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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 8 Sa 507/02
Rechtsgebiete: AltersteilzeitG


Vorschriften:

AltersteilzeitG § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a
1. Bei konfessionslosen Arbeitnehmern in der Altersteilzeit gehört zu den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG genannten "gesetzlichen Abzügen, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", die das bisherige Arbeitsentgelt vermindern, der fiktive Kirchensteuerhebesatz.

2. Dies verstößt weder gegen Art. 3, 4 noch 14 Abs. 1 GG.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 507/02

Verkündet am: 8. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Koppauer und Leberfinger für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 7. Februar 2002 - Gz.: 19 Ca 8090/01 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob bei der Berechnung der Altersteilzeitvergütung des - konfessionslosen - Klägers die Kirchensteuer berücksichtigt werden darf.

Der Kläger ist seit 3. Oktober 1973, zuletzt als AT-Angestellter, bei der Beklagten beschäftigt. Diese hat am 25. Februar 1998 mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit (BV-Atz) abgeschlossen (vgl. Bl. 10/25 der früheren Akte 28 Ca 8257/01). Die Parteien haben am 31. August 2000 einen Altersteilzeitvertrag (AtzV) abgeschlossen, wonach das bisherige Arbeitsverhältnis ab 1. September 2000 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird, und zwar bis 30. Juni 2005) mit u. a. auch einem Blockmodell (Arbeitsphase-Sollarbeitszeit: 100 %-Vollzeit und anschließend Freistellungsphase-Sollarbeitszeit: 0 %-Vollzeit; vgl. Bl. 5/9 der früheren Akte 28 Ca 8257/01). Der AtzV ist "auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung über Altersteilzeit (BV-Atz) und des Altersteilzeitgesetzes (AtG)" geschlossen worden. Sein § 4 "Arbeitsentgelt" lautet in Abs. 1 S. 1 wie folgt:

" Der Mitarbeiter erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der gem. § 3 Abs. 1 reduzierten Arbeitszeit, d. h. derzeit monatlich brutto DM 5.226,--."

Sein § 5 Abs. 1 hat folgenden Wortlaut:

" Der Mitarbeiter erhält nach Maßgabe des AtG und gemäß Ziff. 7 BV- Atz einen Aufstockungsbetrag, der so bemessen ist, dass das monatliche Nettoentgelt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Vollzeitbruttoarbeitsentgelts beträgt."

In Ziff. 2 BV-Atz sind deren Grundlagen genannt, nämlich das AltersteilzeitG und der Tarifvertrag über Altersteilzeit in der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 24. November 1997 (TV-Atz); nach deren Ziff. 2.2 ist der TV-Atz "auf der Basis des Altersteilzeitgesetzes" abgeschlossen worden. Nach ihrer Ziff. 6.1 "beträgt das Altersteilzeitentgelt 50 % des vor Eintritt in die Atz geltenden Vollzeitarbeitsentgelts und ist unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu zahlen".

Schließlich ist noch auf Ziff. 7 BV-Atz hinzuweisen, die u. a. wie folgt lautet:

" Aufstockungsbetrag

Tarifmitarbeiter und AT-Mitarbeiter erhalten einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Altersteilzeitgesetz und Tarifvertrag auf das Altersteilzeitentgelt. Dieser ist so zu bemessen, dass das monatliche Nettoentgelt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Vollzeitbruttoarbeitsentgelts beträgt."

Ziff. 6 TV-Atz "Aufstockungsbetrag" hat u. a. folgenden Wortlaut:

" Der Arbeitnehmer erhält einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Altersteilzeitgesetz auf das Teilzeitarbeitsentgelt. Dieser ist so zu bemessen, dass das monatliche Nettogehalt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen bisherigen Monatsarbeitsentgelts beträgt."

Der Kläger hat, da er konfessionslos ist, vor Beginn seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses sein Arbeitsentgelt ohne Abzug von Kirchensteuer erhalten. Mit dessen Beginn am 1. September 2000 hat die Beklagte seine Altersteilzeitvergütung errechnet. Den in § 5 Abs. 1 AtzV erwähnten Aufstockungsbetrag nach Maßgabe des AltersteilzeitG und gem. Ziff. 7 BV-Atz, der so zu bemessen ist, dass das monatliche Nettoentgelt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Vollzeitbruttomonatsarbeitsentgelts beträgt, hat sie allerdings dergestalt ermittelt, dass sie von Letzterem nicht nur die Lohnsteuer, den Solidarbeitrag und die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers abgezogen hat, sondern darüber hinaus auch noch eine Kirchensteuer, und dies, obgleich der Kläger gar nicht Mitglied einer Kirche ist und folglich keine Kirchensteuer zahlen muss und zahlt. Ohne den Abzug dieser - fiktiven - Kirchensteuer hätte er monatlich DM 86,32 netto mehr als Altersteilzeitvergütung erhalten; tatsächlich ist keine Kirchensteuer abgeführt worden.

Diese Beträge macht er ab 1. September 2000 auch geltend, und zwar zunächst für die Zeit bis Mai 2001 in Höhe von DM 776,79 netto (Klageantrag 1) und danach für die vom 1. Juni bis 30. November 2001 in Höhe von DM 517,92 brutto (Klageantrag 2) jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz ab Klagezustellung.

Zur Begründung führt er aus, es sei der Beklagten verwehrt, bei der Ermittlung des Aufstockungsbetrages sein monatliches Vollzeitbruttoarbeitsentgelt auch um die Kirchensteuer zu vermindern. Es sei keinesfalls mehr "gewöhnlich", dass Arbeitnehmer Kirchensteuer zahlten. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in seiner Entscheidung vom 23. März 1994 (1 BvL 8/85 - BVerfGE 90, 226) im Hinblick auf die Bemessung des Arbeitslosengeldes im Jahr 1985 erkannt, "dass seinerzeit der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, dass die Kirchenzugehörigkeit typisch war", zugleich jedoch darauf hingewiesen, dass künftig die weitere Entwicklung zu beobachten sei. Nachdem ein großer Teil der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern keiner Kirche angehörten, sei davon auszugehen, dass die Zahlung von Kirchensteuer "gewöhnlich" nicht mehr anfalle. Deshalb werde die Erholung einer Auskunft des Statistischen Bundesamtes darüber beantragt, "wie viele Menschen derzeit noch in der Kirche sind".

Dem hat die Beklagte entgegengehalten, der Kläger verkenne, dass weder nach dem AltersteilzeitG, noch nach dem TV-Atz, noch nach der BV-Atz die individuelle Kirchensteuerpflicht eines Arbeitnehmers oder, wie hier beim Kläger, deren Nichtbestehen infolge seiner Konfessionslosigkeit bei der Ermittlung seines Mindestnettolohnes über den danach zu zahlenden Aufstockungsbetrag Berücksichtigung finde. Ziff. 7 BV-Atz sehe vor, dass ein Arbeitnehmer einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG und Ziff. 6 TV-Atz erhalte, der so zu bemessen sei, dass das monatliche Nettoentgelt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Vollzeitbruttomonatsarbeitsentgelts beträgt. Der Aufstockungsbetrag ermittle sich also aus der Differenz zwischen dem individuell ermittelten monatlichen Nettoaltersteilzeitentgelt und einem 82%-igen Vollzeitnettotabellenwert, der über dem gesetzlich vorgesehenen 70%-igen Vollzeitnettotabellenwert liege, den Arbeitnehmer also besser stelle, als das Gesetz dies selbst vorsehe. Für die gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG vorgesehenen mindestens 70 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts gem. § 6 Abs. 1 AltersteilzeitG (Mindestnettobetrag) bestimme § 15 S. 2 AltersteilzeitG, dass § 136 SGB III entsprechend gelte; nach dessen Abs. 1 ist das Leistungsentgelt das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt, und nach dessen Abs. 2 S. 1 sind entsprechende Entgeltabzüge auch Steuern, wozu nach dessen S. 2 Ziff. 2 die Kirchensteuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden Kirchensteuer-Hebesatz zähle, der in Bayern für das Jahr 2001 8 % betragen habe. Dieser Betrag sei bei der jährlich neu festzulegenden Mindestnettoverordnung gem. § 15 AltersteilzeitG berücksichtigt und von der tariflichen 82%-igen Mindestnettolohntabelle übernommen worden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die pauschalierte Nettotabelle bestünden nicht, und es existierten insbesondere "keine bekannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu der geschilderten Rechtslage". Demzufolge seien sowohl § 15 AltersteilzeitG und die auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnung als auch § 136 SGB III verfassungskonform. Der bloße Hinweis des Klägers, es sei für Arbeitnehmer untypisch, einer Kirche anzugehören, reiche dafür nicht aus.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 7. Februar 2002, das dem Kläger am 3. Juni 2002 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 13. Juni 2002 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16. August 2002, mit einem hier an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags führt er insbesondere aus, das Arbeitsgericht habe seiner Entscheidung zwar auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1994 (a. a. O.) zu Grunde gelegt, jedoch übersehen, dass dieses die grundsätzliche Pauschalierungsmöglichkeit im Hinblick auf "gewöhnlich anfallende Entgeltabzüge" bezüglich der Kirchensteuer unter den Vorbehalt gestellt habe, dass die weitere Entwicklung hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit in der Bevölkerung zu beobachten sei. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung auch erkannt, dass der Gesetzgeber sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität im Hinblick auf eine zügige Feststellung der Leistungshöhe für eine Pauschalierung entscheiden könne, weshalb es in diesem Fall auch nicht zu beanstanden sei, dass die Lohnabzüge für die Berechnung des Nettolohns individuell ermittelt würden, sondern dass der Bruttolohn um bei Arbeitnehmern "gewöhnlich" anfallende Abzüge vermindert würde. Von "gewöhnlich" anfallenden Abzügen könne dann jedoch nicht mehr die Rede sein, wenn eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern nicht mehr der Kirche angehöre. Zwar gehe der Gesetzgeber "zu der für die Entscheidung maßgeblichen Zeit davon aus, dass die Kirchenzugehörigkeit typisch war", doch sei darauf hingewiesen worden, dass er "künftig die weitere Entwicklung beobachten" müsse. Damit sei zum Ausdruck gebracht worden, dass die weitere Entwicklung hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit zu einer wesentlichen Veränderung in der Bewertung führen könne, der rechtzeitig Rechnung getragen werden müsse. Bei seiner typisierenden Regelung müsse der Gesetzgeber daher an statistische Kenntnisse anknüpfen, d. h. diese statistischen Kenntnisse laufend überprüfen. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht auch ausgeführt, "mit dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Ansatz und dem Gebot der Normenklarheit wäre es nicht mehr vereinbar, die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohns auch dann noch als ,gewöhnlich' anfallenden gesetzlichen Abzug in Ansatz zu bringen, wenn die Zugehörigkeit zu einer Kirche, die Kirchensteuer erhebt, nicht mehr als für Arbeitnehmer typisch angesehen werden könnte, wenn also nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehörte". Von Bedeutung sei auch noch, dass sich die erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Berechnung der Leistungssätze für Arbeitslosengeld bezog, also einen großen Personenkreis, was eine pauschalierende Regelung als sinnvoll und zulässig erscheinen lasse, weil die Verwaltungspraktikabilität eine derartige Pauschalierung erfordere. Im Unterschied zu der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachlage habe der Kläger hier eine Arbeitsleistung erbracht und sei eine Pauschalierung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht erforderlich. Der Kreis der Betroffenen sei hier überschaubar, er umfasse nämlich lediglich die Arbeitnehmer der Beklagten und betreffe auch dort nur eine begrenzte Anzahl, für die es sachgerecht sei, die Leistungen individuell zu berechnen. Was die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern "gewöhnlich" anfielen, anbelange, könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich insbesondere dadurch, dass die neuen Länder zur Bundesrepublik hinzugekommen seien, das statistische Verhältnis von konfessionslosen zugebundenen Arbeitnehmern deutlich geändert hätte.

Schließlich sei der Kläger bei einer pauschalierenden Berechnungsweise in seinen Grundrechten aus Art. 3 und 14 GG verletzt.

Im Wege der Klageerweiterung würden nunmehr auch seine Ansprüche für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 30. Juni 2002 in Höhe von DM 604,24 netto geltend gemacht und müsse festgestellt werden, dass die Beklagte verpflichtet sei, an ihn, den Kläger, von Juli 2002 bis einschließlich Juni 2005 die ihm vorbehaltenen Beträge aus dem Aufstockungsbetrag zu zahlen.

Deshalb stellt der Kläger zuletzt folgende Anträge:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 776,79 (= € 398,35) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz ab 11. Juni 2001 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 517,92 (= € 265,60) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz ab Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 604,24 (= € 309,87) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich einen Betrag in Höhe von DM 86,32 (= € 44,27) netto seit Juli 2002 bis einschließlich Juni 2005 (Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Insbesondere führt sie aus, soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1994 (a. a. O.) stütze, verkenne er, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung, also am 23. März 1994, insoweit kein Handlungsbedarf des Gesetzgebers gesehen worden sei. Er habe insoweit auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Kirchenzugehörigkeit sich seit Entscheidungsverkündung so geändert habe, dass die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Anpassungspflicht des Gesetzgebers eingetreten sei. "Die Dichte der Zugehörigkeit der Bevölkerung der Kirchensteuer erhebenden Körperschaften (sei) - zumal in Bayern - immer noch außerordentlich groß. Nach Erhebung der Katholischen Bischofskonferenz seien ca. 61,4 % der Bayern römisch-katholischer Konfession, während nach den Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland ca. 21 % der Bayern Protestanten seien. Insgesamt betrage der Anteil der Angehörigen der Kirchensteuer erhebenden Körperschaften in Bayern also über 80 %." Damit aber bestehe kein Anlass für den Gesetzgeber, die Technik der Abzugspauschalierung im § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG und § 136 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB III nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu modifizieren. Auch bundesweit gehörten immer noch ca. 65 % der Bürger einer der vorgenannten Kirchen an. Damit aber entspreche die vom Gesetzgeber geschaffene Abzugspauschalierung noch dem Rechtsstaatprinzip des Grundgesetzes gem. Art. 20 GG. Auch der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG, die Bekenntnisfreiheit gem. Art. 4 GG und die Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG seien nicht verletzt, denn der Gesetzgeber habe sich im Rahmen seiner Gestaltungsspielräume gehalten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und 2 lit. b ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

Gegen die Klageerweiterung in der Berufung bestehen gem. § 525 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 264 Nr. 2 ZPO keine Bedenken.

II.

Die Berufung ist deshalb unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist.

1. Denkbare Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 5 Abs. 1 AtzV i. V. mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a i. V. mit § 6 Abs. 1 i. V. mit § 15 S. 2 AltersteilzeitG i. V. mit § 136 Abs. 1 und 2 S. 2 Nr. 2 SGB III i. V. mit Ziff. 6 TV-Atz i. V. mit Ziff. 7 BV-Atz.

Von allein entscheidender Bedeutung ist dabei, ob die Beklagte den darin genannten Aufstockungsbetrag des monatlichen Nettogehalts von mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Vollzeitbruttomonatsarbeitsentgelts richtig errechnet hat, d. h. ob zu den gesetzlichen Abzügen des monatlichen Vollzeitbruttomonatsarbeitsentgelts auch die Kirchensteuer gehört, obgleich der Kläger konfessionslos ist. Dass die Beklagte über Ziff. 6 TV-Atz bzw. Ziff. 7 BV-Atz mit 82 % ein monatlich höheres Nettoentgelt gewährleistet, als dies § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG vorsieht, ist unschädlich, denn insoweit sind ihre Leistungen günstiger als das Gesetz selbst. In den drei vorgenannten Bestimmungen ist jeweils davon die Rede, dass der Arbeitnehmer, der in Altersteilzeit arbeitet, ein monatliches Nettomonatsarbeitsentgelt erhält, das sich an seinem bisherigen Bruttomonatsarbeitsentgelt orientiert, gemindert um "die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", d. h. seinem bisherigen Bruttoarbeitsentgelt entspricht nicht sein bisheriges Nettoarbeitsentgelt, sondern sein Bruttoarbeitsentgelt wird mit gesetzlichen Abzügen belastet, die nicht nur bei ihm, sondern "bei den Arbeitnehmern gewöhnlich" anfallen. Es kommt nicht auf die bei ihm individuell anfallenden gesetzlichen Abzüge an. Sowohl der AtzV als auch der TV-Atz als auch die BV-Atz beziehen sich auf das AltersteilzeitG. Dort wird in § 15 S. 1 Nr. 1 AltersteilzeitG für die Mindestnettobezüge § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG auf eine entsprechende Rechtsverordnung und im S. 2 u. a. auf § 136 SGB III verwiesen. Sowohl der AtzV als auch der TV-Atz als auch die BV-Atz müssen sich infolge dieser Bezugnahme daran messen lassen. § 136 Abs. 1 SGB III bestimmt für das dort geregelte Leistungsentgelt, dass es sich um ein Bemessungsentgelt handelt, das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, vermindert ist. Die Formulierung ist daher mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG, Ziff. 6 Abs. 1 TV-Atz und Ziff. 7 BV-Atz identisch.

Zu den Entgeltabzügen gem. § 136 Abs. 1 SGB III gehört nach dessen Abs. 2 Nr. 2 auch die Kirchensteuer nach einem bestimmten Hebesatz, der hier allerdings unstreitig eingehalten ist.

Nach dem AtzV, dem TV-Atz, der BV-Atz und dem AltersteilzeitG steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch daher nicht zu, weil es nicht auf sein individuelles bisheriges Monatsnettoentgelt ankam, d. h. ohne Kirchensteuer-Hebesatz, sondern auf einen pauschalierten Betrag, in dem der Kirchensteuer-Hebesatz fiktiv von seinem bisherigen Bruttoarbeitsentgelt mit abgezogen wurde.

2. Wie das Bundesverfassungsgericht in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 23. März 1994 (a. a. O.) im Orientierungssatz 2 ausgeführt hat, war der Schutzbereich der Freiheit des religiösen Bekenntnisses gem. Art. 4 GG durch die dort verfassungsrechtlich überprüfte Norm des § 111 Abs. 2 Nr. 2 AFG bei Personen, die, wie der Kläger, keiner Kirchensteuer erhebenden Körperschaft angehören, nicht berührt. Der Kirchensteuer-Hebesatz ist ein reiner Rechnungsposten, der bekenntnisspezifisch neutral ist, weil weder eine tatsächliche Erhebung von Kirchensteuer bei ihm, noch eine Abführung ihrer Beiträge an die Kirchen stattfindet; Anreize zur Veränderung im bekenntnisspezifischen Verhalten können daher von dieser gesetzlichen, tarifvertraglichen, betriebsvereinbarungsrechtlichen und arbeitsvertraglichen Regelung nicht ausgehen (vgl. LAG Düsseldorf vom 19. September 2002 - 5 Sa 649/02, Entscheidungsgründe II. 2.2.3 und OVG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2001 - 2 A 11297/00, Entscheidungsgründe 2.). Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in der vom Kläger herangezogenen Entscheidung vom 23. März 1994 (a. a. O.) ebenfalls erkannt, dass der Schutzbereich des Art. 4 GG nicht durch die damals verfassungsrechtlich überprüfte Norm des § 111 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 AFG bei Personen, die keiner Kirchensteuer erhebenden Körperschaft angehören, berührt wird, denn die Leistungssätze für das Arbeitslosengeld sind ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitslose in seinem früheren Beschäftigungsverhältnis Kirchensteuer entrichtet hat oder nicht, gleich hoch, weshalb auch damals ein Anreiz, aus der Kirche aus- oder einzutreten, nicht bestand. In den Regelungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG, Ziff. 6 TV-Atz und Ziff. 7 BV-Atz ist das gewährleistete Mindestnettogehalt in Höhe von 70 % bzw. 82 % ebenfalls unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit des Arbeitnehmers festgelegt. Es wird gerade keine Rücksicht auf die Kirchenzugehörigkeit oder -nichtzugehörigkeit genommen, also besteht auch kein entsprechender Anreiz zum Bei- oder Austritt. Die Bemessungsgrundlage ist daher insoweit konfessionsneutral.

3. Die Einbeziehung eines fiktiven Kirchensteuer-Hebesatzes unabhängig von einer Kirchenzugehörigkeit des jeweiligen Arbeitnehmers verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG. Der Kläger wird dadurch nicht schlechter gestellt. Bei beiden Arbeitnehmergruppen, kirchensteuerpflichtige und -freie, erfolgt zwar die Berechnung des Nettoentgelts für die Altersteilzeit dergestalt, dass der Mindestkirchensteuer-Hebesatz in Ansatz gebracht wird. Deshalb wird der konfessionslose Kläger aber gerade nicht schlechter gestellt. Zuzugestehen ist ihm allerdings, dass die Arbeitgeberin sich bei dieser Regelung besser stellt, weil der Aufstockungsbetrag sich bei ihr gerade mindert. Aus welchen Gründen dem Kläger dieser Vorteil der Arbeitgeberin zukommen soll, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 GG wird er dadurch im Hinblick auf sein Altersteilzeitentgelt nicht schlechter gestellt (vgl. ebenfalls LAG Düsseldorf vom 19. September 2002, a. a. O., Entscheidungsgründe II. 2.2.2).

4. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AltersteilzeitG, Ziff. 6 TV-Atz und Ziff. 7 BV-Atz sind auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht verfassungswidrig. Wie das Bundesverfassungsgericht in der auch vom Kläger herangezogenen Entscheidung vom 23. März 1994 (a. a. O.) ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsraum bei Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums bei Regelungen der Arbeitslosenversicherung; es ist nicht einzusehen, warum dies nicht auch für die Regelungen des AltersteilzeitG gelten soll, das immerhin die Mindestregelungen bestimmt, die hier sowohl von den Tarifvertragsparteien als auch den Betriebspartner noch deutlich verbessert wurden, weil ein Mindestnettolohn in Höhe von nicht nur 70 %, sondern 82 % des bisherigen Bruttoarbeitsentgelts, vermindert um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Arbeitnehmern "gewöhnlich" anfallen, gewährt werden. Problematisch insoweit könnte allenfalls sein, ob bei dieser Regelung die rechtsstaatlichen Grundsätze gem. Art. 20 Abs. 1 GG beachtet worden sind und der Gesetzgeber sich nicht etwa von sachfremden Erwägungen leiten hat lassen. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass es nicht mehr vereinbar wäre, die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohnes auch dann noch als "gewöhnlich" anfallenden Abzug in Ansatz zu bringen, wenn nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehörte. Solange Kirchenzugehörigkeit typisch ist, ist daher die Berücksichtigung eines Mindestkirchensteuer-Hebesatzes nicht zu beanstanden. Das AltersteilzeitG stammt vom 23. Juli 1996, also nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei Erlass des AltersteilzeitG nicht berücksichtigt hat. Dies kann auch dadurch geschehen sein, dass er sehenden Auges den Mindestkirchensteuer-Hebesatz als gewöhnlichen Abzug von bisherigen Bruttoarbeitsentgelten auch für den Fall akzeptiert hat, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Hinblick auf konfessionslose oder -angehörige Arbeitnehmer gewandelt haben, weil er nämlich seinen gesetzgeberischen Spielraum auch bei der Höhe des garantierten Mindestnettoarbeitsentgelts ausgeschöpft hat, der nicht zwingend bei mindestens 70 % liegen hätte müssen. Allein der Hinweis darauf, dass in § 136 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB III nicht generell auf die in den Ländern geltenden Kirchensteuersätze abgestellt wurde, sondern auf die im Vorjahr geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesätze, zeigt, dass er auch im kirchensteuerlichen Bereich pauschalieren und für Klarheit sorgen wollte. Im Übrigen hat der Kläger zwar im Hinblick auf das Verhältnis der kirchenangehörigen Arbeitnehmer zu den konfessionslosen Beweis durch Erholung einer Auskunft des Statistischen Bundesamtes angeboten, weil er die Ansicht vertritt, dass ein großer Teil der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern keiner Kirche angehört, was die statistischen Verhältnisse seit 1985 durchaus verschoben haben hätte können, der Zeit, die die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1994 (a. a. O.) betraf, genauso wie dies das Bundesverfassungsgericht auch zur Überlegung stellte; doch ist er dann dem Zahlenwerk der Beklagten nicht entgegengetreten, wonach immer noch ca. 65 % der Bundesbürger einer der Kirchen angehöre, in Bayern nach der Erhebung der Katholischen Bischofskonferenz 61,4 % der römisch-katholischen Konfession und den Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland in Bayern ca. 21 %, also bayernweit über 80 %. Unter diesen Umständen aber ist die Berücksichtigung eines Mindestkirchensteuer-Hebesatzes des Vorjahres bei der Berechnung des Mindestnettoentgelts an Hand des bisherigen Bruttoarbeitsentgelts fiktiv vermindert, um auch diese Abgabe nicht zu beanstanden.

Nach alledem ist Berufung unbegründet und daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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