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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 04.07.2005
Aktenzeichen: 12 Sa 1244/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611 a
Ein Bewerber, der nicht die in der Stellenausschreibung geforderte Qualifikation aufweist, ist ungeeignet und kann keine Entschädigung gemäß § 611 a BGB verlangen.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1244/05

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2006 durch

den Richter am Arbeitsgericht Kubicki, den ehrenamtlichen Richter Herrn Stark, den ehrenamtlichen Richter Herrn Gerland für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 23.02.2005 - 6 Ca 415/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei Durchführung eines Bewerbungsverfahrens.

Die Beklagte ließ über die Bundesagentur für Arbeit am 08.06.2004 eine Stellenausschreibung mit folgendem Wortlaut veröffentlichen:

"Personaldisponentin

Kundenbetreuung sowie Neukundenakquisition, Mitarbeiterbetreuung, Personalbeschaffung, Angebotserstellung, MS-Office, abgeschl. Berufsausbildung im kaufm. Bereich, PKW-FS zwingend, Firmenwagen wird gestellt. *Nur schriftl. Bewerbung mit Lichtbild*

Nur f. weibl. Bewerber geeignet"

Hierauf bewarb sich der Kläger am 11.06.2004. Er hat ein abgeschlossenes FH-Studium in Betriebswirtschaft mit Studienschwerpunkt "Personalwesen" absolviert, nicht jedoch eine kaufmännische Lehre.

Mit Schreiben vom 17.06.2004 erteilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf seine fehlende Qualifikation eine Absage. Sie besetzte im Folgenden die ausgeschriebene Stelle mit einer Frau.

Unter dem 10.08.2004 machte der Kläger einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung in Höhe von 4.000,00 € unter Hinweis auf die nicht geschlechtsneutral formulierte Stellenausschreibung geltend.

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Ziel, eine Entschädigung zu erhalten, weiterverfolgt und hierzu die Auffassung vertreten, die Stellenausschreibung lasse eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten. Insbesondere habe er die geforderte fachliche Qualifikation erfüllt, da ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium im Bereich Betriebswirtschaft eine abgeschlossene Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich darstelle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 9.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, bei der Auswahl der Bewerber habe das Geschlecht keine Rolle gespielt. So seien Männer und Frauen in die engere Auswahl der Stellenbesetzung gelangt. Maßgebend für die Ablehnung sei es auch gewesen, dass der Kläger nicht die in der Stellenausschreibung geforderte Qualifikation aufgewiesen habe. Im Übrigen habe die Bundesagentur für Arbeit insoweit ohne Ermächtigung der Beklagten gehandelt, als sie die Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral vorgenommen hat.

Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme vom 23.02.2005, wegen der Einzelheiten diesbezüglich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 69 d. A.), mit Urteil vom 23.02.2005 die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg (Bl. 75 bis 78 d. A.) verwiesen.

Diese Entscheidung ist dem Kläger am 27.06.2005 zugestellt worden. Mit einem am 25.07.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt und diese mit einem am 27.09.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor mit Beschluss vom 23.08.2005 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.09.2005 verlängert worden war.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzlich geltend gemachte Klageziel in vollem Umfang weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus greift er die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts Oldenburg an. Die Aussage des Zeugen sei nicht geeignet gewesen, die Vermutung der geschlechtsbedingten Benachteiligung zu entkräften. Auch stelle sein Betriebswirtschaftsstudium eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich im Sinne der Stellenausschreibung dar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 23.02.2005, Az.: 6 Ca 415/04, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 9.200,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.08.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 06.10.2005 als sachlich zutreffend. Insbesondere habe der Kläger die Anforderung der Stellenausschreibung nicht erfüllt, da ihm die konkrete betriebliche Ausbildung gefehlt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 26.09.2005 und die Berufungsbeantwortung vom 06.10.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 511, 519, 520 ZPO).

B

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Oldenburg hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Dem Kläger steht kein Entschädigungsanspruch gemäß § 611 a Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB zu. Denn er war aufgrund seiner fehlenden, von der Stellenausschreibung geforderten Qualifikation kein geeigneter Bewerber. Dies führt zu einem Ausschluss einer möglichen Benachteiligung.

I.

§ 611 a Abs. 1 BGB stellt auf die Benachteiligung "wegen" des Geschlechts des Anspruchsstellers ab. Soweit es um eine Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses geht, muss der Bewerber objektiv geeignet sein, die ausgeschriebene Stelle überhaupt ausfüllen zu können. Objektiv ungeeignete Bewerber können nicht "wegen" ihres Geschlechts benachteiligt werden. Es soll nämlich nicht "jeder", sondern nur "der" benachteiligte Bewerber Entschädigung beanspruchen können. § 611 a Abs. 2 Satz 1 BGB stellt damit nicht auf die formale Position eines allein durch die Einreichung eines Bewerbungsschreibens begründeten Status als Bewerber, sondern zudem auf die materiell zu bestimmende objektive Eignung als Bewerber ab. Die Zurückweisung eines objektiv ungeeigneten Bewerbers bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses löst keine Haftung des Arbeitgebers gemäß §§ 611 a Abs. 2 oder Abs. 3 BGB aus (BAG, Urteil vom 12.11. 1998, Az.: 8 AZR 365/97 - NZA 1999, 371, 373; ArbG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.1999, Az.: 9 Ca 4209/99 - DB 2000, 381; ArbG Potsdam, Urteil vom 13.07.2005, Az.: 8 Ca 1150/05 - NZA-RR 2005, 651, 652; LAG Berlin, Urteil vom 30.03.2006, Az.: 10 Sa 2395/05 - juris).

II.

Ein Bewerber ist objektiv ungeeignet, wenn er die in der Stellenausschreibung offen gelegten Anforderungen nicht erfüllt. Die dort genannten Voraussetzungen sind der Maßstab für die Frage seiner Eignung. Hierbei ist es der eigenen unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers überlassen, welche Anforderungen an die zu besetzende Stelle gestellt werden. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, dies zu überprüfen. Das Anforderungsprofil muss sich bereits aus der Stellenausschreibung ergeben. Kriterien, die dieser Ausschreibung nicht zu entnehmen sind und lediglich von dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber im Nachhinein als zwingende Voraussetzung dargestellt werden (sog. nachgeschobene Kriterien), dürfen nicht berücksichtigt werden (vgl. BAG, Urteil vom 05. 02.2004, Az: 8 AZR 112/03 - EzA § 611 a BGB 2002 Nr. 3; BVerfG, Urteil vom 16.11. 1993, Az.: 1 BvR 258/86 - AP Nr. 9 zu § 611 a BGB).

III.

Die Beklagte forderte in ihrer Stellenausschreibung eine "abgeschlossene Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich". Hierunter ist eine betriebliche Ausbildung (sog. Lehrberuf) zu verstehen, worauf auch das Arbeitsgericht Oldenburg zutreffend und mit zutreffender Begründung hingewiesen hat (Seite 6 der Entscheidungsgründe, Bl. 91 d. A.). Das Betriebswirtschaftsstudium entspricht dem nicht.

1.

Der Begriff der abgeschlossenen Berufsausbildung ist genauso zu verstehen, wie von der Beklagten im ersten und zweiten Rechtszug dargelegt. Gemeint ist eine betriebliche Ausbildung für einen klassischen Lehrberuf.

Zum einen entspricht es bereits der Verkehrsanschauung, in einer Stellenausschreibung zwischen einer betrieblichen Ausbildung einerseits und einer Fachhochschulausbildung zu differenzieren. Hätte die Beklagte sich mit ihrer Stellenausschreibung auch an einen Hochschulabsolventen als Bewerber wenden wollen, dann wäre dies klar und eindeutig in dieser Stellenausschreibung zum Ausdruck gekommen. Zum anderen erscheint es unmittelbar einleuchtend, für die Tätigkeit eines Disponenten keinen Hochschulabschluss, sondern einen klassischen Lehrberuf im kaufmännischen Bereich zu verlangen. Eine betriebliche und mithin praxisbezogene Ausbildung ist hierfür nützlicher.

Darüber hinaus wird dieser Begriff im Gesetz verwendet und ist genau so zu verstehen, wie von der Beklagten erläutert. Erwähnung findet der Terminus der Berufsausbildung im Berufsbildungsgesetz, nämlich in § 1 Abs. 1 und Abs. 3. Damit ist die Erstausbildung im Anschluss an die Vollschulpflicht gemeint. Dies geschieht in der Regel im dualen System, also einer parallel im Betrieb und der Berufsschule stattfindenden Ausbildung (ErfK-Schlachter, 6. Aufl., § 1 BBiG, Rn. 3). Der betriebliche Teil der Berufsausbildung dient gerade dazu, den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen (MünchArbR/ Natzel, § 177, Rn. 215).

Der Terminus "abgeschlossene Berufsausbildung" beinhaltet gerade nicht ein abgeschlossenes Studium ohne eine herkömmliche innerbetriebliche Ausbildung (die sog. klassische Lehre).

2.

Das abgeschlossene Fachhochschulstudium des Klägers ist gegenüber der geforderten fachlichen Qualifikation etwas anderes, es schließt jene nicht mit ein. Es fehlt der praxisbezogene Teil der Ausbildung, so dass sowohl die Beklagte als auch das Arbeitsgericht Oldenburg zu Recht den Kläger als nicht im Sinne der Stellenausschreibung qualifiziert angesehen haben.

C

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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