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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 05.07.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 657/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
1.

Eine Ergebnis- oder Umsatzbeteiligung ist nur dann Arbeitsentgelt im engeren Sinn, wenn die Zahlung nach der individuellen Leistung des einzelnen Arbeitnehmers berechnet wird.

2.

Dagegen liegt eine Jahresabschlussgratifikation mit Mischcharakter vor, wenn die Sonderzahlung zwar an den Gesamtumsatz des Betriebes anknüpft, zusätzlich aber auch die erwiesene und/oder künftige Betriebstreue honorieren soll.

3.

Auch bei einer umsatzabhängigen Jahresabschlussgratifikation ist eine Klausel, nach der die Zahlung nur solchen Arbeitnehmern zustehen soll, die an einem bestimmten Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, wirksam. Der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem vom Arbeitgeber bestimmten Stichtag ausscheiden, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Durch die Ausschlussklausel wird auch die Freiheit des Arbeitnehmers zum Ausspruch einer Eigenkündigung nicht in einer Weise beeinträchtigt, die sein durch Art. 12 Abs. 1 GG garantiertes Recht auf Berufsfreiheit verletzt.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 657/02

Verkündet am: 5. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge und die ehrenamtlichen Richter Schulz und Junge

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15.03.2002 - 4 Ca 125/02 - wird kostenpflichtig nach einem Wert von 733,74 e zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage um Auskunft über die zur Bezifferung einer Klage auf Sondervergütung erforderlichen Berechnungsgrundlagen.

Die Klägerin war als Sekretärin für die Beklagten tätig. Sie bezog inklusive Fahrkostenerstattung zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 3.289,59 DM (1.681,94 €).

Das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 2001 aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin.

Gemäß § 6 des Arbeitsvertrages "Zusatzvereinbarungen" waren die seit 1989 im Betrieb der Beklagten geltenden "Tantiemen-Rahmenbedingungen" Bestandteil des Arbeitsvertrages. Diese enthielten folgende Regelungen:

1. Soweit bisher aufgrund schriftlicher oder mündlicher Vereinbarungen oder freiwillig 13. Gehälter oder Weihnachtsgelder gezahlt worden sind, entfällt hiermit einvernehmlich jeder Anspruch darauf und zwar schon zum Jahresende 1989.

2. Anstelle der bisherigen Regelungen wird ein umsatzabhängiger Ergebnis-Pool gebildet, an dem die Mitarbeiter entsprechend den nachfolgenden Kriterien beteiligt werden.

3. Das anteilige Pool-Ergebnis wird den einzelnen Mitarbeitern jeweils mit dem Januar-Gehalt des Folgejahres ausgezahlt, weil der Anspruch erst nach Ablauf des laufenden Kalenderjahres in seiner Höhe bestimmt werden kann und entsteht.

4. Berechtigt sind die Arbeitnehmer, die über den 31.12. hinaus eines jeweiligen Kalenderjahres in einem ordentlichen Arbeitsverhältnis zum Hause S stehen.

5. Bei arbeitnehmerveranlaßtem Ausscheiden zum 1.4. des Folgejahres sind von der Pool-Beteiligung zugunsten des Folgejahr-Pools 75 Prozent und bei Ausscheiden zum 1.7. des Folgejahres 50 Prozent der gewährten Vorjahrestantieme zurückzuzahlen. Das gilt nicht für Ausbildungsverträge.

6. Der Pool wird mit jeweils 2,75 Prozent des Jahreshonorars, sich ergebend aus

- Honorare netto ohne MwSt lt. Finanzbuchhaltung

- zuzüglich eingehender Beträge aus in der Vergangenheit abgeschriebener Forderungen (netto)

- abzüglich Forderungsverluste des laufenden Jahres

- zuzüglich vereinnahmter Zinsen und Mahnkosten hinsichtlich angemahnter Honorare am 31.12. eines jeden Jahres aufgefüllt.

7. Der Pool-Inhalt, wie er sich aufgrund der Zugänge aus Position 5 und 6 ergibt, wird zu 100 Prozent unter alle berechtigten Mitarbeiter im Verhältnis ihrer steuerpflichtigen Jahresbruttolöhne lt. Ausweis des Jahreslohnkontos per 31.12. des betreffenden Kalenderjahres ausgeschüttet.

8. Einem Arbeitnehmervertreter, ausgestattet mit den Vollmachten aller übrigen Kollegen, wird im Zweifel das nach Pos. 6 ermittelte Jahreshonorar sowie die Ermittlung des Jahresbrutto der berechtigten Mitarbeiter nachgewiesen, falls ein solches Interesse besteht.

Die Klägerin stimmte diesen Rahmenbedingungen ausdrücklich zu.

Die Klägerin begehrt Auskunft über das zur Berechnung ihres anteiligen Anspruchs aus den Tantiemen-Rahmenbedingungen für 2001 erforderliche Jahreshonorar und die Summe der Jahresbruttolöhne der berechtigten Mitarbeiter. Laut Vortrag der Beklagten im Termin vom 5. Juli 2002 beträgt der anteilige Anspruch der Klägerin für 2001 733,74 €.

Durch das der Klägerin am 12. April 2002 zugestellte Urteil vom 15. März 2002 hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen, den Streitwert auf 500,- € festgesetzt und die Berufung zugelassen. Der Klägerin stehe keine Tantieme nach den Tantiemen-Rahmenbedingungen zu, so dass auch kein Auskunftsanspruch bestehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 7. Mai 2002 eingelegt und zugleich begründet worden ist. Die Klägerin hält die Regelung in Ziffer 4 der Tantiemen-Rahmenbedingungen für unwirksam. Die Beklagten seien 1989 bewusst von der bisherigen Regelung der Jahressonderzahlung abgewichen. Die Klägerin habe daher davon ausgehen können, dass es sich um eine Erfolgs- beziehungsweise Umsatzbeteiligung handele, die Vergütungsbestandteil sei. Die Tantiemen-Rahmenbedingungen enthielten typischerweise in Tantiemen-Bedingungen enthaltene Regelungen. Die Klägerin werde in ihrer Berufswahlfreiheit verletzt, wenn ihre Eigenkündigung mit einem Vermögensopfer verbunden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 15. März 2002 - 4 Ca 125/02 - abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über das im Kalenderjahr 2001 erwirtschaftete Jahreshonorar (Honorare netto ohne Mehrwertsteuer lt. Finanzbuchhaltung zzgl. eingehender Beträge aus in der Vergangenheit abgeschriebener Forderungen -netto- abzgl. Forderungsverluste des laufenden Jahres zzgl. vereinnahmter Zinsen und Mahnkosten hinsichtlich angemahnter Honorare) sowie der Summe der steuerpflichtigen Jahresbruttolöhne aller berechtigten Mitarbeiter der Beklagten lt. Ausweis des Jahreslohnkontos per 31.12.2001 zu geben und die Bemessungsgrundlagen insoweit nachzuweisen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die sich aus der Auskunft bzw. dem Nachweis ergebende Tantieme zzgl. 5 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2002 gegenüber der Klägerin abzurechnen und an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Tantiemen-Rahmenbedingungen für wirksam. Es handele sich um eine Sondergratifikationsregelung, die lediglich falsch bezeichnet sei.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, § 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Die Tantiemen-Rahmenbedingungen gewähren ungeachtet ihrer Bezeichnung lediglich Anspruch auf eine Jahresabschlussgratifikation, so dass die Beklagten die im Bezugszeitraum ausgeschiedene Klägerin von der Leistung ausnehmen konnten. Das hat das Arbeitsgericht mit richtiger Begründung erkannt.

I. 1. Die Klägerin hat gemäß § 242 BGB grundsätzlich Anspruch auf Auskunft über die zur Bezifferung der von ihr beanspruchten anteiligen Tantieme erforderlichen Berechnungsgrundlagen. Sie kann ohne Kenntnis dieses Zahlenwerks ihren Anspruch nicht beziffern (BAG, 21.11.2000, 9 AZR 665/99, AP Nr. 35 zu § 242 BGB - Auskunftspflicht <I 2 a d.Gr.>). Ziffer 8) der Tantiemen-Rahmenbedingungen, der den Auskunftsanspruch an das Einverständnis der anderen Mitarbeiter der Beklagten knüpft, ist unwirksam.

2. Die Beklagten haben mit ihrer Angabe im Termin vom 5. Juli 2002 über die Höhe des sich errechnenden Anspruchs den Auskunftsanspruch auch noch nicht erfüllt, weil die Klägerin anhand der bloßen Endsumme nicht überprüfen kann, ob die zur Berechnung eingesetzten Beträge zutreffen.

3. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Tantieme für 2001, weil sie bereits am 30. September 2001 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Deshalb - entfällt auch der Hilfsanspruch auf Auskunft (BAG, stRspr., zuletzt Nr. 35 zu § 242 BGB - Auskunftspflicht <I 2 c d.Gr.>). Auch dies hat das Arbeitsgericht richtig erkannt.

II. Die Tantiemen-Rahmenbedingungen gewahren der Klägerin lediglich Anspruch auf eine an den Umsatz des Betriebes der Beklagten gekoppelte Jahresabschlussgratifikation. Die Bindungsklausel in Ziffer 4) ist daher wirksam. Die Klägerin hat die mit dieser Klausel geforderte Anspruchsvoraussetzung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2001 hinaus nicht erfüllt.

1. Der Arbeitgeber kann mit der Zusage von Sonderzahlungen verschiedene Zwecke verfolgen.

a) Er kann damit ausschließlich die Entlohnung erbrachter Arbeitsleistung bezwecken. Solche Zahlungen stehen im Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung und sind daher Arbeitsentgelt im engeren Sinn. Der Anspruch auf solche Zahlungen entsteht damit bereits im Lauf des Bezugszeitraumes entsprechend der zurückgelegten Zeitdauer und Arbeitsleistung und wird lediglich zu einem vom Arbeitgeber bestimmten späteren Zeitpunkt insgesamt fällig. Scheidet der Arbeitnehmer vor dem festgesetzten Auszahlungstag aus, so hat er Anspruch auf die anteilige Sonderzahlung entsprechend dem Wert der von ihm erbrachten Teilleistung (BAG, 08.11.1978 - 5 AZR 358/77, AP Nr. 100 zu § 611 BGB - Gratifikation <4 d.Gr.>; 13.6.1991, 6 AZR 421/89, EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 86 <II 1 d.Gr.>). Diese Sonderzahlungen werden also "pro rata temporis" verdient (BAG, 12.1.1973, 3 AZR 211/72, AP Nr. 4 zu § 87 a HGB <III d.Gr.>).

Da der Arbeitnehmer Sonderzahlungen, die Teil des Arbeitsentgelts sind, bereits mit Erbringung seiner Arbeitsleistung verdient hat, kann der Arbeitgeber die Zahlung nicht an die Voraussetzung knüpfen, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch besteht. Derartige Bindungsklauseln sind unwirksam (BAG, 13.9.1974, 5 AZR 48/74, AP Nr. 84 zu § 611 BGB - Gratifikation <2 b d.Gr.>; 27.4.1982, 3 AZR 814/79, AP Nr. 16 zu § 620 BGB - Probearbeitsverhältnis <II 2 a d.Gr.>).

b) Der Arbeitgeber kann durch Sonderzahlungen auch ausschließlich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue belohnen und/oder einen Anreiz für künftige Betriebstreue bieten wollen. Es handelt sich dann um eine Gratifikation im engeren Sinn. Schließlich kann eine Sonderzahlung sowohl die im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung als auch die in der Vergangenheit und/oder in der Zukunft erwiesene Betriebstreue belohnen. Dann liegt eine Gratifikation mit Mischcharakter vor.

Bei solchen allein oder jedenfalls auch an die Betriebstreue anknüpfenden Sonderzahlungen kann der Arbeitgeber den Anspruch davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer an einem bestimmten Stichtag noch in einem (ungekündigten) Arbeitsverhältnis steht. Scheidet dieser vor dem Stichtag aus, entsteht der Anspruch auf die Sonderzahlung wegen Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung erst gar nicht (BAG, 27.10.1978, 5 AZR 139/77, AP Nr. 96 zu § 611 BGB -Gratifikation <2 b und c d.Gr.>; EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 86 <II 1 d.Gr.>;). Nur bei einer ausdrücklichen Regelung findet eine Quotierung entsprechend dem Verhältnis der erwiesenen Betriebstreue zur Gesamtdauer der verlangten Betriebstreue statt (BAG, EzA § 611" BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 86 <II 1 d.Gr.>).

2. Angesichts der Vielzahl im Rechtsverkehr verwendeten Bezeichnungen für Sonderzahlungen ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Sonderzahlung eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugszeitraum geleistete Arbeit oder eine Gratifikation darstellt (Lipke in: Lipke/Vogt/Steinmeyer, Sonderleistungen im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl., 1995, Rz. 12). Maßgeblich ist dabei nicht die gewählte Bezeichnung der Leistung. Vielmehr ist in erster Linie abzustellen auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von denen die Leistung abhängig gemacht wird (BAG, AP Nr. 100 zu § 611 BGB - Gratifikation <3 d.Gr.>; EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 86 <II 2 a d.Gr.>). Die Verwendung einer falschen Bezeichnung ist daher unschädlich, wenn die Auslegung ergibt, dass eine Gratifikation gemeint ist (Lipke, a.a.O., Rz. 14).

3. Die Auslegung der Tantiemen-Rahmenbedingungen zeigt, dass die Beklagten den bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmern mit der Ausschüttung des Ergebnis-Pools nicht allein die erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten, sondern darüber hinaus die erwiesene und künftige Betriebstreue belohnen wollen, wobei die Höhe der Sonderzahlung vom Umsatz im Bezugszeitraum abhängen soll. Sie gewähren also eine umsatzabhängige Jahresabschlussgratifikation mit Mischcharakter.

a) Die Beklagten haben den bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmern durch die Tantiemen-Rahmenbedingungen ungeachtet der von ihnen für die Sonderzahlung gewählten Bezeichnung keine Tantieme zugesagt, die als Gewinnbeteiligung in das Austauschverhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt einbezogen und damit Arbeitsentgelt ist (BAG, 8.9.1998, 9 AZR 273/97, AP Nr. 2 zu § 611 BGB - Tantieme <II 3 a d.Gr.>). Der auszuschüttende Ergebnis-Pool ist Umsatz- und nicht gewinnabhängig.

b) Die Beklagten haben auch keine sonstige leistungsbezogene und erfolgsbedingte Entlohnungsform zugesagt, die Teil des Arbeitsentgelts ist und bereits deshalb nicht vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden kann.

aa) Der bloße Umstand, dass die Sonderzahlung an den Umsatz anknüpft, macht sie noch nicht zu einem Teil des Arbeitsentgelts. Entscheidend ist vielmehr die konkrete Ausgestaltung und Zweckbestimmung der Rechtsgrundlage, auf der die Zahlung beruht. Bei entsprechender Zweckbestimmung ist auch eine solche Zahlung nach Gratifikationsgrundsätzen zu behandeln (vgl. BAG, 21.2.1974, 5 AZR 302/73, EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 39 <3 d.Gr.>).

bb) Das Bundesarbeitsgericht hat nur in solchen Fällen, in denen die Zahlung nach der individuellen Leistung des Einzelnen berechnet wurde, in einer Ergebnis- oder Umsatzbeteiligung Arbeitsentgelt im engeren Sinne gesehen (BAG, AP Nr. 4 zu § 87 a HGB <1 d.Gr.>; AP Nr. 84 zu § 611 BGB - Gratifikation <2 b d.Gr.>; AP Nr. 16 zu § 620 BGB - Probearbeitsverhältnis <II 1 d.Gr.>; BAG, 20.8.1996, 9 AZR 471/95, AP Nr. 9 zu § 87 HGB; 8.9.1998, 9 AZR 223/97, AP Nr. 6 zu § 87 a HGB <1 d.Gr.>). In den Fällen, in denen mit der an das Ergebnis oder den Umsatz anknüpfenden Sonderzahlung nicht die individuelle Leistung des Arbeitnehmers, sondern seine erwiesene und/oder künftige Betriebstreue honoriert werden sollte, hat das Bundesarbeitsgericht dagegen die Zahlung als Gratifikation gewertet (BAG, 24.10.1958, 2 AZR 244/55, AP Nr. 8 zu § 611 BGB - Gratifikation; EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 39 <1, 3 d.Gr.> m.w.N.; 30.11.1989, 6 AZR 21/88, n.v., voller Wortlaut in juris <II 1 d.Gr.>).

Die aufgrund der Tantiemen-Rahmenbedingungen am Jahresende erfolgende Zahlung hängt nicht ausschließlich oder auch nur maßgeblich davon ab, inwieweit der einzelne Arbeitnehmer zum Erfolg des Betriebes beigetragen hat. Sie knüpft nicht an die individuelle Leistung eines jeden Arbeitnehmers, sondern an den Gesamtumsatz des Betriebes, der maßgeblich auch vom Arbeitseinsatz der nicht an der Ausschüttung des Ergebnis-Pools teilnehmenden Beklagten selbst abhängt, an. Sie ist daher nicht dazu bestimmt, unmittelbar die erbrachte Arbeitsleistung abzugelten, sondern ist eine besondere, neben dem normalen Arbeitsentgelt aus Anlass des Jahresabschlusses gewährte Gratifikation (vgl. BAG, EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 39 1 d.Gr.; AP Nr. 4 zu § 87 a HGB <II 2 b d.Gr.>). Diese Gratifikation hätte für die Klägerin bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen 58,16% eines Monatsgehaltes betragen. Auch aus dieser im Vergleich zum normalen Entgelt relativ geringen Höhe ergibt sich, dass die Beklagten lediglich eine zusätzliche Leistung aus Anlass des Jahresabschlusses gewähren wollten, die nicht unmittelbar an die Arbeitsleistung knüpft.

Daraus, dass laut Ziffer 1) der Tantiemen-Rahmenbedingungen diese Regelung alle bisherigen Zahlungen von 13. Gehältern oder Weihnachtsgeldern ersetzen sollte, ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht, dass die am Jahresende gewährte Zahlung Teil des Arbeitsentgelts sein sollte. Vielmehr sollten die bisherigen Zahlungen auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestellt und die Höhe vom Umsatz abhängig gemacht werden. Es sollten jedoch weiterhin lediglich zusätzliche Zahlungen zum normalen Arbeitsentgelt ohne unmittelbaren Bezug zur individuellen Arbeitsleistung eines jeden Arbeitnehmers gewährt werden.

c) Die Beklagten haben eine Gratifikation mit mehreren Zwecken zugesagt.

Die Beklagten haben die Gewährung der zusätzlichen Leistung nicht allein an die Erbringung der Arbeitsleistung, sondern zusätzlich an die vergangene und künftige Betriebstreue geknüpft, so dass eine Gratifikation mit Mischcharakter vorliegt. Dies ergibt sich eindeutig aus Ziffer 4) und 5) der Tantiemen-Rahmenbedingungen, durch die die Zahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember des Bezugsjahres abhängig gemacht wird (vgl. BAG, AP Nr. 96 zu § 611 BGB - Gratifikation <2 b d.Gr.>; EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 86 <1 d.Gr.>).

4. Die Klausel in Ziffer 4) der Tantiemen-Rahmenbedingungen, die die Klägerin wegen ihres Ausscheidens am 30. September 2001 vom Anspruch auf die Abschlussgratifikation für das Jahr 2001 ausschließt, ist wirksam.

Klauseln, nach denen eine Jahressonderzahlung nur solchen Arbeitnehmern zustehen soll, die an einem bestimmten Stichtag in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehen, sind bei Gratifikationen mit Mischcharakter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich zulässig (vgl. nur BAG, 19.11.1992, 10 AZR 264/91, AP Nr. 147 zu § 611 BGB - Gratifikation <II 2 a d.Gr.> m.w.N.).

Das gilt auch für Jahresabschlussgratifikationen (BAG, EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 39 <3 d.Gr.>) und auch für Stichtagsregelungen, die für den Bezug der Gratifikation den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraumes voraussetzen (BAG, AP Nr. 84 zu § 611 BGB - Gratifikation <2 d. d.Gr.>; 30.11.1989, 6 AZR 21/88, n.v. <II 2 c d.Gr.> m.w.N.). Daran ist festzuhalten.

a) Der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem vom Arbeitgeber bestimmten Stichtag ausscheiden, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Gratifikationen sollen die Arbeitnehmer auch für die Zukunft zu engagierter Mitarbeit motivieren. Diese Wirkung der Sonderzahlung kann sich jedoch nur bei Arbeitnehmern entfalten, die dem Betrieb zumindest noch einige Zeit angehören. Die am Motivationszweck der Gratifikation orientierte Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis über den Stichtag hinaus besteht, und solchen, die zu diesem Zeitpunkt aus dem Betrieb ausgeschieden sind, ist sachlich gerechtfertigt (BAG, 26.10.1994, 10 AZR 109/93, AP Nr. 167 zu § 611 BGB - Gratifikation <II 3 d.Gr.>).

b) Durch die Ausschlussklausel wird die Freiheit der Klägerin zum Ausspruch einer Eigenkündigung nicht in einer ihr durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Recht auf Berufsfreiheitverletzenden Weise beeinträchtigt.

Bei einer hier in Aussicht stehenden Gratifikation von mehr als 200,-- DM (102,26 €), aber weniger als einem Monatsentgelt ist die Rückzahlung einer erhaltenen Zahlung bei einem Ausscheiden vor dem 31. März des Folgejahres, also ein Zuwarten des Arbeitnehmers mit seiner Kündigung bis zum 31. März des Folgejahres, zumutbar (vgl. BAG, 9.6.1993, 10 AZR 529/92, AP Nr. 150 zu § 611 BGB - Gratifikation <II 2 d.Gr.>). Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf des Bezugszeitraumes und wie hier die Klägerin sogar vor Ablauf des Kalenderjahres, für das die Gratifikation gewährt wird, ausscheidet. Der Arbeitnehmer wird in seiner Kündigungsfreiheit durch die Verpflichtung zur Rückzahlung einer erhaltenen und im Regelfall bereits ausgegebenen Gratifikation ohnehin im Regelfall sehr viel stärker beeinträchtigt als vom durch die Kündigung ausgelösten Verfall einer bloßen Anwartschaft auf eine Zahlung, die erst bei weiterem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Vollrecht erstarkt. Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers durch den Verlust der Anwartschaft auf eine Gratifikation verstößt daher nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BAG, 22.2.1968, 5 AZR 221/67, EzA § 611 BGB - Gratifikation, Prämie Nr. 20 <2 d d.Gr.>; 30.11.1989, 6 AZR 21/88 2 d d.Gr.>).

5. über die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel in Ziffer 5) der Tantiemen-Rahmenbedingungen, gegen die im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9.6.1993 (AP Nr. 150 zu § 611 BGB - Gratifikation) erhebliche Bedenken bestehen, hatte die Kammer nicht zu entscheiden.

III. Der Streitwert wurde in Höhe des von den Beklagten angegebenen anteiligen Anspruchs der Klägerin für das Jahr 2001 festgesetzt.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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