Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 26.02.2008
Aktenzeichen: 8 TaBV 43/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 99 Abs. 4
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats - Verpflichtung der Arbeitgeberin, eine Eingruppierung in eine betriebliche Vergütungsordnung vorzunehmen, wenn diese zwar einen Arbeitnehmer einstellt, aber nicht eingruppiert (im Anschluss an BAG vom 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - DB 2005, 561).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

8 TaBV 43/07

Verkündet am: 26. Februar 2008

In dem Beschlussverfahren

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 22. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Hermann und Lubrich für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21. März 2007 - Gz.: 3 BV 62/06 - wird geändert.

2. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, die mit Wirkung zum 11. April 2005 eingestellte Arbeitnehmerin V. in das betriebliche Vergütungssystem VTFF einzugruppieren, eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen, die Zustimmung des Beteiligten zu 1. hierzu einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfall das Zu-stimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

4. Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberseite in einem gemeinsamen Betrieb verpflichtet ist, eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen und im Falle der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats das Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben.

Der Beteiligte zu 1. (künftig: Betriebsrat) ist der Betriebsrat eines gemeinsamen Betriebs mit knapp 700 Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2. bis 4.

Die Beteiligte zu 3. ist wie folgt entstanden:

Ursprünglich gab es die Fa. A. KG, die am 16. Juli 1960 mit der IG Metall einen Haustarifvertrag in Form eines Anerkennungstarifvertrages abgeschlossen hat. Zu diesem Unternehmen gehörten u. a. das sog. K., der SL. und der KL.; für eine Tätigkeit in Letzterem wurde die Arbeitnehmerin V. am 11. April 2005 eingestellt. Dieses Unternehmen "befand sich mit Ablauf des 31. Dezember 1973 in Liquidation". Am 6. Oktober 1977 wurde die Fa. A. GmbH & Co. B. KG (die Beteiligte zu 3.) gegründet, deren einzige Gesellschafterin und Kommanditistin die Fa. A. KG i. L. war; ihre Komplementärin war die Fa. A. GmbH, die am selben Tag gegründet wurde. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag der Beteiligten zu 2. bis 4. war die Beteiligte zu 3. ein Tochterunternehmen der Fa. A. KG i. L. Letztere hat am 1. Januar 1978 ihren gesamten Geschäftsbetrieb, also auch das sog. K. sowie den SL. und insbesondere den KL. (für den später die Arbeitnehmerin V. eingestellt wurde) gem. § 613a Abs. 1 BGB durch "Pacht- und Veräußerungsvertrag" auf die Beteiligte zu 3. übertragen.

Am 13. Juli 1979 endete die Liquidition der Fa. A. KG i. L. und sie wurde in eine oHG und dann im Jahr 2001 in die Fa. A. AG umgewandelt, die nunmehr die alleinige Kommanditistin der Beteiligten zu 3. ist.

Am 14. Juni 2002 wurde die Beteiligte zu 2. (künftig: Arbeitgeberin) gegründet. Bereits zum 1. Juli 2002 hat die Beteiligte zu 3. das sog. K. gem. § 613a Abs. 1 BGB auf die Beteiligte zu 4. übertragen, die zu keiner Zeit tarifgebunden war; ebenfalls zum 1. Juli 2002 wurde von ihr gem. § 613a Abs. 1 BGB der L. (bestehend aus SL. und KL.) auf die Arbeitgeberin übertragen. Im November 2002 ist dann die Arbeitgeberin mit der Fa. A. B. GmbH verschmolzen worden.

Hinsichtlich der "gesellschaftsrechtlichen Veränderungen" im gesamten Zeitraum wird auf die im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 14. August 2007 entsprechende schematische Darstellung des Betriebsrats verwiesen (vgl. Bl. 119 d. A.).

Die Beteiligten haben am 25. Juni 2002 eine Betriebsvereinbarung folgenden Wortlauts geschlossen:

"Die Unternehmen ... und der Betriebsrat-M. schließen anlässlich der Neustrukturierung der Gesellschaften folgende Betriebsvereinbarung.

1. Mit Wirkung zum 01.07.2002 werden die bisher bei der Fa. A. GmbH & Co. B. KG beschäftigten Mitarbeiter des K. zur Fa. A. TV gem. § 613a BGB überführt. Zum gleichen Zeitpunkt werden die Aktivitäten der bisherigen L. in der C. auf das neu gegründete, ebenfalls zur A.-AG gehörende Unternehmen A. R. GmbH übertragen, sodass die Arbeitsverhältnisse der in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter ebenfalls gem. § 613a BGB übergehen.

2. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass die aufnehmenden Gesellschaften in Bezug auf die genannten Mitarbeiter mit Wirkung zum 01.07.2002 betriebsverfassungsrechtlich in die Rechte und Pflichten der A. GmbH & Co. B. KG eintreten. Zudem wird die Tarifbindung, VTFF Tarifvertrag der Bereiche K. und L.-M., weiter aufrechterhalten.

3. Die aufnehmenden Unternehmen sichern zu, unter beratender Mitwirkung des Betriebsrats die Möglichkeit eines Haustarifvertrages mit der Tarifvertragspartei zu prüfen."

Unstreitig waren bei der Beteiligten zu 3. am Übertragungsstichtag 1. Juli 2002 in dem "Betriebsteil L." 37 Arbeitnehmer tätig, von denen 23 Mitarbeiter in den Tarifvertrag VTFF und ein Mitarbeiter in den Tarifvertrag IG Metall eingruppiert waren. Mit 13 Mitarbeitern hatte die Beteiligte zu 3. die Vergütung frei vereinbart. Seit dem Übernahmestichtag 1. Juli 2002 von der Beteiligten zu 3. auf die Arbeitgeberin sind im "Betriebsteil L." 14 Arbeitnehmer neu eingestellt worden, wobei mit jedem die Vergütung frei vereinbart und keiner, insbesondere nach einem Tarifvertrag, eingruppiert wurde. Im L. waren bei Antragstellung am 3. Juni 2005 insgesamt 43 Arbeitnehmer beschäftigt, die die Beteiligten zu 2. und zu 3. namentlich einzeln benennen. Von den ursprünglich 23 Arbeitnehmern nach dem Tarifvertrag VTFF sind dort nur noch 20 vorhanden und diese werden auch wie bisher danach vergütet ebenso wie der Arbeitnehmer Z., der auch früher bereits nach einem Tarifvertrag der IG Metall vergütet war und weiterhin vergütet wird; mit allen anderen Arbeitnehmern, also den restlichen 22, wurde eine freie Vergütung vereinbart, darunter auch Frau V..

Die Arbeitgeberin hat mit Schreiben vom 14. Februar 2005 an den Betriebsrat mitgeteilt, es sei beabsichtigt, Frau V. zum 11. April 2005 einzustellen; zum Vordruck "Eingruppierung" hat sie vermerkt "freie VB". Hierauf hat der Betriebsrat unter dem 23. Februar 2005 wie folgt Stellung genommen:

" Der Betriebsrat kann der Einstellung zum 11.04.2005 keine Zustimmung erteilen, da eine spätere Eingruppierung in den Tarifvertrag VTFF nicht vorgesehen ist. Unseres Wissens besteht nach wie vor bei A. R. GmbH eine tarifvertragliche Bindung, was zur Folge hat, dass alle außer sog. Leitende eingruppiert werden müssen." Tatsächlich ist das Eingruppierungsverfahren gem. § 99 Abs. 1 BetrVG im Hinblick auf die dann eingestellte Arbeitnehmerin V. nicht durchgeführt worden. Mit Schreiben vom 11. April 2005 an die Beteiligte zu 3. hat der Betriebsrat, da er annahm, "bei der A. R. GmbH (Beteiligte zu 2.) bestehe eine tarifvertragliche Regelung an den Tarifvertrag VTFF durch die Betriebsvereinbarung vom 25.06.2002", diese aufgefordert, die Eingruppierung der Arbeitnehmerin V. "in diesen Tarifvertrag" vorzunehmen, jedoch erfolglos.

Er hat vor dem Arbeitsgericht, wobei in dieser Instanz lediglich die Arbeitgeberin beteiligt war, vorgetragen,

die Arbeitnehmerin V. sei am 11. April 2005 ohne seine Beteiligung zur Eingruppierung gem. § 99 Abs. 1 BetrVG eingestellt worden. Zur Eingruppierung bedürfe es keiner Tarifbindung seitens der Arbeitgeberin. Es genüge bereits ein entsprechendes betriebliches Vergütungssystem, das hier auch tatsächlich in der Vergangenheit zur Anwendung gekommen sei. Aus der Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2002 ergebe sich, dass bei der Arbeitgeberin eine entsprechende tarifliche Vergütungsordnung existiere, die sich am Tarifvertrag VTFF orientiere. Zumindest existiere eine entsprechende betriebliche Übung. Die Arbeitgeberin sei daher verpflichtet, das Zustimmungsersetzungsverfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen und müsse dazu nach einer entsprechenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung mit einem Zwangsgeld belegt werden.

Deshalb hat er vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:

1. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, die mit Wirkung vom 11. April 2005 eingestellte Arbeitnehmerin Frau V. in das betriebliche Vergütungssystem einzugruppieren und die Zustimmung des Antragstellers dazu einzuholen.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach Ziff. 1. wird die Beteiligte zu 2. mit einem Zwangsgeld von bis zu € 250,-- belegt.

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Sie hat vorgetragen,

bei ihr bestehe keine Tarifbindung im Hinblick auf den Tarifvertrag VTFF. Eine Fortgeltung der Tarifbindung nach einer Betriebsübernahme komme gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht. Im Übrigen habe bereits bei ihrer Rechtsvorgängerin keine betriebliche Übung im Hinblick auf den Tarifvertrag VTFF bestanden, ausnahmslos alle Arbeitnehmer in diesen einzugruppieren und sie bestehe auch bei ihr nicht. Gegen eine betriebliche Übung spreche insbesondere, dass bei sämtlichen Neueinstellungen seit dem Übernahmestichtag 1. Juli 2002 die Vergütung mit den Arbeitnehmern stets frei vereinbart worden sei. Aus der Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2002 könne nicht zwingend abgeleitet werden, dass auf alle neu einzustellenden Arbeitnehmer der Tarifvertrag VTFF angewendet werden müsse.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. März 2007, der dem Betriebsrat am 5. April 2007 zugestellt worden ist, den Antrag zurückgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Betriebsrat mit einem am 19. April 2007 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und sie mit einem hier am 31. Mai 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Dabei hat er den Antrag auch auf die Beteiligten zu 3. und zu 4. erweitert, weil diese die Unternehmen des gemeinsamen Betriebes sind, deren Betriebsrat er ist. Dem haben die Arbeitgeberin und die Beteiligte zu 4. nicht widersprochen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags führt er ergänzend aus, es komme nicht darauf an, ob bei der Arbeitgeberin eine Tarifbindung an den Tarifvertrag VTFF bestehe, sondern allein darauf, ob es eine betriebliche Vergütungsordnung gebe, was mit der Praktizierung des Tarifvertrages VTFF der Fall sei. Trotz des Wegfalls der Tarifbindung bestehe diese tarifliche Vergütungsordnung als betriebliches Entgeltsystem fort, das nur unter Beachtung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG abgeändert oder aufgehoben werden könne, was hier jedoch nicht geschehen sei. Die Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2002 bestätige letztlich die Anerkennung der Anwendung der Tarifverträge VTFF für die Zukunft und den L.. Letztlich führe der Wegfall einer Tarifbindung dazu, dass diese sich in ihrer Struktur zu den betrieblichen Entgeltmodellen i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG "wandle".

Deshalb stellt er zuletzt folgende Anträge:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21. März 2007 - Gz.: 3 BV 62/06 - wird abgeändert.

2. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, die mit Wirkung zum 11. April 2005 eingestellte Arbeitnehmerin Frau V. in das betriebliche Vergütungssystem VTFF einzugruppieren, eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen und die Zustimmung des Antragstellers hierzu einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfall das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben.

3. Für jeden einzelnen Fall und Tag der Zuwiderhandlung nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach Ziff. 2. wird die Beteiligte zu 2. mit einem Zwangsgeld von bis zu € 250,-- belegt.

Die Beteiligten zu 2. bis zu 4. beantragen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Sie halten den angegriffenen Beschluss für richtig und wiederholen und vertiefen ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Es bleibe insbesondere dabei, dass es weder eine tarifliche (Tarifvertrag VTFF) noch eine betriebliche (z. B. durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Inhalt des Tarifvertrages VTFF) Vergütungsordnung noch eine solche aufgrund betrieblicher Übung mit diesem Inhalt gebe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats hin ist der arbeitsgerichtliche Beschluss zu ändern und dem gestellten Antrag des Betriebsrats in Ziff. 1. und Ziff. 2. zu entsprechen; im Übrigen ist sie unbegründet und daher zurückzuweisen.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft gem. § 87 Abs. 1 ArbGG, denn sie richtet sich gegen einen das Verfahren beendenden arbeitsgerichtlichen Beschluss.

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 89 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. mit § 87 Abs. 2 i. V. mit § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

- Gegen die Antragserweiterung in der Beschwerde auf die Beteiligten zu 3. und zu 4. bestehen deshalb keine Bedenken, weil sie zum einen sachdienlich ist, denn es geht um betriebsverfassungsrechtliche Regelungen in einem gemeinsamen Betrieb gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, indem sie zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel und ihre Arbeitnehmer gemeinsam einsetzen und zum anderen haben diese beiden Beteiligten mindestens durch die Stellung der Anträge in der Beschwerdeinstanz in diese Antragsänderung eingewilligt (§§ 525, 263, 267 ZPO analog).

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

2.1 Danach ist zunächst der Antrag des Betriebsrats gem. § 133 BGB analog auszulegen. Er begehrt im ersten Schritt zunächst die Einhaltung seines Mitbestimmungsrechts gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wozu gehört, dass die Arbeitgeberin zunächst eine Eingruppierungsentscheidung selbst im Hinblick auf die Eingruppierung der Arbeitnehmerin V. trifft und dazu seine, des Betriebsrats, Zustimmung einholt und im zweiten Schritt, da diese sich weigert, überhaupt eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen, er jedenfalls das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG betreibt.

2.2 In seinem Beschluss vom 26. Oktober 2004 (1 ABR 37/03 - DB 2005, 561) hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung der Betriebsrat in den Fällen, in denen die Arbeitgeberin eine Eingruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, gem. § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen kann. Allerdings setzt dies voraus, dass die Arbeitgeberin überhaupt eine Eingruppierung vorgenommen hat. Ist dies nicht der Fall, "kann und muss der Betriebsrat zur Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte verlangen, der Arbeitgeberin zunächst die Eingruppierung in die maßgebliche Vergütungsgruppe aufzugeben und ihn sodann zur Einholung seiner - des Betriebsrats - Zustimmung sowie bei deren Verweigerung zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten". Dies setzt allerdings eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht der Arbeitgeberin zur Eingruppierung voraus, die sich sowohl aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst als auch aus der betriebsverfassungsrechtlichen Norm eines Tarifvertrages oder aus einer Betriebsvereinbarung ergeben kann.

2.3 Unstreitig besteht für die Arbeitgeberin hier keine Tarifbindung i. S. des Tarifvertrages VTFF im Hinblick auf die am 11. April 2005 eingestellte Arbeitnehmerin V..

- Es kann dahinstehen, ob sich eine betriebliche Vergütungsordnung hier aus der Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2002 unmittelbar selbst ergibt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren Ziff. 2 S. 1, worin es insbesondere heißt, "dass die Betriebsparteien sich einig sind, dass die aufnehmenden Gesellschaften (hier die Beteiligten zu 2. und zu 4.) in Bezug auf die genannten Mitarbeiter mit Wirkung zum 01.07.2002 betriebsverfassungsrechtlich in die Rechte und Pflichten der A. GmbH & Co. B. KG eintreten" und zudem nach dessen S. 2 "die Tarifvertragsbindung, VTFF Tarifvertrag der Bereiche ... und L.-M. weiter aufrechterhalten wird", wobei all dies allerdings im Zusammenhang mit Ziff. 1. dieser Betriebsvereinbarung zu würdigen ist, dass mit Wirkung zum 1. Juli 2002 "die Aktivitäten der bisherigen L. der C. (gemeint ist hier offensichtlich die Beteiligte zu 3.) auf das neu gegründete ebenfalls zur A.-AG gehörende Unternehmen A. R. GmbH (hier die Arbeitgeberin) übertragen werden, sodass die Arbeitsverhältnisse der in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter ebenfalls gem. § 613a BGB übergehen". Immerhin sind damals 37 Arbeitnehmer von der Beteiligten zu 3. im Zuge eines Betriebsteilüberganges auf die Arbeitgeberin übergegangen, von denen lediglich 23 in den Tarifvertrag VTFF eingruppiert waren, während der 24. in einen Tarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie eingruppiert und mit den restlichen 13 Arbeitnehmern bereits eine freie Vergütung vereinbart war. Bei dieser Gelegenheit erscheint es angebracht, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt, darauf hinzuweisen, dass die bloße Tatsache, dass mit Arbeitnehmern die Vergütung frei vereinbart wird, nicht unbedingt gleich bedeutend ist, dass damit eine Zuordnung nach einem bestimmten Vergütungssystem, gleichgültig ob tariflich oder über eine Betriebsvereinbarung, nicht mehr möglich ist, denn Vergütungssysteme regeln zwar auch die Vergütung, die sich jedoch regelmäßig an bestimmten Tätigkeiten orientiert, zu denen eine Zuordnung von Arbeitnehmern durchaus möglich ist. Auch eine übertarifliche Bezahlung lässt deshalb grundsätzlich eine tarifliche Zuordnung an sich zu. Etwas anderes mag gelten, wenn es sich um sog. AT-Angestellte handelt, bei denen von vorneherein feststeht, dass sie nicht nur dem Vergütungssystem, sondern auch den Gruppen nicht mehr zugeordnet werden können, an denen sich das Vergütungssystem orientiert, weil sie andere Arbeiten verrichten.

Dennoch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2002 sich möglicherweise darin erschöpft, dass darin lediglich diejenigen Arbeitnehmer, die bereits bei der Beteiligten zu 3. beschäftigt waren, nach dem Betriebsübergang am 1. Juli 2002 dergestalt gesichert sein sollten, dass sie auch künftig so bezahlt würden, als bestünde noch eine Tarifbindung. Selbstverständlich können dabei die Parteien von Betriebsvereinbarungen keine Tarifnormen vereinbaren, denn jedenfalls der Betriebsratsseite fehlt die Tariffähigkeit gem. § 2 TVG.

- Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, dass die sich Beteiligte zu 3. bereits vor dem Betriebsübergangsstichtag 1. Juli 2002 in ihrer innerbetrieblichen Gliederungseinheit L. für eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern, nämlich 23 von insgesamt 37, also immerhin der deutlichen Mehrheit an dem Vergütungssystem des Tarifvertrages VTFF orientiert hatte. Es kann dabei dahinstehen, ob sie darüber hinaus mit den weiteren 13 Mitarbeitern, mit denen sie die Vergütung frei vereinbarte und offenbar auch keine Eingruppierung vorgenommen hat, nicht bereits gegen § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG verstoßen hat, insbesondere im Hinblick auf das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Jedenfalls bestand dieses Vergütungssystem auch zunächst nach dem Betriebsübergang von ihr auf die Arbeitgeberin ab dem 1. Juli 2002 weiter und sie hat es auch weiter praktiziert, zumindest bei den übergegangenen Arbeitnehmern. Dass sie darüber hinaus erneut ständig keine Eingruppierungen bei neu einzustellenden Arbeitnehmern vornahm, ändert nichts daran, dass es ein derartiges innerbetriebliches Vergütungssystem gab. Dann hatte sie sich auch daran zu halten.

- Damit aber ist sie auch verpflichtet, die am 11. April 2005 eingestellte Arbeitnehmerin V. nach diesem Vergütungssystem einzugruppieren. Aus der Tatsache, dass sie in der Vergangenheit ständig dagegen verstoßen hat, entstand hier kein Freiraum für sie. Sie hat daher gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG zunächst bei sich eine entsprechende Eingruppierungsentscheidung im Hinblick auf die eingestellte Arbeitnehmerin V. zu treffen und insoweit die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.

2.4 Da die Arbeitnehmerin V. bei der Arbeitgeberin bereits eingestellt wurde und Letztere sich weiterhin weigert, sie einzugruppieren, kann der Betriebsrat von ihr verlangen, dass sie das Verfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG betreibt (BAG vom 26. Oktober 2004, a. a. O.), denn sonst ginge sein entsprechendes Mitbestimmungsrecht ins Leere.

3. Von der Anordnung eines Zwangsgeldes gem. §§ 87 Abs. 2 i. V. mit 85 Abs. 1 S. 3 ArbGG i. V. mit § 888 ZPO (Antrag Ziff. 2. vor dem Arbeitsgericht und Antrag Ziff. 3. vor der Beschwerdekammer) wurde abgesehen, weil die Beschwerdekammer davon ausgeht, dass die Arbeitgeberin hier nach rechtskräftiger Entscheidung der strittigen Frage i. S. des Betriebsrats selbstverständlich ihren Pflichten gem. § 99 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 BetrVG nachkommt und für den Fall, dass der Betriebsrat unterliegt, ein entsprechendes Zwangsmittel von vorneherein entfällt.

III.

Gem. § 2 Abs. 2 GKG werden im Beschlussverfahren keine Kosten erhoben.

Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück