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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 11.10.2005
Aktenzeichen: 6 TaBV 65/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG bei Einstellung von Aushilfskräften im Bereich der Bayerischen Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

6 TaBV 65/04

Verkündet am: 11. Oktober 2005

In dem Beschlussverfahren

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 4. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Oberrainer und Weinzierl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin vom 4. November 2004 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28. September 2004 wird zurückgewiesen.

2. Für die Arbeitgeberin wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG.

Die Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) ist Mitglied im Verband der Bayerischen Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie e. V. Für die Herstellung eines Katalogs stellte sie jährlich Aushilfskräfte ein, die seit ca 1993 bis 2003 nach Lohngruppe I des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern, bei mehrfacher Beschäftigung nach Lohngruppe II dieses Tarifvertrages, vergütet worden sind. Die Eingruppierung in die Lohngruppen I und II hatte die Arbeitgeberin dabei jeweils zusammen mit ihrem Antrag auf Zustimmung zur Einstellung der jeweiligen Aushilfen dem Antragsteller (Betriebsrat) mitgeteilt.

Seit 4. Dezember 2003 gruppiert die Antragsgegnerin diese Aushilfen nicht mehr ein, sondern zahlt ihnen eine frei vereinbarte Vergütung unterhalb der Tariflöhne.

Der Antragsteller hält der Antragsgegnerin vor, einseitig eine Vergütungsordnung geschaffen zu haben. Damit wird sie als verpflichtet angesehen, alle Aushilfen danach einzugruppieren und hierzu die Zustimmung der Mitarbeitervertretung einzuholen.

Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 2. Dezember 2003 hat der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren einleiten lassen mit den Anträgen:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer als sog. Aushilfen für die Produktion des O.-Katalogs einzustellen, ohne sie dabei bei Erstbeschäftigung in die Lohngruppe I bzw. bei wiederholter Beschäftigung in die Lohngruppe II des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern einzugruppieren.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall eines Verstoßes gegen Ziffer 1. ein Ordnungsgeld angedroht, dessen Höhe im Ermessen des Gerichts liegt.

Im Anhörungstermin ist vom Betriebsrat beantragt worden:

Es wird festgestellt, dass bei der Eingruppierung in den Lohnvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern für sog. Aushilfen, die für die Produktion des O.-Katalogs beschäftigt werden, ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 99 BetrVG besteht.

Das angerufene Arbeitsgericht München ist den Vorstellungen des Antragstellers gefolgt und hat antragsgemäß entschieden. Auf die Begründung seines Beschlusses vom 28. September 2004 wird Bezug genommen.

Mit der am 3. November 2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen und zugleich begründeten Beschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Dem Erstgericht wird vorgehalten, bei seiner Entscheidung dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1993 gefolgt zu sein. Die Gründe dafür erscheinen der Beschwerdeführerin (Antragsgegnerin) nicht nachvollziehbar, da: diese Aushilfskräfte neue Mitarbeiter seien, mit denen die Arbeitgeberin keine tarifliche Vereinbarung treffen müsse; auch eine Betriebsübung sich nicht auf neue Mitarbeiter beziehen könne; die Arbeitgeberin berechtigt sei, eine etwa bestehende Betriebsübung jederzeit zu unterbrechen mit der Folge, dass sie zumindest für neue Mitarbeiter nicht mehr gelte; auch nicht ersichtlich sei, weshalb dieser Lohntarifvertrag zur Anwendung kommen solle.

Die Arbeitgeberin ist nach wie vor der Ansicht, von einer Eingruppierung der Aushilfsmitarbeiter absehen zu können. Die Information an den Betriebsrat nach § 99 BetrVG könne sich auf die Arbeitgeberentscheidung "Nichteingruppierung" beschränken. Ein weiteres Mitbestimmungsrecht sei nicht ersichtlich, ein eigenes Lohngitter wegen § 77 Abs. 3 BetrVG und § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zulässig, weil Lohngruppen üblicherweise durch einen Tarifvertrag geregelt werden und im konkreten Fall eine entsprechende Tarifregelung auch bestehe. Damit lautet der Beschwerdeantrag:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28. September 2004, Gz. 33 BV 436/03, wird aufgehoben und der Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Der Beschwerdegegner (Betriebsrat) lässt beantragen:

die Beschwerde zurückzuweisen.

Den Ausführungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung wird beigepflichtet und darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 16. April 2004 (Blatt 29 der Akte) eingeräumt habe, die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern auf alle Stamm-Mitarbeiter anzuwenden, und zwar unterschiedslos auf tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer. Auch für alle Aushilfen der sog. Katalogherstellung seien diese Tarifverträge herangezogen worden bis zum Jahr 2003. Erstmals für die Produktion des O.-Katalogs ab 4. Dezember 2003 habe die Arbeitgeberin eine tarifliche Eingruppierung der Aushilfen nicht mehr vorgenommen. Dementsprechend sei auch der Betriebsrat jeweils beteiligt worden, die Arbeitgeberin habe ihm zusammen mit der Einstellung auch die Eingruppierungen mitgeteilt.

Der Betriebsrat hält an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1993 - Az: 1 ABR 34/93 fest und leitet daraus ab, dass diese innerbetriebliche Vergütungsordnung auch für Neueinstellungen gelte, und zwar so lange, bis sie unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts beseitigt wird.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens im Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Beschwerdeschrift vom 4. November 2004 (Blatt 76 bis 78 der Akte), auf die Beschwerdebeantwortung vom 26. September 2005 (Blatt 100 bis 106 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 4. Oktober (Blatt 107/108 der Akte) und vom 11. Oktober 2005 (Blatt 109/110 der Akte).

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 87, 89 ArbGG, § 66 ArbGG) muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden, der vom Erstgericht gegebenen Begründung sowie dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1993 - Az: 1 ABR 34/93 (AP Nr. 111 zu § 99 BetrVG 1972) schließt sich die Beschwerdekammer zunächst einmal an.

Die Arbeitgeberin hat in der Vergangenheit, d.h. von 1993 bis 2003, unter Beteiligung des Betriebsrats für alle Aushilfen unabhängig von deren Tarifbindung den Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern zur Anwendung gebracht. Auch die Beschwerdekammer wertet dieses Eingruppieren der Aushilfen in die Lohngruppen I bzw. II als Vergütungsordnung im Sinne von § 87 Nummer 10 BetrVG, die einseitig nicht beseitigt werden kann. Die Arbeitgeberin ist bei Einstellung von Aushilfskräften deshalb weiterhin auch zur Eingruppierung verpflichtet und der Antragsteller/Betriebsrat hat dabei mitzubestimmen.

Kosten werden nicht erhoben (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

Für die Arbeitgeberin wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 92 Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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