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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: 7 Ta 310/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 62
ArbGG § 62 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 64 Abs. 7
ZPO § 767
ZPO § 769
ZPO § 570 Abs. 1
ZPO § 570 Abs. 3
Das Arbeitsgericht hat die Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren zu einem Zwangsgeld von 500,-- € pro Tag der Zuwiderhandlung und einen Tag Ersatzzwangshaft pro Tag der Zuwiderhandlung gegen ein Weiterbeschäftigungsurteil verurteilt. Das LAG hält diese Art von Zwangsvollstreckung in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur für unzulässig und hat einen festen Zwangsgeld- und Ersatzzwangshaftansatz gewählt.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN Beschluss

7 Ta 310/07

In Sachen

hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 17.09.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Gericke beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin (Beklagte zu 1) vom 03.09.2007 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München Az. 12 Ca 418/06 abgeändert.

1. Gegen die Schuldnerin wird ein Zwangsgeld von 15.000,00 €, für den Fall seiner Uneinbringlichkeit eine an der Person des Geschäftsführers der Schuldnerin Dr. B. zu vollziehende Zwangshaft von zwei Wochen festgesetzt, falls sie nicht unverzüglich nach Zustellung dieses Beschlusses, spätestens jedoch ab 15.10.2007 den Gläubiger gemäß Ziff. 3. des Teilurteils des Arbeitsgerichts München Az. 12 Ca 418/06 zu den bisherigen Bedingungen als Consulting Partner am Standort M. weiterbeschäftigt.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin zu 3/4, der Gläubiger zu 1/4.

Gründe:

I.

Mit der Schuldnerin am 20.07.2007 zugestelltem (Bl.540 d.A.) Teilurteil vom 18.04.2007 (Bl.519/538 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Schuldnerin unter anderem verurteilt, den Gläubiger bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzprozesses zu den bisherigen Bedingungen als Consulting Partner am Standort M. weiterzubeschäftigen. Die Schuldnerin weigert sich jedoch, dieser Verpflichtung nachzukommen. Sie hat mit Schriftsatz vom 03.08.2007 (Bl.594/596 d.A.) gegen das Teilurteil vom 18.04.2007 Berufung eingelegt.

Dem Gläubiger wurde auf seinen Antrag vom 21.05.2007 (Bl.541 d.A.) eine vollstreckbare Ausfertigung des Teilurteils erteilt (Bl.519 d.A.). Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom 29.06.2007 zum Arbeitsgericht München beantragt, die Schuldnerin durch Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Gläubigers anzuhalten. Das Zwangsgeld solle 10.000 € pro Tag nicht unterschreiten.

Die Schuldnerin hat das Arbeitsverhältnis des Gläubigers mit Schreiben vom 10.08.2007, ihm zugestellt am 11.08.2007 erneut fristlos gekündigt und die Kündigung damit begründet, dass der Gläubiger im Zeitraum von Juli 2004 bis Juni 2005 Telefonkosten von insgesamt 8.182,80 € abgerechnet und erstattet erhalten habe, ohne Privatgespräche von seinen Abrechnungen abgezogen zu haben; dies habe der Kündigungsberechtigte erst am 03.08.2007 erfahren. Sprecherausschuss und vorsorglich Betriebsrat seien zur beabsichtigten Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

Das Arbeitsgericht hat die Schuldnerin nach Gewährung rechtlichen Gehörs (Bl.549 d.A.), zu dem sich die Schuldnerin auch innerhalb antragsgemäß verlängerter Frist (Bl 552 d.A.) nicht geäußert hat, mit Beschluss vom 23.08.2007 (Bl.553 d.A.) durch Androhung eines Zwangsgeldes von 500 € pro Tag der Zuwiderhandlung und einer Ersatzzwangshaft von einem Tag pro Tag der Zuwiderhandlung, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Schuldnerin Dr. B., angehalten, den Gläubiger spätestens ab 03.09.2007 gemäß Ziff. 3 des Teilurteils vom 18.04.2007 weiterzubeschäftigen.

Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 28.08.2007 (Bl.558 d.A.) zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 03.09.2007 (Bl.560/566 d.A.) legte die Schuldnerin gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein. Sie meint, durch die erneute Kündigung sei dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Gläubigers der Boden entzogen. Ein tägliches Zwangsgeld dürfe nicht gegen sie verhängt werden; das festgesetzte Zwangsgeld sei auch unverhältnismäßig. Schließlich sei eine etwaige Vollziehbarkeit des Zwangsmittelbeschlusses bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde auszusetzen. Auf den Beschwerdeschriftsatz wird ergänzend hingewiesen. Mit Beschluss vom 04.09.2007 (Bl. 579 d.A.) erhielt der Gläubiger Gelegenheit, zur Beschwerde Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 11.09.2007 äußerte er sich innerhalb verlängerter Frist und wies insbesondere darauf hin, er habe gegen die erneute fristlose Kündigung vom 10.08.2007 fristgerecht Klage zum Arbeitsgericht München erhoben (Bl.584 d.A.).

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Schuldnerin ist nur zum Teil begründet. Der Zwangsmittelbeschluss des Arbeitsgerichts vom 23.08.2007 war lediglich hinsichtlich der Art des Zwangsmittels aufzuheben; im Übrigen hat er Bestand.

Ziff. 3 des Teilurteils vom 18.04.2007 besitzt einen vollstreckbaren Inhalt. Das Weiterbeschäftigungsgebot ist hinreichend bestimmt. Anhand des Tenors und der Entscheidungsgründe des Teilurteils erhält die Schuldnerin ausreichende Informationen, um den Gläubiger wie vor der fristlosen Kündigung vom 05.04.2006 vertragsgemäß als Consulting Partner am Standort M. weiterbeschäftigen zu können.

Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nämlich Titel, Klausel und Zustellung) liegen vor.

Die erneute Kündigung seitens der Schuldnerin führt zwar möglicherweise zum Wegfall der Weiterbeschäftigungspflicht der Schuldnerin. Dies kann sie jedoch nicht im Wege der sofortigen Beschwerde gegen den Zwangsmittelbeschluss des Arbeitsgericht geltend machen, sondern nach einer Meinung (vgl. LAG Frankfurt/M. vom 28.01.85 -12 Ta 16/85 = Der Betrieb 1985, 1139; LAG Berlin 14.07.1993 - 8 Sa 79/98) durch einen Antrag nach § 62 Abs.1 S.2 ArbGG zum für die Entscheidung darüber ab Einlegung der Berufung zuständigen LAG, nach anderer Meinung (LAG Bremen 21.02.83 - 4 Ta 16/83 im Wege der Vollstreckungsgegenklage zum Arbeitsgericht gemäß §§ 767, 769 ZPO mit §§ 62, 64 Abs.7 ArbGG.

Das LAG hält beide Wege für gegeben, den vom LAG Bremen bezeichneten Weg für allerdings für vorzugswürdig, weil für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 62 Abs.1 S.2 ArbGG engere Voraussetzungen gelten als für die nach § 769 ZPO.

Eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil vom 18.04.2007 bis zur Entscheidung des LAG im Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst. Zwar hat die sofortige Beschwerdegemäß § 570 Abs.1 ZPO im Zwangsvollstreckungsverfahren gemäß §§ 46 Abs.2, 62 ArbGG, 888 ZPO nach wohl überwiegender Auffassung im Schrifttum (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Aufl. Köln 2007 (Gummer), § 888 Abs.1 ZPO Rn.15, Baumbach u.a. ZPO, 65. Aufl. 2007, § 888 Rn.14), der sich das LAG anschließt, keine aufschiebende Wirkung. Jedoch hat die Schuldnerin eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung lediglich bis zur Entscheidung des LAG über die Beschwerde beantragt, so dass die Entscheidung über eine Maßnahme nach § 570 Abs.3 ZPO wegen der bereits gegenwärtig erfolgenden Entscheidung über die Beschwerde selbst nicht erforderlich ist. Ein derartiger Beschluss könnte die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht früher erreichen als dieser Beschluss.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts war hinsichtlich der Wahl der Zwangsmittel abzuändern. Das Gericht folgt insoweit der wohl ganz herrschenden Meinung in der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa LAG Köln vom 24.10.1995 - 13 (5) Ta 245/95, LAGE § 888 ZPO Nr. 36 sowie die übrigen von der Schuldnerin zutreffend zitierten Entscheidungen (Bl.564 d.A.). Das LAG folgt insbesondere den Argumenten der sonst fehlenden Bestimmbarkeit der Höhe des Zwangsgeldes sowie der gesetzesimmanenten Notwendigkeit, zunächst einmal ein Zwangsgeld festzusetzen und seine Vollstreckung abzuwarten, bevor die erneute Zwangsgeldfestsetzung geprüft wird.

Als erstmaliges Zwangsgeld hält das LAG die Festsetzung eines Betrags von zunächst 15.000 € und einer Ersatzzwangshaft von zwei Wochen, zu vollziehen an der Person des Geschäftsführers der Schuldnerin Dr. B., für angemessen. Das Zwangsgeld soll die Schuldnerin empfindlich treffen, damit sie dem Gebot des Gerichts Folge leistet, ohne sie wirtschaftlich zu gefährden. Die Ersatzzwangshaft verfolgt dasselbe Ziel, ohne den Entscheidungsträger zu lange vom Unternehmen fernzuhalten.

Die Kostenentscheidung folgt daraus, dass der Zwangsmittelbeschluss im Wesentlichen aufrecht erhalten und nur das vom Erstgericht festgesetzte Zwangsmittel abgeändert wird, die Beschwerde also überwiegend erfolglos bleibt.

Diese Entscheidung trifft der Kammervorsitzende allein, §§ 53 Abs.1 S.1, 64 Abs.7 ArbGG. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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