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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 10 Sa 2899/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
1.

Der Begriff des Unternehmens im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG umfasst jede auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt bereits vor, wenn dem Betrieb materielle und/oder immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlieh der menschlichen Arbeitskraft zugeordnet sind, die der Betriebsinhaber für seine Tätigkeit nutzt. Die Erbringung hoheitlicher Aufgaben steht damit der Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen.

2.

Eine Übertragung von hoheitlichen Verwaltungsaufgaben, die die Anwendung der Richtlinie 77/187/EWG ausschließt (vgl. EuGH, 15.10.1996, Rs C-298/ 94, AP Nr. 13 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187), liegt nur dann vor, wenn die Zuständigkeit für eine hoheitliche Aufgabe wechselt, ohne dass dem eine wirtschaftliche Entscheidung zugrunde liegt, die von der Richtlinie erfasst wird. Der gesetzliche Kompetenzwechsel hinsichtlich der Aufgabe der Fleischbeschau nach einer Privatisierung eines öffentlichen Schlachthofs ist daher noch vom Zweck der Richtlinie erfasst und stellt einen Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG dar.

3.

Darüber hinaus sind auch öffentlich-rechtlich organisierte Einheiten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben Betriebe im Sinn von § 613 BGB. Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB kann daher auch vorliegen, wenn hoheitliche Aufgaben übertragen werden, sofern die übrigen für einen Betriebsübergang maßgeblichen Kriterien erfüllt sind.

4.

Die bloße jahrelange Heranziehung eines Tierarztes, auf dessen Arbeitsverhältnis der TV Ang iöS Anwendung findet, zu Arbeitsleistungen im Umfang eines vollbeschäftigten Tierarztes und darüber hinaus führt nicht zu einer Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses auf den durchschnittlichen Umfang der Arbeitsleistung oder auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Dazu sind über die langjährige Handhabung des Umfangs der Heranziehung zur Arbeitsleistung weitere Umstände erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch bei langjähriger tarifwidriger Handhabung nicht darauf vertrauen darf, dass diese Handhabung Vertragsinhalt geworden ist und fortgeführt wird.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen

10 Sa 2899/98

Verkündet am: 31. August 2001

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2001durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge und die ehrenamtlichen Richter von Schütz zu Holzhausen und Imke

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 12.11.1998 - 2 Ca 451/98 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert wird auf 33.000,00 DM festgesetzt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der nicht tarifgebundene Kläger war seit 1986 im Fleischhygieneamt der Samtgemeinde Z beschäftigt. Dieser oblag kraft gesetzlicher Regelung die Fleischbeschau in dem öffentlichen Schlachthof W, in dem der Kläger ausschließlich eingesetzt war. Der Kläger war gemäß Arbeitsvertrag 24. Januar 1986 (Bl. 5 d.A.) als nicht vollbeschäftigter Fleischbeschautierarzt tätig. Das Arbeitsverhältnis richtete sich kraft einzelvertraglicher Vereinbarung nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen vom 1. April 1969 (künftig: TV Ang iöS) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Die Arbeitszeit bestimmte sich gemäß § 3 des Arbeitsvertrages nach dem Arbeitsanfall und der Heranziehung zur Arbeitsleistung. Bis einschließlich 1992 wurde der Kläger von der Samtgemeinde Z durchschnittlich 29 Stunden je Woche, 1993 durchschnittlich 41,30 Stunden und seit 1994 mehr als 48 Stunden je Woche eingesetzt. Er betreibt keine eigene Tierarztpraxis. Vier weitere der im Schlachthof W eingesetzten Tierärzte unterhielten ebenfalls keine eigene Praxis. Mindestens zwei davon, nämlich die Tierärzte R und W, wurden ebenfalls mit deutlich mehr als 38,5 Stunden je Woche im Schlachthof W eingesetzt. Im Vermerk vom 12. Januar 1995, auf den Bezug genommen wird (Bl. 50 f. d.A.), wies die Samtgemeinde Z darauf hin, dass der Einsatz des Klägers und einiger weiterer Tierärzte über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinausgehe und der Arbeitseinsatz auf eine normale Arbeitszeit zurückzuführen sei.

Der den Schlachthof W betreibende Zweckverband verkaufte im Jahr 1997 den Schlachthof an die P AG, die diesen nunmehr seit dem 1. April 1998 als privaten Schlachthof weiter betreibt. Am 22. September 1997 schlössen der Beklagte und die Samtgemeinde Z unter der "Voraussetzung, dass der Zweckverband zum 31. Dezember 1997 aufgelöst und der Schlachthof ab 1. Januar 1998 privat betrieben wird" einen Vertrag, wonach der Beklagte die im Schlachthof beschäftigten Tierärzte und Fleischkontrolleure einstelle, wobei kein Betriebsübergang vorliege. Der Beklagte verpflichtete sich, die Vordienstzeiten dieser Beschäftigten anzurechnen. Der Zweckverband wurde am 31. Mai 1998 aufgelöst.

Mit Wirkung zum 1. April 1998 ging die gesetzliche Zuständigkeit für die Fleischbeschau auf den Beklagten über, weil der Schlachthof nunmehr privat betrieben wurde. Die Samtgemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis am 31. März 1998 zum 30. September 1998, weil mit dem Zuständigkeitswechsel die Möglichkeit zur Beschäftigung von Mitarbeitern im Fleischhygieneamt entfallen sei. Der Kläger wird seit dem 1. April 1998 vom Beklagten in der Fleischbeschau im Schlachthof W eingesetzt. Nachdem er zunächst von der Samtgemeinde zur Arbeitsleistung an den Schlachthof W abgeordnet worden war, ist er gemäß Arbeitsvertrag vom 11. März/25. April 1998 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 25. September 1998 seit dem 1. Oktober 1998 beim Beklagten auf unbestimmte Zeit als nicht vollbeschäftigter amtlicher Tierarzt im Schlachthof W beschäftigt. Der Beklagte hat die bisherige Betriebszugehörigkeit anerkannt, etwaige Urlaubsansprüche aus der Zeit vor dem 1. April 1998 übernommen und die Urlaubs- und Krankengeldbezüge anhand des Vorjahresverdienstes berechnet. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem TV Ang iöS. Der dazu erforderliche Haustarifvertrag wurde am 20./24.März 1998 mit Wirkung ab 1. April 1998 geschlossen. Der Kläger unterzeichnete den Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt eines Betriebsübergangs auf den Beklagten und der Weitergeltung der bisherigen Arbeitsbedingungen.

Der Beklagte schloss gleichlautende Arbeitsverträge mit allen 17 bisher von der Samtgemeinde Z im Schlachthof W eingesetzten Tierärzten sowie neun Fleischkontrolleuren, deren Arbeitsverhältnis sich wie das des Klägers nach dem TV Ang iöS richtete. Die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer unterscheidet sich nicht von ihrer früheren Tätigkeit für die Samtgemeinde Z. Der Beklagte schloss mit dem bisherigen Leiter des Fleischhygieneamtes der Beklagten, Dr. S, und seinem Stellvertreter, deren Arbeitsverhältnis sich nach dem BAT bestimmte, BAT-Verträge. Herr Dr. S ist nach wie vor für die Organisation der Fleischbeschau des Schlachthofs W zuständig und erstellt wie bisher die Dienstpläne, aufgrund derer der Einsatz des Klägers erfolgt. Ausweislich der im Termin vom 29. Juni 2001 von dem Beklagten überreichten, anhand der Vergütungsabrechnungen des Klägers ermittelten Aufstellungen wurde der Kläger vom Beklagten im Jahr 1999 durchschnittlich 41,72 Stunden und im Jahr 2000 durchschnittlich 38,40 Stunden je Woche eingesetzt. Die Tierärztin W wurde im Jahr 1999 mit durchschnittlich 38,65 Stunden je Woche und im Jahr 2000 mit durchschnittlich 37,26 Stunden je Woche, der Tierarzt R im Jahr 1999 mit durchschnittlich 34,90 Stunden je Woche und im Jahr 2000 mit durchschnittlich 35,67 Stunden je Woche im Schlachthof W tätig. Sämtliche weitere Tierärzte wurden in erheblich geringerem Umfang eingesetzt. Die Einstellung eines weiteren Tierarztes für die Fleischbeschau im Schlachthof W ist laut Erklärung des Beklagten im Termin vom 29. Juni 2001 beschlossen.

Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit letztlich die Weiterbeschäftigung im bisherigen Umfang wie bisher, hilfsweise die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis dem BAT unterfalle.

Durch das dem Kläger am 23. November 1998 zugestellte Urteil vom 12. November 1998 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, die am 23. Dezember 1998 eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Februar 1999 am 24. Februar 1999 begründet worden ist.

Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung mit 48 Wochenstunden sei das Arbeitsverhältnis mit der Samtgemeinde Z einvernehmlich dahin geändert und konkretisiert worden, dass er weiterhin in diesem Umfang, d.h. mit 208 Stunden im Monat, einzusetzen sei. Jedenfalls habe er wegen des Umfangs seines Einsatzes im Schlachthof W keine eigene Praxis ausüben können und sei faktisch von der Samtgemeinde als Vollzeitbeschäftigter eingeteilt worden. Die Samtgemeinde habe entgegen der Regelungen im TV Ang iöS die Tierärzte nicht gleichmäßig zur Arbeitsleistung herangezogen, so dass er habe davon ausgehen dürfen, dass er regelmäßig im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung herangezogen werde. Die Samtgemeinde hätte es nicht geduldet, wenn er in erheblichem Umfang die ihm zugeteilten Arbeitsstunden nicht absolviert hätte. Er habe daher unter Beibehaltung der übrigen Bestimmungen aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem TV Ang iöS Anspruch auf eine Beschäftigung im bisherigen Umfang. Mindestens finde aufgrund seiner tatsächlichen Vollbeschäftigung der BAT Anwendung. Mit diesem Inhalt sei das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf den Beklagten übergegangen.

Soweit der Kläger zunächst auch die Samtgemeinde Z im selben Umfang wie den Beklagten gerichtlich in Anspruch genommen hat, hat er die Berufung im Termin vom 29. Juni 2001 mit Zustimmung der Samtgemeinde zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 12. November 1998 - 2 Ca 451/98 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, das Angebot des Klägers zum Abschluss eines Arbeitsverhältnisses, das eine Mindeststundenzahl von 208 Stunden monatlich garantiert, unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit des Klägers bei der Samtgemeinde Z seit dem 1. Februar 1986, anzunehmen;

hilfsweise

festzustellen, dass der Kläger als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei dem Beklagten mit einer durchschnittlichen Stundenzahl von 208 Stunden monatlich seit dem 1. Oktober 1998 beschäftigt ist;

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht, das dem BAT unterfällt und dessen Betriebszugehörigkeit unter Anrechnung der Beschäftigungszeit des Klägers bei der Samtgemeinde Z seit dem 1. Februar 1986 rechnet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Betriebsübergang liege nicht vor. Der Kläger habe jedenfalls keinen Anspruch auf eine Beschäftigung im bisherigen Umfang. Die Samtgemeinde Z habe vom Kläger nicht die Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung gefordert. Der Kläger sei selbst an einem möglichst umfangreichen Einsatz interessiert gewesen. Die Samtgemeinde habe jederzeit die anfallende Arbeit auch anders verteilen können und nie beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis des Klägers abweichend von den Bestimmungen des TV Ang iöS zu regeln.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.

I. Der Hauptantrag des Klägers, den Beklagten zur Annahme seines Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem aus dem Antrag ersichtlichen Inhalt zu verurteilen (§ 894 ZPO), ist hinreichend bestimmt und damit zulässig (vgl. BAG, 28.6.2000, 7 AZR 904/98, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 - Wiedereinstellung <A I d.Gr.>). Auch die Hilfsanträge sind zulässig. Der Kläger begehrt damit die Feststellung eines bestimmten Inhaltes des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses. Es ist zu erwarten, dass der Beklagte bereits auf ein Feststellungsurteil das Arbeitsverhältnis künftig entsprechend behandeln würde, so dass das erforderliche Feststellungsinteresse besteht.

II. Die Anträge des Klägers sind jedoch unbegründet. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat sich weder auf eine monatliche Arbeitsleistung von 208 Stunden noch auf eine Vollzeittätigkeit konkretisiert. Damit findet auch der BAT keine Anwendung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich vielmehr aufgrund einzelvertraglicher Regelung in Verbindung mit dem Haustarifvertrag vom 20./24.März 1998 nach den Regelungen des TV Ang iöS. Der Beklagte ist daher nach wie vor berechtigt - und gemäß § 12 S. 2 TV Ang iöS verpflichtet (vgl. dazu auch BAG, 8.9.1994, 6 AZR 254/94, AP Nr. 18 zu § 611 BGB - Fleischbeschauer-Dienstverhältnis) - für eine gleichmäßige Heranziehung der Beschäftigten zur Arbeitsleistung zu sorgen.

1. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist im Wege des Betriebsübergangs durch Rechtsgeschäft auf den Beklagten übergegangen (§ 613 a BGB).

a) Der Wechsel in der gesetzlichen Zuständigkeit für die Fleischbeschau von der Samtgemeinde Z infolge der Privatisierung des öffentlichen Schlachthofs W auf den Beklagten stellt einen Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 dar. Ein gesetzlicher Kompetenzwechsel, der an eine wirtschaftliche Entwicklung, nämlich die Privatisierung eines öffentliches Schlachthofes, anknüpft und unmittelbare und untrennbare Folge dieser wirtschaftlichen Entwicklung und Entscheidung ist, unterfällt dem Regelungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG. Jedenfalls stellt er einen Betriebsübergang im innerstaatlichen Sinne dar (LAG Niedersachsen, 8.6.2001, 10 Sa 2848/98 <B II 1 a aa d.Gr.>).

b) Die Fleischbeschau in einem öffentlichen Schlachthof ist im gemeinschaftsrechtlichen Sinn eine wirtschaftliche Tätigkeit, die in einer wirtschaftlichen Einheit verrichtet wird. Dafür ist nur Voraussetzung, dass dem Betrieb materielle und/oder immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich der menschlichen Arbeitskraft zugeordnet sind, die der Betriebsinhaber für seine Tätigkeit nutzt. Die Erbringung hoheitlicher Aufgaben steht damit der Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen (BAG, 27.4.2000, 8 AZR 260/99 <II 1 a d.Gr.>).

c) Die Identität der wirtschaftlichen Einheit "Fleischbeschau im Schlachthof W" ist gewahrt. Die Fleischbeschau wird im Wesentlichen durch die Arbeitnehmer, die die Beschau durchführen, geprägt. Die sachlichen Betriebsmittel treten demgegenüber in den Hintergrund. Der Beklagte hat die eingearbeitete Arbeitsorganisation, mit der die Fleischbeschau im Schlachthof W verrichtet worden ist, unverändert übernommen. Die in der Fleischbeschau tätigen Arbeitnehmer werden mit denselben Aufgaben an ihren alten Arbeitsplätzen weiter beschäftigt. Die Organisation des Einsatzes der einzelnen Arbeitnehmer erfolgt nach wie vor durch Herrn Dr. S. Der Beklagte hat hinsichtlich der Fleischbeschau im Schlachthofes W keine eigene Arbeitsorganisation aufgebaut, sondern die bestehende übernommen. Er hat sich dafür entschieden, die nunmehr auf ihn übergegangene Aufgabe der Fleischbeschau im Schlachthof W nicht mit dem bereits bei ihm beschäftigten Personal, sondern mit den bisher bei der Samtgemeinde Z- beschäftigten Arbeitnehmern durchzuführen, ohne die Arbeitsorganisation zu ändern. Deshalb ist die Identität der wirtschaftlichen Einheit "Fleischbeschau im Schlachthof W" gewahrt worden und damit auf den Beklagten übergegangen (vgl. BAG, 11.12.1997, 8 AZR 729/96, AP Nr. 172 zu § 613 z BGB <B I 2 b d.Gr.>; Schlussantrag des Generalanwalts vom 24.9.1998 im Verfahren Rs. C-247/96, AuR 1998, S. 457).

d) Der Betriebsübergang ist durch Rechtsgeschäft erfolgt.

Ein rechtsgeschäftlicher Übergang liegt vor, wenn die für den Betrieb verantwortlichen natürliche oder juristische Personen im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechseln, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen. Entscheidend ist allein, dass die Einheit ihre Identität bewahrt (EuGH, stRspr, zuletzt 25.1.2001, Rs. C-172/99, NZA 2001, S. 249 <Rz. 29> - Oy Liikenne AB). Darüber hinaus können auch einseitige Entscheidungen eines Hoheitsträgers einen der Richtlinie unterfallenden Betriebsübergang auslösen, zum Beispiel der Subventionsentzug durch Verwaltungsakt (EuGH, 19.5.1992, Rs. C-29/91, AP Nr. 107 zu § 613 a BGB <Rz. 17> - Redmond Stitching), die Neuvergabe eines Auftrages (EuGH, 10.12.1998, Rs. C-173/96 und C-247/96, NZA 1999, S. 189 <Rz. 22> - Hidalgo) oder die Ausgliederung von Telekommunikationsleistungen (EuGH, 14.9.2000, Rs. C-343/98, AP Nr. 29 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187/EWG <Rz. 34> - Collino). Es ist daher für die Anwendung der Richtlinie ohne Bedeutung, ob der Betriebsübergang durch ein Rechtsgeschäft oder ein Gesetz bewirkt wird (v. Roetteken, NZA 2001, S. 414 <420>).

Der Beklagte hat nach dem gesetzlichen Kompetenzwechsel mit allen im Fleischhygieneamt tätigen Angestellten der Samtgemeinde Z Arbeitsverträge geschlossen und sie einvernehmlich zur Erfüllung der bisherigen Arbeitsaufgaben weiter beschäftigt. Dies reicht nach den dargelegten Grundsätzen zur Bejahung eines rechtsgeschäftlichen Übergangs aus (vgl. auch BAG, 18.2.1999, 8 AZR 485/97, AP Nr. 5 zu § 325 ZPO <B I a.E.>).

e) Der Kläger ist auch als Angestellter des öffentlichen Dienstes vom deutschen Arbeitsrecht erfasst und kann sich daher auf die Richtlinie 77/187/EWG berufen (EuGH, stRspr, zuletzt 14.9.2000, AP Nr. 29 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187/EWG <Rz. 36> - Collino).

2. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf einen Einsatz von 48 Wochenstunden (entsprechend 208 Monatsstunden). Der langjährige Einsatz des Klägers mit einem durchschnittlichen Umfang von 48 Wochenstunden bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten hat nicht dazu geführt, dass eine Heranziehung in diesem Umfang Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Samtgemeinde Z geworden und das Arbeitsverhältnis mit diesem Inhalt auf den Beklagten übergegangen ist.

a) aa) Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrags, also eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag hin zu einem vom Arbeitgeber einseitig nicht mehr veränderbaren Vertragsinhalt, ist auch im öffentlichen Dienst möglich (BAG, 24.4.1996, 5 AZR 1032/94, PersR 1997, S. 179 <II 2 e d.Gr.>). Eine solche Konkretisierung tritt jedoch nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde. Zum reinen Zeitablauf müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit ohne Änderung so wie bisher zu erbringen (BAG, stRspr seit Urteil vom 7.9.1972, 5 AZR 12/72, AP Nr. 2 zu § 767 ZPO <II 2 d.Gr.>; zuletzt BAG, 11.2.1998, 5 AZR 472/97, AP Nr. 54 zu § 611 BGB - Direktionsrecht <II 1 c d.Gr.>).

bb) Solche besonderen Umstände über die bisherige langjährige Handhabung des Umfangs der Heranziehung des Klägers zur Arbeitsleistung hinaus, die auf eine rechtliche Verpflichtung der Rechtsvorgängerin des Beklagten zu einer unveränderten Heranziehung des Klägers schließen lassen, liegen hier nicht vor.

(1) Dabei ist zu beachten, dass der TV Ang iöS dem Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit entsprechend dem Arbeitsanfall einräumt (§ 12 TV Ang iöS). Diese Regelung trägt den Besonderheiten des Betriebes eines Schlachthofes Rechnung, bei dem sich der Arbeitsanfall, der einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegt, wie der Zusammenbruch des Rindfleischmarktes durch die BSE-Krise seit November 2000 und die im Frühjahr 2001 aufgetretene Maul- und Klauenseuche belegen, kaum prognostizieren lässt. Grundsätzlich ist daher das Vertrauen der Angestellten, die im Geltungsbereich des TV Ang iöS beschäftigt werden und denen die Regelung des § 12 TV Ang iöS und ihre Gründe bereits bei Einstellung bekannt sind, auf eine bestimmte Mindestdauer der Arbeitszeit nicht geschützt (BAG, AP Nr. 18 zu § 611 BGB - Fleischbeschauer-Dienstverhältnis <1 a d.Gr.>). Der Kläger, der nach den Regelungen des TV Ang iöS beschäftigt wurde und dessen Arbeitsverhältnis sich - mit Ausnahme des Umfangs der Arbeitszeit - ausschließlich nach den Bestimmungen des TV Ang iöS bestimmte, konnte daher trotz seines langjährigen Einsatzes mit 48 Wochenstunden nicht annehmen, dieser Umfang solle dadurch für die Zukunft mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber festgeschrieben werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen konnte sich nicht bilden (vgl. auch BAG, 19.6.1985, 5 AZR 57/84, AP Nr. 11 zu § 4 BAT <II 1 c d.Gr.> für langjährigen Einsatz im Rahmen von Bereitschaftsdienst).

(2) Soweit die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Kläger und vier weitere Tierärzte mit ihrem Einverständnis unter Verstoß gegen die Pflicht gemäß § 12 Satz 2 TV Ang iöS zur gleichmäßigen Verteilung der anfallenden Arbeit auf alle Beschäftigten überproportional und zudem mit mehr als 38,5 Wochenstunden herangezogen hat, beruhte dies offenkundig darauf, dass diese Beschäftigten keine eigene Tierarztpraxis unterhielten und zum einen besonders auf die Einnahmen aus der Fleischbeschau angewiesen waren und zum anderen besonders flexibel eingesetzt werden konnten.

Der Kläger durfte jedoch auf eine Fortsetzung dieser tarifwidrigen Praxis nicht vertrauen.

Der Kläger kann sich dabei nicht auf den Vermerk der Samtgemeinde Z vom 12. Januar 1995 (Bl. 50 f. d.A.) stützen. Abgesehen davon, dass er nicht vorgetragen hat, dass dieser Vermerk ihm vor dem Betriebsübergang überhaupt zur Kenntnis gelangt ist, kann er aus diesem Vermerk auch kein Vertrauen darauf ableiten, weiterhin im bisherigen Umfang eingesetzt zu werden. Im Gegenteil hat die Samtgemeinde Z mit diesem Vermerk gerade darauf gedrungen, den Arbeitseinsatz auf eine "normale" Arbeitszeit, d.h. auf eine Arbeitszeit unterhalb der eines Vollbeschäftigten, zurückzuführen.

Der Kläger musste vielmehr damit rechnen, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird. Dies folgt schon daraus, dass der öffentliche Arbeitgeber gehalten ist, gesetzliche Regelungen und die Mindestbedingungen des Tarifrechts zu beachten, so dass im Zweifel Normvollzug gilt. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes darf daher auch bei langjähriger tarifwidriger Handhabung nicht darauf vertrauen, dass diese Handhabung Vertragsinhalt geworden sei und fortgeführt werde (vgl. BAG, 11.10.1995, 5 AZR 802/94, AP Nr. 9 zu § 611 BGB - Arbeitszeit <II 2 b d.Gr.>). Tatsächlich hat der Beklagte zwischenzeitlich damit begonnen, den Umfang der Heranziehung des Klägers und seiner vier Kollegen abzubauen. Durch die Einstellung eines weiteren Tierarztes wird sich dieser Abbau beschleunigen.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Rechtsvorgängerin des Beklagten habe ein Ablehnen von dienstplanmäßigen Einsätzen nicht geduldet, hat er nicht dargelegt, dass er jemals auch nur versucht habe, einen Arbeitseinsatz abzulehnen, und inwieweit die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Hinblick auf die eindeutige tarifliche Regelung des § 12 Satz 3 TV Ang iöS daran Sanktionen hätte knüpfen können. Im Gegenteil lag im Hinblick auf den erheblichen Mehrverdienst gerade ein zeitlich möglichst umfangreicher Einsatz - anders als bei Kollegen mit eigener Praxis - in seinem Interesse.

b) Ein Anspruch des Klägers auf einen Einsatz im bisherigen Umfang ergibt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Dies folgt daraus, dass der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes - wie bereits dargelegt - bei einer tarifwidrigen Handhabung mit eine Rückkehr zu einem korrekten Normvollzug rechnen muss.

3. Das Arbeitsverhältnis hat sich auch nicht auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis konkretisiert. Aus vorstehend genannten Gründen heraus ist auch eine Heranziehung des Klägers im Umfang von 38,5 Wochenstunden und damit eine Vollzeitbeschäftigung nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und der Samtgemeinde Z geworden. Der Kläger konnte auf eine Fortsetzung der tarifwidrigen Praxis, ihn in einem zeitlichen Umfang wie einen vollzeitbeschäftigten Tierarzt einzusetzen, nicht vertrauen, sondern musste mit einer Rückkehr zu einer tarifgerechten Handhabung rechnen.

4. Schließlich findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht der BAT Anwendung.

Zwar werden vollzeitbeschäftigte Tierärzte in öffentlichen Schlachthöfen vom BAT erfasst (Clemens/Scheuring, BAT, Anm. 16 d zu § 3 BAT). Wie bereits dargelegt, ist der Kläger nicht vollzeitbeschäftigt. Deshalb unterfällt das Arbeitsverhältnis nach wie vor dem TV Ang iöS.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 BGB.

IV. Der Wert wurde auf drei Monatsgehälter zu je 11.000,-- DM brutto festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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