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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 181/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Ballungsraumzulage:

1. Nach dem Tarifvertrag über eine ergänzende Leistung an Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildende des Freistaates Bayern ("TV-EL") vom 15. Juni 2001 erhalten diese ergänzenden Leistungen (Ballungsraumzulage und Kindergelderhöhung) diejenigen, deren Dienststelle bzw. Ausbildungsstelle sich im Stadt- und Umlandbereich München befinden, wobei der regionale Geltungsbereich ("Gebietskulisse") genau festgelegt ist. Die "Hauptwohnung" der jeweiligen Arbeitnehmer war dabei ohne Bedeutung.

Nach dem "TV-EL" vom 9. Dezember 2004 erhalten diese Leistungen nur noch diejenigen, die zusätzlich ihre "Hauptwohnung" in der "Gebietskulisse" haben und die "Gebietskulisse" hat eine räumlich Einschränkung erfahren; der Kläger hat darin keine "Hauptwohnung".

2. Das Angebot einer Gesamtzusage eines Arbeitgebers oder die Entstehung einer betrieblichen Übung, wonach Zulagen gewährt werden, die jedenfalls Gegenstand bestimmbarer Tarifverträge sind, erstreckt sich damit auch auf die inhaltlichen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Zulagen, mögen diese nun den Arbeitnehmern bekannt sein oder nicht. Es ist nämlich auch aus der Sicht dieser Arbeitnehmer kaum anzunehmen, dass ihr Arbeitgeber über diese inhaltlichen Voraussetzungen einer entsprechenden betrieblichen Übung hinaus weitere Zugeständnisse macht. Hier hat sich der Beklagte in der Vergangenheit offensichtlich jeweils an die Entwicklungen der "TV-EL" gehalten. Sie stellten die Grenzen seiner entsprechenden entweder "Gesamtzusage" oder des Inhalts, unter denen sich eine entsprechende betriebliche Übung entwickeln konnte, dar. Insbesondere im Hinblick auf Letztere konnte kein schützenswertes Vertrauen des Klägers entstehen, dass ihm die Zulagen, die er in der Vergangenheit erhalten hat, auch erhalten blieben für den Fall, dass sich der Geltungsbereich für die Gewährung dieser Zulagen tariflich änderte, auch zu seinem Nachteil.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 181/06

Verkündet am: 25. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Zehentmair und Koehn für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Dezember 2005 - Gz.: 25 Ca 8404/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiterhin Zulagen ("Ballungsraumzulage" und "Kindergelderhöhung") zu zahlen.

Der Kläger, ein Sozialpädagoge, Vater von zwei Kindern, ist seit 1. November 1992 in Vollzeit aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 8. Dezember 1992 bei der Beklagten beschäftigt; er ist Mitglied des dortigen Betriebsrats.

Der Beklagte ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e. V. Nach seinem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag werden dessen Personalkosten durch öffentliche Mittel finanziert. Er unterhält über 20 Einrichtungen in der Stadt und im Landkreis München, wie Kindertagesstätten, Wohnstätten etc. und beschäftigt etwa 350 Arbeitnehmer.

Die §§ 2 und 7 des vorerwähnten schriftlichen Arbeitsvertrages lauten wie folgt:

" § 2

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des BAT-Vertrages vom 23. Februar 1961 in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung, den einschlägigen Sonderregelungen zum BAT und den zusätzlichen für den Bereich des Arbeitgebers verbindlichen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das Gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung.

§ 7

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages sowie sonstige Abmachungen zwischen den Parteien dieses Arbeitsvertrages (Nebenabreden gemäß § 4 Abs. 2 BAT) sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden."

Der Kläger erhält seit seiner Anstellung beim Beklagten Verdienstabrechnungen, in denen u. a. differenziert ist nach "GRUNDGEHALT/LOHN", "BALLUNGSRAUMZU-LAGE" und "KINDERERHÖHUNGSB."

Nach dem unwidersprochen gebliebenem Sachvortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 18. August 2005 (Seite 2) "zahlt (er) seit den 90-er Jahren an einige seiner Mitarbeiter eine sog. ,Ballungsraumzulage'". Damit meint er die Gewährung von Zulagen aus einem schon damals bestehenden "Tarifvertrag über eine ergänzende Leistung an Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildende des Freistaates Bayern" (künftig: TV-EL). Dieser Tarifvertrag ist in der Folgezeit wiederholt geändert worden. Noch im "TV-EL" vom 15. Juni 2001 ist in § 1 Abs. 1 für seinen Geltungsbereich in räumlicher Hinsicht allein darauf abgestellt, dass sich die "Dienststelle bzw. Ausbildungsstelle im Stadt- und Umlandbereich München ..." befindet und in dessen Abs. 2, dass der "Stadt- und Umlandbereich München durch das in Anhang 2 der Anlage zur Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) ... entsprechend definierte Gebiet in der jeweils geltenden Fassung gebildet wird" (= Gebietskulisse). Bis zu dieser tariflichen Regelung spielte die "Hauptwohnung" der jeweiligen Arbeitnehmer für die darin geregelten Leistungen keine Rolle. Der "TV-EL" vom 9. Dezember 2004 lautet in seinem § 1 u. a. wie folgt: "Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildende des Freistaates Bayern mit Dienststelle bzw. Ausbildungsstelle und Hauptwohnung (Art. 16 Abs. 2 Meldegesetz) im Stadt- und Umlandbereich München ..." und sein Abs. 2 verweist für den vorgenannten "Stadt- und Umlandbereich München" auf den "Anhang 2 der Anlage zur Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) in der jeweils geltenden Fassung"; darin sind die Landeshauptstadt München und die zu den Landkreisen München, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck und Starnberg gehörende Gemeinden ausdrücklich genannt.

Der Kläger hat früher in dem zuletzt genannten räumlichen Bereich gewohnt, aber bereits vor dem 1. Januar 2005 nicht mehr; A. liegt außerhalb dieses räumlichen Bereichs.

Der Betriebsrat des Beklagten hat im Jahr 1990 zu Abteilungsversammlungen u. a. am 14. und 28. November eingeladen, wobei auf der Tagesordnung als Ziff. 4. jeweils "München-Zulage + Tarifverhandlungen" genannt sind. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 29. Mai 2006 (Seite 9) hat er an seinen Betriebsrat regelmäßig die Informationen, die er vom Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e. V. erhalten hat, zu dessen Information weitergeleitet. Er hat von seinem Betriebsrat auch aktuelle Informationen, die von diesem zu diesem Thema am jeweiligen Schwarzen Brett ausgehängt worden sind, erhalten, z. B. eine solche vom 2. August 2001.

In der Vergangenheit hat es in den jeweiligen "TV-EL" durchaus Änderungen zu den jeweiligen Zulagen "Ballungsraumzulage" und "Kindergelderhöhung" gegeben. In der Berufungsverhandlung vom 18. Juli 2006 hat der Kläger u. a. erklärt, er sei "schon hin und wieder von Kollegen wegen deren Verständnisproblemen mit der Gehaltsabrechnung angesprochen worden".

Zugleich hat er darin auch erklärt, "er habe auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen, die schon sehr lange im Betrieb seien. Die Zulagenproblematik sei unter dem Gesichtspunkt ,München-Zulage' behandelt worden. Es sei wohl auch vom Tarifvertrag und auch vom BAT die Rede gewesen, von einem ,TV-EL' sei aber nichts gesagt gewesen. Von den Mitarbeitern des Beklagten und auch von ihm, dem Kläger, sei jeweils bei negativen Veränderungen dieser Zulagen eben angenommen worden, dies sei tariflich, was auch immer darunter zu verstehen sei. So sei es wohl auch hingenommen worden ..."

Unstreitig hat der Kläger weder der Reduzierung der "Ballungsraumzulage" bei ihm in Höhe von DM 150,-- auf DM 100,-- zum 1. Juli 2001 noch derjenigen auf € 25,56 zum 1. Oktober 2002 widersprochen. Sie erfolgten zwar zeitgleich mit den jeweiligen Änderungen des "TV-EL", doch ist zwischen den Parteien streitig, ob dies arbeitgeberseitig konkret auch dem Kläger mitgeteilt worden ist.

Im Termin zur Berufungsverhandlung hat der Beklagte eine sog. "Musterabrechnung - Kurzerklärung der Felder und Schlüssel" mit Vor- und Rückseite vorgelegt; darin findet sich auf der Rückseite unter der Nummer (42) folgende Formulierung: " Sond.-Sonderzuschlag Ballungsraumzulage

1 - Sonderzulage für Beschäftigte der Landeshauptstadt München

2 - Sonderzulage nach KAV-Regelung (Freistaat Bayern)

3 - ...

4 - ..."

Dieses Muster mit Vor- und Rückseite ist dem Kläger nach seiner Erklärung in der Berufungsverhandlung vom 18. Juli 2006 bekannt.

Der Kläger hat zuletzt, also auch noch ab 1. Januar 2005, eine "Ballungsraumzulage" in Höhe von € 25,56 und einen "Kindererhöhungsbetrag" in Höhe von € 40,-- monatlich vom Beklagten erhalten. Seit Januar 2005 war auf den Gehaltsabrechnungen vermerkt, dass die vorerwähnten Zulagen nur "unter Vorbehalt" bezahlt würden. Von seinem Märzgehalt 2005 hat der Beklagte die beiden Zulagen rückwirkend zum Januar 2005 zum einen einbehalten und zum anderen ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr gezahlt.

Für die Zeit von Januar bis Mai 2005 ergibt sich daraus eine Zulagenhöhe von € 327,80 brutto (= fünf Monate x € 65,56) und für die Zeit von 1. Juni bis 30. September 2005 in Höhe von € 262,24 brutto (= vier Monate x € 65,56).

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, der Beklagte schulde ihm für die Zeit von 1. Januar bis 30. September 2005 die vorher gewährten Zulagen. Insoweit gebe es seit Antritt seines Arbeitsverhältnisses eine betriebliche Übung. Zwar sei die Einführung dieser Zulagen zeitlich und der Höhe nach am "TV-EL" orientiert, doch dessen Anwendung nicht vereinbart worden. Der einzelvertraglich vereinbarte BAT enthalte derartige Leistungen nicht. In Wirklichkeit handle es sich um übertarifliche Leistungen des Beklagten. Sie seien als Hauptleistungspflicht zu qualifizieren, weshalb sie nicht unter das Gebot der Schriftlichkeit von Nebenabreden gem. § 4 Abs. 2 BAT fielen. Auch liege keine freiwillige Leistung des Beklagten vor; insoweit fehle es darüber hinaus an einer ausdrücklichen Klarstellung für einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt. Ein auf diese Weise durch betriebliche Übung entstandener vertraglicher Anspruch könne nicht durch einseitigen Widerruf der Vereinbarung durch den Arbeitgeber aufgehoben werden. An einer einvernehmlichen Änderung oder einer Änderungskündigung durch ihn aber fehle es. Im Übrigen unterliege die Änderung der Vergütungsform, z. B. in Gestalt von Zulagen, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu einer Änderung der betrieblichen Lohngestaltung sei Wirksamkeitsvoraussetzung für eine derartige Änderung und fehle hier. Im Übrigen hätte durch eine derartige Zustimmung gar nicht in seine vertraglichen Ansprüche eingegriffen werden können.

Deshalb hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, € 327,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 262,24 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus € 65,56 seit 1. Juli, 1. August, 1. September und 1. Oktober 2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Er hat vorgetragen,

der Kläger habe gegen ihn keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Zulagen. Ihre Gewährung sei von "tariflichen Voraussetzungen abhängig", die jedoch für ihn nicht mehr vorlägen, weil sich der einschlägige Tarifvertrag geändert habe und er nicht mehr unter dessen Anwendungsbereich falle. Dieser Tarifvertrag sei der "TV-EL". Auf der Grundlage dessen früher geltenden Fassungen seien die Arbeitnehmer mit "Dienst- bzw. Ausbildungsstelle im Stadt- und Umlandbereich München" unter seinen Geltungsbereich gefallen. Dieser Geltungsbereich habe sich im "TV-EL" vom 9. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 dahingehend geändert, dass die darin genannten ergänzenden Leistungen wie "Ballungsraumzulage" und "Kindergelderhöhung" für die Arbeitnehmer nicht nur davon abhingen, ob ihre Dienststelle bzw. Ausbildungsstelle sich im Stadt- und Umlandbereich befindet, sondern auch noch ihre "Hauptwohnung". Der "Stadt- und Umlandbereich München" (die sog. Gebietskulisse), der sich nach § 1 Abs. 2 "TV-EL" nach dem "Anhang 2 der Anlage zur Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern in der jeweils gültigen Fassung" definiere, habe sich damals geändert; die Stadt A., in der er wohne, falle nicht mehr darunter.

Der Kläger habe richtig erkannt, dass er, der Beklagte, tarifvertraglich nicht verpflichtet sei, den "TV-EL" anzuwenden. Bei den darin genannten ergänzenden Fürsorgeleistungen handle es sich um eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber, die ihn anwenden wollten. Voraussetzung dafür sei, dass der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern e. V., in dem er, der Beklagte, Mitglied sei, seine Mitglieder hierzu ermächtige. Eine derartige Ermächtigung liege nach aktueller Beschlusslage hier vor. Seinen, des Beklagten, Arbeitnehmern würden die ergänzenden Leistungen daher entsprechend dem "TV-EL" bezahlt, was voraussetze, "dass ein entsprechender staatlicher Tarifvertrag existiere und ein Mitarbeiter nach den Regelungen des Tarifvertrages einen Anspruch auf die Zulage habe".

Falls überhaupt trotz der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages mit dem Kläger vom Entstehen einer betrieblichen Übung gesprochen werden könne, richte sich diese nach Inhalt und Leistungshöhe nach dem "jeweils geltenden staatlichen Tarifvertrag". Dies sei dem Kläger auch bekannt. Sowohl seine, des Beklagten, Arbeitnehmer als auch sein Betriebsrat sei entsprechend informiert worden, z. B. durch den Aushang am Schwarzen Brett im August 2001. Es habe in der Vergangenheit durchaus Änderungen der gewährten Zulagen gegeben, auch in Gestalt von Reduzierungen der Höhe nach, z. B. zum 1. Juli 2001 und zum 1. Oktober 2002.

Schließlich sei auch noch auf § 7 des Arbeitsvertrages mit dem dort geregelten Schriftformerfordernis hinzuweisen. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch fehle es an einer schriftlich vereinbarten Anspruchsgrundlage. Insoweit werde darüber hinaus auf das Schriftformgebot des § 4 Abs. 2 BAT verwiesen, der hier einschlägig sei. Die ergänzenden Leistungen nach dem "TV-EL" seien keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern beträfen eine entsprechende Nebenabrede.

Bei der Gewährung oder Nichtgewährung der ergänzenden Leistungen nach dem "TV-EL" handle es sich auch nicht um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es fehle nämlich an einem entsprechenden Gestaltungsspielraum.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 22. Dezember 2005, das dem Kläger am 9. Januar 2006 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat er mit einem am 7. Februar 2006 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 10. April 2006, mit einem hier an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer betrieblichen Übung.

Diese richte sich nicht auf die Anwendung des "TV-EL", sondern die Zahlung der geltend gemachten Zulagen schlechthin, wie sie bis 30. Dezember 2004 bestanden hätten. Zwar sei es richtig, dass auch die Anwendung eines Tarifvertrages durch betriebliche Übung entstehen könne, doch müsse in einem solchen Fall der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachweisG darauf hinweisen, was hier nicht geschehen sei. Selbst wenn sich die betriebliche Übung anfänglich auf die Anwendung des "TV-EL" gerichtet habe, sei damit noch nicht gesagt, dass dadurch auch deren Änderungen zur betrieblichen Übung geworden seien. In betrieblichen Übungen könne prinzipiell nur eine statische, nicht eine dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen erfolgen, es sei denn, es lägen für ein anderes Verständnis zusätzliche deutliche Anzeichen vor, woran es hier fehle.

Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass in der Vergangenheit einmal eine Mustergehaltsabrechnung erteilt worden sei, auf deren Rückseite sich ein Hinweis auf "02 -Sonderzulage nach KAV-Regelung (Freistaat Bayern)" ergebe, könne darauf nicht auf den "TV-EL" geschlossen werden, weil dies "viel zu allgemein formuliert sei, um einen derartigen Schluss zuzulassen".

Es bleibe auch dabei, dass der Beklagte mit der Nichtgewährung der Zulagen gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoße, das jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für eine entsprechende Änderung der Lohngestaltung sei.

Darüber hinaus erhöht der Kläger seine Klage auf Zahlung der ergänzenden Zulagen auch für die Zeit von 1. Oktober 2005 bis 31. Mai 2006.

Er stellt daher zuletzt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Dezember 2005 - Gz.: 25 Ca 8404/05 -, zugestellt am 9. Januar 2006, wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt,

2.1 € 327,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;

2.2 an den Kläger die Summe von € 786,72 brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils € 65,56 seit 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2005, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai und 1. Juni 2006 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 1. Juli 2006 jeweils am Monatsende den Betrag von € 65,56 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und sie ist in dem angegriffenen Urteil zugelassen worden (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

Gegen die Klageerweiterung in der Berufung bestehen deshalb keine Bedenken, weil es sich dabei um keine Klageänderung handelt, denn es ist hier ohne Änderung des Klagegrundes lediglich der Klageantrag in der Hauptsache erweitert worden (§§ 525, 264 Nr. 2 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der von ihm begehrten Zulagen.

1. Eine Anspruchsgrundlage, die sich ausdrücklich aus seinem Arbeitsvertrag mit dem Beklagten vom 8. Dezember 1992, hat er nicht einmal selbst behauptet. Das Gleiche gilt für eine etwaige ausdrückliche mit ihm gleichzeitig oder später getroffene entsprechende Vereinbarung.

2. Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15. März 2006 (4 AZR 75/05 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) für eine arbeitsvertragliche Bezugnahme wesentlich gleichen Inhalts erkannt hat, werden die "TV-EL" von dieser nicht erfasst; sie sind "nicht Gegenstand der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien" vom 8. Dezember 1992.

3. In dem vorgenannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat es als "denkbare Gründe für die Zahlung der vom Kläger geltend gemachten Zulagen die Verkennung des Geltungsbereichs der diesbezüglichen Tarifverträge für Arbeitnehmer des Freistaates Bayern, aber auch z. B. die Zahlung aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, einer Gesamtzusage, eines Haustarifvertrages der L. (dortige Beklagte) oder in Erfüllung einer durch betriebliche Übung begründeten Verpflichtung der L. ..." erkannt.

3.1 Als Grund für die Zahlung der vom Kläger begehrten Zulagen in der Vergangenheit kommt hier von vorneherein nicht die "Verkennung des Geltungsbereichs der Tarifverträge für Arbeitnehmer des Freistaates Bayern" in Gestalt der "TV-EL" in Betracht, denn dies hat der Beklagte nicht einmal selbst behauptet. Seinem gesamten Sachvortrag ist zu entnehmen, dass deren Gewährung zwar von tariflichen Voraussetzungen abhängig war, es sich dabei jedoch "um eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber, die den TV-EL anwenden wollen", handelt, wobei Voraussetzung sei, dass der Kommunale Arbeitverband Bayern e. V., bei dem er Mitglied sei, seine Mitglieder hierzu ermächtige. Darin liegt gerade keine Verkennung des Geltungsbereichs der "TV-EL". Vielmehr wird daraus deutlich, dass, gleichgültig ob er den Grund seiner Leistung als "freiwillige Leistung" richtig qualifiziert hat, dies durch den Beklagten als Arbeitgeber jedenfalls nicht in Verkennung des Geltungsbereichs des jeweiligen "TV-EL" erfolgte.

3.2 Es kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger in der Vergangenheit die beiden von ihm nunmehr klageweise geltend gemachten Leistungen ("Ballungsraumzulage" und "Kindergelderhöhung") aufgrund betrieblicher Übung oder einer Gesamtzusage erhalten hat.

Den Begriff der betrieblichen Übung hat das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung selbst richtig erläutert. Hierauf wird Bezug genommen. Unter einer Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers zu verstehen, zusätzliche Leistungen zu erbringen mit der Konsequenz, dass diese dann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung erhalten, "wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen", wobei es einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots nicht bedarf (BAG vom 10. Dezember 2002 - 3 AZR 92/02 - DB 2004, 1566).

Für beide - für eine betriebliche Übung genauso wie eine Gesamtzusage - kommt es dabei darauf an, welches Angebot - inhaltlich - ein Arbeitgeber gemacht hat. Es ist nicht entscheidend, dass dieses Angebot ihm persönlich gegenüber gemacht wurde oder bereits vor seinem Eintritt in den Betrieb des Beklagten bestand, denn beide Rechtsinstitute (Gesamtzusage oder betriebliche Übung) haben einen kollektiven Bezug und gelten deshalb auch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis später begründet worden ist.

Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Beklagten seit Einführung der vom Kläger begehrten und im Betrieb als "München-Zulage" bekannten Zulagen in Gestalt einer "Ballungsraumzulage" und "Kindergelderhöhung" nicht nur der Betriebsrat darüber informiert war, dass diese Zahlungen im Zusammenhang mit dem jeweiligen "TV-EL" gewährt würden, sondern diese Tatsache offenbar auch von diesem bei den jeweiligen Änderungen dieser Tarifverträge den Arbeitnehmern im Betrieb kommuniziert worden ist, nämlich in entsprechenden Betriebsversammlungen, zu denen jeweils durch Aushang am Schwarzen Brett auch eingeladen worden war. Dabei bedurfte es nicht einer ausdrücklichen Benennung der jeweiligen "TV-EL"; vielmehr genügte es, dass damit zum Ausdruck gebracht wurde, dass sich der Arbeitgeber jeweils der entsprechenden Änderung angeschlossen und sie umgesetzt hat. Es war danach auch klar, dass der Beklagte sich jedenfalls an gewisse Tarifverträge anlehnte und sie umsetzte. Von keiner der Parteien ist vorgetragen worden, dass der Beklagte in der Vergangenheit jeweils von den Änderungen des Tarifvertrages, an dem er sich für die "München-Zulage" orientierte, dem Grunde oder der Höhe nach abgewichen ist. Die Arbeitnehmer der Vergünstigungen einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung konnten sich unter diesen Umständen deshalb nur darauf verlassen, dass die ihnen insoweit gewährten Zulagen sich an der Entwicklung des jeweiligen Tarifvertrages orientierten. Dies hat auch der Kläger offensichtlich so verstanden, weil er in der Vergangenheit durchaus auch mit Reduzierungen der sog. "München-Zulage" einverstanden war. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es sich dabei lediglich um Reduzierungen der Höhe nach handelte, die aber nicht zum Wegfall der gesamten Zulage führten. Das Angebot einer Gesamtzusage eines Arbeitgebers oder die Entstehung einer betrieblichen Übung, wonach Zulagen gewährt werden, die jedenfalls Gegenstand bestimmbarer Tarifverträge sind, erstreckt sich damit auch auf die inhaltlichen Voraussetzungen für die Gewährung dieser Zulagen, mögen diese nun den Arbeitnehmern bekannt sein oder nicht. Es ist nämlich auch aus der Sicht dieser Arbeitnehmer kaum anzunehmen, dass ihr Arbeitgeber über diese inhaltlichen Voraussetzungen einer entsprechenden betrieblichen Übung hinaus weitere Zugeständnisse macht. Hier hat sich der Beklagte in der Vergangenheit offensichtlich jeweils an die Entwicklungen der "TV-EL" gehalten. Sie stellten die Grenzen seiner entsprechenden entweder "Gesamtzusage" oder des Inhalts, unter denen sich eine entsprechende betriebliche Übung entwickeln konnte, dar. Insbesondere im Hinblick auf Letztere konnte kein schützenswertes Vertrauen des Klägers entstehen, dass ihm die Zulagen, die er in der Vergangenheit erhalten hat, auch erhalten blieben für den Fall, dass sich der Geltungsbereich für die Gewährung dieser Zulagen tariflich änderte, auch zu seinem Nachteil.

3.3 Er kann sich zur Begründung seines Anspruchs auch nicht auf einen Verstoß des Beklagten gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG berufen, wonach eine Änderung der Lohngestaltung vorliege. Es fehlt nämlich an einer derartigen Änderung, denn diese bestand offensichtlich, falls überhaupt, allein darin, dass vom Grundgehalt Leistungen in Gestalt von Zulagen nach einem bestimmten Tarifvertrag bzw. dessen Entwicklung gewährt worden sind, worauf weder der Beklagte noch der Betriebsrat Einfluss haben. Wie bereits erwähnt, hat bereits sowohl eine Gesamtzusage als auch eine betriebliche Übung kollektiven Charakter, genauso wie ein entsprechender Tarifvertrag, wobei davon auszugehen ist, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer in angemessener Weise berücksichtigen.

3.4 Schließlich kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger durchaus auch weiter in den Genuss der vom Beklagten gewährten Zulagen nach dem "TV-EL" vom 9. Dezember 2004 kommen kann, wenn er nämlich seinen Wohnsitz wieder in die "Gebietskulisse" dieses Tarifvertrages verlegt.

Nach alledem aber ist seine Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Eine grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen (§ 72a ArbGG).

Ende der Entscheidung

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