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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.11.2004
Aktenzeichen: 13 Sa 385/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB III


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
SGB III § 144 Abs. 1
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien in einem Aufhebungsvertrag, der auf Beanstandungen der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber beruht, den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung, so hat das nicht die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 Sa 385/04

Verkündet am: 23.11.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28.09.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und die ehrenamtlichen Richter Janssen und Hecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 29.01.2004, 4 Ca 464/03, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 3.064,20 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Aufhebungsvereinbarung vom 12.07.2003 zum 31.10.2003 und nicht durch Kündigung der Beklagten vom 26.07.2003 zum 31.10.2003 beendet worden ist.

Die Klägerin war seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten, die bundesweit Einzelhandelsfilialen betreibt, als Verkäuferin beschäftigt. Die monatliche Bruttovergütung betrug bei 20 Stunden wöchentlich 1.021,40 €.

Am 12.07.2003 schlossen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen zum 31.10.2003 enden sollte (Bl. 7 d.A.). Unter dem Punkt Bemerkungen ist in dem Vereinbarungsformular handschriftlich eingefügt:

Auf etwaige soziale Nachteile wurde hingewiesen. Frau B..... erhält "betriebsbedingtes" Kündigungsschreiben und Zeugnis mit Note "2". Frau B..... wurde darüber belehrt, dass sie sich sofort nach Erhalt des Kündigungsschreibens arbeitslos melden muss.

Die Beklagte sprach sodann mit Schreiben vom 26.07.2003 zum 31.10.2003 (Bl. 10 d.A.) eine betriebsbedingte Kündigung aus. Unter dem 30.07.2003 hat die Klägerin den Aufhebungsvertrag angefochten.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Aufhebungsvereinbarung sei gemäß § 138 BGB nichtig. Die Vereinbarung des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung habe allein dem Zweck gedient, die Verhängung einer Sperrfrist durch die Arbeitsverwaltung zu vermeiden. Es handele sich deshalb um eine Vereinbarung zu Lasten der Arbeitsverwaltung. Außerdem sei die Aufhebungsvereinbarung wirksam wegen widerrechtlicher Drohung angefochten worden. Am 12.07.2003 sei sie von dem Verkaufsleiter Z. auf unzulängliche Arbeitsleistung angesprochen worden. Dabei sei ihr erklärt worden, wenn sie das Arbeitsverhältnis fortsetzen wolle, unterliege sie ständigen Kontrollen und müsse damit rechnen, dass die Beklagte den geringsten Anlass nutzen werde, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Alternativ habe Herr Z. den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung angeboten, was sie abgelehnt habe. Herr Z. habe sodann erklärt: "Dann sind wir aber mal gespannt." Dies habe sie zu Recht als unverhohlene Drohung angesehen. Nach Rücksprache mit ihrem draußen wartenden Ehemann habe sie sodann sich entschlossen, dem Vorschlag des Herrn Z. zu folgen und das Arbeitsverhältnis per Aufhebungsvertrag zu beenden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Vereinbarung vom 12.07.2003 nicht mit Ablauf des 31.10.2003 beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2003, zugegangen am 29.07.2003, zum 31.10.2003 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Aufhebungsvereinbarung sei wirksam, der ausgesprochenen Kündigung komme keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages sei nicht durch Drohung veranlasst worden. Die Klägerin sei auf unzureichende Arbeitsleistung und Kundenbeschwerden angesprochen worden, ihr sei von Herrn Z. zu erkennen gegeben worden, dass derartige unzureichende Arbeitsweisen zukünftig nicht mehr geduldet würden. Aus Entgegenkommen habe man ihr sodann die Aufhebungsvereinbarung angeboten, auch mit dem Ziel, dass sie keine Sperrfrist bekomme. Die Klägerin habe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt. Nach ca. 1 1/2 Stunden habe sie sich dann jedoch im Verkaufsbüro bei Herrn Z. gemeldet und nachgefragt, ob noch die Vereinbarung abgeschlossen werden könne. Sie sei dann zusammen mit ihrem Ehemann in das Verkaufsbüro gekommen und habe die Aufhebungsvereinbarung geschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit Berufung trägt die Klägerin vor, ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung habe nicht bestanden. Die Vereinbarung des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung habe dem alleinigen Zweck gedient, eine Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld zu verhindern. Das Kündigungsschreiben habe damit nur der Täuschung der Arbeitsverwaltung dienen sollen. Aus diesem Grunde sei die Aufhebungsvereinbarung gemäß § 138 BGB nichtig. Die Anfechtung wegen Drohung, § 123 BGB, sei begründet. Sie, die Klägerin, habe sich am 12.07.2003 in einer Drucksituation befunden. Sie sei durch den Verkaufsleiter Z. mit dem Vorwurf von Schlechtleistungen konfrontiert worden und der Ankündigung ständiger Überprüfungen. Es liege ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor. Der Arbeitgeber könne bei Schlechtleistung abmahnen. Unterstellungen, die den Arbeitnehmer demoralisieren seien fehl am Platz, diese Unterstellungen im Zusammenhang mit der Ankündigung ständiger Überprüfung maßregelten die Klägerin, die entschieden habe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.

Die Klägerin beantragt:

1. Unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 29.01.2004, Aktenzeichen 4 Ca 464/03, wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Vereinbarung vom 12.07.2003 nicht mit Ablauf des 31.10.2003 beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2003, zugegangen am 29.07.2003, zum 31.10.2003 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Aufhebungsvereinbarung vom 12.07.2003 ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoß gegen die guten Sitten nichtig. Die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses kann im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbart werden. Problematisch ist deshalb allein die Vereinbarung des Auspruches einer betriebsbedingten Kündigung. Zweck dieser Vereinbarung war es, die Agentur für Arbeit über den Beendigungstatbestand zu täuschen und die Verhängung einer Sperrfrist nach § 144 Abs. 1 SGB III zu vermeiden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht aus betriebsbedingten Gründen erfolgt. Anlass für die Aufhebungsvereinbarung war die Beanstandung der Arbeitsleistung der Klägerin durch die Beklagte. Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund ist deshalb nur vorgeschoben worden, um eine Sperrzeit zu verhindern. Entsprechend hat die Beklagte im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 02.09.2003 auf Seite 5 (Bl. 21 d.A.) vorgetragen, Herr Z. habe der Klägerin angeboten, eine Vereinbarung abzuschließen, in der ihr bescheinigt würde, dass sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalte, damit sie keine Sperrfrist des Arbeitslosengeldes zu erwarten habe. Die damit beabsichtigte Täuschung der Agentur für Arbeit über den Beendigungstatbestand hat aber nicht die Nichtigkeit der Aufhebungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB zur Folge.

Das LAG Hamm (Urteil vom 27.11.1997, 8 Sa 1263/97, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 22) hat die Nichtigkeit einer Aufhebungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB bejaht in einem Fall, in dem tatsächlich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen erfolgte und dies auch in einem Exemplar der Aufhebungsvereinbarung festgehalten war. Daneben wurde zur Vorlage bei der Arbeitsverwaltung ein weiteres Exemplar der Aufhebungsvereinbarung erstellt, in dem Beendigung aus betriebsbedingten Gründen vereinbart war. Weil der Arbeitgeber an den verhaltensbedingten Kündigungsgründen festgehalten habe, diese nicht als gegenstandslos bezeichnet habe, seien die betriebsbedingten Gründe nur vorgeschoben und dienten der Täuschung mit der Folge der Nichtigkeit. Im Gegensatz dazu hat das LAG Baden Würtemberg (Urteil vom 22.05.1991, 12 Sa 160/90, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 4) zur Zurückdatierung eines Aufhebungsvertrages zum Zwecke der Vermeidung einer Sperrfrist entschieden, dass die Aufhebungsvereinbarung nicht sittenwidrig sei. Der Hauptzweck liege nicht in der Täuschung der Arbeitsverwaltung.

Für die Entscheidung heranzuziehen sind die Rechtsprechung des BAG zur Schwarzgeldabrede (Urteil vom 26.02.2003, 5 AZR 690/01, EzA § 134 BGB 2002 Nr. 1) und des BGH (Urteil vom 21.12.2000, VII ZR 192/98, NJW-RR 2001, 381) zur sogenannten "Ohne-Rechnung-Abrede". Derartige Abreden, die der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und/oder der Steuerhinterziehung dienen, sind nur dann nach § 134 BGB oder nach § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig, wenn darin der Hauptzweck der Vereinbarung liegt. Die Schwarzgeldabrede führt im Regelfall nicht zur Gesamtnichtigkeit des Arbeitsvertrages, die "Ohne-Rechnung-Abrede" nicht zur Gesamtnichtigkeit des Werkvertrages.

Hauptzweck einer Aufhebungsvereinbarung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Festlegung der Modalitäten der Beendigung. Die Vereinbarung des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung betrifft eine Nebenbestimmung zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses. Auch wenn man diese Nebenbestimmung als sittenwidrig und nichtig ansieht, folgt daraus nicht die Nichtigkeit der Aufhebungsvereinbarung insgesamt.

Im Übrigen, darauf ist hilfsweise abzustellen, ist die Vereinbarung des Ausspruchs einer betriebbedingten Kündigung nicht als sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB zu bewerten. § 138 Abs. 1 BGB findet unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit nur dann Anwendung, wenn alle Beteiligten sittenwidrig handeln. Das heißt beide Vertragsparteien müssen die Tatsachen kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen, die die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründen (BGH vom 06.12.1989, VIII ZR 310/88, NJW 1990, S. 567; Palandt, BGB, 63. Aufl., § 138, Rdnr. 8). Sittenwidriges Handeln der Klägerin ist aber nicht erkennbar.

Die Arbeitsvertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses schließen. Sie sind nicht verpflichtet, die Interessen der Arbeitsverwaltung zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer kann z.B. nicht gezwungen werden, eine ohne Grund oder eine mit vorgeschobenem Grund ausgesprochene Kündigung mit Klage anzugreifen. Eine Obliegenheit, sich zur Vermeidung einer Sperrfrist gegen eine rechtswidrige Kündigung zu wehren, besteht nicht (BSG vom 18.12.2003, B 11 AL 35/03 R, DB 2004, 1514). Dann kann aber auch die Vereinbarung eines Kündigungsgrundes für eine auszusprechende Kündigung nicht als sittenwidrig angesehen werden. Eine beabsichtigte rechtswidrige Täuschung der Agentur für Arbeit reduziert sich damit hier auf eine Täuschung über den Beendigungstatbestand: Beendigung durch die nachgeschobene betriebsbedingte Kündigung, nicht - wie tatsächlich erfolgt - durch die zugrunde liegende Aufhebungsvereinbarung. Dass diese Zusammenhänge für die Klägerin erkennbar waren, kann nicht unterstellt werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass für sie die Auswirkungen von Aufhebungsvereinbarung und Kündigung auf die Verhängung einer Sperrfrist erkennbar und bewertbar waren, zumal mit der Aufhebungsvereinbarung die Kündigungsfrist nach § 622 BGB gewahrt war. Wenn überhaupt Täuschungsabsicht bestand, dann nur einseitig auf Seiten der Beklagten. Dies reicht aber nicht aus, um Sittenwidrigkeit und Gesamtnichtigkeit des Vertrages zu begründen.

Die Aufhebungsvereinbarung ist nicht wirksam angefochten worden. Die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung, § 123 Abs. 1 BGB, ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend den Geschehensablauf bewertet. Die Klägerin hat im ersten Gespräch mit Herrn Z. den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung abgelehnt und erst später, nach Rücksprache mit ihrem Ehemann, von sich aus Kontakt mit Herrn Z. aufgenommen und ihr Einverständnis mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Die Ursächlichkeit einer Drohung für den Abschluss der Vereinbarung ist dann aber nicht gegeben.

Im Übrigen fehlt es auch an der Widerrechtlichkeit einer etwaigen Drohung.

Der Klägerin ist keine Kündigung angedroht worden. Nach ihrer Darstellung ist ihr eine ständige Überprüfung der Arbeitsleistung angekündigt worden. Dies kann im Zusammenhang mit dem Angebot der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Drohung gewertet werden. Ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten ist darin aber nicht zu erkennen. Ein Arbeitgeber, zumal wenn er mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden ist, darf kontrollieren und darf entsprechende Kontrollen in einem Personalgespräch auch ankündigen. Dass Herr Z. in dem fraglichen Personalgespräch darüber hinaus unangemessen Druck ausgeübt hat, ist nicht substanziiert vorgetragen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin unter Verstoß gegen das Maßregelverbot des § 612 a BGB zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung veranlasst worden ist. Die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB ist nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf § 12 Abs. 7 ArbGG in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung.

Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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