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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 869/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 322
Ist der Tenor eines rechtskräftigen Urteils auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet, kann die Klägerin darauf gestützt nicht auf Erfüllung klagen.

Hier: Verpflichtung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmerin für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum Versorgungsanwartschaften zu verschaffen bei einer Versicherung, bei welcher der Arbeitgeber zu keiner Zeit eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet hatte.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 869/06

Verkündet am: 27. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter von Platzer und Hartl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin vom 20. Juli 2006 gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München vom 21. Juni 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersversorgung.

Die 1950 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 23. März 1981 bis 30. September 1995 als Küchenhilfe, Köchin und Betreuerin des Studentenwohnheims beschäftigt gewesen. Der von den Parteien unter dem 11. September 1991 (erstmals) schriftlich niedergelegte Arbeitsvertrag (Blatt 9 bis 13 der Akte) enthält in § 6 die Zusage:

Die Arbeitnehmerin wird in die Zusatzversorgung des S. aufgenommen.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hatte durch einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag vom 4./14. September 1995 (Blatt 14 der Akte) sein Ende gefunden. Darin war der Klägerin für den Verlust ihres Arbeitsplatzes sowie zum Ausgleich sämtlicher sonstiger Ansprüche in Anlehnung an die §§ 9, 10 KSchG ein Einmalbetrag von DM 40.000,00 zugesagt worden. Gleichzeitig enthielt dieser Aufhebungsvertrag unter III. eine Abgeltungsklausel dahin, dass mit Zahlung dieses Betrages sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aus jedwedem Rechtsgrund, gleich ob fällig, bedingt oder befristet, zwischen den Parteien abgegolten und erledigt sind.

Nach ihrem Ausscheiden bei der Beklagten war die Klägerin bei einem Arbeitgeber beschäftigt, der eine Zusatzversorgung entsprechend § 18 BetrAVG unterhielt. Im Rahmen einer Anfrage beim Träger dieser Zusatzversorgung, der Bayerischen Versorgungskammer, wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Beklagte keinerlei Beitragszahlungen an die Bayerische Versorgungskammer entrichtet hatte.

Mittels einer Stufenklage nach § 254 ZPO verlangt sie ihre Wiederaufnahme in die Zusatzversorgung der Beklagten bei der Bayerischen Versorgungskammer. Vor dem mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 21. Mai 2003 angerufenen Arbeitsgericht München -Kammer Ingolstadt - hatte sie dann auch ein Teilurteil erstritten dahin, dass die Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin die Versorgungsanwartschaften zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie vom 11. September 1991 bis 30. September 1995 in der Zusatzversorgung der Beklagten bei der Bayerischen Versorgungskammer versichert gewesen wäre. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Teilurteils vom 23. November 2004 wird Bezug genommen.

Nach Rechtskraft dieser Entscheidung hat die Beklagte mitteilen lassen, für ihre Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt bei der Bayerischen Versorgungskammer eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet gehabt zu haben. Zusatzversorgungen für ihre Mitarbeiter seien vielmehr stets allein bei der Bayern Versicherung abgeschlossen worden. Davon ausgehend sei die Klägerin von der Beklagten dann auch bei der Bayern Versicherung entsprechend nachversichert worden.

Die Klägerin war damit nicht zufrieden gewesen und hatte vor dem Erstgericht nun die weiteren Anträge ihrer Stufenklage zur Entscheidung stellen lassen dahin:

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe des zum Zeitpunkt der Auflösung der Zusatzversorgung der Klägerin bestehenden Kontostandes, der auf die von der Beklagten im Zeitraum 23. März 1981 bis 30. September 1995 in die Zusatzversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer, Versicherungs-Nr. ..., eingezahlten Beiträge zurückzuführen ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft nach II. eidesstattlich zu versichern.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, 10.538,00 DM (= 5.387,99 EUR) auf das Konto der Klägerin bei der Bayerischen Versorgungskammer, Vers.-Nr. ..., einzuzahlen zuzüglich der Beträge, die einem ordnungsgemäßen Versicherungsverlauf seit 1. Juni 1996 entsprechen.

IV. Diese Anträge sind vor dem Arbeitsgericht München - Kammer Ingolstadt - nunmehr erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des die Klageanträge II. bis IV. abweisenden Schlussurteils vom 21. Juni 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 24. Juli 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozeßbevollmächtigten am 13. Juli 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihre erfolglos gebliebenen Anträge weiter. Die Begründung dazu ist am 13. September 2006 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, die Ansprüche auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Zahlung an die Bayerische Versorgungskammer zu Unrecht abgewiesen zu haben. Die Beklagte habe ihre Verurteilung im Teilurteil vom 23. November 2004 nicht angegriffen. Damit sei es rechtskräftig geworden und die Beklagte nunmehr verpflichtet, der Klägerin die Versorgungsanwartschaften zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie vom 11. September 1991 bis 30. September 1995 in der Zusatzversorgung der Beklagten bei der Bayerischen Versorgungskammer versichert gewesen wäre. Der beklagtenseits behauptete Abschluss einer "Direktversicherung" bei der Bayern Versicherung sei nicht geeignet, Ansprüche aus dem rechtskräftigen Teilurteil zu erfüllen.

Weiter wird dem Erstgericht vorgehalten, beim größten Teil des in den unstreitigen Tatbestand aufgenommenen Sachverhalts verkannt zu haben, dass er in Wahrheit bestritten gewesen war. Die erforderliche Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird als verletzt angesehen, weil sich das Erstgericht mit dem klägerischen Sachvortrag seit Klageerhebung am 21. Mai 2003 weitgehend nicht befasst habe. Dazu gehöre die Auflösung des Zusatzversorgungsvertrags der Klägerin nach deren Ausscheiden. Das klägerische Arbeitsverhältnis müsse als Teil der Beschäftigung im Öffentlichen Dienst betrachtet werden mit der Folge, dass nicht nur eine Unverfallbarkeitsanwartschaft vorgelegen habe, sondern auch der entsprechende Auskunftsanspruch gegeben gewesen sei. Auf jeden Fall wird die Beklagte als verpflichtet angesehen, die Ansprüche der Klägerin wieder herzustellen, die ohne die eigenmächtige Auflösung der Versicherung bei vertragsgemäßem Verlauf bestehen würden. Der erstinstanzliche klägerische Vortrag zu den Klageanträgen II. bis IV. wird wiederholt und auf die wechselnden Sach- und Rechtsausführungen der Beklagten hingewiesen. Dies habe dann zur Verurteilung der Beklagten durch das Teilurteil vom 23. November 2004 geführt. Diese Leistung sei weder unmöglich noch nach § 242 BGB ausgeschlossen. Begehrt werden weiterhin Leistungen, die zu erfüllen wären, wenn die Klägerin durchgehend den Versicherungsverlauf bei der Bayerischen Versorgungskammer gehabt hätte. Dabei spiele keine Rolle, ob eine Nachversicherung der Klägerin bei der Bayerischen Versorgungskammer möglich wäre. Die Beklagte müsse der Klägerin den durch ihr Verhalten entstandenen nachteiligen Versicherungsverlauf in voller Höhe ausgleichen. Die Klägerin dürfe nicht schlechter gestellt werden, wie wenn sie durchgehend beim gleichen Versicherungsunternehmer versichert gewesen wäre. Die Berufungsanträge lauten deshalb:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 21. Juni 2006, Az. 10 b Ca 1034/03 I, wird abgeändert. Die Beklagte wird entsprechend den Schlussanträgen der I. Instanz für die Ziffern II. - IV. verurteilt.

Die Beklagte lässt beantragen:

Die Berufung zurückzuweisen.

In der Begründung dazu lässt sie darauf hinweisen, dass sie eine Stiftung des Öffentlichen Rechts sei, deren Geschäftsgebaren, Buchhaltung und Rechnungslegung in vielfacher Weise von der Regierung von Oberbayern kontrolliert werde. Gleiches gelte für die Anstellungsverträge und die verschiedenen Formen der Altersversorgung bzw. Zusatzversorgung dieser Mitarbeiter.

Im Folgenden lässt die Beklagte die erstinstanzliche Verhandlung vor Verkündung des Teilurteils schildern und ihre Versuche, die tenorierte Verurteilung umzusetzen. Aus ihrer Sicht ist es in der Verhandlung zu einer Verwechslung des Namens der Versicherung gekommen, bei der sie ihre Mitarbeiter im Rahmen einer Zusatzversicherung versichert habe. Dies sei während der gesamten Verfahrensdauer nicht aufgefallen, diese Verwechslung wird als unschädliche "falsa demonstratio" bezeichnet.

Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Verbindungen zur Bayerischen Versorgungskammer unterhalten, dort auch niemals Zusatzversicherungen für Mitarbeiter begründet. Der Klägerin wird entgegengehalten, dies nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Aus Sicht der Beklagten ist die Forderung, für die Klägerin Versorgungsanwartschaften bei der Bayerischen Versorgungskammer zu begründen oder fortzuführen, aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht zu erfüllen.

Die Klägerin hält demgegenüber an ihrem Vorbringen fest und besteht auf Erfüllung des rechtskräftigen Teilurteils.

Die Berufungskammer hat auf der Grundlage ihres Beweisbeschlusses vom 27. Februar 2007 Herrn A., Abteilungsleiter Zusatzversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer, als sachverständigen Zeugen vernommen. Seine unbeeidigt gebliebene Aussage ist in der Sitzungsniederschrift vom 27. Februar 2007 (Blatt 259 bis 263 der Akte) festgehalten worden.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 13. September 2006 (Blatt 203 bis 209 der Akte), auf die Berufungserwiderung vom 10. Oktober 2006 (Blatt 216 bis 220 der Akte) mit Anlagen sowie auf die schriftsätzlichen Ausführungen der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 13. November 2006 (Blatt 227 bis 230 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, auch die weiteren Anträge ihrer Stufenklage zugesprochen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Zu diesem Ergebnis war mit im Ergebnis zutreffenden Überlegungen bereits das Erstgericht gelangt.

Wesentlich für die Berufungskammer ist die Aussage des sachverständigen Zeugen Herrn A. gewesen, der zunächst einmal den Beklagtenvortrag bestätigt hat, dass das Studienseminar Neuburg a.d. Donau für ihre Mitarbeiter bei der Bayerischen Versorgungskammer zu keinem Zeitpunkt eine Zusatzversorgung abgeschlossen hatte. Auf das Teilurteil des Erstgerichts vom 23. November 2004 angesprochen hat Herr A. bekundet, dass eine echte Nachversicherung der Klägerin für diesen Zeitraum bei der Bayerischen Versorgungskammer mangels Bestehens eines von der Beklagten abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages in diesem Zeitraum mit der Bayerischen Versorgungskammer nicht möglich ist. An dieser Rechtslage vermag auch die Rechtskraft des Teilurteils vom 23. November 2004 nichts zu ändern, sie gestaltet das materielle Recht nicht um. Versorgungsanwartschaften in einer Zusatzversorgung der Beklagten bei der Bayerischen Versorgungskammer für die Zeit vom 11. September 1991 bis 30. September 1995 können der Klägerin deshalb nicht verschafft werden. Nachträglich und nur für die Klägerin ist das unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr möglich.

Soweit die Klägerin nach § 6 des von den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 11. September 1991 in die Zusatzversorgung des S. aufzunehmen war, lässt sich daraus ein Anspruch auf Verschaffung von Versorgungsanwartschaften in einer Zusatzversorgung der Beklagten bei der Bayerischen Versorgungskammer ebenfalls nicht ableiten. Für Mitarbeiter ihres S. hatte die Beklagte allein bei der Bayern Versicherung eine Zusatzversorgung abgeschlossen. Daran war dann auch die Klägerin zu beteiligen.

Damit muss der zur Entscheidung gestellte Auskunftsanspruch (II.) erfolglos bleiben. Bei der Bayerischen Versorgungskammer gibt es für den Zeitraum 23. März 1981 bis 30. September 1995 keinen durch Versicherungsleistungen der Beklagten erhöhten Kontostand zu Gunsten der Klägerin. Die Klägerin war dort über die Stadt N., von 1997 bis 1999 versichert worden, aber nicht mehr von der Beklagten.

Bleibt der Auskunftsanspruch erfolglos, entfällt auch eine Verpflichtung der Beklagten, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskunft eidesstattlich zu versichern.

Und da - wie schon ausgeführt - die Beklagte mit der Bayerischen Versorgungskammer keinen Zusatzversorgungs-Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, muss sie auch nicht die in Antrag IV. bezifferten Zahlungen auf das dortige Versicherungskonto der Klägerin leisten.

Der sachverständige Zeuge Herr A. hat seine Aussage sachlich und nachvollziehbar zu Protokoll gegeben. Als Abteilungsleiter Zusatzversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer war er mit den Fragestellungen vertraut und konnte sie aus eigenem Wissen sachkundig beantworten. Seine Bekundungen entsprechen auch der Rechtslage. Die Berufungskammer hat damit keine Bedenken (§ 286 ZPO), ihre Entscheidung auf seine Aussage zu stützen.

Bleibt die Berufung erfolglos, hat die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Für eine Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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