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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 06.02.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 496/05
Rechtsgebiete: MTV für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992


Vorschriften:

MTV für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992
Bereitschaftsruhezeiten (ohne Arbeitseinsatz) einer 24-Stunden-Schicht der Werksfeuerwehr sind nicht als Arbeitszeit zu vergüten.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 496/05

Verkündet am: 6. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

hat die sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Hubert Fexer und Wolfgang Heinlein für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München, Kammer Ingolstadt, in den Ziffern 1. und 2. abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.

2. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München, Kammer Ingolstadt, in den Ziffern 3. und 4. abgeändert.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger ab 14. Oktober 2003 jeweils Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 7 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie West zu bezahlen.

4. Im Übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 1), 2) und 3) 3/5, die Beklagte 2/5.

6. Für die Kläger und die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Vergütung, auf verschiedene Vergütungszuschläge und auf zusätzlichen Urlaub sowie über die Eingruppierung der Kläger.

Der Kläger zu 2) ist im Dezember 2005 bei einem Einsatz im Werk ums Leben gekommen. Seine Erbin führt diesen Rechtsstreit weiter.

Die Kläger waren/sind bei der Beklagten als Sanitäter und Feuerwehrmänner beschäftigt. Auf ihre Arbeitsverhältnisse finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme und jeweiliger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge der chemischen Industrie Anwendung.

Eingruppiert in die Vergütungsgruppe E 6 des Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie war der klägerische Einsatz bis zum 31. Dezember 2002 in vollkontinuierlicher Wechselschicht erfolgt. Seit 1. Januar 2003 arbeiten sie nach Zusammenlegung von Sanitätsstation und Feuerwehr in 24-Stunden-Schichten. Diese Schichten unterteilen sich dabei in jeweils acht Stunden Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaftszeit und Bereitschaftsruhezeit. Im Anschluss an eine 24-Stunden-Schicht haben die Kläger jeweils einen Tag frei. Dabei werden Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaftszeit jeweils mit 100 % des tariflichen Stundenlohns vergütet, die Bereitschaftsruhezeit wird mit einer Pauschale von € 52,-- brutto pro Monat entlohnt. Weiter bekommen die Kläger jeweils 35 Freischichten (entspricht 47 Stunden pro Monat) vergütet.

Zuschläge für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit erhalten die Kläger nicht. Zusätzlicher Urlaub und Schichtzulagen werden ebenfalls nicht gewährt.

Die Kläger möchten ihre Bereitschaftsruhezeiten als Überstunden bewertet und wie Arbeitszeit vergütet bekommen. Daraus errechnen sie eine zusätzliche monatliche Vergütung von € 1.508,22 brutto. Weiter beanspruchen sie für ihre Bereitschaftsruhezeiten die Zahlung von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen, eine Schichtzulage sowie Zusatzurlaub.

Nach ihrem Vortrag erbringen sie ihre Tätigkeit als Sanitäter und Feuerwehrmänner eigenverantwortlich mit einem gehobenen Schwierigkeitsgrad. Sie verlangen deshalb unter Hinweis auf ihre vielfältigen Zusatzqualifikationen auch Eingruppierung in die um rd. € 130,-- brutto pro Monat höher dotierte Vergütungsgruppe E 7 des Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie.

Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 16. September 2003 haben sie ihre Begehren auch gerichtlich geltend machen lassen mit den Anträgen:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger auch während der Bereitschaftsruhezeit seit dem 12. März 2003 vollen Stundenlohn zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger seit 1. Januar 2003 auch während der Bereitschaftsruhezeit Sonntags- und Nachtzuschläge gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 4. Manteltarifvertrag für die chemische Industrie in Höhe von 60 % sonntags und 15 % nachts seit dem 12. März 2003 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger seit 1. Januar 2003 Feiertagszuschläge für 24 Stunden und nicht nur 16 Stunden seit dem 12. März 2003 zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger seit 1. Januar 2003 eine Schichtzulage gemäß § 4 III Ziffer 2. des Manteltarifvertrag für die chemische Industrie in Höhe von 10 % seit dem 12. März 2003 zu bezahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern ab dem Urlaubsjahr 2003 zusätzliche weitere 3 Tage Urlaub zu gewähren.

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger zu 1), zu 2) und zu 3) Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 7 des Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie West nebst 5 % Zinsen auf die jeweiligen Nettodifferenzbeträge seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Vor dem angerufenen Arbeitsgericht München - Kammer Ingolstadt hatten diese Begehren nur in geringem Umfang auch Erfolg. Durch am 13. Januar 2005 verkündetes Endurteil ist entschieden worden:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, seit 12. März 2003 an die Kläger zu 1) bis 3) auch während der Bereitschaftsruhezeit Sonntags- und Nachtzuschläge gemäß § 4 I des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, seit 12. März 2003 an die Kläger zu 1) bis 3) auch während der Bereitschaftsruhezeit Feiertagszuschläge gemäß § 4 I des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie zu zahlen.

3. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 1) bis 3) 8/9 und die Beklagte 1/9.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 175.506,--.

Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Mit der am 10. Mai 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 11. April 2005 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist am 2. Juni 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Darin wird weiterhin betont, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des Manteltarifvertrags davon ausgegangen seien, die Bereitschaftsruhezeit nicht als Arbeit im Sinne des Tarifvertrags zu werten, weil sie der Erholung diene. Auch Zuschläge seien für die Bereitschaftsruhezeit nicht zu leisten. Soweit das Erstgericht die Ansicht vertreten habe, unter den Begriff "Arbeit" falle auch die Bereitschaftsruhezeit, tritt die Beklagte dem unter Hinweis auf den tariflichen Wortlaut in § 4 I. Manteltarifvertrag Chemie entgegen. § 5 II. Ziffer 4. Manteltarifvertrag Chemie schließe Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit bei Arbeits- und Arbeitsbereitschaftsdienst gerade aus, dies müsse damit erst recht für die geringere Belastung des Arbeitnehmers während der Bereitschaftsruhezeit gelten. Für die Tarifvertragsparteien sei völlig klar gewesen, dass Bereitschaftsruhezeit keine Arbeit darstelle. Die Berufungsanträge der Beklagten lauten damit:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt vom 13. Januar 2005, Aktenzeichen 10 b Ca 1889/03 I, in den Ziffern 1. und 2. abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Mit dem am 11. Mai 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben auch die Kläger gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 11. April 2005 zugestellte Ersturteil Berufung einlegen lassen. Die Begründung dazu ist am 10. Juni 2005 eingegangen. Sie lassen ihre erfolglos gebliebenen Anträge weiterverfolgen und führen zur Begründung aus, zum 1. Januar 2003 habe die Zusammenlegung und Gleichbehandlung der Sanitätsstation mit der Feuerwehr stattgefunden. Seitdem seien auch die Kläger auf eine 24-Stunden-Schicht umgestellt worden mit acht Stunden Arbeitszeit, acht Stunden Arbeitsbereitschaftszeit sowie acht Stunden Bereitschaftsruhezeit.

Bei der Berufsfeuerwehr werde ein Tag (24 Stunden) gearbeitet, danach seien zwei Tage arbeitsfrei. Bei der Werksfeuerwehr würden 24 Stunden gearbeitet, danach habe sie lediglich einen Tag frei. Dadurch ergebe sich eine Arbeitszeit von 295 Stunden pro Monat, wovon jedoch lediglich 196 Stunden auch tatsächlich bezahlt werden. Der frühere Manteltarifvertrag habe vorgeschrieben, dass innerhalb der 24-Stunden-Schicht für die acht Stunden Arbeitszeit Stundenlohn in Höhe von 100 % bezahlt werde, für die acht Stunden Bereitschaftsdienst der Stundenlohn bei 60 % liege und für die acht Stunden Bereitschaftsruhezeit ein Stundenlohn von 40 % zu zahlen sei. Der aktuelle Manteltarifvertrag enthalte immer noch die Aufteilung der 24-Stunden-Schicht in die gleichen Zeitbereiche, die ehemalige prozentuale Lohnaufsplittung sei jedoch nicht mehr enthalten. Damit bezahle die Beklagte die acht Stunden Bereitschaftsruhezeit überhaupt nicht mehr. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass sich bei den Klägern aufgrund ihrer Doppeltätigkeit auch der Aufgabenbereich erweitert habe. Mit der monatlichen Pauschale von € 51,13 würden auch Unterbrechungen der Bereitschaftsruhezeit vergütet wie

Werkzeug-, Material-, Streusalzausgabe,

Warenannahme,

Schlüsseldienste,

die nichts mit dem Aufgabenbereich einer Werksfeuerwehr zu tun hätten. Diese Aussage sehen die Kläger durch die Betriebsvereinbarung vom 9. September 2003 bestätigt.

Solche Zusatzaufgaben sind in den Augen der Kläger unzulässig, da nach § 5 II. Ziffer 3. die Bereitschaftsruhe nur für unvorhergesehene erforderliche Arbeiten innerhalb des Aufgabenbereichs der WFW (z. B. Feueralarm) unterbrochen werden dürfe. Die Kläger leiten daraus Ansprüche auf Bezahlung des vollen Stundenlohns auch während der Bereitschaftsruhezeit sowie bei tatsächlichen Nachteinsätzen auf weitere Mehrarbeitszuschläge von 25 % gemäß § 45 III. des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie ab.

Arbeitsbereitschaft sei ein Fall von Vollarbeit, wenn vom Arbeitnehmer eine "wache Achtsamkeit" im Zustand der Entspannung verlangt wird. Davon ausgehend werten es die Kläger als ungerecht, wenn acht Stunden Bereitschaftsruhezeit der Werksfeuerwehr mit 0 % vergütet, das heißt nicht bezahlt werden, während die Werkstätten für eine Woche Rufbereitschaft ohne jeglichen Arbeitseinsatz eine Grundvergütung von € 214,00 erhalten. Mit Arbeitseinsatz kämen bei den Beschäftigten in Werkstätten sogar noch Zuschläge wie Fahrtkosten, Wegezeitpauschale sowie Samstags-, Sonn- und Feiertagszuschläge hinzu.

Daraus leiten die Kläger eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Arbeitnehmer bei vergleichbaren Arbeitseinsätzen ab. Sie verweisen auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil Norbert Jäger vom 9. September 2003 dahin, dass jeglicher Bereitschaftsdienst, der vor Ort beim Arbeitgeber geleistet wird, Arbeitszeit sei, unabhängig davon, ob er sich nun Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsruhe nennt. Gleiches müsse auch für die Bereitschaftsruhezeit gelten, während der die Kläger verpflichtet sind, sich innerhalb des Betriebs aufzuhalten und sich auf Anforderung des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten, auch wenn sie dort ruhen dürfen.

Die Kläger beanstanden die ihnen gezahlte monatliche Pauschale von € 51,13 für acht Stunden Bereitschaftsruhezeit als in keiner Weise angemessene Vergütung. Daran könnten aus ihrer Sicht auch die ihnen gewährten 35 bezahlten Freischichten im Jahr nichts ändern. Ausgehend von 365 Tagen im Jahr errechnen sie für die vorhandenen zwei Mannschaften 182,5 Tage (Schichten) pro Mannschaft, abzüglich 35 Freischichten verblieben 147,5 Tage (Schichten) pro Mannschaft. Nach der Betriebsvereinbarung vom 9. September 2003 würden nur diese 147,5 Schichten à 16 Stunden bezahlt, nicht dagegen die 35 Freischichten. Diese Freischichten sind nach Ansicht der Kläger durch die Verkürzungen der tariflichen Wochenarbeitszeit entstanden. Nach der Betriebsvereinbarung vom 9. September 2003 verringerten sich diese Freischichten aber bei Krankheit oder Kur, was die Kläger ebenfalls beanstanden. Vor allem aber sind sie nicht damit einverstanden, dass sie aus ihrer Sicht monatlich unbezahlte Mehrarbeit von 98 Stunden leisten.

Die Schichtzulage von 10 % wird aus § 4 Abs. 3 Ziffern 1. und 2. des Manteltarifvertrags Chemie abgeleitet. Voraussetzung dafür sei, dass Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher oder teilkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt sind und regelmäßig in ihrem Schichtenturnus Nachtschichten leisten. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen auch bei den Klägern findet man im Einzelnen dargestellt.

Der zusätzliche Urlaubsanspruch wird aus § 12 Abs. 2 Ziffer 2 des Manteltarifvertrags Chemie abgeleitet, dessen Voraussetzungen die Kläger wiederum als gegeben ansehen.

Ihr Höhergruppierungsbegehren rechtfertigen die Kläger mit ihrer Doppeltätigkeit als Rettungsassistenten und Feuerwehrmänner/geprüfte Brandschutzfachkräfte. Sie verweisen auf ihre gesonderte Ausbildung für sanitätsärztliches Assistenzpersonal und ihre mehr- bis langjährigen Berufserfahrungen. Die zahlreich abgelegten Prüfungen werden im Einzelnen dargestellt (vgl. Blatt 195 bis 198 der Akte). Ein Rettungsassistent stehe gemäß dem bayerischen Rettungsdienstgesetz bezüglich seiner Qualifikation über einem Rettungssanitäter. Auch übten sie ihre Tätigkeiten bei Unfällen sowie allen Erstehilfemaßnahmen eigenverantwortlich aus.

Die Berufungsanträge der Kläger lauten damit:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt vom 13. Januar 2005, Az.: 10b Ca 1889/03 I, wird bezüglich Ziffern 3. und 4. aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klagepartei auch während der Bereitschaftsruhezeit seit 12. März 2003 den vollen Stundenlohn zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, seit 12. März 2003 an die Klagepartei eine Schichtzulage gemäß § 4 Abs. 3 Ziffer 2. Manteltarifvertrag für die chemische Industrie zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern ab dem Urlaubsjahr 2003 zusätzlich weitere drei Tage Jahresurlaub zu gewähren.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger jeweils Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 07 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie West zu zahlen.

Zur von der Beklagten eingelegten Berufung beantragen die Kläger:

die Berufung der Beklagten bezüglich Ziffern 1. und 2. des Urteils zurückzuweisen.

Darauf bezogen stimmen die Kläger den Ausführungen des Erstgerichts zu.

Die Beklagte lässt beantragen:

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Den klägerischen Ausführungen zur Bezahlung der Bereitschaftsruhezeit als volle Arbeitszeit tritt die Beklagte entgegen. Zur früheren tariflichen Staffelung zwischen Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaftszeit und Bereitschaftsruhezeit von 100 %, 60 % und 40 % wird angemerkt, dass diese lediglich umgeschichtet worden sei auf die Staffelung 100 %, 100 % und 0 %. Dass tatsächlicher Arbeitseinsatz bei größeren Nachteinsätzen (Unfälle, Explosionen, Feuer) bereits mit der Pauschale abgegolten sein soll, lässt die Beklagte bestreiten. Lediglich die Ruhezeit, in der die Kläger ruhen/schlafen, werde nicht gesondert vergütet, Zeiten der wachen Bereitschaftszeit bezahle die Beklagte dagegen wie Arbeitszeit, auch wenn die Kläger keinerlei Arbeiten verrichten. Dementsprechend müsse die Vergütung der 24-Stunden-Schicht auch als Gesamtheit gesehen werden, es könnten nicht lediglich die letzten acht Stunden herausgegriffen werden.

Der klägerische Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts - 6 AZR 352/89 wird zurückgewiesen. Während der Bereitschaftsruhezeit liege im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft gerade keine "wache Achtsamkeit" vor, die eine Entlohnung rechtfertige. Arbeitsbereitschaft werde von der Beklagten sogar überobligatorisch wie Arbeit vergütet.

Auch mit der Vergütung von Rufbereitschaft bei Werkstätten könne die Bereitschaftsruhezeit der Kläger nicht verglichen werden. Zum einen sei die Rufbereitschaft eine andere Art von Bereitschaft, zum anderen habe man bereits darauf hingewiesen, dass Vergütungsregelungen nur in einem Gesamtzusammenhang beurteilt werden könnten.

Das Rechenbeispiel der Kläger mit monatlich 98 Stunden unbezahlte Mehrarbeit lässt die Beklagte zurückweisen. Aus ihrer Sicht leisten die Kläger jeden Monat 196,66 Stunden Bereitschaftsdienst, die vergütet werde auf der Basis von 98,33 zu 100 % bezahlten Stunden plus der genannten Pauschale. Jede Stunde Bereitschaftsdienst werde also mit mehr als 50 % des vollen Arbeitsentgelts vergütet. Dies erscheint der Beklagten angemessen als Vergütung für Zeiten, in denen keine eigentliche Arbeitsleistung erfolge.

Dem Höhergruppierungsbegehren steht die Beklagte ebenfalls ablehnend gegenüber. Nach dem Tarifvertrag sei völlig unerheblich, welche Berufserfahrungen die Kläger, welche staatlichen Prüfungen sie abgelegt haben und über welche Qualifikationen sie verfügten. Maßgeblich sei allein, welche Tätigkeiten sie ausübten wie lange am Tag mit welchem Schwerpunkt und welcher Intensität. Hierzu fehle bislang aber jeglicher substantiierter Vortrag.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Beklagtenvertreter vom 2. Juni 2005 (Blatt 175 bis 178 der Akte), auf die Berufungsbegründung der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 10. Juni 2005 (Blatt 181 bis 201 der Akte) und ihre Berufungsbeantwortung vom 24. Juni 2005 (Blatt 203 bis 205 der Akte), auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 13. Juli 2005 (Blatt 207 bis 211 der Akte), auf die Schriftsätze der Parteivertreter jeweils vom 13. Oktober 2005 (Blatt 217 und Blatt 218/219 der Akte) mit Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Dezember 2005 (Blatt 223 bis 225 der Akte) mit Anlagen, auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 11. Januar 2006 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Januar (Blatt 232/233 der Akte) und vom 6. Februar 2006 (Blatt 234/235 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässig (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520, 521, 522, 522 a ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG).

Für den im Dezember 2005 auf tragische Weise ums Leben gekommenen Kläger zu 2) hat dessen Ehefrau und Alleinerbin das Verfahren aufgenommen. Eine Unterbrechung des Verfahrens war nicht eingetreten, da sich (auch) der Kläger zu 2) im Berufungsverfahren anwaltschaftlich hatte vertreten lassen.

In der Sache haben beide Rechtsmittel dann allerdings nur zum Teil auch Erfolg. Gerechtfertigt ist das Verlangen auf Höhergruppierung der Kläger in die Vergütungsgruppe E 7 des Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie. Die weiteren zur Entscheidung gestellten Zahlungsbegehren müssen dagegen erfolglos bleiben, denn es gibt dafür keine tragfähigen Rechtsgrundlagen.

1. Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2005 auf den Seiten 8 ff. zu Recht die geforderte Bezahlung des vollen Stundenlohns für die Zeiten der Bereitschaftsruhezeit abgelehnt. Der dazu gegebenen zutreffenden Begründung folgt die Berufungskammer (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die pauschale Entlohnung in Höhe von monatlich € 250,-- brutto für die Bereitschaftsruhezeit kann nicht isoliert betrachtet werden. Daneben erhalten die Kläger über ihren Urlaubsanspruch hinaus 35 bezahlte Freischichten (á 24 Stunden) im Jahr. Die Beklagte errechnet daraus monatlich 47 voll bezahlte Stunden, eine durchaus ins Gewicht fallende zusätzliche Vergütung für die Bereitschaftsruhezeit. Dass Nachteinsätze für Unfälle, Explosionen, Feuer, Betriebsstörungen, die über drei Stunden hinausgehen, damit nicht abgegolten sind, vielmehr mit dem Grundlohn nebst Mehrarbeitszuschlag zusätzlich vergütet werden, folgt aus Ziffer 5. der Betriebsvereinbarung vom 9. September 2003 (Blatt 121 der Akte). Die weiteren von den Klägern eingewandten Tätigkeiten während der Bereitschaftsruhezeit (Werkzeug-, Material-, Streusalzausgabe, Warenannahme, Schlüsseldienste) lassen den dafür aufgewandten zeitlichen Umfang pro Woche/Monat nicht erkennen. Er kann aber allenfalls im Minutenbereich liegen und ist damit nicht in der Lage, die gesamte Bereitschaftsruhezeit unter die lohnpflichtige Arbeitszeit fallen zu lassen. Gegebenenfalls müssen solche Tätigkeiten, sollten sie zeitmäßig ins Gewicht fallen, mit Grundlohn nebst Mehrarbeitszuschlag abgerechnet werden.

Das Bemühen, den Anspruch auf Bezahlung des vollen Stundenlohns für die Bereitschaftsruhezeit aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleiten, kann ebenfalls nicht gelingen. Die angesprochenen Sachverhalte (Rufbereitschaft bei Werkstätten; Berufsfeuerwehr) sind mit der streitgegenständlichen Bereitschaftsruhezeit einer 24-Stunden-Schicht der Werksfeuerwehr schon vom Tatsächlichen her nicht vergleichbar.

2. Zu Recht sind vom Erstgericht auch Ansprüche auf Zahlung einer Schichtzulage gemäß § 4 Abs. 3 Ziffer 2. Manteltarifvertrag für die chemische Industrie abgelehnt worden. Die Kläger waren im streitbefangenen Zeitraum nicht in voll- oder teilkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt, sie erbringen - unstreitig - ihre Arbeitsleistung seit Januar 2003 in 24-Stunden-Schichten. Für diese sieht der angesprochene Manteltarifvertrag die Zahlung von Schichtzulagen aber nicht vor.

3. Soweit das Erstgericht den Klägern während der Bereitschaftsruhezeit Sonntags- und Nachtzuschläge sowie Feiertagszuschläge zugesprochen hat, folgt ihm die Berufungskammer nicht. In diesem Umfang hat die von der Beklagten eingelegte Berufung Erfolg, die darauf gerichteten Klageanträge sind ebenfalls abzuweisen. Die Bereitschaftsruhezeit dient der Erholung (vgl. § 5 II. Ziff. 3 Abs. 2 Manteltarifvertrag Chemie) und kann deshalb nicht als "Arbeit" im Sinne von § 4 I. Manteltarifvertrag Chemie gewertet werden. Für Ruhezeiten sieht der Manteltarifvertrag Chemie Sonntags- und Nachtzuschläge sowie Feiertagszuschläge nicht vor.

4. Erfolg hat die von den Klägern eingelegte Berufung, soweit weiterhin Bezahlung nach Vergütungsgruppe E 7 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie verlangt wird. Bislang werden die Kläger nach Vergütungsgruppe E 6 bezahlt. Diese Vergütungsgruppe erfasst Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene mindestens dreijährige Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben worden sind. Das Merkmal der abgeschlossenen Berufsausbildung wird dabei erfüllt durch den erfolgreichen Abschluss z.B. einer Handwerkerausbildung sowie einer Ausbildung zum Kaufmann, Chemikanten, Pharmakanten, Technischen Zeichner oder zur Fachkraft für Lagerwirtschaft. Arbeitnehmer ohne eine derartige planmäßige Ausbildung, die aufgrund mehrjähriger Berufspraxis gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten erworben haben und entsprechende Tätigkeiten ausüben, gehören ebenfalls hierher. Von den Tarifvertragsparteien formulierte Richtbeispiele runden diese Beschreibung ab.

Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 6 hinaus erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen und in der Regel nach allgemeinen Anweisungen ausgeführt werden, sind dagegen nach Vergütungsgruppe E 7 zu bezahlen. Darunter fallen dann Arbeitnehmer, die Tätigkeiten verrichten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 6 hinausgehen und für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben worden sind und einen größeren Abstraktionsgrad der Lerninhalte aufweisen. Diese Merkmale werden erfüllt durch den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zum Chemielaboranten, einem vergleichbaren Laboranten, zum IT-System-Elektroniker, IT-System-Kaufmann oder zum Prozessleitelektroniker. Von den Tarifvertragsparteien formulierte Richtbeispiele schließen sich wiederum an. Sanitäter und Feuerwehrmann sind unter den Richtbeispielen der Gruppen E 6 und E 7 aber nicht zu finden.

Durch das Zusammenlegen von Sanitätsstation und Feuerwehr verrichten die Kläger seit dem 1. Januar 2003 Tätigkeiten als Sanitäter und als Feuerwehrmann. Die von ihnen abgelegten Prüfungen können den Zusammenstellungen auf den Seiten 8 ff. der Klageschrift vom 16. September 2003 und auf den Seiten 15 ff. der klägerischen Berufungsbegründung vom 10. Juni 2005 entnommen werden.

Die bisherige Eingruppierung der Kläger setzt eine normale, einfache Berufsausbildung voraus, wie sie in circa drei Jahren im Alter zwischen 15 und 18 Jahren absolviert wird. Abschluss ist die Gesellen- bzw. Gehilfenprüfung.

Die Vergütungsgruppe E 7 setzt dagegen Berufserfahrung und eine weitere Prüfung voraus, die z.B. den Meistertitel verleiht oder aber zu einem dem Meister gleichwertigen bzw. vergleichbaren Abschluss führt.

Ein Krankentransport muss mit (mindestens) einem Rettungssanitäter besetzt sein, ein Rettungswagen mit (mindestens) einem Rettungsassistenten, dem - bei Abwesenheit eines Arztes - die Notfallkompetenz zusteht. Daraus folgt, dass einem Rettungsassistenten ein hohes Maß an Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz zukommt. Rettungsassistent wird man nach vorheriger Ausbildung (jetzt drei Jahre) mit theoretischen und praktischen Ausbildungsabschnitten und nach bestandener staatlicher Abschlussprüfung. Diese richtet sich nach dem Gesetz über den Beruf der Assistenten/innen. Ausgehend von den Prüfungszeugnissen und -urkunden der Kläger, die beklagtenseits unbestritten geblieben sind, verrichten diese als Sanitäter und Feuerwehrmann Tätigkeiten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 6 hinausgehen, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz anerkannten oder gleichgestellten Ausbildungsberuf erworben worden sind und einen größeren Abstraktionsgrad der Lerninhalte aufweisen. Dass die Kläger bei ihrem Einsatz als Werkfeuerwehr der Beklagten diese Kenntnisse und Fertigkeiten auch regelmäßig anwenden, sollte trotz des etwas ungewöhnlichen Bestreitens der Beklagten auf Seite 5 (Blatt 211 der Akte) ihres Schriftsatzes vom 13. Juli 2005 gesichert sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Ende der Entscheidung

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