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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 10 Sa 1402/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 611
BGB § 613
BGB § 823
1. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu ersetzen. Eine Haftungsteilung kommt aber in Betracht, wenn der Verdienst in deutlichem Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht.

2. Der Abschluss einer freiwilligen privaten Haftpflichtversicherung durch den Arbeitnehmer bleibt ohne Auswirkung auf die Haftung.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1402/08

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2009 durch

den Direktor des Arbeitsgerichts Dreher, den ehrenamtlichen Richter Herr Strangemann, den ehrenamtlichen Richter Herr Wagenholz für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 15. Juli 2008 - 1 Ca 178/08 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger über den zuerkannten Betrag hinaus weitere 1.920,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2006 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 23/25, die Beklagte 2/25 zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention haben die Kläger 23/25, die Nebenintervenientin 2/25 zu tragen.

Hiervon ausgenommen sind die Kosten der durch die Anrufung des Landgerichts Lüneburg angefallenen Kosten einschließlich der hierdurch entstandenen Kosten der Nebenintervention. Diese haben die Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ersatz wegen der Beschädigung eines Diagnosegerätes.

Die Kläger sind Ärzte und betreiben eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis. Die Beklagte ist bei ihnen seit vielen Jahren als Reinigungskraft beschäftigt; ihr monatliches Bruttoentgelt beträgt derzeit 320,00 Euro. Die auf Seiten der Beklagten als Streithelferin beigetretene Nebenintervenientin ist ein Versicherungsunternehmen, bei dem die Beklagte eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat.

Die Beklagte besuchte an einem für sie arbeitsfreien Sonntag eine Freundin, die ebenfalls für die Kläger arbeitet und in deren Praxisgebäude wohnt; weitere Personen hielten sich an diesem Tage nicht im Gebäude auf. Die Beklagte hörte einen Signalton, der von dem Magnetresonanztomografen in der Arztpraxis ausging, und begab sich zu der an einer Wand in der Praxis angebrachten Steuereinheit des Gerätes. An der Steuereinheit befinden sich fünf Knöpfe, nämlich vier kleinere blaue mit den Bezeichnungen "host standby", "alarm silence", "system off" und "system on". Über diesen Knöpfen befindet sich ein größerer roter Knopf mit der weißen Aufschrift "magnet stop". In der Absicht, den Alarmton auszuschalten, drückte die Beklagte statt des hierfür vorgesehenen Knopfs "alarm silence" den roten Knopf. Dies führte entsprechend der Bestimmung dieses Schalters dazu, dass das in dem Magnetresonanztomografen als Kühlmittel befindliche Helium entwich und das im Gerät vorhandene elektromagnetische Feld zusammenbrach. Die Reparaturkosten betragen 30.843,01 Euro netto. Das Gerät konnte drei Tage lang nicht genutzt werden.

Die Kläger haben vorgetragen, der von der Beklagten gedrückte rote Knopf sei durch einen Plexiglasschutz besonders gesichert gewesen. Dieser sei wiederum mit zwei Klebestreifen überklebt worden, auf welchen sich folgende Aufschrift befunden habe: "Bei Alarm alarm silence drücken. Nicht Mag Stop. Es wird teuer." Wegen dieser überobligationsmäßigen Sicherung und weil die Beklagte in den Praxisräumen weder etwas zu suchen gehabt habe noch befugt gewesen sei, einen der Knöpfe zu betätigen, stelle sich ihr Handeln als gröbst fahrlässig dar. Sie sei daher verpflichtet, den entstandenen Schaden in voller Höhe zu tragen. Aufgrund ihrer bei der Nebenintervenientin abgeschlossenen Haftpflichtversicherung sei hierdurch eine Existenzgefährdung nicht zu besorgen. Andererseits stehe die von den Klägern selbst abgeschlossene Versicherung nur für den Nutzungsausfall eines Tages ein, so dass die Beklagte für den entgangenen Gewinn zweier weiterer Tage hafte. Dies seien 18.390,00 Euro netto. Weil die Praxis ganzjährig voll ausgelastet sei, könnten die durch den Schaden ausgefallenen Termine nicht nachgeholt werden. Das gelte auch für die 74 Patienten, die für die drei Ausfalltage angemeldet gewesen seien. Zu ersetzen seien für zwei Ausfalltage der tägliche Rohgewinn von je 7.215,00 Euro und die weiterlaufenden täglichen Fixkosten von je 1.980,00 Euro.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Mitgläubiger 50.615,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. März 2006 zu zahlen.

Beklagte und Nebenintervenientin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Streithelferin hat behauptet, die Beklagte habe sich auch außerhalb ihrer Arbeitszeit verpflichtet gefühlt zu helfen und daher den Knopf gedrückt. Gegenteilige Anweisungen habe es nicht gegeben. Sie habe im angenommenen Interesse ihrer Arbeitgeber den Alarmton ausschalten wollen und dabei die falsche Taste gedrückt. Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung müsse sie für den Schaden nicht aufkommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nur in Höhe von 1.920,00 Euro nebst Zinsen für begründet erachtet. Es hat ausgeführt, die schädigende Handlung sei betrieblich veranlasst gewesen, so dass die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden seien. Trotz grober Fahrlässigkeit der Beklagten sei zu ihren Gunsten die Haftung auf ein halbes Jahreseinkommen gemindert, weil ein grobes Missverhältnis zwischen Schaden und Arbeitsentgelt bestehe. Die privat von der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherung ändere hieran nichts. Im Übrigen sei der durch Gewinnentgang entstandene Schaden nicht schlüssig dargelegt. Teile des Umsatzes würden durch andere Geräte als das beschädigte erwirtschaftet, so dass die Höhe dieser Schadensposition nicht nachvollziehbar sei.

Gegen das ihnen am 13. August 2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 8. September 2008 Berufung eingelegt und diese am 13. Oktober 2008 begründet. Die Berufung führt aus, die schädigende Handlung sei zwar betrieblich veranlasst; die Beklagte treffe gleichwohl die volle Haftung. Nach der Art der Beschriftung und Sicherung des roten Knopfes handele es sich um einen Fall gröbster Fahrlässigkeit. Selbst im Falle nur grober Fahrlässigkeit sei die Begrenzung auf eine Haftungshöchstsumme vorliegend fehlerhaft. Da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die mögliche Risikovorsorge als Argument im Rahmen der Haftungshöhe anerkenne, müsse das Bestehen einer Haftpflichtversicherung zugunsten der Kläger berücksichtigt werden. Selbst wenn vorliegend eine Schadensteilung eingreife, dürfe nicht zusätzlich noch eine Deckelung des Höchstbetrages vorgenommen werden. Die Parteien seien bei Vertragsschluss wie selbstverständlich vom Bestehen einer Haftpflichtversicherung der Beklagten ausgegangen; auch alle übrigen Arbeitnehmer verfügten über eine solche Versicherung. Die Streithelferin sei im Falle der Verurteilung der Beklagten uneingeschränkt einstandspflichtig. Bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Kläger den roten Knopf bereits überobligationsmäßig gesichert hätten.

Der entgangene Gewinn sei schlüssig dargelegt; die vollständige Abweisung zu dieser Schadensposition sei fehlerhaft, weil die auch nach Auffassung des Arbeitsgerichts verbleibenden zwei Drittel als Schaden jedenfalls ersatzfähig seien.

Die Kläger beantragen,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Celle vom 15. Juli 2008 die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Mitgläubiger weitere (also über den zuerkannten Betrag hinaus) 48.695,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2006 zu zahlen.

Die Nebenintervenientin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die Haftpflichtversicherung trete nur im selben Umfang ein, in dem die Beklagte selbst ersatzpflichtig sei. Mithin könne eine freiwillige Versicherung keinen Einfluss auf die Höhe der Ersatzpflicht haben. Die beschrifteten Klebestreifen seien über dem Alarmknopf erst nach dem Schaden angebracht worden. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe. Es fehle das hierfür erforderliche subjektive Element. Schon zuvor habe es einen ähnlichen Vorfall gegeben, bei dem die Beklagte einen der Knöpfe gedrückt habe; damals sei kein Schaden eingetreten. Den Klägern hätte es freigestanden, den Nutzungsausfallschaden komplett, also ohne Selbstbehalt, zu versichern.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat nur teilweise Erfolg.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Kläger ist von diesen fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nur in dem erkannten Umfange begründet. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs führen vorliegend dazu, dass die Haftung der Beklagten auf zwölf Monatsentgelte begrenzt ist.

1.

Wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, hat die Beklagte schuldhaft, nämlich fahrlässig, ihre Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, das Eigentum der Kläger nicht zu beschädigen, verletzt, indem sie schadenstiftend den falschen Knopf der Steuereinheit des Magnetresonanztomografen betätigte. Es besteht daher grundsätzlich eine Ersatzpflicht aus §§ 280 Abs. 1, 619a BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag wie auch aus § 823 Abs. 1 BGB.

2.

Die Beklagte haftet für den auf ihr besonders grobes Verschulden zurückzuführenden Schaden auf insgesamt 3.840,00 Euro, also in Höhe eines ganzen und nicht nur eines halben Bruttojahresentgeltes. Dagegen hat die Berufung keinen Erfolg, soweit sie eine noch höhere Haftung verfolgt; eine solche wäre nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unbillig. Dabei waren insbesondere das Verhältnis von Arbeitsentgelt und Schadenshöhe sowie die uneigennützige Motivation der Beklagten ausschlaggebend. Das Bestehen einer Privathaftpflichtversicherung führt zu keinem anderen Ergebnis.

a)

Zutreffend hat das Arbeitsgericht die schädigende Handlung als betrieblich veranlasst angesehen.

aa)

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.9.1994 (GS 1/89 [A] - BAGE 78, 56 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 59) finden die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitverhältnisses geleistet werden. Betrieblich veranlasst sind solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt (BAG 18.4.2002 - 8 AZR 348/01 - BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70; GS 27.9.1994 - GS 1/89 [A] - aaO). Die Tätigkeit muss in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und dem betrieblichen Wirkungskreis des Arbeitnehmers stehen. Es genügt demzufolge nicht, wenn die Anwesenheit im Betrieb erst die Gelegenheit gibt, den Schaden zu verursachen. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht schließlich nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt hat, auch wenn derartige Verhaltensverstöße nicht im Interesse des Arbeitgebers liegen (BAG 18.1.2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; 18.4.2002 - 8 AZR 348/01 - aaO).

bb)

Danach war das Handeln betrieblich veranlasst. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte sich als Arbeitnehmerin verpflichtet fühlte, den Alarmton auszuschalten, und deswegen die schädigende Handlung vornahm. Ohne ihre Eigenschaft als Arbeitnehmerin der Kläger ist nicht vorstellbar, dass sie in die ihr fremden Praxisräume gegangen wäre, um den Alarm auszuschalten. Der Umstand, dass dies außerhalb ihrer Arbeitszeit geschah, führt zu keinem anderen Ergebnis; die Beklagte handelte nicht in Verrichtung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Hauptpflichten, sondern in der Vorstellung, sie müsse ihren abwesenden Arbeitgebern bei einer Betriebsstörung helfen.

b)

Trotz hohen Verschuldensgrades ist die Haftung der Beklagten vorliegend billigerweise begrenzt, jedoch nicht, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, auf sechs Monatsentgelte, sondern auf ein Jahreseinkommen.

aa)

Die Beklagte handelte besonders grob fahrlässig. Dabei kann es das Gericht dahingestellt bleiben lassen, ob der rote Knopf in der von den Klägern beschriebenen Weise gesichert war, was die (nicht anwaltlich vertretene) Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auch eingeräumt hat, oder ob dies noch nicht der Fall war, wie die Nebenintervenientin behauptet.

(1)

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zum rein objektiven Maßstab bei einfacher Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen. Es kommt also nicht nur darauf an, was von einem durchschnittlichen Anforderungen entsprechenden Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises in der jeweiligen Situation erwartet werden konnte, wozu auch gehört, ob die Gefahr erkennbar und der Erfolg vorhersehbar unvermeidbar war; abzustellen ist auch darauf, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BAG 18.1.2007 - 8 AZR 250/06 - aaO; 18.4.2002 - 8 AZR 348/01 - aaO). Der Grad des Verschuldens muss sich in den Fällen privilegierter Haftung nicht nur auf die schädigende Handlung, sondern auch auf den Schadenseintritt als solchen beziehen (BAG 18.4.2002 - 8 AZR 348/01 - BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70; LAG Niedersachsen 7.7.2003 - 5 Sa 188/02 - LAGE BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 28 = NZA-RR 2004, 142).

(2)

Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass sich die Schädigung in Bezug auf die Schädigungshandlung und auf den Schadenseintritt als besonders grob (gröbst) fahrlässig verursacht darstellt.

(a)

Vorliegend hätte objektiv alles dafür gesprochen, keinen der Knöpfe zu betätigen, sondern, wenn die Beklagte Hilfsbedarf sah, telefonisch sachverständige Hilfe anzufordern. Zumindest hätte die Beklagte nicht wahllos einen der Knöpfe drücken dürfen, wenn sie deren Funktion nicht kannte. Dies gilt unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit hatte, die in englischer Sprache gehaltenen Erklärungen auf und neben den Knöpfen zu verstehen. Auch und gerade bei Unkenntnis solcher Erläuterungen verbietet es sich, den Effekt der Schalter durch Probieren zu ermitteln.

Diese einfachen Vorsichtsmaßnahmen leuchten auch jedem Verständigen unmittelbar ein und setzen keine Einweisung in das Gerät voraus. Daher entlastet der Umstand, dass die Beklagte nicht in einem medizinischen Hilfsberuf, sondern als Reinigungskraft tätig ist, nicht von der Wertung ihres Verhaltens als grob fahrlässig. Gerade einem mit der Funktion medizinischer Apparate nicht vertrauten Arbeitnehmer ist es objektiv geboten, nicht irgendeinen Knopf einer augenscheinlich wertvollen Apparatur zu drücken, nur weil ein Alarmsignal ertönt. Dies gilt jedenfalls, wenn kein Anlass besteht, von einer unmittelbar drohenden Gefahr auszugehen (beispielsweise für in dem Gerät befindliche Patienten).

(b)

Dies konnte die Beklagte auch erkennen. Sie und ihre Streithelferin haben keine subjektiven Umstände vorgetragen, die ausnahmsweise zu der Annahme berechtigen könnten, sie habe schon diese unmittelbar einleuchtende Anforderung nicht erfüllen können. Allein ihre Stellung als Reinigungskraft genügt nicht für die Annahme, die Beklagte hätte die Notwendigkeit nicht einsehen können, unbekannte Schalter eines komplizierten Gerätes nicht zu betätigen.

(c)

Der Umstand, dass ein ähnliches Verhalten nach dem Vorbringen der Beklagten zuvor einmal ohne Schadensfolge geblieben war, entlastet sie gleichfalls nicht. Wird wahllos einer von fünf Schaltern betätigt, so spricht das zufällige Ausbleiben eines Schadens nicht dafür, dass bei der nächsten Gelegenheit ebenfalls alles gut gehen werde, es sei denn, die Beklagte hätte sich gemerkt, welchen Knopf sie seinerzeit betätigt hatte. Dies war offensichtlich nicht der Fall; vielmehr handelte sie wiederum nach dem Zufallsprinzip. Auch dies konnte die Beklagte erkennen.

(d)

Die besonders grobe Fahrlässigkeit betrifft auch den Schadenseintritt. Abzustellen ist auch insoweit darauf, ob der Schädiger nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (BAG 18.1.2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; 18.4.2002 - 8 AZR 348/01 - BAGE 101, 107 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 122 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 70). Vorliegend vertraute die Beklagte nach dem äußeren Geschehensablauf darauf, es werde schon gut gehen und nur den gewünschten Effekt haben, nämlich die Abschaltung des Alarmtons, wenn sie irgendeinen Knopf betätige. Sie hat sich damit der Einsicht verschlossen, dass ihr Handeln ebenso einen Schaden unbekannter Art zur Folge haben könnte. Dies lag nach den gegebenen Umständen - unbekanntes Gerät, viele Schalter mit unbekannter Funktion - aber so nahe, dass auch der Schadenseintritt von der besonders groben Fahrlässigkeit umfasst war.

bb)

Trotz des hohen Verschuldensgrades ist die Beklagte aber nicht zum vollen Schadensersatz verpflichtet.

(1)

Nur vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer stets und ausnahmslos in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer zwar in aller Regel den gesamten Schaden zu ersetzen; eine Haftungserleichterung ist hier aber von einer Abwägung im Einzelfall abhängig (BAG 18.1.2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Grobe Fahrlässigkeit schließt die Haftungsteilung insbesondere dann nicht aus, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zu dem Schadensrisiko der Tätigkeit steht (BAG 12.11.1998 - 8 AZR 221/97 - BAGE 90, 148 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 117 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 66; 23.1.1997 - 8 AZR 893/95 - NZA 1998, 140 = BB 1998, 107; LAG Niedersachsen 7.7.2003 - 5 Sa 188/02 - LAGE BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 28 = NZA-RR 2004, 142; LAG Nürnberg 20.3.1996 - 3 Sa 803/95 - NZA-RR 1997, 3 = DAR 1996, 327). Auch die Annahme besonders grober (gröbster) Fahrlässigkeit schließt es nicht in jedem Falle aus, dem Arbeitnehmer eine Haftungsprivilegierung zuzubilligen (LAG Niedersachsen 7.7.2003 - 5 Sa 188/02 - aaO). Zu prüfen ist auch in solchen Fällen, ob die Höhe des Schadens zu einer Haftungsmilderung führt (BAG 25.9.2007 - 8 AZR 288/96 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 63, zu I. 4. e) der Gründe; im gleichen Sinne BAG 23.1.1997 - 8 AZR 893/95 - aaO [Trunkenheitsfahrt mit 30 t schwerem Fahrzeug]; a. A. wohl LAG Mecklenburg-Vorpommern 22.8.2006 - 3 Sa 389/05).

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist (BAG 18.1.2007 - 8 AZR 250/06 - aaO). Es kann entscheidend darauf ankommen, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht (BAG 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 - BAGE 63, 127 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97 = EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 23; 25.9.1997 - 8 AZR 288/96 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 63).

(2)

Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend dazu, dass die Ersatzpflicht billigerweise auf ein Jahreseinkommen begrenzt ist. Daher kann offen bleiben, ob und in welcher Höhe die Kläger zusätzlich zu den Reparaturkosten von gut 30.000,00 Euro noch einen Nutzungsausfallschaden zu beanspruchen hätten.

Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Begrenzung auf sechs Monatseinkommen erscheint unbillig niedrig: Der Grad des Verschuldens ist, wie bereits ausgeführt, sehr hoch. Auch ist die an sich geschuldete Tätigkeit der Beklagten, nämlich die Reinigung der Praxisräume, als solche weniger gefahrgeneigt; das Risiko, dass bei der geschuldeten Tätigkeit derart hohe Schäden auftreten, ist gering. Das vorliegende Fehlverhalten der Beklagten war daher für die Kläger kaum vorherzusehen. Zu Recht weisen diese darauf hin, die Beklagte habe nach ihrer geschuldeten Tätigkeit und ihrer fehlenden Fachkenntnis an der Steuereinheit nichts zu suchen gehabt. Im Verhältnis zur geschuldeten Arbeitstätigkeit stellt sich das schädigende Handeln der Beklagten daher als exzessiv dar, was haftungserhöhend zu berücksichtigen war.

Andererseits konnte das Gericht nicht über den vorliegend weiter zuerkannten Betrag hinausgehen. Der Schaden, der mindestens das Hundertfache des monatlichen Arbeitsentgeltes der Beklagten beträgt und nach dem Vorbringen der Kläger noch weit höher liegt, ist ganz ungewöhnlich groß. Die vorliegend zuerkannte Haftung mit einem vollen Jahresbruttoeinkommen stellt für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer bereits eine enorme Belastung dar. Sie ist vorliegend wegen des hohen Verschuldensgrades noch vertretbar. Eine noch höhere Haftung wäre hingegen unbillig, zumal die Beklagte nicht eigennützig, sondern guten Glaubens und in dem Willen gehandelt hat, den Klägern zu helfen. Auch wenn der Knopf in der von den Klägern beschriebenen Weise gesichert gewesen sein sollte, wirkte dies daher nicht nochmals haftungserhöhend.

(3)

Die von der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherung wirkt sich nicht auf die Haftung aus. Ein Arbeitnehmer kann sich zwar nicht auf Haftungsbeschränkung berufen, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, z. B. eine Kfz-Haftpflichtversicherung, eingreift (BAG 11.1.1966 - 1 AZR 361/65 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 36 = DB 1966, 707). Diese bei Bestehen einer gesetzlichen Pflichtversicherung geltenden Grundsätze können aber nicht auf den Fall übertragen werden, dass der Arbeitnehmer sich gegen das Risiko seiner betrieblichen Tätigkeit freiwillig selbst versichert hat. Die private Haftpflichtversicherung, für deren Abschluss kein gesetzlicher Zwang besteht, haftet nur in dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer selbst haftet und kann daher keinen Einfluss auf das Bestehen und auf die Höhe einer Ersatzpflicht haben. Ist eine Pflichtversicherung vorgeschrieben, liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet hat, dass er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Diese Tatsache überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, so dass für die Anwendung dieser Grundsätze kein Raum besteht, wo der Gesetzgeber durch die Pflichtversicherung eine andere Wertung vorsieht. Besteht ein solcher Pflichtversicherungsschutz jedoch nicht, hängt die Anwendung der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht von der Zufälligkeit des Bestehens einer privaten Haftpflichtversicherung ab (BAG 25.9.1997 - 8 AZR 288/96 - aaO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO, § 17 b Abs. 2 GVG. Die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Kostenhaftung der Kläger sind nicht erfüllt.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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