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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 03.11.2009
Aktenzeichen: 1 TaBV 63/09
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 106
BetrVG § 109
Die Einigungsstelle zur Auskunftserteilung gegenüber dem Wirtschaftsausschuss ist nicht offensichtlich unzuständig, wenn die Auskunft über die Vermögensübertragung von einer Konzernholdinggesellschaft verlangt wird, nachdem durch Umstrukturierung ein Gemeinschaftsbetrieb mit mehreren Gesellschaften mit beschränkter Haftung geschaffen wurde und die Holdinggesellschaft dort in Personalfragen "das Sagen" hat.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

1 TaBV 63/09

In dem Beschlussverfahren

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 3. November 2009 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Lipke beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats und Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 20. Juli 2009 - 3 BV 3/09 - abgeändert.

Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG zur Beschaffung der verweigerten Auskünfte über wirtschaftliche Angelegenheiten, hier Gewinn- und Verlustrechnung der Bet. zu 10), Auflistung des bei der Einzelrechtsübertragung von der Bet. zu 10) auf die Bet. zu 2)-9) jeweils übertragenen Vermögen sowie Verbleib der erworbenen Assets, wird der Richter am Arbeitsgerichts B. bestellt.

Die Zahl der Beisitzer wird auf je zwei für die Betriebsrats- und die Arbeitgeberseite festgelegt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Einigungsstelle zur Regelung der Auskunftspflicht der Beteiligten zu 10) gegenüber dem Wirtschaftsausschuss einzurichten ist.

Der antragstellende Beteiligte zu 1) war zunächst der ehemalige Betriebsrat der B. GmbH, einer Tochtergesellschaft der B2. GmbH, der für den Betrieb der Beteiligten zu 2) und 9) ein Übergangsmandat ausübte. Inzwischen ist ein neuer Betriebsrat des gemeinsamen Betriebes der Beteiligten zu 2) bis 9), nämlich des Gemeinschaftsbetriebes B3. errichtet worden, der an dem Auskunftsbegehren gegenüber der Beteiligten zu 10) festhält.

Die Beteiligen zu 2) bis 9) sind 100%ige Tochtergesellschaften der Beteiligten zu 10). Diese wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 11), die als reine Holding ohne eigene Arbeitnehmer ihre Geschäfte betreibt. Die Beteiligten zu 2) bis 9) beschäftigen in ihrem Betrieb in H. unter einheitlicher Leitung ca. 270 ehemalige Arbeitnehmer der B. GmbH. Die B. GmbH beschäftigt in ihrem Betrieb in H. bis jetzt ca. 2200 Arbeitnehmer. Auf Grund einer strategischen Neuausrichtung wurde der Betrieb zunächst in die Teile "A./A2." und "C. neu" aufgespalten. Der Teil "C. neu" umfasst ca. 1800 Arbeitnehmer und wurde auf die B4. GmbH übertragen. Der Teil "A./A2." ging durch Einzelrechtsübertragung auf die Beteiligte zu 10) über. Diese wiederum gründete die Beteiligten zu 2) bis 9) und übertrug ihnen die verschiedenen Sparten des Betriebes "A./A2." durch Einzelrechtsübertragung. Die Beteiligte zu 6) wurde an die L. Holding AG verkauft. Nachdem inzwischen die ebenfalls von dem Beteiligten zu 1) verlangten Gewinn- und Verlustrechnungen der Beteiligten zu 2) bis 9) sowie ihre Businesspläne inklusive der Zukunftsplanungen einschließlich der Offenlegung der geschäftlichen Entscheidungen gegenüber dem Betriebsrat erteilt worden sind, beschränkt sich das Auskunftsverlangen nunmehr auf die Vorlage der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung der Beteiligten zu 10) sowie auf die Vorlage einer Auflistung der bei der Einzelrechtsübertragung von der Beteiligten zu 10) auf die Beteiligten zu 2) bis 9) jeweils übertragenen Vermögenswerte sowie auf Vorlage des Verbleibs der erworbenen Assets.

In der Zwischenzeit ist im Zusammenhang mit der beschriebenen Betriebsänderung ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen worden. Im Bereich der Beteiligten zu 2) steht eine Planung an, weiteres Personal in der Größenordnung von 1/5 der Belegschaft abzubauen.

Das Arbeitsgericht hat mit am 20. Juli 2009 verkündeten Beschluss den Antrag des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass die beantragte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig im Sinne von § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG sei. Eine Einigungsstelle könne im Zusammenhang mit dem Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses nach §§ 106, 109 BetrVG nur entscheiden, ob, wann und in welcher Weise eine Auskunft unter Vorlage welcher Unterlagen zu erteilen sei. Hier scheitere die Bestellung der Einigungsstelle daran, dass der Wirtschaftsausschuss bisher keine konkrete Auskunft im Sinne von § 109 BetrVG verlangt habe und zu dem Verlangen des Betriebsrats auch kein entsprechender Beschluss vorgelegt worden sei. Von daher könne dahinstehen, ob die mit dem Antrag begehrten Unterlagen, die ausschließlich die Beteiligte zu 10) betreffen, verlangt werden könnten oder ob vielmehr die sich nach dieser Vorschrift ergebenden Unterrichtspflichten ausschließlich gegenüber den Beteiligten zu 2) bis 9) bestünden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug und der Beschlussgründe wird auf Blatt 139 bis 147 der Akten Bezug genommen.

Gegen den ihm am 22. Juli 2009 zugestellten erstinstanzlichen Beschluss (Bl. 149 d. A.) hat der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) Beschwerde mit Begründung zum Landesarbeitsgericht eingelegt am 4. August 2009 (Bl. 151 d. A.).

Der beschwerdeführende Betriebsrat und Beteiligte zu 1) hält an seinem Auskunftsverlangen gegenüber der Beteiligten zu 10) fest und vertritt die Rechtsauffassung, dass sich mit den bisher erteilten Auskünften das Verfahren nicht erledigt habe. Ein gleichermaßen konkretes Auskunftsverlangen im Sinne von § 109 BetrVG sei am 22. September 2009 erneut vom Wirtschaftsausschuss der B3. gestellt worden. Die Einladungen zu der Wirtschaftsausschusssitzung am 22. September 2009 seien erneut an die Herren S. und S2. versendet worden, die von Seiten A3. als maßgebliche Ansprechpartner zur Verfügung stünden und sich als Mitarbeiter der Beteiligten zu 11) ausgegeben hätten. Die Beteiligten zu 10) und 11) dieses Verfahrens seien passiv legitimiert, da sie in die einheitliche Leitung des bestehenden gemeinsamen Betriebs der Beteiligten zu 2) bis 9) eingebunden seien. Das ergebe sich insbesondere auch daraus, dass der Vorstandsvorsitzende der Beteiligten zu 11) arbeitgeberseitig die Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen geführt habe. Der Vorstandsvorsitzende M. sei nahezu wöchentlich in H., um persönlich die Geschäfte zu überprüfen. In den Verhandlungen, die in der Vergangenheit zwischen Herrn S2., Herrn S. und Vertretern des Betriebsrats der B4. GmbH geführt wurden, hätten die beiden Unternehmensvertreter deutlich gemacht, dass sie alle inhaltlichen Zugeständnisse mit dem Vorstandsvorsitzenden M. abzustimmen hätten. Daraus ergebe sich ein einheitlicher betriebsbezogener Leitungsapparat, der ein Auskunftsverlangen auch gegenüber der Beteiligten zu 10) begründe. Der inzwischen getätigte Abschluss des Sozialplans beeinflusse nicht das fortbestehende Unterrichtungsrecht des Betriebsrats gegenüber der Beteiligten zu 10).

Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) beantragt,

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 20. Juli 2009 - 3 BV 3/09 - wird abgeändert.

2. Als Vorsitzender der Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG zur Beschaffung der verweigerten Auskünfte über wirtschaftliche Angelegenheiten, d. h. Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Beteiligten zu 10), Auflistung des bei der Einzelrechtsübertragung von der Beteiligten zu 10) auf die Beteiligten zu 2) bis 9) jeweils übertragenen Vermögens sowie Verbleib der erworbenen Assets, wird der Vorsitzende Richter am Arbeitsgericht B. bestellt.

3. Die Zahl der Beisitzer wird auf jeweils 2 festgelegt.

Die Beteiligten zu 2) bis 11) beantragen,

die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 20. Juli 2009 zurückzuweisen.

Sie treten den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts bei und erachten die zulässig verlangten Informationen als erteilt. Die Herren P., S. und S2. seien keine Mitarbeiter der Beteiligten zu 11). Das weiterverfolgte Auskunftsbegehren könne nicht gegenüber dem Beteiligten zu 10) bis 11) gestellt werden, da diese als Holding Gesellschaften nicht passiv legitimiert seien. Es bestehe kein Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten, da es an einem einheitlichen Betriebsrat fehle. Die konzernrechtliche Verbindung genüge hierfür nicht. Daher komme auch ein Informationsdurchgriff im Konzern auf die Beteiligte zu 10) nicht in Betracht.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Anhörungsniederschrift vom 3. November 2009 (Bl. 343 bis 346 d. A.) verwiesen. Der Beteiligtenwechsel auf Seiten des Betriebsrats ist im Einvernehmen der Beteiligten erfolgt.

II. Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) ist begründet und führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Die zur Auskunftserteilung gegenüber dem Wirtschaftsausschuss einzusetzende Einigungsstelle ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags nicht offensichtlich unzuständig.

1. Die eingelegte Beschwerde ist nach § 98 Abs. 2 S. 1 ArbGG statthaft. Die Beschwerde ist auch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Einlegungs- und Begründungsfrist von zwei Wochen erhoben worden (§ 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG). Die auf Monatsfristen abgestellte fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Arbeitsgerichts bietet deshalb keinen Anlass auf die sich nach § 9 Abs. 5 ArbGG daraus ergebenden Rechtsfragen einzugehen. Hierzu kann auf die Entscheidung des Gerichts vom 24. Mai 1993 - 1 TaBV 28/93 (LAGE § 9 ArbGG 1979 Nr. 3) verwiesen werden. Der Beteiligtenwechsel auf Betriebsratsseite ist Folge des mit dem Abschluss der Betriebsänderung und der Neuwahl des Betriebsrats endenden Übergangsmandats des Betriebsrats der B4. GmbH.

2. Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des hiesigen Verfahrens ist zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit. Das gestellte Auskunftsverlangen ist konkret umschrieben, spätestens mit der Einladung zur Wirtschaftsausschusssitzung vom 31. August 2009 für den 22. September 2009 (Bl. 342 d. A.; Anlage AS 9) zum Tagesordnungspunkt 6.: "Darstellung und Verbleib der von R./C. erworbenen Assets einschließlich der jeweiligen Werte". Damit kann das Auskunftsverlangen nicht mehr an einer fehlenden Konkretisierung im Sinne von § 109 BetrVG scheitern, wie das Arbeitsgericht angenommen hat. Der auf Auskunftserteilung gegenüber der Beteiligten zu 10) beschränkte Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle ist nunmehr so konkret gestellt, dass die Einigungsstelle beurteilen kann, ob die Auskunft unzumutbar ist, derzeit noch nicht gegeben werden muss oder durch eine Erteilung Geschäftsgeheimnisse verletzt würden (vgl. LAG Köln vom 2. März 2009 - 2 TaBV 111/08 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 52). Die Einigungsstelle wird darüber hinaus zu beurteilen haben, ob aufgrund der neu geschaffenen Konzernstruktur mit Holding und nachgeordneten gemeinsam handelnden Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein Informationsdurchgriff auf die Beteiligte zu 10) in Betracht kommt.

3. a) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Einrichtung einer Einigungsstelle im Rahmen des § 109 BetrVG daran scheitern kann, dass ihre offensichtliche Unzuständigkeit auf der Hand liegt. Davon ist auszugehen, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen, noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind ggf. der Einigungsstelle vorzubehalten. Für die Bestellung der Einigungsstelle ist allein ausschlaggebend, ob an ihrer Unzuständigkeit ernsthafte Zweifel möglich sind oder nicht. Nur bei ernsthaften Zweifeln ist der Bestellungsantrag zurückzuweisen. Werden die für die Zuständigkeit maßgeblichen Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt, bleibt eine Zurückweisung wegen offensichtlicher Unzuständigkeit außer Betracht (HM; z. B. LAG Hamm vom 9. August 2004 - 10 TaBV 81/04 = LAGE § 98 ArbGG 1990 Nr. 43; Hessisches LAG vom 14. Februar 2006 - 4 TaBV 1/06 = ArbuR 2006, 413; LAG Niedersachsen vom 11. November 1993 - 1 TaBV 59/93 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 27; ErfK/Eisemann 9. Aufl. 2009, § 98 Rn. 3; Düwell/Lipke-Koch ArbGG 2. Aufl., 2005 § 98 Rn. 17).

Demnach genügt es für die Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG, wenn der Wirtschaftsausschuss eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheit verlangt hat und zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Meinungsverschiedenheit über deren Berechtigung und/oder Erfüllung besteht (Hessisches Landesarbeitsgericht vom 14. Februar 2006 aaO).

b) Das Auskunftsverlangen des Betriebsrats lässt sich materiellrechtlich auf § 106 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Nr. 9a, 10 in Verbindung mit § 109 BetrVG gründen. Danach gehören zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die der Wirtschaftsausschuss zu unterrichten ist, auch die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, sowie sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können.

Hier ist es durch die Übernahme des Teils "A./A2." der B. GmbH auf die Beteiligte zu 10) zu einer Übernahme von Unternehmensteilen gekommen, in deren Folge durch Umstrukturierungen und durch Personalabbau Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berührt worden sind. Beleg dafür sind der Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans zur Regelung der Betriebsänderung und ihrer sozialen Auswirkungen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Der Abschluss des Interessenausgleichs und des Sozialplans führt jedoch nicht dazu, dass das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Auskunft entfällt. Im Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht haben die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen, dass weitere Personalmaßnahmen geplant sind, die zu einem Abbau eines Fünftels der Belegschaft der Beteiligten zu 2) führen könnten. Da hierfür die wirtschaftlichen Grundlagen der Beteiligten zu 2) bis 10) von Bedeutung sein dürften, ist es nachvollziehbar, wenn der Betriebsrat über den Wirtschaftsausschuss nähere Informationen zur Vermögenssituation auch im Blick für die Zukunft durchsetzen möchte.

4. Der Informationsdurchgriff auf die Konzernholding beziehungsweise auf die Beteiligte zu 10) scheitert ebenfalls nicht am Maßstab der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle.

a) Der Arbeitgeberseite ist zuzugeben, dass sich die Bindung der Unterrichtungspflicht an die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens im Konzernverbund regelmäßig dahin auswirkt, dass die Vorgaben des herrschenden Unternehmens nicht in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsausschusses fallen, der bei dem abhängigen Unternehmen errichtet wurde (GK-BetrVG 7. Aufl. 2002 Fabricius/Oetker § 106 Rn. 38; Fitting 2008, 24. Aufl. § 106 Rn. 8, 13, jeweils mwN). Von daher sind die Unterrichtungspflichten im Ansatz auf den von den Beteiligten zu 2) bis 9) gebildeten Gemeinschaftsbetrieb beschränkt. Gleichwohl ist ein Informationsdurchgriff auf die Beteiligte zu 10) denkbar, wenn sie selbst Bestandteil des Gemeinschaftsbetriebes ist und letztlich in der Leitung der Unternehmen und insbesondere in Personalfragen "das Sagen" hat. Die hierzu von Arbeitgeberseite angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2006 - 2 AZR 327/01 (= AP Nr. 29 zu § 23 KSchG 1969 = EzA § 23 KSchG Nr. 24) hilft insoweit zur Orientierung nicht weiter, da es nicht um den Bereich des Kündigungsschutzes, sondern um den Bereich der Betriebsverfassung geht.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dem Problemfeld liegt nicht vor. Im Schrifttum sprechen sich Fischer (ArbuR 2002, 7, 8 f.) für einen Informationsdurchgriff auf die Konzernspitze aus, Diller/Powietzka (DB 2001, 1034 ff.) stimmen dagegen. Windbichler (Arbeitsrecht im Konzern 1989, 339 f.) hält die Mitbestimmungs- (und damit die Unterrichtungsrechte) im abhängigen Unternehmen für falsch angesiedelt, wenn es keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung habe. Zwar sei ein einheitlicher "Konzernarbeitgeber" nicht begründbar; dennoch führe die Unterwerfung unter eine Außensteuerung durch ein herrschendes Unternehmen zu einer Verlagerung der Mitbestimmungs- (Unterrichtungs-) rechte. Die Betriebsverfassung müsse der tatsächlich vorgefundenen Organisation folgen.

b) Mit dem Inkrafttreten der Neuregelungen in § 106 Abs. 2 S. 2 und in Abs. 2 Nr. 9a BetrVG zum 19. August 2008 (Risikobegrenzungsgesetz, BGBl. I S. 1666) wird indessen deutlich, dass ein vom Gesetzgeber anerkanntes Auskunftsinteresse des Betriebsrats über den Wirtschaftsausschuss auch im Falle der Übernahme von Unternehmen besteht. Dies bestätigt sich in der Aufnahme des § 109a in das BetrVG, in dem die Auskunftsrechte sogar in Unternehmen, in denen kein Wirtschaftsausschuss besteht, dem Betriebsrat übertragen werden.

Aufgrund der hierzu noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen kann deshalb eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle zu der begehrten Auskunft gegenüber der Beteiligten zu 10) nicht festgestellt werden.

c) Für die nicht auszuschließende Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes der Beteiligten zu 2) bis 9) mit der Beteiligten zu 10) spricht, dass unstreitig der Vorstandsvorsitzende der Beteiligten zu 10) M. sowie weitere der Beteiligten zu 10) nach ihrem äußeren Verhalten zuzurechnende leitende Personen an maßgeblichen, die Beteiligten zu 2) bis 9) betreffende unternehmerische Entscheidungen auch im personellen Bereich beteiligt waren, wie z. B. bei der Verhandlung und dem Abschluss des Interessenausgleichs und des Sozialplans. Vertreter der Beteiligten zu 10) und 11) sind auch - wie sich aus dem Umgang im Wirtschaftsausschuss miteinander ergibt - immer zugegen und wirken auf das operative Tagesgeschäft der Beteiligten zu 2) bis 9) ein. Ob damit die Voraussetzungen eines Gemeinschaftsbetriebes im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes erfüllt sind (vgl. dazu BAG vom 13. August 2008 - 7 ABR 21/07 = NZA-RR 2009, 255 = DB 2009, 184) kann dahinstehen. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle zur Beurteilung der Frage, ob die Beteiligte zu 10) auskunftsverpflichtet gegenüber dem Wirtschaftsausschuss ist oder nicht, ergibt sich daraus jedenfalls nicht.

5. Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, da das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.

Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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