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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 405/04
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 54 Abs. 2
BAT § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2
1. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine befristete außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT ist, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung des ordentlich unkündbaren Angestellten zu den bisherigen Vertragsbedingungen zwingend ausgeschlossen ist.

2. Der öffentliche Arbeitgeber muss aber daher vor Ausspruch einer derartigen Änderungskündigung prüfen, ob eine Versetzung auf einen freien, für den Unkündbaren geeigneten, gleichwertigen Arbeitsplatz möglich ist, oder das Freiwerden einer solchen Stelle im Rahmen der normalen Fluktuation absehbar ist und die Stelle wieder besetzt werden soll oder ob eine derartige Stelle durch Umsetzung anderer Arbeitnehmer oder andere Arbeitsverteilung frei gemacht werden kann. Dabei hat der Arbeitgeber seinen gesamten Geschäftsbereich in diese Prüfung einzubeziehen.

3. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung nach§ 55 abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT einem kündbaren Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn nur so ein gleichwertiger Arbeitsplatz, den der unkündbare Angestellte ausfüllen kann, freigemacht werden kann. Die Pflicht zur Freikündigung besteht jedoch nicht, wenn zwar ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden ist, der mit einem kündbaren Angestellten besetzt ist, der Unkündbare diesen Arbeitsplatz aber nur nach vorheriger Umschulung oder Fortbildung ausfüllen kann. Andernfalls wäre die vom öffentlichen Dienst zu verlangende Effizienz des Verwaltungshandelns gefährdet.

4. Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, statt Ausspruchs einer Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT für den unkündbaren Angestellten geeignete gleichwertige Stellen zu schaffen oder von der Streichung einer mit einem kw-Vermerk versehen Stelle abzusehen.

5. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen öffentlichen Arbeitgebern, gegebenenfalls im Wege der Personalgestellung, zu prüfen.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 405/04

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge, den ehrenamtlichen Richter Herrn Schwarz, den ehrenamtlichen Richter Herrn Krawczyk für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 22.01.2004 - 1 Ca 218/03 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, betriebsbedingten Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung.

Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger. Er ist Diplom-Musikschullehrer. Dieser Abschluss ist in Deutschland als akademischer Abschluss anerkannt. Der Kläger ist 1952 geboren und war seit 01.12.1980 in der von der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin betriebenen Musikschule beschäftigt, zunächst als (nebenberufliche) Lehrkraft für das Fach Trompete, seit April 1993 als stellvertretender Leiter. Seitdem war die wöchentliche Arbeitszeit auf 36,5 Wochenstunden, davon 23 Unterrichtsstunden, festgesetzt. Nach Ablösung der Leiterin der Musikschule war der Kläger von November 1998 bis zum 30.06.1999 kommissarischer Leiter und Geschäftsführer der Schule. Im Arbeitsvertrag vom 16.07.1985 wurde die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils geltenden Fassung vereinbart. Der Kläger erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT.

Nach jahrelangen Verlusten und vergeblichen Konsolidierungsbemühungen sowie gescheiterten Versuchen zur Privatisierung, deren Einzelheiten sich dem Tatbestand des Urteils des BAG vom 27.06.2002, 2 AZR 367/01 (AP Nr. 4 zu § 55 BAT) entnehmen lassen, beschloss der Rat der Beklagten am 31.01.2000 die Musikschule, deren Schülerzahl von 798 im Jahr 1990 auf zuletzt 488 gesunken war, zum 31.07.2000 zu schließen. Sie kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 02.03.2000 außerordentlich mit Auslauffrist bis zum 30.09.2000. Diese Kündigung ist durch das zitierte Urteil des BAG rechtskräftig für unwirksam erklärt worden. Seit dem 01.07.2002 beschäftigt die Beklagte den Kläger im städtischen Verkehrsamt, insbesondere mit der Beratung von Gästen über Fremdenverkehrsangebote der Beklagten und in der Umgebung. Dabei macht sie sich seine niederländischen Sprachkenntnisse zunutze. Als Niederländer ist der Kläger jedoch des Schriftdeutschen nicht in einer Weise mächtig, die ihn zu einer selbständigen Korrespondenz befähigt, so dass er in diesem Tätigkeitsfeld der Beaufsichtigung bedarf. Die seit dem 01.07.2002 ausgeübte Tätigkeit hat allenfalls eine tarifliche Wertigkeit der Vergütungsgruppe VII BAT. Der Kläger wird aus einer im Stellenplan der Beklagten ab dem Jahr 2003 als wegfallend gekennzeichneten und nach Vergütungsgruppe VI b (Bewährungsaufstieg V c) BAT bewerteten Stelle vergütet, deren bisheriger Inhaber im August 2002 in den Ruhestand getreten ist.

Die am 31.07.2000 geschlossene Musikschule war die einzige Einrichtung dieser Art in Trägerschaft der Beklagten. Eine Nachfolgeeinrichtung wurde nicht gegründet. Musikschullehrer beschäftigt die Beklagte außer dem Kläger nicht mehr. Die an den in Trägerschaft der Beklagten stehenden allgemeinbildenden Schulen beschäftigten Lehrkräfte stehen nach niedersächsischem Schulrecht in unmittelbarem Dienstverhältnis zum Land Niedersachsen, deren Personalkosten es ebenso wie die der pädagogischen Mitarbeiter und Betreuungskräfte zu tragen hat. Die Beklagte hat als Schulträger lediglich die Sachkosten zu finanzieren. Die Beklagte beschäftigte - neben Diplomingenieuren, deren Tätigkeit der Kläger unstreitig nicht ausüben kann -im Zeitpunkt der streitbefangenen Änderungskündigung nur eine Angestellte mit Tätigkeiten, die nach der Vergütungsgruppe IV b BAT bewertet ist, nämlich die mit 20 Wochenstunden beschäftigte Stadtjugendpflegerin. Nach niedersächsischem Landesrecht sind Träger der Kinder- und Jugendhilfe die Kreise beziehungsweise kreisfreien Städte, so dass die Beklagte als nicht kreisfreie Stadt keine Jugendhilfe mit eigenem Personal leisten muss. Aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertragen zwischen dem Landkreis Grafschaft B... und der Beklagten kann diese freiwillig Jugendpfleger beschäftigen. Davon hat sie mit der Einstellung der Stadtjugendpflegerin Gebrauch gemacht. Diese ist im März 1957 geboren und seit März 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist Sozialpädagogin und hat den Angestelltenlehrgang I besucht. Die Beklagte beschäftigt im Bereich der Stadtjugendpflege stets nur ausgebildete Sozialpädagogen. Weitere Stellen im Bereich der Jugendhilfe waren im Haushaltsansatz der Beklagten im Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung nicht vorgesehen. Nach Ausspruch der Änderungskündigung stellte die Beklagte im Juni 2004 einen etwa 28jährigen Sozialpädagogen als Leiter des Jugendhauses ein, der eine Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT erhält. Das Jugendhaus wird von einem privaten Verein betrieben, der auch das Folgepersonal stellen wird. In dem zwischen der Beklagten und dem Verein vereinbarten Konzept ist ausdrücklich die Einstellung eines Sozialpädagogen als Leiter des Jugendhauses vorgesehen. Hinsichtlich der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 18.03.2005 (Bl. 226 f. d.A.) Bezug genommen. Auf die Aufstellung der nach BAT IV b und höher beziehungsweise nach A 11 und höher bewerteten Stellen der Beklagten mit den Sozialdaten der Stelleninhaber auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 17.07.2003 (Bl. 46 d.A.) wird verwiesen.

Im Rahmen eines Programms des Kultusministerium hat die Beklagte unter Zusage der Kostenübernahme durch das Land Niedersachsen eine auf ein Jahr befristete Stelle einer Betreuungskraft an einer Hauptschule geschaffen. Diese Kraft arbeitet 17,6 Wochenstunden und erhält eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT.

Während des Prozesses um die Wirksamkeit der Beendigungskündigung vom 02.03.2000 wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 27.02.2001, auf das verwiesen wird (Bl. 175 d.A.), an die zuständige Bezirksregierung und fragte angesichts eines Bedarfes von mindestens 33 Wochenunterrichtsstunden im Musikbereich in drei allgemeinbildenden Schulen, deren Träger die Beklagte ist, an, ob dort ein Einsatz des Klägers im Wege der Personalgestellung unter einer für das Land sehr günstigen Personalkostenaufteilung möglich sei. Die Bezirksregierung lehnte dies mit Schreiben vom 06.04.2001 (Bl. 176 d.A.) unter Hinweis darauf ab, dass Lehrkräfte im Anstellungsverhältnis zum Land stehen müsste. Sie wies auf die Möglichkeit der Bewerbung um eine Beschäftigung im öffentlichen Schuldienst in Niedersachsen ohne Lehramtsstudium hin. Ebenfalls während des ersten Prozesses der Parteien hatte die Beklagte der Stadt N... mit Schreiben vom 20.06.2001 angeboten, den Kläger im Wege der Personalgestellung an diese abzugeben. Dies lehnte die Stadt N... mit Schreiben vom 16.08.2001, auf das Bezug genommen wird (Bl. 174 d.A.), ab.

Nach der am 02.12.2002 erfolgten Zustellung des Urteils des BAG vom 27.06.2002 wandte sich die Beklagte mit einem stets gleichlautenden Anschreiben vom 17.03.2003, auf das Bezug genommen wird (Bl. 177 d.A.), an 37 Institutionen, insbesondere Musikschulen, im Umkreis bis nach M... und O... sowie in den Niederlanden (Auflistung Bl. 178-181 d.A.) mit der Anfrage, ob Interesse an der Beschäftigung eines Trompetenlehrers bestehe. Eine Differenzzahlung in Höhe des Unterschieds zwischen der üblicherweise gezahlten und der dem Kläger geschuldeten Vergütung sei ebenso möglich wie eine Personalgestellungmit einem unter der üblichen Vergütung liegenden Kostensatz. Auf die bis zum 27.03.2003 eingegangenen, sämtlich negativen Antwortschreiben (Bl. 182-188 d.A.) wird Bezug genommen. Nach Auffassung der Beklagten waren weitere Rückmeldungen nicht zu erwarten. Sie sprach deshalb mit Schreiben vom 28.03.2003, auf das Bezug genommen wird (Bl. 5 f. d.A.), die streitbefangene Änderungskündigung aus, durch die sie das Arbeitsverhältnis gemäß § 55 Abs. 2 BAT zum Zwecke der Herabgruppierung von der Vergütungsgruppe IV b BAT in die Vergütungsgruppe V b BAT außerordentlich mit Auslauffrist zum 30.09.2003 kündigte. Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 06.02.2003, auf das verwiesen wird (Bl. 65 f. d.A.), den Personalrat um Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung gebeten, der mit Schreiben vom 21.02.2003 (Bl. 67 d.A.) mitgeteilt hatte, dass er der beabsichtigten Änderungskündigung nicht widerspreche.

Der Kläger nahm die Änderungskündigung unter Vorbehalt an. Mit der am 03.04.2003 erhobenen Klage hat er die Änderungskündigung mit dem Antrag angegriffen,

festzustellen, dass das seit dem 01.12.1980 auf der Grundlage der Arbeitsverträge vom 11.03.1981, 16.07.1985 und 01.04.1993 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch Änderungskündigung der Beklagten vom 28.03.2003 abgeändert wird, sondern ungeändert und unbefristet über den 30.09.2003 fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zum einen habe die Beklagte eine unzulässige Wiederholungskündigung ausgesprochen, weil ungeachtet des unterschiedlichen Kündigungsziels der Kündigungssachverhalt beider Kündigungen, nämlich die Schließung der Musikschule, identisch sei. Zum anderen habe die Beklagte die Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 Satz 1 BAT nicht gewahrt. Spätestens seit dem Urteil des BAG vom 27.06.2002 habe die Beklagte gewusst, dass die Beendigungskündigung vom 02.03.2000 keinen Bestand habe. Sie habe deshalb innerhalb von zwei weiteren Wochen die Änderungskündigung aussprechen müssen. Es sei mit der der Zweiwochen-Frist zugrundeliegenden Wertung nicht zu vereinbaren, der Beklagten ein Dauerkündigungsrecht zuzubilligen.

Gegen dieses ihr am 16.02.2004 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10.03.2004 eingelegten und nach Fristverlängerung bis zum 17.05.2004 am 14.05.2004 begründeten Berufung.

Hinsichtlich der Angriffe der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts wird auf ihre Ausführungen in der Berufungsbegründung (Bl. 169-173 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte behauptet, sie habe keine Möglichkeit, den Kläger mit einer nach der Vergütungsgruppe IV b BAT bewerteten Tätigkeit zu beschäftigen. Ein Einsatz als Musiklehrer sei nicht möglich, weil sie keine Einrichtung betreibe, an der sie Musiklehrer beschäftigten. Die Lehrer der allgemeinbildenden Schulen seien beim Land Niedersachsen beschäftigt. Aufgrund seines Alters müsse der Kläger zwar den Angestelltenlehrgang I nicht absolvieren, um Verwaltungstätigkeiten, die nach IV b BAT bewertet sein, ausüben zu dürfen. Er habe jedoch keine einschlägige Verwaltungserfahrung. Als stellvertretender Leiter der Musikschule habe er sich nur mit dem Erstellen und Anpassen von Stundentafeln und der Unterrichtsorganisation beschäftigt, alles Weitere sei unter der Regie der Stadtverwaltung erledigt worden. Die Stelle des stellvertretenden Schulleiters sei nur aus atmosphärischen Gründen geschaffen worden, um die beiden Lager des Kollegiums der Musikschule in deren Leitung paritätisch repräsentiert zu wissen. Es sei ihr nicht zuzumuten, den Kläger auf Dienstposten zu beschäftigen, deren Anforderungen er nicht gewachsen sei. Insbesondere sei ein Einsatz als Stadtjugendpfleger nicht möglich, wofür ihrer Auffassung nach eine Ausbildung als Sozialpädagoge unerlässlich sei. Die Finanzierung einer solchen Ausbildung und die Freistellung des Klägers während ihrer Dauer sei der Beklagten wegen ihrer desolaten Haushaltslage nicht zuzumuten. Zur Schaffung neuer Stellen, etwa der eines Musikpädagogen, sei sie nicht verpflichtet, zumal dies ihrem Ziel der Haushaltskonsolidierung entgegenstehe und sie in ihrer durch das Grundgesetz garantierten Personal- und Finanzhoheit verletze. Eine derartige Verpflichtung führe zur Sinnentleerung der tariflich vorgesehenen Änderungskündigung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 22.01.2004 - 1 Ca 218/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 18.03.2005 hat der Kläger klargestellt, dass er mit seiner Klage das Ziel verfolgt, feststellen zu lassen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die angegriffene Änderungskündigung ungerechtfertigt ist.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung sowie der S. 1-3 seines Schriftsatzes vom 30.08.2004, auf die Bezug genommen wird (Bl. 195 f. und Bl. 207-209 d.A.).

Der Kläger meint, er könne von der Beklagten als Schulmusiker eingesetzt werden. Er habe Anspruch, im Rahmen seiner erworbenen Qualifikation eingesetzt zu werden. Im Bereich der Jugendhilfesei ein Einsatz von Musikpädagogen sinnvoll und üblich. Der Kläger könne auch im Bereich der Musiktherapie sachgerecht beschäftigt werden. Eine Beschäftigung als Betreuungslehrer habe ihm die Beklagte nicht angeboten. Aufgrund seines tariflich garantierten Beschäftigungsanspruches sei die Beklagte verpflichtet, für ihn geeignete Stellen zu schaffen.

Der Kläger könne auch allgemein im Bereich der Verwaltung, dort insbesondere im Bereich der Jugendhilfe, eingesetzt werden. Andere Kommunen würden in diesem Bereich auf qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Bereich der Erziehungswissenschaften zurückgreifen. Als Musikpädagoge sei er entsprechend ausgebildet. Auch könne die Beklagte ihn zum Stadtjugendpfleger fortbilden.Als (stellvertretender) Leiter der Musikschule habe er alle damit im Zusammenhang stehenden Funktionen ausgeübt. Im Bereich der Kulturverwaltung verfüge er daher über ausreichende Vorerfahrung.

Schließlich habe die Beklagte sich nicht hinreichend bemüht, ihm eine Beschäftigung bei anderen (öffentlichen) Arbeitgebern zu vermitteln. Das Schreiben vom 17.03.2003 habe durch die Formulierung und den fehlenden Hinweis auf seine Erfahrung als Schulleiter eine negative Antwort geradezu herausgefordert. Zudem sei die Ausbildung des Klägers abqualifizierend bezeichnet worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, § 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist auch begründet. Die Änderungskündigung der Beklagten zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe (§ 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT) ist wirksam. Der Kläger hat daher seit dem 01.10.2003 nur nach Anspruch auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT.

A. Der Kläger hat eine Änderungsschutzklage erhoben. Diese ist zulässig.

Die Beklagte hat demordentlich unkündbaren Kläger (dazu BAG,27.06.2002, 2 AZR 367/01, AP Nr. 4 zu § 55 BAT II 1 a d.Gr.>) eine Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 Satz 2 BAT ausgesprochen. Dabei handelt es sich um eine befristete außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund, die mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende ausgesprochen werden muss (BAG, 17.05.1984, 2 AZR 161/83, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <II 2 a und d d.Gr.>). Die Beklagte hat eine solche Kündigung erklärt. Aus dem Kündigungsschreiben vom 28.03.2003 (Bl. 5 f. d.A.) geht mit der für den Kläger als Empfänger der Kündigungserklärung erforderlichen Deutlichkeit hervor, dass die Beklagte von der sich aus § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT ergebenden besonderen Kündigungsbefugnis Gebrauch machen wollte. Die Beklagte hat diese Rechtsnorm im Kündigungsschreiben ausdrücklich zur Rechtfertigung ihrer Kündigung herangezogen.

Gegen diese Kündigung war eine Änderungsschutzklage nach § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 4 Satz 2 KSchG in der bis zum 31.12.2003 Fassung zulässig. Der Gesetzgeber wollte die Änderungsschutzklage nicht ausschließen, sondern hat durch ein Redaktionsversehen lediglich die Vorschriften der §§ 13, 2 und 4 KSchG nicht aufeinander abgestimmt (ausführlich: BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <II 4 d.Gr.>). Der Kläger hat - wie er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 18.03.2005 klargestellt hat - ungeachtet des missverständlich formulierten Antrages eine Änderungsschutzklage erheben wollen. Dies haben alle Prozessbeteiligten einschließlich des erstinstanzlichen Gerichts auch so verstanden.

B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Änderungskündigung ist wirksam.

I. Die Beklagte hat keine unzulässige Wiederholungskündigung ausgesprochen.

Zwar kann ein Gestaltungsrecht wie das Kündigungsrecht verbraucht sein. Dies betrifft aber nur den Fall, dass zwei Kündigungen auf denselben Kündigungssachverhalt gestützt werden. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Um eine unzulässige Wiederholungskündigung handelt es sich jedoch nicht, wenn der Kündigende die erste Kündigung nicht lediglich wiederholt, sondern sie auf weitere, neue Tatsachen stützt, die den bisherigen Kündigungssachverhalt verändern oder ergänzen (BAG, stRspr., zuletzt Urteil vom 22.05.2003, 2 AZR 255/02, AP Nr. 12 zu § 113 InsO <II 3 a d.Gr.>).

Danach liegt hier keine unzulässige Wiederholungskündigung vor. Zwar ist Auslöser der streitbefangenen Änderungskündigung ebenso wie der der rechtskräftig für unwirksam erklärten Beendigungskündigung vom 02.03.2000 die Entscheidung der Beklagten, die Musikschule, an der der Kläger beschäftigt war, zu schließen. Die Beklagte hat jedoch ihre ursprüngliche Kündigung nicht einfach wiederholt. Vielmehr unterscheiden sich der Sachverhalt der Beendigungs- und der Änderungskündigung erheblich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte nunmehr nicht die Beendigung, sondern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn auch mit abgesenkter Vergütung, anstrebt. Zudem hat die Beklagte vor Ausspruch der Änderungskündigung ihre Prognose, dass eine Beschäftigung des Klägers zu den bisherigen Bedingungen in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde, nicht mehr auf den im März 2000, sondern auf den im März 2003 absehbaren Personalbestand und die zu diesem Zeitpunkt voraussehbare Haushaltslage gestützt.

II. Die Änderungskündigung vom 28.03.2003 ist unter Wahrung der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 BAT erklärt worden.

1. Wie ausgeführt, ist die streitbefangene Kündigung eine befristete außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund, bei der eine Kündigungsfrist einzuhalten ist. Die Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 BAT, die inhaltlich mit der des § 626 Abs. 2 BGB identisch ist und keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat (vgl. BAG, 31.01.1996, 2 AZR 158/95, AP Nr. 13 zu § 626 BGB - Druckkündigung <II 3 d.Gr.>), ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die Kündigungserklärung. Sie soll innerhalb begrenzter Zeit für den betroffenen Arbeitnehmer Klarheit darüber schaffen, ob ein Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung genommen wird. Andererseits soll die zeitliche Begrenzung aber nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder den Kündigungsberechtigten veranlassen, ohne genügende Vorprüfung voreilig zu kündigen (BAG, 10.06.1988, 2 AZR 25/88, AP Nr. 27 zu § 626 BGB Ausschlussfrist <III 2 a d.Gr.>). Von diesem Regelungszweck her passt die Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 BAT für Kündigungen nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT, denen notwendigerweise ein Dauertatbestand zugrunde liegt, nicht. Deshalb kann der öffentliche Arbeitgeber eine Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT aussprechen, ohne die Frist des § 54 Abs. 2 BAT einhalten zu müssen (vgl. Kiel, Die Kündigung unkündbarer Arbeitnehmer, demnächst NZA, n.v. Manuskript <III 2>).

2. Jedenfalls handelt es sich angesichts der der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Annahme der Beklagten, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu den bisherigen Vertragsbedingungen sei nachweisbar unmöglich, um einen Dauerstörbestand. Diese Störung des Arbeitsverhältnisses, das auch im öffentlichen Dienst ein Austauschverhältnis ist, wird mit jedem Tag, an dem der öffentliche Arbeitgeber ein Entgelt zahlen muss, das den verbliebenen Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht entspricht, gravierender und macht die Fortsetzung dieses Zustandes für den Arbeitgeber immer unzumutbarer. Die Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 BAT läuft daher, wenn sie Anwendung findet, mit jedem Tag neu an, so dass es dem Arbeitgeber überlassen bleibt, wann er kündigen will (vgl. BAG, 05.02.1998, 2 AZR 227/97, AP Nr. 143 zu § 626 BGB <II 4 d d.Gr.>; Etzel, ZTR 2003, S. 210 <214>). Die Geduld des öffentlichen Arbeitgebers, der über einen langen Zeitraum nach für beide Seiten zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeiten zu den bisherigen Vertragsbedingungen sucht, führt also nicht dazu, dass ihm der Ausspruch der Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT verwehrt ist (vgl. Kiel, a.a.O.).

III. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT sind erfüllt.

1. Gemäß § 55 Abs. 1 BAT kann dem nach § 53 Abs. 3 BAT ordentlich unkündbaren Angestellten aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 BAT berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. Mit dieser Vorschrift, durch die der bereits in § 43 des Reichsangestelltentarifvertrages (RAT) und in § 16 Abs. 4 TOA geregelte Schutz des unkündbaren Angestellten erheblich verstärkt wurde, wollten die Tarifvertragsparteien unkündbare Angestellte im Bestandsschutz dem Status der Beamten auf Lebenszeit stark annähern (BAG, AP Nr. 4 zu § 55 BAT <II 4 c d.Gr.>; Scheuring, Anm. zu BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <2>). Eine auf § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT gestützte Kündigung ist daher erst zulässig, wenn nicht nur dringende betriebliche Erfordernisse i.S. des § 54 Abs. 1 BAT die Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen unmöglich machen, sondern eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen unmöglich ist. Die "dienstlichen Gründe" sind nicht nur ein Unterfall der dringenden betrieblichen Erfordernisse, sondern eine weitere Voraussetzung der Änderungskündigung mit eigener Qualität. Eine Änderungskündigung kommt aber nicht erst dann in Betracht, wenn die Weiterbeschäftigung des unkündbaren Angestellten zu den bisherigen Bedingungen objektiv unmöglich ist. Andernfalls wäre - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - die Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT von der praktischen Anwendung her bedeutungslos. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT ist daher, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen zwingend ausgeschlossen ist (BAG, AP Nr. 13 zu § 626 BGB - Druckkündigung <II 5 c d.Gr.>; BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <III 2 a d.Gr.>).

2. Daraus ergibt sich, welche Bemühungen zur vertragsgerechten Weiterbeschäftigung des unkündbaren Angestellten der öffentliche Arbeitgeber vor Ausspruch einer Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT vorzunehmen hat.

a) Der öffentliche Arbeitgeber hat vor Ausspruch der Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT zu prüfen, ob der unkündbare Angestellte auf einen freien, geeigneten, gleichwertigen Arbeitsplatz versetzt werden kann.

Darüber hinaus ist es ihm zuzumuten, für eine Übergangszeit die zur Vergütung des unkündbaren Angestellten erforderlichen Haushaltsmittel bereitzustellen, wenn absehbar ist, dass eine gleichwertige, für den unkündbaren Angestellten geeignete Stelle aus Gründen der normalen Fluktuation (Ruhestand, Beförderung, Versetzung) frei und wieder besetzt werden wird (vgl. Clemens/Scheuring, BAT, § 55, Anm. 5 b, Kiel, a.a.O. <IV 4 b).

Ferner hat der öffentliche Arbeitgeber zu prüfen, ob eine derartige Stelle durch Umsetzung anderer Arbeitnehmer oder andere Arbeitsverteilung frei gemacht werden kann (Clemens/Scheuring, a.a.O., Anm. 5 c; Böhm/Spiertz, BAT, § 55, Rz. 24; vgl. für die Beendigungskündigung eines unkündbaren Angestellten: BAG, AP Nr. 4 zu § 55 BAT <II5 b d.Gr.>; BAG, 24.06.2004, 2 AZR 215/03, AiB 2005, S. 129 <B II 3 e d.Gr.>).

Bei den vorstehend aufgeführten drei Prüfungsschritten hat der öffentliche Arbeitgeber seinen gesamten Geschäftsbereich in die Prüfung einzubeziehen (BAG, AP Nr. 13 zu § 626 BGB - Druckkündigung <II 5 c d.Gr.>).

b) Schließlich ist der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT einemkündbaren Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn nur so ein gleichwertiger Arbeitsplatz, den der unkündbare Angestellte ausfüllen kann, freigemacht werden kann.

aa) Dies folgt aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Ziel, den Rechtsstatus der unkündbaren Angestellten einem Lebenszeitbeamten anzunähern. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Bestandsschutzinteresse des unkündbaren Angestellten dem des (noch) kündbaren Angestellten vorgeht. Bei kleinen Dienststellen würde, wie der vorliegende Fall belegt, der von den Tarifvertragsparteien bezweckte Kündigungsschutz in der gegenwärtigen Situation, die von einer akuten Knappheit an Haushaltsmitteln und dem dadurch ausgelösten Zwang zu ständigen Stellenstreichungen gekennzeichnet ist, leer laufen. Freiwerdende, nicht mit kw-Vermerken versehene Stellen sind eine Seltenheit geworden, Umverteilungen, die zu Beschäftigungsmöglichkeiten für den unkündbaren Angestellten, dessen bisheriger Arbeitsplatz aus dringenden betrieblichen Gründen weggefallen ist, führen, kaum noch möglich. Auch der öffentliche Dienst hat eine zunehmend knapper gewordene Personaldecke, die Großzügigkeiten bei der Weiterbeschäftigung eigentlich überflüssig gewordener Arbeitnehmer unmöglich macht.

Der tarifliche Bestandsschutz zwingt also den öffentlichen Arbeitgeber zu einer unternehmerischen Entscheidung, die eine ordentliche betriebsbedingte (Änderungs)Kündigung des kündbaren Angestellten, mit dem Ziel, dem Unkündbaren die Weiterbeschäftigung zu sichern, sozial rechtfertigt. Dies führt zu keinem Systembruch im Bestandsschutz, sondern ist systemimmanenter Ausfluss des Tarifrechts, das im öffentlichen Dienst kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme (noch) für die weit überwiegende Anzahl der Beschäftigten Anwendung findet. Auch die zunächst der Gefahr einer betriebsbedingten Kündigungen zugunsten ordentlich unkündbarer Angestellter ausgesetzten kündbaren Angestellten haben somit die Chance, selbst den Status des unkündbaren Beschäftigten zu erlangen und dann von dem tariflichen Bestandsschutzsystem bei den absehbaren Veränderungen im öffentlichen Dienst zu profitieren (i.E. ebenso Kiel, a.a.O. <IV 4 b>; Scheuring, Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 55 BAT <2 a.E.>; Etzel, ZTR 2003, S. 210 <215>; offengelassen von BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <III 2 a aa d.Gr.>; Böhm/Spiertz, BAT, § 55, Rz. 26; ablehnend Walker, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 55 BAT <III>).

bb) Die Pflicht zur Freikündigung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes besteht allerdings dann nicht, wenn der unkündbare Angestellte den Arbeitsplatz des kündbaren Angestellten nicht innerhalb einer Einarbeitungszeit, die der eines für diesen Arbeitsplatz qualifizierten, neu eingestellten Arbeitnehmers entspricht, ausfüllen kann. Auch dem öffentlichen Arbeitgeber ist es zur Sicherung der Beschäftigungsmöglichkeit eines unkündbaren Angestellten zu den bisherigen Vertragsbedingungen nicht zuzumuten, geschultes, eingearbeitetes Fachpersonal zu kündigen, um einen für diese Tätigkeit nicht qualifizierten unkündbaren Angestellten über einen erheblichen Zeitraum auf dem freigemachten Arbeitsplatz zu schulen. Andernfalls wäre die vom öffentlichen Dienst zu verlangende Effizienz des Verwaltungshandelns gefährdet.

Die Pflicht zur Freikündigung besteht daher nicht, wenn zwar ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden ist, der mit einem kündbaren Angestellten besetzt ist, der Unkündbare diesen Arbeitsplatz aber nur nach vorheriger Umschulung oder Fortbildung ausfüllen kann(ebenso Kiel, a.a.O.).

c) Der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, statt Ausspruchs einer Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT eine für den unkündbaren Angestellten geeignete gleichwertige Stelle zu schaffen oder von der Streichung einer mit einem kw-Vermerk versehenen Stelle abzusehen. Auch der öffentliche Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Arbeitsplätze zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, für die ein betriebliches Bedürfnis nach seinem Haushaltsansatz nicht mehr besteht. Ein unkündbarer Angestellter soll, wie gerade § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT zeigt, nicht schlechthin eine Tätigkeit mit der bisherigen Wertigkeit gesichert bekommen, sondern nur eine nach dem Haushaltsansatz des öffentlichen Arbeitgebers vorhandene (vgl. BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <III 2 a d.Gr.>).

d) Schließlich ist der öffentliche Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT auch nicht verpflichtet, Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen öffentlichen Arbeitgebern, gegebenenfalls im Wege der Personalgestellung, zu prüfen. Das BAG hat eine solche Verpflichtung zwar vor dem Ausspruch einer im Extremfall bei Fehlen jeder Beschäftigungsmöglichkeit möglichen Beendigungskündigung angenommen (BAG, AP Nr. 4 zu § 55 BAT <II 5 c d.Gr.>; BAG, AiB 2005, S. 129 <B II 3 e d.Gr.>). Diese Grundsätze lassen sich jedoch auf eine Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT nicht übertragen. Das BAG hat diese Verpflichtung mit der Übertragung der von den Tarifvertragsparteien dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 (TV Rat)zugrundegelegten Wertungsmaßstäbe begründet und dementsprechend die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, vor Eingriffen in den Bestandsschutz eine Weiterbeschäftigung bei anderen öffentlichen Arbeitgeber zu versuchen ausdrücklich auf Maßnahmen, auf die der TV Rat Anwendung findet, beschränkt (BAG, AiB 2005, S. 129 <B II 3 d und f aa d.Gr.>).

Die Schließung der wegen rückläufiger Schülerzahlen defizitären Musikschule unterfällt gemäß der Protokollnotiz Nr. 2 zu § 1 TV Rat schon dem TV Rat nicht, weil es sich dabei nach der von den Tarifvertragsparteien gewählten Definition nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme handelt. Auch trifft § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT eine gänzlich eigenständige, abschließende Regelung für den Fall, dass die Beschäftigung des unkündbaren Angestellten zu den bisherigen Bedingungen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen unmöglich wird. Auf diese lassen sich die dem TV Rat zugrunde liegenden Wertungen daher nicht übertragen. Mit der außerordentlichen Änderungskündigung aus wichtigem Grund mit Kündigungsfrist wollten die Tarifpartner den Vertragsparteien gerade dieMöglichkeit eröffnen, das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Vertragspartner unter Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe, aber unter Wahrung des bisherigen Besitzstandes im Übrigen fortzusetzen. Diese Möglichkeit haben sie als vorrangig vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit auch vor einer Beschäftigung bei anderen öffentlichen Arbeitgebern angesehen. Solange also noch eine Beschäftigung bei dem Vertragsarbeitgeber, sei es auch nach einer Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe möglich ist, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den ordentlich unkündbaren Angestellten nach Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen öffentlichen Arbeitgebern zu suchen.

Der Arbeitgeber ist also zum Ausspruch einer Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT berechtigt, wenn in seinem gesamten Geschäftsbereich keine gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit nach den unter B III 2 dargelegten Grundsätzen besteht (vgl. BAG, AP Nr. 13 zu § 626 BGB - Druckkündigung <II 5 c d.Gr.>).

3. An diesen Maßstäben gemessen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen zwingend ausgeschlossen.

a) Einsatzmöglichkeiten für den Kläger als Musikschullehrer bestehen bei der Beklagten nicht mehr.

Ein Einsatz als Musikschullehrer an der zuletzt von der Beklagten betriebenen Musikschule ist seit deren Schließung unmöglich. Dabei muss sich die Beklagte nicht mehr - anders als vor Ausspruch der Beendigungskündigung vom 02.03.2000 (BAG, AP Nr. 4 zu § 55 BAT <II 5 a d.Gr.>)- entgegenhalten lassen, dass sie sich vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung nicht ausreichend um eine Übernahmeder Musikschule durch einen privaten Betreiber und Weiterbeschäftigung des Klägers auf der Basis eines Personalgestellungsvertrages bemüht habe. Das BAG hat unter Hinweisauf eine deshalb möglicherweise bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit die Beendigungskündigung als unwirksam angesehen. Diese Erwägungen verfangen im vorliegenden Rechtsstreit, bei dem es gerade um den Inhalt der Weiterbeschäftigung und die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Vergütung geht, nicht.

Die an den in Trägerschaft der Beklagten stehenden allgemeinbildenden Schulen beschäftigten Musiklehrkräfte stehen gemäß § 50 Abs. 2 NSchulG in einem Dienstverhältnis zum Land, das gemäß § 112 NSchulG auch deren Personalkosten zu tragen hat. Der Kläger kann daher von der Beklagten auch nicht an staatlichen Schulen eingesetzt werden. Weitere Einrichtungen, in denen Musiklehrer beschäftigt werden, unterhält die Beklagte nicht.

b) Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Verwaltung der Beklagten besteht nicht.

aa) Eine Umsetzung beziehungsweise Versetzung des Klägers auf eine freie, gleichwertige Stelle ist nicht möglich. Andere Musikschullehrer beschäftigt die Beklagte in ihrem gesamten Geschäftsbereich nicht und hat dies auch in absehbarer Zeit nicht vor. Freie Stellen für Betreuungskräfte bestehen nicht. Ohnehin handelt es sich um nach Vergütungsgruppe V b BAT bewertete und damit nicht mit der bisherigen Beschäftigung des Klägers gleichwertige Stellen, die zudem nur für kurze Zeit befristet sind.

bb) Es war im Zeitpunkt der Änderungskündigung nicht absehbar, dass gleichwertige Stellen, die der Kläger ausfüllen kann, frei werden und wieder zu besetzen sein würden.

Bei der Beklagten ist nur eine nachder Vergütungsgruppe IV b BAT bewertete, nicht mit Angestellten mit technischer Ausbildung besetzte Stelle vorhanden, nämlich die der Stadtjugendpflegerin. Diese ist im März 1957 geboren, war also im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung erst 46 Jahre alt. Es stand daher nicht zu erwarten, dass sie in nächster Zeit ausscheiden würde. Darüber hinaus ist die Stelle unstreitig auf einen Stelleninhaber mit einer sozialpädagogischen Ausbildung zugeschnitten, die der Kläger nicht besitzt. Es steht im freien Ermessen der Beklagten, wie sie die freiwillige Aufgabe der Jugendpflege ausgestaltet und wo sie den Aufgabenschwerpunkt dieser Arbeit setzt.

Die Stelle des Leiters des Jugendhauses ist erst 15 Monate nach Ausspruch der Kündigung und 8 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist und damit nicht in absehbarer Zeit besetzt worden. Zudem ist sie nach dem mit dem privaten Träger dieses Hauses abgestimmten Konzept ausdrücklich für einen Sozialpädagogen vorgesehen und nach der Vergütungsgruppe IV a BAT bewertet.

cc) Ein Freimachen gleichwertiger Stellen durch Umorganisation ist ebenfalls unmöglich. Bei der Beklagten besteht wie ausgeführt als gleichwertige Stelle nur die der Stadtjugendpflegerin, die zudem von ihrem Zuschnitt her nicht für den Kläger geeignet ist. Sämtliche in der Verwaltung tätigen Stelleninhaber mit höherwertigen Aufgaben als nach der Vergütungsgruppe IV b BAT sind Leiter von Ämtern mit Ausnahme der stellvertretenden Kämmerin, deren Aufgaben der Kläger unstreitig nicht verrichten kann. Zudem sind sie bis auf den Leiter des Verkehrsamtes und die stellvertretende Kämmerin entweder ordentlich unkündbar oder Beamte auf Lebenszeit. Bei dieser Sachlage scheidet eine Umorganisation dahin, dass Stellenanteile mit einer Wertigkeit der Vergütungsgruppe IV b BAT zusammengefügt und dem Kläger übertragen werden, offenkundig aus.

dd) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, der ordentlich noch kündbaren Stadtjugendpflegerin eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung auf eine niedriger bewertete Stelle oder eine Beendigungskündigung auszusprechen statt den Kläger nach § 55 Abs. 2 Ua. 1 S. 2 BAT zu kündigen.

Die Beklagte hat - wie ausgeführt - die nicht zu beanstandende Entscheidung getroffen, die Jugendpflege von ausgebildeten Sozialpädagogen verrichten zu lassen. Dass der Kläger als ausgebildeter Musikpädagoge eine Tätigkeit als Jugendpfleger mit sozialpädagogischem Zuschnitt nur nach langdauernder Weiterbildung ausfüllen kann, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Beklagte war daher nicht zur Freikündigung des Arbeitsplatzes der Stadtjugendpflegerin verpflichtet, weil es ihr nicht zuzumuten war, während der Zeit, die der Kläger zum Erwerb der sozialpädagogischen Kenntnisse benötigt, keine Stadtjugendpflege nach dem von ihr gewünschten Zuschnitt leisten zu können.

Zudem hätte der Kläger näher darlegen müssen, wie er - unabhängig von der streitigen Frage, ob und in welchem Umfang er Verwaltungserfahrung erworben hat - angesichts seiner für einen selbständigen Schriftverkehr nicht ausreichenden Kenntnisse der deutschen Schriftsprache den in der Position des Stadtjugendpflegers erforderlichen Schriftverkehr, insbesondere mit anderen Behörden, abwickeln will.

ee) Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, gleichwertige Stellen, die der Kläger nach seiner Ausbildung sofort ausfüllen kann, wie die eines Musikpädagogen, zu schaffen. Die Beklagte hat dargelegt, dass nach ihrem Haushaltsansatz kein Raum für derartige Stellen besteht.

c) Die Beklagte war vor Ausspruch der Änderungskündigung auch nicht verpflichtet,nach Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes zu suchen. Es kann daher dahinstehen, ob sich die Beklagte vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung ausreichend um derartige Beschäftigungsmöglichkeiten bemüht hat.

IV. 1. Die Änderungskündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Kläger seit dem 01.07.2002 mit Tätigkeiten, die der Vergütungsgruppe VII BAT entsprechen, beschäftigt. Zwar ist die Beklagte nach Ablauf der Kündigungsfrist seit dem 01.10.2003 grundsätzlich verpflichtet, den Kläger nicht nur nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu vergüten, sondern ihm auch eine entsprechend bewertete Tätigkeit zuzuweisen. Soweit die Beklagte dagegen verstoßen haben sollte, macht dies die Änderungskündigung nicht unwirksam, sondern gewährt dem Kläger nur einen Anspruch auf eine vergütungsgerechte Beschäftigung (Böhm/Spiertz, BAT, § 55, Rz. 16).

2. Darüber hinaus muss die Beklagte den Kläger nicht in jedem Fall mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe V b BAT beschäftigen. Zwar muss sie gegebenenfalls einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer nach den unter B III 2 d der Gründe dargelegten Maßstäben kündigen oder ihn versetzen, um den Kläger vergütungsgerecht zu beschäftigen (Etzel, ZTR 2003, S. 210 <215>). Besteht jedoch auch dann keine Beschäftigungsmöglichkeit nach Vergütungsgruppe V b BAT, so ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger auch eine niedriger bewertete, noch zumutbare Tätigkeit zuzuweisen (vgl. LAG Niedersachsen, 27.04.2001, 16 Sa 2125/00, NZA-RR 2002, S. 555 im Vorprozess; Etzel, a.a.O.). Genau auf diese Passage der Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 27.04.2001 hat sich die Beklagte im Kündigungsschreiben berufen (Bl. 6 d.A.). Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, hatte die Kammer nicht zu prüfen, weil der Kläger nur die Wirksamkeit der Änderungskündigung an sich, nicht aber die unterwertige Beschäftigung angreift.

V. Die Beklagte hat den Personalrat entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (BAG, 05.02.1998, AP Nr. 143 zu § 626 BGB <II 5 d d.Gr.>) wie vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung beteiligt. Rügen gegen die Ordnungsgemäßheit der Personalratsanhörung erhebt der Kläger nicht.

VI. Da der Kläger die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat, kann dahinstehen, welchen Regelungsinhalt § 55 Abs. 2 Ua. 4 BAT hat (dazu BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT <IV d.Gr.>).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG n.F.) zuzulassen. Auf die anliegende Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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