Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 11.11.2003
Aktenzeichen: 6 TaBV 16/03
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, GG


Vorschriften:

BetrVG § 95
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 612a
GG Art. 3 Abs. 2
Einzelfallentscheidung über einen Zustimmungsersetzungsantrag.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

6 TaBV 16/03

Verkündet am: 11. November 2003

In dem Beschlussverfahren

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 11. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Prael und Sturm für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

2. Für den Betriebsrat wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn M. P. bereits als erteilt gilt, hilfsweise, diese Zustimmung zu ersetzen.

Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) unterhält in München eine Generalverwaltung mit einem aus neun Mitgliedern bestehenden Betriebsrat (Beteiligter zu 2).

Arbeitgeber und Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat sind seit Jahren bestrebt, Frauen in der X-Gesellschaft beruflich zu fördern. Mit dieser Zielrichtung sind zu nennen:

- Gesamtbetriebsvereinbarung über die Zusammenarbeit von Generalverwaltung und Gesamtbetriebsrat der X-Gesellschaft in Sachen "Gleichstellung von Frauen und Männern in der X-Gesellschaft" (Blatt 56 bis 59 der Akte);

- Frauenförder-Rahmenplan vom 26. März 1998 (Blatt 124 bis 136 der Akte) mit Anlagen;

- Senatsbeschluss vom 24. März 1995 zur Anpassung der Regelungen des Gesetzes zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes an die Besonderheiten der X-Gesellschaft = Anlage 2 zum Frauenförder-Rahmenplan (Blatt 145 bis 157 der Akte).

Im Frühjahr 2002 hatte der Antragsteller für die Finanzabteilung der Generalverwaltung zum nächstmöglichen Eintritt eine Referatsleiterin/einen Referatsleiter "Beteiligungen" gesucht und diese Stelle intern wie extern (intern vom 15. bis 22. April 2002) ausgeschrieben (Blatt 7 der Akte). Unter den darauf eingegangenen 32 Bewerbungen waren drei aus der Generalverwaltung gekommen.

Mit neun Bewerber/innen, darunter alle internen Bewerber, wurden Vorstellungsgespräche geführt, in die zweite Runde sind drei Bewerber (Frau Dr. H.-R. sowie die Herren L. und P.) gekommen, in der dritten Runde (am 5. Juli 2002) war Herr P. dann allein gewesen und ihn wählte der Antragsteller auch aus. Herr P. war damals 35 Jahre alt gewesen, er hatte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sein Studium der Rechtswissenschaften mit einem überdurchschnittlichen Erfolg, das erste und zweite Staatsexamen jeweils mit Prädikat, abgeschlossen. Bis 1996 war er als Rechtsanwalt bei der F. Management GmbH, der T.-T. GmbH sowie bei der I.- und Gr. G. GmbH auf den Gebieten Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Projektplanung und -Abwicklung sowie auf allen Gebieten des Technologietransfers tätig gewesen, vor allem im Hinblick auf Konzeption, Begründung und Betreuung von StartUps.

Wesentlich war dem Antragsteller bei seiner Auswahlentscheidung zu Gunsten Herrn P.s gewesen, dass dieser Bewerber in den Vorstellungsgesprächen eine außerordentliche geistige Beweglichkeit gezeigt hatte, eine klare Strukturierung der Gedankenführung, die Fähigkeit, Argumente aufzugreifen und diese in ein Gesamtkonzept einzubeziehen. Er habe hohes Durchsetzungsvermögen bei gleichzeitiger Konsensfähigkeit erkennen lassen und nachdrücklich die Bereitschaft und Fähigkeit vermittelt, Arbeitsprozesse im Team kooperativ und erfolgsorientiert zu organisieren. Vor dem Hintergrund der Aufgabe, konzeptionelle Vorstellungen zum Aufgabenbereich des Referats zu entwickeln, hat sich in den Augen des Arbeitgebers/Antragstellers Herr P. anhand der genannten Kriterien mit Abstand als der geeignete Bewerber erwiesen.

Von der Zentralen Gleichstellungsbeauftragten ist diese Auswahlentscheidung mit Schreiben vom 22. Juli 2002 (Blatt 8 der Akte) beanstandet worden. Der mit Schreiben vom 22. Juli 2002 (Blatt 9/10 der Akte) zwecks Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung angegangene Betriebsrat hat die vom Antragsteller zu Gunsten von Herrn P. und zu Lasten von Frau Dr. H.-R. gezogenen Schlussfolgerungen als unangemessen und auch nicht nachvollziehbar bezeichnet sowie gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung von Herrn P. verweigert. Auf sein diesbezügliches Schreiben vom 26. Juli 2002 (Blatt 17 bis 24 der Akte) wird Bezug genommen.

Der Arbeitgeber wertet diese Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich, da sich der Betriebsrat lediglich formal auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG berufe, ohne darzulegen, inwiefern diese Bestimmungen der beabsichtigten Einstellung entgegenstehen. Auch § 80 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verbiete nicht die Einstellung des männlichen Bewerbers; der Frauenförder-Rahmenplan enthalte keinen Rechtssatz, aus dem ein bestimmter Bewerber einen Anspruch auf Einstellung ableiten könne. Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 12. August 2002 hatte er das Ausgangsverfahren einleiten lassen mit den Anträgen:

1. Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Einstellung des Herrn M. P. als erteilt gilt.

2. Hilfsweise: die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Einstellung des Herrn M. P. wird ersetzt.

Das angerufene Arbeitsgericht München hat unter Abweisung im Übrigen die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn M. P. ersetzt. Auf die Begründung seiner Entscheidung vom 11. Februar 2003 wird Bezug genommen.

Mit der am 18. März 2003 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerde gegen diese seinen Verfahrensbevollmächtigten am 24. Februar 2003 zugestellte Entscheidung verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Beschwerdebegründung ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 15. Mai 2003 eingegangen. Darin wird der Ersetzungsantrag vom 12. August 2002 weiterhin zunächst einmal schon als unzulässig angesehen, weil er sich in polemischen Kommentaren erschöpfe und keinen in sich schlüssigen Sachvortrag zur Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats enthalte. Die zentrale Frage, ob der Frauenförder-Rahmenplan eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 BetrVG darstelle, sei offen gelassen worden und auch das Arbeitsgericht habe die vom Betriebsrat geltend gemachten Verstöße gegen den Frauenförder-Rahmenplan, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot nur relativ kurz abgehandelt. Im folgenden werden die daraus abgeleiteten Pflichten des Arbeitgebers noch einmal dargestellt, den Frauenförder-Rahmenplan wertet der Betriebsrat in diesem Zusammenhang als eine verbindliche Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 BetrVG und verlangt vom Arbeitgeber/Antragsteller eine in nachvollziehbarer Art und Weise erfolgende Darlegung der sachlichen Gründe, wenn er einen Mann statt einer für diese Stelle geeigneten Frau einstellen will. Das sei im Streitfall nicht geschehen. Die Frage der "gleichen Eignung" könne auch nicht nach Ermessen beantwortet werden, hier gehe es um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der als Rechtsvoraussetzung für die geplante Maßnahme voll der gerichtlichen Überprüfung unterliege.

Aus Sicht des Betriebsrats geht die Bewerberin Frau Dr. H.-R. nach ihrem beruflichen Werdegang und ihrer Beurteilung dem Mitbewerber Herrn P. deutlich vor und so lauten seine Beschwerdeanträge:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11. Februar 2003, Az. 21 BV 244/02, wird aufgehoben.

2. Die Anträge werden zurückgewiesen.

Der Arbeitgeber lässt beantragen:

1. Die Beschwerde zu verwerfen,

2. hilfsweise: die Beschwerde zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in seiner Entscheidung pflichtet er bei, den Ausführungen in der Beschwerdebegründung tritt er substantiiert entgegen. Vorweg wird allerdings eingewandt, dass sich das Rechtsmittel schon nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses auseinandersetzt.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens im Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung vom 13. Mai 2003 (Blatt 113 bis 122 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Beschwerdebeantwortung vom 17. Juni 2003 (Blatt 165 bis 172 der Akte). II

Das statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel (§§ 87, 89 ArbGG) muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn M. P. war zu ersetzen. Der vom Arbeitsgericht dazu gegebenen Begründung schließt sich die Beschwerdekammer an (§ 87 Abs. 2, § 69 Abs. 2 ArbGG).

Die vom Beschwerdeführer dagegen vorgebrachten Einwendungen führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Antrag vom 12. August 2002 war/ist ohne Bedenken zulässig. Die eingeräumte "kurze Darstellung des Sachverhalts" spricht die streitigen Fragen an, die Anlagen zur Antragsschrift lassen den Streitstand und die Begründung der Auswahlentscheidung des Arbeitgebers erkennen. Dass sich die Antragsbegründung darüber hinaus mit vielleicht überdeutlichen Worten zum Verhalten des Betriebsrats äußert, war unnötig, spiegelt aber auch das gegenwärtige Verhältnis zwischen diesen Betriebspartnern wieder.

Der Rahmenförderplan räumt - vom Beschwerdeführer zugestanden - Frauen keinen Vorrang bei gleicher Eignung ein, er vermittelt Frau Dr. H.-R. keinen Rechtsanspruch auf den ausgeschriebenen Arbeitsplatz. Daran vermögen auch die vom Betriebsrat herangezogenen Art. 3 Abs. 2 GG und § 612 a BGB nichts zu ändern. Der Arbeitgeber hatte bei seiner streitbefangenen Auswahlentscheidung einen Beurteilungsspielraum, dessen Grenzen nicht überschritten worden sind. Seine Auswahl ist auch nachvollziehbar begründet, entscheidend war der persönliche Eindruck vom Bewerber gewesen, gewonnen bei zwei Auswahlgesprächen. Die letztendlich gleichwertigen Zeugnisse lassen schon erkennen, dass sich hier besonders qualifizierte Bewerber gegenüberstehen. Die Auswahl liegt jedoch - wie vom Erstgericht richtig gesehen - beim Arbeitgeber, seine Entscheidung ist unter Beachtung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung getroffen worden und damit auch nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht zu beanstanden.

Kosten werden nicht erhoben (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

Für den Betriebsrat wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 92 Abs. 1 i. V. m. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück