers kein Vertreterposten übertragen worden. Zudem sei auch aus der Berufungsbegründung nicht nachvollziehbar, dass er den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben und zu mindestens der Hälfte der Arbeitszeit vertrete.

Im Termin vom 1. Sept. 2009 hat der Klägervertreter Antrag III. (Klageantrag II.) mit Zustimmung des beklagten Landes zurückgenommen.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 30. Okt. 2007 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 27. Nov. 2007 (Bl. 32 f. d. A.), vom 11. Apr. 2008 (Bl. 55 ff. d. A.), vom 9. März 2009 (Bl. 101 ff. d. A.) und vom 15. Juli 2009 (Bl. 156 ff. d. A.), des beklagten Landes vom 3. Jan. 2008 (Bl. 33 d. A.), vom 29. Feb. 2008 (Bl. 48 f. d. A.), vom 4. Mai 2009 (Bl. 128 ff. d. A.) und vom 9. Juni 2009 (Bl. 137 ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 25. Nov. 2008 (Bl. 64 ff. d. A.), vom 12. Mai 2009 (Bl. 135 f. d. A.) und vom 1. Sept. 2009 (Bl. 188 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig.

1. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthaft. Sie ist in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).

2. Die Rücknahme des Berufungsantrages III, der dem Klageantrag II. entspricht, stellt der Sache nach eine Klagerücknahme dar. Diese war mit Zustimmung des beklagten Landes wirksam erfolgt (§ 269 ZPO).

II. In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Eingruppierung in Vergütungsgruppe Ä 4 gem. §§ 12, 16 Abs. 2 TV-Ärzte i.V.m. § 5 TVÜ-Ärzte. Er erfüllt in seiner Person nicht sämtliche Eingruppierungsvoraussetzungen. Es kann dahinstehen, ob er faktisch als Vertreter des Leiters der Abteilung, in der er beschäftigt ist, also von Prof. Dr. B., tätig ist und diesen in der Gesamtheit seiner Aufgaben vertritt. Ferner kann dahinstehen, ob er zu mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit Vertretungsausgaben wahrnimmt. Jedenfalls war ihm die ggf. faktisch ausgeübte ständige Vertretung nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden. Diesem ist auch eine durch Prof. Dr. B. erfolgte Übertragung dieser Aufgabe nicht zuzurechnen.

1. Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen (BAG v. 5. 9. 2002 - 8 AZR 620/01, AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 93; BAG v. 26. 1. 2001 - 8 AZR 281/00, AP BAT-O § 25 Nr. 5; BAG v. 19. 3. 1986 - 4 AZR 470/84, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 114; LAG Niedersachsen v. 3. 4. 2009 - 17 Sa 904/08 E, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 19. 3. 2009 - 4 Sa 312/08, juris).

2. Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä 4 des § 12 TV-Ärzte. Ihm ist vom Arbeitgeber nicht die Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes (§ 12 Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte) übertragen worden.

a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte jedenfalls seit Abschluss des Änderungsvertrages vom 27. Feb. 2007 (Bl. 12 d. A.), jedoch wohl schon früher, zumindest infolge konkludenter Einigung der Vertragsparteien, nach bereits im Jahr 2006 erfolgter Eingruppierung des Klägers in Entgeltgruppe Ä 2 des TV-Ärzte, der TV-Ärzte Anwendung. Die Eingruppierung des Klägers erfolgt so gem. §§ 12, 16 TV-Ärzte i.V.m. § 5 TVÜ-Ärzte.

Die Regelung in § 12 TV-Ärzte lautet:

§ 12 Eingruppierung

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehenden und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

 EntgeltgruppeBezeichnung
Ä 1Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 2Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit
Ä 3Oberärztin/Oberarzt
 Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
 Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert.
Ä 4Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.
 (Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)

In § 16 TV-Ärzte sind die Stufen zur Entgelttabelle geregelt.

b. Dem Kläger, der zwar die Facharztvoraussetzungen für eine Eingruppierung als ständiger Vertreter des leitenden Arztes erfüllt - er ist seit 1996 Facharzt für diagnostische Radiologie (Bl. 9 d. A.) und seit 1998 Facharzt für Neuroradiologie (Bl. 10 d. A.) - ist jedenfalls die Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden.

aa. Die Übertragung der Vertreterposition war - nach Einlassung des Klägers - bereits mit Wirkung zum 1. Jan. 1999 durch den Chefarzt Prof. Dr. B. erfolgt. Darin ist keine Übertragung der Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes - eine solche Übertragung unterstellt - durch den Arbeitgeber i.S. § 12 Ä 4 TV-Ärzte gegeben.

aaa. Der Kläger ist nicht bereits dadurch in Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte eingruppiert, dass er den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Vielmehr muss ihm diese Funktion vom Arbeitgeber übertragen worden sein. Es handelt sich dabei um einen auch im Bereich des früheren BAT nicht unbekannten Fall, dass die Eingruppierung nicht allein der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit folgt, sondern einer weiteren Voraussetzung - Übertragung der Tätigkeit durch eine bestimmte Stelle - bedarf, wobei rein tatsächliche Entscheidungen eines leitenden Arztes zur Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals nicht ausreichen (BAG v. 14. 8. 1991 - 4 AZR 25/91, ZTR 1992, 111 unter Rz. 29; BAG v. 25. 2. 1987 - 4 AZR 217/86, AP BAT § 24 Nr. 14, unter Rz. 20; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 14. 11. 2008 - 3 Sa 84/08, juris, unter Rz. 34; LAG Niedersachsen v. 3. 4. 2009 - 17 Sa 904/08 E, a.a.O., unter Rz. 44; LAG Schleswig-Holstein v. 19. 3. 2009 - 4 Sa 312/08, juris, unter Rz. 31, 34 ff.; zur ähnlich gelagerten Problematik bei Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte vgl. LAG München v. 14. 8. 2008 - 3 Sa 410/08, juris, unter Rz. 34; LAG Niedersachsen v. 9. 3. 2009 - 9 Sa 270/08 E, ZTR 2009, 317; dazu auch Knörr, ZTR 2009, 50, 54 ff. vgl. auch zum ähnlichen TV-Ärzte an hessischen Universitätskliniken LAG Hessen v. 8. 10. 2008 - 2 Sa 529/08, juris, unter Rz. 36, wobei in diesem Tarifvertrag allerdings die "ausdrückliche" Übertragung "durch den Arbeitgeber" expressis verbis gefordert ist).

bbb. An die Übertragung der medizinischen Verantwortung nach dem TV-Ärzte sind geringere Anforderungen zu stellen, als nach dem TV-Ärzte/VKA (vgl. LAG Sachsen v. 4. 6. 2008 - 9 Sa 658/07, juris, insbesondere Rz. 62; vgl. auch Knörr, ZTR 2009, 50, 55 f.). In ersterem Tarifvertrag findet sich gegenüber dem TV-Ärzte/VKA insoweit eine abweichende Regelung, als etwa § 16 lit. c TV-Ärzte/VKA eine "ausdrückliche" Übertragung durch den Arbeitgeber verlangt, worauf der TV-Ärzte verzichtet. Danach kann eine konkludente Übertragung ausreichen (vgl. LAG Sachsen v. 4. 6. 2008, a.a.O.); doch bedarf es eines dem vertretungsberechtigten Organ zurechenbaren Handelns, wozu die Übertragung durch den Chefarzt in Ausübung seines Weisungsrechtes nicht rechnet (LAG SachsenAnhalt v. 17. 6. 2008 - 8 Sa 15/08 E, juris, unter Rz. 38).

ccc. Arbeitgeber des Klägers ist nicht sein Vorgesetzter, der Chefarzt Prof. Dr. B., sondern der Klinikvorstand (Art. 10 Abs. 1 BayUniKlinG). Der Vorstand hat nach § 6 Abs. 2 der Satzung des Klinikums der ...Universität (nachfolgend: Satzung) umfassende Kompetenz hinsichtlich der Organisation des Betriebes und der Verwaltung des Klinikums. Nach § 10 der Satzung i.V.m. § 9 Abs. 2 der Satzung werden die Einrichtungen des Klinikums von Vorständen geleitet, wofür i.d.R. nur natürliche Personen mit Professorentitel in Frage kommen. Diese Vorstände haben im Rahmen ihrer Leitungsfunktion die ärztliche und organisatorische Verantwortung für die Sicherstellung der Krankenversorgung, der Weiterbildung der Ärzte sowie der Steuerung des Betriebes der Einrichtung nach Maßgabe des zugewiesenen Budgets unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Diese Ausführungen des beklagten Landes im Schriftsatz vom 9. Juni 2009 (Bl. 137 ff. d. A.) sind vom Kläger "nicht kommentiert" worden, also unstreitig geblieben (Schriftsatz vom 15. Juli 2009, Seite 2, Bl. 156 ff., 157 d. A.).

Der Vorstand hat keine Ernennung des Klägers zum ständigen Vertreter des Chefarztes ausgesprochen.

bb. Das beklagte Land muss sich aber auch die Übertragung der Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes durch Prof. Dr. B. nicht zurechnen lassen. Eine Zurechnung kommt weder durch das Schreiben des Universitätsklinikums vom 14. Nov. 2006 (Bl. 163 ff. d. A.), noch durch die jahrelange Hinnahme der erfolgten Übertragung der Position durch den Chefarzt ab 1. Jan. 1999 in Betracht (etwa nach §§ 182 ff., 184 BGB). Insbesondere kann durch die Beschäftigung des Klägers auf einer BAT-Ia-Position seit 1. Jan. 1999 nicht ohne weiteres von der Übertragung der Stelle des ständigen Vertreters von Prof. Dr. B. ausgegangen werden.

aaa. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Befugnis, die Position des ständigen Vertreters zu übertragen, auch auf andere Personen delegieren (vgl. LAG Niedersachsen v. 3. 4. 2009 - 17 Sa 904/08 E, juris = ZTR 2009, 432 Ls.). Diese Delegation muss aber eindeutig und zweifelsfrei erfolgen, was vorliegend in dem Schreiben vom 14. Nov. 2006 gerade nicht, jedenfalls aber nicht zweifelsfrei, geschehen war.

In diesem Schreiben ist u.a. ausgeführt:

"Wir bitten Sie hiermit, für die Bestellung der Oberärzte und ständigen Vertreter im Angestelltenverhältnis die Teil- und Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung zu benennen und anhand der vorgegebenen Kriterien die Funktion Oberarzt schriftlich zu begründen, ohne Rücksicht darauf, ob diese Funktion von einem beamteten oder angestellten Arzt erfüllt wird. Außerdem ist für die Stufenzuordnung der Zeitpunkt erforderlich, seit dem die Funktion 'Oberarzt' ausgeübt wird. Bei befristet beschäftigten angestellten Ärzten muss eine Aussage getroffen werden, ob die Bestellung zum Oberarzt befristet (bis zu 3 Jahren) oder unbefristet erfolgen soll.

Die erforderlichen Mitteilungen bitten wir mit anliegendem Formular an die Abteilung für Personal- und Rechtsangelegenheiten (z.Hd. Frau D.) zu senden."

Nach Ansicht der Kammer folgt aus dem ersten Satz der wiedergegebenen Passage des Schreibens mit hinreichender Klarheit, dass die Chefärzte nur Personen benennen sollten, die für die entsprechenden Positionen geeignet erschienen. Eine Delegation der Befugnis zur Übertragung einer Position auf den Chefarzt ist der Formulierung nicht zu entnehmen. Klar ersichtlich ist die nicht erfolgte Delegation durch den weiteren Absatz. Die angeschriebenen Chefärzte sollten entsprechende Mitteilung an die Personal- und Rechtsabteilung machen, nicht aber die (freien) Positionen selbst besetzen. Seitens des Arbeitgebers behielt man sich damit die Letztentscheidung vor.

bbb. Durch die - nach Vortrag des Klägers und ausweislich des Schreiben von Prof. Dr. B. vom 28. Juni 2006 (Bl. 21 d. A.) - bereits zum 1. Jan. 1999 durch Prof. Dr. B. erfolgte Übertragung der ständigen Vertreterstelle an den Kläger muss sich das beklagte Land eine Übertragung der Position des ständigen Vertreters nicht im Wege einer Duldungsvollmacht, mit der Folge, dass der Kläger bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nach Entgeltgruppe Ä 4 gem. § 12 TV-Ärzte eingruppiert wäre, zurechnen lassen. Darin liegt keine dem beklagten Land zuzurechnende, konkludente Übertragung i.S.d. LAG Sachsen v. 4. 6. 2008 (a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob es die Übertragung im Wege einer Duldungsvollmacht erfolgen kann. Jedenfalls ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen, dass im Zeitpunkt der Übertragung dem Kläger ersichtliche Umstände gegeben waren, welche die Annahme einer Bevollmächtigung von Prof. Dr. B. für die Übertragung des ständigen Vertreterpostens nahelegten. Es ist nicht vorgetragen, auf Grund welcher Tatsachen, der Kläger annehmen konnte und durfte, dem Arbeitgeber sei die durch den Chefarzt erfolgte Übertragung des Postens bekannt und werde von ihr gebilligt.

Entgegen der Annahme des LAG Sachsen (Urteil v. 4. 6. 2008, a.a.O., unter Rz. 62) kann eine Duldungsvollmacht nicht daraus begründet werden, der Arbeitgeber verhalte sich widersprüchlich, wenn er sich darauf berufe, der Tarifvertrag sehe eine ausdrückliche Übertragung der eingruppierungsrelevanten Tätigkeiten durch ihn vor, die es zu keiner Zeit gegeben habe, obschon er positiv darum wisse, einem Arbeitnehmer sei eine eingruppierungsrelevante Tätigkeit übertragen worden, die er auch - ohne Widerspruch des Arbeitgebers - seit Jahren ausübe. Dieses allein aus der Zeit nach der tatsächlichen Übertragung des Postens des ständigen Vertreters erkennbare Verhalten des Arbeitgebers ist nicht geeignet, eine Duldungsvollmacht zu begründen (vgl. dazu BGH v. 14. 5. 2002 - XI ZR 155/01, NJW 2002, 2325, unter Rz. 18). Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 14. 5. 2002, a.a.O.) führt hierzu aus, zur Annahme einer Duldungsvollmacht kämen nur bei oder vor Vertragsschluss vorliegende Umstände in Betracht. Denn diese sei allein gegeben, "wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn als Vertreter auftritt und der Vertragspartner dieses Dulden dahin versteht und nach Treu und Glauben auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (...)." Das Verhalten des Vertretenen nach Vertragsschluss könne nur unter dem Gesichtspunkt der Genehmigung des Vertrages rechtlich bedeutsam sein.

Im Übrigen kann dem Arbeitgeber vorliegend kein treuwidriges oder widersprüchliches Verhalten i.S.d. § 162 BGB vorgeworfen werden. Denn nach Übertragung der Position des ständigen Vertreters durch Prof. Dr. B. an den Kläger ab 1. Jan. 1999 war dieser tatsächlich auch nach Vergütungsgruppe Ia der Anlage 1a BAT vergütet worden, die in Nr. 5 die Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes ausdrücklich vorsieht. Der Arbeitgeber hatte daher die zutreffende Eingruppierung vorgenommen, ungeachtet des Umstandes, dass auch nach Vergütungsgruppe Ia Nr. 5 Anlage 1a BAT eine "ausdrückliche Anordnung" des Arbeitgebers erforderte (Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT, Stand 8/2008, Teil I, VergGr. Ia, Anlage 1a (B/TdL), Anm. 6, VergGr. Ib Anlage 1a (B/TdL), Anm. 11).

ccc. Eine nachträgliche Genehmigung des Handelns von Prof. Dr. B. (§ 184 BGB), mit der Folge, dass der Kläger auch nach Geltung des TV-Ärzte weiterhin als ständiger Vertreter des leitenden Arztes und der Eingruppierung nach § 12 Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte eingruppiert wäre, ist dem Verhalten des Arbeitgeber nicht zu entnehmen.

Zur Annahme einer Genehmigung der schwebend unwirksam erfolgten Bestellung des Klägers als ständigen Vertreter des leitenden Arztes durch schlüssiges Verhalten wäre vorauszusetzen, dass der Genehmigende - hier der Klinikvorstand - die Unwirksamkeit des Handelns kennt oder zumindest mit ihr rechnet. Sein schlüssiges Verhalten müsste als Ausdruck des Willens zu erkennen sein, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen (BGH v. 14. 5. 2002, a.a.O.; BGH v. 22. 10. 1996 - XI ZR 249/95, NJW 1997, 312 m.w.N.). Dafür sind keinerlei Umstände vorgetragen oder ersichtlich.

3. Auf das Vorliegen der weiteren Eingruppierungsvoraussetzungen, insbesondere der unter den Parteien ebenso umstrittenen Frage, ob der Kläger den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Aufgaben zu mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit vertrete, kommt es danach nicht mehr an.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück