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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 23.10.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 309/09
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 33
RVG § 33 Abs. 2
RVG § 33 Abs. 3
Eine ausdrücklich "namens und im Auftrag der Rechtsschutzversicherung" eingelegte Beschwerde gegen einen Gegenstandswertbeschluss nach § 33 RVG ist nicht statthaft, da die Rechtsschutzversicherung nicht antrags- und damit nicht beschwerdebefugt ist, § 33 Abs. 2 u. 3 RVG. Die Erklärung eines Rechtsanwalts, eine Beschwerde "namens und im Auftrag der Rechtsschutzversicherung" einlegen zu wollen, ist vollkommen unmissverständlich und somit nicht auslegungsbedürftig.
Landesarbeitsgericht München BESCHLUSS

7 Ta 309/09

In dem Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht München durch den Vorsitzenden der Kammer 7, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Gericke, ohne mündliche Verhandlung am 23. Oktober 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der B. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.08.2009 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

In einem Rechtsstreit über eine arbeitgeberseitige Kündigung, in dem der bei der B. rechtsschutzversicherte Kläger einen Kündigungsschutz- und einen allgemeinen Feststellungsantrag gestellt hatte, haben sich die Parteien am 11.08.2009 in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht München durch einen Vergleich über den gesamten Rechtsstreit geeinigt.

Das Arbeitsgericht München hat daraufhin mit Beschluss vom selben Tag nach Anhörung der anwesenden Beklagtenvertreterin und des Klägervertreters, ohne dass diese Einwände erhoben haben, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 16.083,00 € und den Vergleichsmehrwert mit 27.720,00 € festgesetzt. Den Gegenstandswert für das Verfahren hat es mit drei Bruttomonatsgehältern festgesetzt. Der Vergleichsmehrwert ergibt sich aus einem Bruttomonatsgehalt für die Freistellung, einem weiteren Bruttomonatsgehalt für das Arbeitzeugnis, einem Betrag von 14.400,00 € für die Outplacementberatung - den Betrag haben die Parteien selbst eingesetzt -, schließlich weiteren 2.400,00 € für die Abwicklung der Mitarbeiterbeteiligung (vgl. Nichtabhilfebeschluss vom 03.09.2009 (Bl. 55/56 d.A.) zusammen.

Mit Schriftsatz vom 02.09.2009 (Bl. 48/53 d.A.) hat der Klägervertreter "namens und im Auftrag der Rechtsschutzversicherung des Klägers" Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.08.2009 eingelegt, die er damit begründet hat, die Rechtsschutzversicherung sei nicht damit einverstanden, dass die im Vergleich über den Kündigungsschutzrechtsstreit hinaus mit vereinbarten Gegenstände sich gegenstandswerterhöhend auswirkten. Der Klägervertreter hat in der Beschwerdebegründung deutlich gemacht, dass er der gegenteiligen Ansicht des Arbeitsgerichts München beitrete.

Mit Beschluss vom 03.09.2009 hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, es halte die Beschwerde bereits für unzulässig, da sie allein im Interesse der Rechtsschutzversicherung eingelegt worden sei. Im Übrigen wirkten sich die mitgeregelten Angelegenheiten streitwerterhöhend aus.

II.

Die Beschwerde der B. ist bereits nicht statthaft, mithin unzulässig. Das Arbeitsgericht München hat mit seinem Beschluss vom 11.08.2009 den Gegenstandswert für Verfahren und Vergleich gemäß § 33 RVG festgesetzt.

Bei dem Beschluss vom 11.08.2009 handelt es sich nicht um eine Streitwert-, sondern um eine Gegenstandswertfestsetzung nach § 33 RVG. Die Wertfestsetzung hatte nach § 33 Abs. 1 RVG zu erfolgen, da die Gerichtsgebühren wegen vollständiger Beendigung des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht ohne streitige Verhandlung entfallen, vgl. § 3 Abs. 2 GKG und Anlage 1 Teil 8 Nr. 8210, und somit keine gerichtliche Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren erfolgt (vgl. ErfK, 8. Auflage München 2008, 60 ArbGG § 12 (Koch) Rn. 10).

Nach § 33 Abs. 3 RVG können die Antragsberechtigten gegen einen Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde einlegen. Antragsberechtigt sind gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 RVG nur der Rechtsanwalt, sein Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 RVG die Staatskasse, nicht jedoch die Rechtsschutzversicherung einer Partei. Der Klägervertreter hat ausdrücklich nicht im Namen des Klägers Beschwerde eingelegt. Der Kläger wäre durch eine zu hohe Festsetzung des Gegenstandswertes beschwert. Er hat sie auch nicht im eigenen Namen eingelegt, er wäre durch den Gegenstandswert auch nicht beschwert, wenn eine zu hohe Festsetzung erfolgt wäre. Er hat die Beschwerde somit ausdrücklich nicht für Antragsberechtigte einlegen wollen. Einem Rechtsanwalt kann man getrost zutrauen, dass er regelmäßig das ausdrückt, was er ausdrücken will. In einem solchen Fall ist eine Auslegung nicht mehr möglich, da eine Auslegung nur stattfinden kann, wenn ein Text auslegungsbedürftig ist. Die erkennende Kammer folgt der zutreffenden Rechtsprechung des LAG Bremen, vgl. Beschluss vom 20.07.1988 - 4 Ta 35/88 LAGE Nr. 3 zu § 10 BRAGO. Wegen Fehlens einer Auslegungsbedürftigkeit der Formulierung des Klägervertreters kann die Beschwerdekammer der Entscheidung des LAG Nürnberg vom 18.07.1994 - 7 Ta 78/94 - nicht folgen. Im Übrigen gibt die von JURIS unter der Rubrik Rechtsprechung zu der Entscheidung des LAG Nürnberg mit "so auch BGH, 20. August 1988 VIII ZR 225/86" zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Frage der Antragsberechtigung und Auslegung einer Beschwerde "namens und im Auftrag der Rechtsschutzversicherung" nichts her. Denn die zitierte Entscheidung befasst sich zwar mit einer Gegenstandswertfestsetzung. Jedoch hat im vom BGH entschiedenen Fall der Prozessbevollmächtigte des Beklagten aus eigenem Recht Beschwerde eingelegt, vgl. BGH a.a.O. unter 2. der Gründe.

Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer ist die Beschwerde auch unbegründet. Insoweit folgt sie der zutreffenden Auffassung des Arbeitsgerichts München und BGH 14.09.2005 - IV ZR 145/04 = NZA 2006, 229-230. Der BGH führt unter 2. d. der Gründe überzeugend aus "Bei der einverständlichen Erledigung eines Rechtsstreits durch einen Vergleich ist aber dessen Ausdehnung auf nicht rechtshängige Streitgegenstände häufig sachdienlich und allgemein üblich. Die Miterledigung anderer Streitpunkte schafft vielfach gerade erst die Grundlage für die Einigung über den bereits streitbefangenen Anspruch. ....

(unter 2. c.) Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte für die im Vergleich mit erledigten Fragen, wenn sie streitig geworden wären, im Rahmen des vereinbarten Arbeits - Rechtsschutzes Deckung zu gewähren. Die getroffenen Vereinbarungen betreffen Rechtsfragen im engen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um die es im Ausgangsrechtsstreit ging, auch soweit der Vergleich die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses für den Kläger oder die Rückgabe seines Generalschlüssels vorsieht. Von einer unnötigen Erhöhung der Kosten kann hier nicht die Rede sein."

Genau so verhält es sich bei den im Vergleich vom 11.08.2009 mit geregelten Fragen, nämlich Freistellung während des Laufs der Kündigungsfrist und deren Modalitäten, vorzeitiges Eigenkündigungsrecht des Klägers mit Erhöhung der Abfindung, Modalitäten der Vergütung während der Freistellung (Mitarbeiterbeteiligungsprogramm), Outplacementberatung sowie Arbeitszeugnis. Diese Gegenstände werden üblicherweise in einen Vergleich aufgenommen. Ohne sie kommt eine Einigung in der Regel nicht zustande. Außerdem wäre es sicher nicht im Sinne der Rechtsschutzversicherungen, wenn sie durch ihre restriktive Haltung gegenüber dem Vergleichsmehrwert die Klagepartei zwingen würden, sämtliche Gegenstände, die sie im Vergleich regeln möchte, schnell vor dem Vergleichsabschluss noch klageweise geltend zu machen, um sie mit der Folge des von der Rechtsschutzversicherung anzuerkennenden Vergleichsmehrwertes noch mit vergleichen zu können. Dann nämlich würde nicht nur ein Vergleichs-, sondern bereits ein Verfahrensmehrwert entstehen, so dass sich die von der Rechtsschutzversicherung geäußerte Ansicht letztlich auch noch als ihren eigenen Interessen widersprechend auswirkt.

Auch zur Höhe der festgesetzten Gegenstandswerte sieht die erkennende Beschwerdekammer keine Differenz zur Ansicht des Arbeitsgerichts München. Die Werte entsprechen ausnahmslos der üblichen Bewertungspraxis, vgl. Meier, Streitwert im Arbeitsrecht München 2000 m. zahlr. Nachw. Nach ständiger Rechtsprechung - auch der Beschwerdekammer - ist im Übrigen das Landesarbeitsgericht nicht befugt, das Ermessen des Arbeitsgerichts zu ersetzen, wenn das Arbeitsgericht sein Ermessen ausgeübt und sich dabei in vertretbaren Grenzen gehalten, also sein Ermessen nicht fehlerhaft oder missbräuchlich gebraucht hat. Das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht hat also nur zu prüfen, ob das Arbeitsgericht sein Ermessen überhaupt ausgeübt und dabei die gesetzlichen Grenzen eingehalten hat, ohne dass es eine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. etwa BAG 02.04.1987 AP Nr. 3 zu § 87 ArbGG 1979 - III. 2. der Gründe; LAG Nürnberg 16.11.2004, JurBüro 2005, 97; LAG Nürnberg 11.11.1992 NZA 1993, 430; LAG Nürnberg 01.08.2003 AR-Blattei IS 160.13 Nr. 248; LAG Nürnberg 02.12.2003 MDR 2004, 718; LAG München 21.11.1985 LAGE Nr. 50 zu § 12 ArbGG Streitwert; LAG Rheinland-Pfalz 24.03.1986 LAGE Nr. 54 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG München 28.09.2009 - 4 Ta 288/09 n.v. Das Arbeitsgericht hat sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

Diese Entscheidung, die gemäß § 78 S. 3 durch den Vorsitzenden der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 6 RVG, da das Landesarbeitsgericht ein Oberlandesgericht ist.

Ende der Entscheidung

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