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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 604/07
Rechtsgebiete: AVR-K, BGB


Vorschriften:

AVR-K Teil E
BGB § 242
BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 307
BGB § 308 Nr. 4
BGB § 310 Abs. 4
BGB § 317
BGB § 319
Zur Inbezugnahme diakonischer Arbeitsvertagsrichtlinien in ihrer jeweiligen Fassung, insbesondere nach der Ablösung der AVR/EKD durch gliedkirchlich-diakonische AVR.

Zur Auslegung von AVR, hier einer Übergangsregelung zur Eingruppierung in einen neuen Eingruppierungskatalog.

Zur Rechtskontrolle, Angemessenheitskontrolle und Inhaltskontrolle von AVR.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 604/07

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, den ehrenamtlichen Richter Facklam, den ehrenamtlichen Richter Kruska für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.04.2007 - 4 Ca 609/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des Entgelts des Klägers aus der Entgeltgruppe 9 AVR-K.

Der Kläger ist seit dem 1. März 1987 bei der Beklagten beschäftigt, einer diakonischen Einrichtung im Bereich der Ev.-luth. Landeskirche B-Stadt. Nach Praktika und erfolgreicher Ausbildung an der Heilerziehungspflegeschule der Beklagten ist der Kläger seit dem 1. August 1991 als Heilerziehungspfleger tätig auf der Grundlage des Dienstvertrags vom 25. Juni 1991 (Bl. 30 d. A.), der in seinem § 3 lautet:

§ 3

"Für die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters gegenüber der Ev. Stiftung N-Stadt gelten die "Arbeitsvertragsrichtlinien" (AVR) in Anstalten und Einrichtungen, die dem "Diakonischen Werk - Innere Mission und Hilfswerk - der Evangelischen Kirche in Deutschland" angeschlossen sind, in der jeweiligen gültigen Fassung. Die Vereinbarungen dieses Vertrages haben Vorrang."

Der Kläger war zunächst in Vergütungsgruppe V c (AVR/EKD Einzelgruppenplan (EGP) 25, Fg. 8) eingruppiert und seit dem 1. Januar 1995 im Wege des Bewährungsaufstiegs in der Vergütungsgruppe V b (EGP 25, Fg. 10).

Mit Schreiben vom 15. Dezember 1997 (Bl. 108 f d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sich dem am 1. Januar 1998 in Kraft tretenden Kirchengesetz der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen vom 11. Oktober 1997 zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie (Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie ARRGD) anschließe, aufgrund dessen eine eigene arbeitsrechtliche Kommission zur Regelung der Arbeitsvertragsrichtlinien gebildet werde, sodass zukünftig die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation (AVR-K) Inhalt seines Arbeitsverhältnisses würden.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2004 traten die insgesamt neu gefassten Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen für Einrichtungen, die sich dem ARRGD angeschlossen haben, in Kraft (AVR-K, Bl. 138 ff d. A.). Sie enthalten unter B einen von den bisherigen Eingruppierungsplänen der AVR/EKD abweichenden Eingruppierungskatalog mit Entgeltgruppen von 1 bis 14 ohne Altersstufen und ohne Bewährungsaufstiege. Nach ihm sind Heilerziehungspfleger (früher Vergütungsgruppe V c, Fg. 8 bzw. V b, Fg. 10 nach 4-jähriger Bewährung, EGP 25) in die Entgeltgruppe 8 (E 8) und Heilerziehungspfleger als Gruppenleiter (früher Vergütungsgruppe V b, Fg. 11 bzw. Vergütungsgruppe IV b, Fg. 15 nach 4-jähriger Bewährung, EGP 25) in die Entgeltgruppe 9 (E 9.2) eingruppiert.

Für die Zeit bis zum 31. Mai 2010 ist in Teil E der AVR-K eine Übergangsregelung zur Wahrung der Personalkostenneutralität enthalten. Nach § 1 Abs. 1 sind Vergleichsentgelte nach altem und neuem Recht für am 31. Dezember 2003/1. Januar 2004 im Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer zu bilden. Ergibt sich nach neuem Recht ein niedrigeres Entgelt, ist der Unterschiedsbetrag als Besitzstandszulage zu zahlen; ergibt sich ein höheres Entgelt, wird der Unterschiedsbetrag in der Übergangszeit mit stufenweise geringer werdenden Abschlägen gezahlt, mindestens jedoch in Höhe des Entgelts für Neueinstellungen (§ 2), die gleichfalls im Übergangszeitraum ein prozentual gemindertes Entgelt erhalten, das sich in Stufen bis zum 1. Juni 2010 auf 100 % des Tabellenentgelts steigert (§ 3).

Demgemäß wurde der Kläger zum 1. Januar 2004 in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert, wobei sein Entgelt niedriger war als nach der bisherigen Vergütungsgruppe V b, sodass er aufgrund der Vergleichsberechnung eine Besitzstandszulage erhielt. Über die Eingruppierung und die Vergleichsberechnung erhielt er eine Mitteilung vom 9. Januar 2004 (Bl. 36 d. A.).

Zum 1. Juni 2004 wurde dem Kläger die Leitung einer Wohngruppe übertragen und er in die Entgeltgruppe 9 höhergruppiert, weswegen die Parteien unter dem 10. Mai 2004 folgende Nebenabrede zum Dienstvertrag vom 25. Juni 1991 unterzeichneten:

"Herr M. wird ab 01.06.2004 nach E 9 AVR-K vergütet. Die wöchentl. Arbeitszeit beträgt 29 Stunden.

Diese Nebenabrede ist in begründeten Fällen gemäß § 4 Abs. 1 AVR-K mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendermonats kündbar."

Nach der dem Kläger ausgehändigten Vergleichsberechnung vom 12. Mai 2004 (Bl. 35 d. A.) war das in der Übergangszeit geminderte Entgelt nach Entgeltgruppe 9 höher als die Vergütung nach Vergütungsgruppe V b zuzüglich Besitzstandszulage, sodass der Kläger fortan das zunächst geminderte Entgelt aus der Entgeltgruppe 9 erhielt, auch nach der Tariferhöhung zum 1. Januar 2005, worüber die Vergleichsberechnung vom 21. Juni 2005 (Bl. 34 d. A.) Auskunft gab.

Nach vergeblichen schriftlichen Geltendmachungen vom 20. Juli und 20. September 2006 (Bl. 120 f d. A.) hat der Kläger mit seiner Klage - nach Klarstellung in der Berufungsverhandlung - die Differenz zwischen dem geminderten und dem Vollentgelt aus der Entgeltgruppe 9 für die Monate Februar bis Mai 2006 in Höhe von jeweils 175,88 € und für die Monate Juni bis September 2006 in Höhe von jeweils 140,71 € sowie die Differenz der im Juni 2006 gezahlten Zuwendung nach dem geminderten Entgelt und dem Vollentgelt in Höhe von 188,83 € beansprucht. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Übergangsregelung der AVR-K sei unwirksam, da sie diejenigen Mitarbeiter ungerechtfertigt benachteilige, die erst nach ihrem Inkrafttreten eine höhere Tätigkeit übernommen haben. Die AVR-K seien als allgemeine Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die Bezugnahme auf die AVR in ihrer jeweiligen Fassung stelle eine überraschende Klausel dar. Er habe nicht mit einer Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen rechnen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.455,19 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

da die AVR-K wirksam seien, die nur einer Rechtskontrolle, aber keiner Angemessenheitskontrolle unterfielen. Der Eingruppierungskatalog und die Übergangsregelung verstießen nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils vom 4. April 2007 Bezug genommen, mit dem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, da der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Vollentgelts habe, da die Übergangsregelung des Teils E § 2 Abs. 1 AVR-K wirksam sei, wonach sich der Entgeltsanspruch um bestimmte Prozentsätze vermindere. Die Inhaltskontrolle der AVR-K richte sich nach den §§ 305 ff BGB, da es sich nicht um Tarifverträge i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 3 BGB handele. Die angemessene Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB führe jedoch dazu, dass lediglich eine Rechtskontrolle wie bei Tarifverträgen durchzuführen sei. Danach seien die Regelungen nicht zu beanstanden. Die schrittweise Anpassung des Entgeltanspruchs auf 100 % in den Fällen, in denen das Vergleichsentgelt 2 höher als das Vergleichsentgelt 1 sei, verstoße entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Im konkreten Fall des Klägers könne schon keine Benachteiligung festgestellt werden. Nach der alten Eingruppierungssystematik hätte der Kläger auch nach Übertragung der höherwertigen Tätigkeit als Wohngruppenleiter ab dem 1. Juni 2004 zunächst weiterhin eine Vergütung nach Vergütungsgruppe V b erhalten, welche der Entgeltgruppe 8 AVR-K entspreche. Erst nach 4-jähriger Bewährung hätte der Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b erhalten. Nach dem neuen Eingruppierungskatalog sei der Kläger aber sogleich in die höhere Entgeltsgruppe 9 eingruppiert worden. Selbst unter Berücksichtigung der schrittweisen Anhebung des Entgelts auf 100 % werde der Kläger derzeit finanziell nicht schlechter gestellt als nach dem alten Eingruppierungssystem. Selbst wenn nach Ablauf von 4 Jahren eine Benachteiligung des Klägers eintreten sollte, wäre diese sachlich gerechtfertigt. Die AVR-K hätten ähnlich wie die Tarifverträge im öffentlichen Dienst eine völlige Neustrukturierung der Vergütungssystematik vorgenommen. So seien beispielsweise bisherige Ungleichbehandlungen aufgrund des Lebensalters durch die Altersstufensteigerungen beseitigt worden. Nach den Neuregelungen werde lediglich noch Berufungserfahrung berücksichtigt. Soweit ein Arbeitnehmer nach dem neuen Eingruppierungskatalog in eine Entgeltgruppe eingruppiert werde, die eine niedrigere Vergütung als zuvor vorsehe, erhalte der Mitarbeiter den Unterschiedsbetrag als Besitzstandszulage. Diese werde als unwiderrufliche, monatliche Zulage gezahlt, sodass eine Schlechterstellung nicht eintrete. Sehe die neue Entgeltgruppe eine höhere Vergütung vor, erhalte der Mitarbeiter nicht sofort 100 % des neuen Entgelts, sondern es erfolge in Jahresschritten eine Anpassung auf 100 %. Eine solche schrittweise Anpassung sei erforderlich, um das Vertragsziel der Personalkostenneutralität zu erreichen. Durch die Besitzstandszulage und die schrittweise Anpassung würden zugleich die allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit beachtet. Eine echte Rückwirkung liege durch die Änderung der Entgeltsystematik nicht vor, da eine nachträgliche Änderung bereits abgewickelter, in der Vergangenheit liegender Sachverhalte nicht erfolge. Soweit es dem Kläger um den Bewährungsaufstieg und die damit verbundene Höhergruppierung gehe, handele es sich um bloße zukünftige Chancen bzw. Anwartschaften. Diese seien aber nicht gegen Tarifänderungen geschützt. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der AVR in der jeweils geltenden Fassung um eine überraschende Klausel handele, könne das dahinstehen. Im Falle ihrer Unwirksamkeit ergebe sich jedenfalls kein Anspruch nach Entgeltgruppe 9 AVR-K, sondern ein Anspruch auf Vergütung nach der alten Vergütungsgruppe V b, ohne dass ersichtlich sei, dass sich dadurch ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers ergebe.

Gegen das ihm am 12. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2007 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. Juli 2007 am 11. Juli 2007 begründet hat.

Der Kläger rügt, dass das Arbeitsgericht lediglich eine Rechtskontrolle der AVR-K vorgenommen habe, aber keine Angemessenheitskontrolle, obwohl eine solche nur ausscheide, wenn die AVR Tarifrecht übernehme, was mit der AVR-K gerade nicht geschehen sei. Die Übergangsregelungen verletzten das Transparenzgebot, weil § 2 i. V. m. § 1 des Teils E der AVR-K nicht klar zu entnehmen sei, in welcher Höhe ihm für das Jahr 2004 sowie für die Folgezeit jeweils Arbeitsentgelt zustehe. Zudem handele es sich bei der Jeweiligkeitsklausel im Dienstvertrag um eine Überraschungsklausel mit dem Risiko zukünftiger Vertragsverschlechterungen. Ihre Unwirksamkeit führe nicht zur Weitergeltung des alten Einzelgruppenplans 25 und seiner Vergütungsgruppe V b. Vielmehr sei in der Nebenabrede vom 10. Mai 2004 die Vergütung nach Entgeltgruppe 9 AVR-K ohne jede Einschränkung vereinbart worden. Nach § 3 des Dienstvertrags hätten die konkreten Vereinbarungen des Arbeitsvertrags Vorrang gegenüber der Inbezugnahme der AVR.

Nach Rücknahme der Klage auf die Unterschiedsbeträge für die Monate Februar und März 2006 beantragt der Kläger,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.103,43 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf ihre Berufungserwiderung vom 19. Juli 2007 wird Bezug genommen, wie auch auf die Berufungsbegründungsschrift und den ergänzenden Schriftsatz des Klägers vom 4. April 2008. Gleichfalls wird auf die Erklärungen zum Protokoll der Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Vollentgelt und dem geminderten Entgelt aus der Entgeltgruppe 9 AVR-K für die Monate April bis September 2006 und für die Zuwendung des Monats Juni 2006, da er lediglich das geminderte Entgelt nach Teil E § 2 Abs. 1 AVR-K verlangen kann.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach den AVR-K.

1.

Nach dem Dienstvertrag vom 25. Juni 1991 waren die AVR/EKD in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommen.

a)

Nach heutigem Recht handelt es sich bei der Jeweiligkeitsklausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 BGB), die jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht als überraschende Klausel gemäß § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam ist. Die Kirchen regeln verfassungsrechtlich geschützt ihre Arbeitsverhältnisse durch Arbeitsvertragsrichtlinien, die im Konsens von arbeitsrechtlichen Kommissionen erstellt werden. Bezugnahmeklauseln auf die AVR in ihrer jeweiligen Fassung in Arbeitsverträgen von Arbeitnehmern der Diakonie sind nicht ungewöhnlich, sondern üblich. Die Platzierung in § 3 des Dienstvertrags ist auffällig und im Zusammenhang mit der Inbezugnahme der AVR erfolgt.

b)

Die Klausel ist auch klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB formuliert. Allein in der Mühewaltung, sich Kenntnis von der jeweiligen Fassung der AVR zu verschaffen, liegt keine unangemessene Benachteiligung. Sie stellt vielmehr eine Besonderheit des Arbeitsrechts i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB dar (vgl. zu dynamischen Bezugnahmeklausen auf das Tarifrecht des öffentlichen Rechts: BAG, Urt. v. 3. April 2007 - 9 AZR 283/06, AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 l).

c)

Die Klausel verstößt schließlich nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB, weil eine Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses durch die AVR nicht durch den Arbeitgeber als Verwender im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB erfolgt, sondern durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission (BAG, Urt. v. 26. Januar 2005 - 4 AZR 171/03, Rn. 41, AP Nr. 1 zu AVR Diakonisches Werk Anlage 18).

2.

Die in Bezug genommenen AVR/EKD verweisen ihrerseits auf die gliedkirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsrichtlinien, soweit in deren Bereich eigene arbeitsrechtliche Kommissionen gebildet worden sind (§ 1 a Abs. 2 AVR/EKD). Das ist für den Bereich der Evangelisch-lutherischen Landeskirche B-Stadt durch das ARRGD, dem sich die Beklagte gem. § 2 Abs. 2 ARRGD angeschlossen hat, geschehen, indem die auf dieser Grundlage gebildete arbeitsrechtliche Kommission die AVR-K verabschiedet und in Kraft gesetzt hat.

3.

Darüber hinaus ist auch von einer einzelvertraglichen Inbezugnahme der AVR-K auszugehen.

Bereits mit Schreiben vom 15. Dezember 1997 hat die Beklagte darauf verwiesen, dass zukünftig die AVR-K an die Stelle der AVR/EKD treten. Nach Inkrafttreten der eigenständigen AVR-K ist das Arbeitsverhältnis der Parteien auf ihrer Grundlage vollzogen worden.

Der Kläger ist von der Vergütungsgruppe V b in die Entgeltgruppe 8 übergeleitet worden unter Zahlung einer Besitzstandszulage gem. § 2 Abs. 2 des Teils E der AVR-K. Die neue Entgeltgruppe 8, die Berechnungen der Vergleichsentgelte und die Berechnung der Besitzstandszulage auf der Grundlage des Teils E der AVR-K sind ihm schriftlich mitgeteilt worden.

Schließlich haben die Parteien im Zuge der Übertragung der Tätigkeit eines Gruppenleiters und der Höhergruppierung des Klägers am 10. Mai 2004 einen schriftlichen Änderungsvertrag auf der Grundlage der AVR-K geschlossen, in dem ausdrücklich die Vergütung nach E 9 AVR-K dokumentiert und auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 1 AVR-K verwiesen worden ist.

Soweit der Kläger meint, damit sei lediglich die Entgeltgruppe 9 AVR-K ohne jeden Bezug zu dem übrigen Inhalt der AVR-K vereinbart worden, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Änderungsvertrag befasst sich nicht nur mit dem Entgelt, sondern auch mit der Kündigungsmöglichkeit von Nebenabreden nach § 4 Abs. 1 AVR-K. Beides ist nur verständlich auf der Grundlage der Geltung des Regelwerks der gesamten AVR-K. Der Kläger wusste aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 15. Dezember 1997, dass sie das Arbeitsverhältnis auf die Grundlage der AVR-K stellen wollte und wusste auch, dass das Arbeitsverhältnis auf dieser Grundlage bisher vollzogen worden war. Wenn die Beklagte ihm nunmehr eine Übertragung höherwertiger Tätigkeiten und die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 AVR-K anbot, war für ihn klar erkennbar, dass sie das zu den Bedingungen der AVR-K tat, zumal sie auch in einem anderen Punkt (§ 4 Abs. 1 AVR-K) auf die AVR-K Bezug nahm.

II.

Das geminderte Entgelt nach der Übergangsregelung E der AVR-K ist nicht nur im Falle der Überleitung von der alten Vergütungsgruppe in die neue Entgeltgruppe zum 31. Dezember 2003/1. Januar 2004 zu zahlen, sondern auch im Falle der Höhergruppierung im Laufe der Übergangszeit.

1.

Auch wenn § 1 Abs. 1 ausdrücklich das Vergleichsentgelt 1 nach altem Recht und das Vergleichsentgelt 2 nach neuem Recht per 1. Januar 2004 definiert und sich die Abschlagsregelung in § 2 Abs. 1 auf den Unterschiedsbetrag zwischen diesen Vergleichsentgelten bezieht, bedeutet das nicht, dass im Falle der Höhergruppierung kein Vergleichsentgelt auf der Basis der höheren Entgeltgruppe zu bilden und kein Abschlag nach § 2 Abs. 1 zu berechnen, sondern das volle Entgelt der höheren Entgeltgruppe zu zahlen wäre.

Die Übergangsregelung bedarf insoweit der Auslegung.

Die Auslegung der AVR erfolgt, obwohl es sich nicht um Tarifnormen handelt, sondern um kollektive Vereinbarungen besonderer Art, die auf die Arbeitsverhältnisse der bei kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung finden, nach dem für die Tarifauslegung maßgeblichen Grundsätzen. Danach ist zunächst vom Wortlaut der Vorschrift auszugehen. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Normgeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den Bestimmungen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den Gesamtzusammenhang des Regelungswerks abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Vorschrift auf den wirklichen Willen der Normgeber geschlossen und nur bei Mitberücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Bestimmungen zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben hiernach noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie Entstehungsgeschichte des Regelungswerks oder die praktische Handhabung der Vorschriften berücksichtigt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urt. v. 26. Juli 2006 - 7 AZR 505/05, AP Nr. 1 zu § 5 AVR Diakonisches Werk).

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass auch im Falle der Höhergruppierung ein Vergleichsentgelt 2 zu bilden und ein Abschlag zu berechnen ist.

a)

Zwar ist nicht ausdrücklich geregelt, wie sich das Entgelt im Falle einer Höhergruppierung in der Übergangszeit berechnet. Aus dem Umstand, dass die Berechnung der Vergleichsentgelte in § 1 Abs. 1 nur per 1. Januar 2004 geregelt ist, kann jedoch nicht auf den Willen der Normgeber geschlossen werden, im Falle der späteren Höhergruppierung keine Vergleichsentgelte zu bilden, sondern das Vollentgelt zur Auszahlung zu bringen. Dagegen streitet, dass bereits nach dem Wortlaut ein Fall der Erhöhung des Vergleichsentgelts 2 in § 2 Abs. 6 geregelt ist. Dort heißt es, dass sich die Besitzstandszulage nach § 2 Abs. 2 - 5 entsprechend vermindert, wenn sich das Vergleichsentgelt 2 nach § 5 des Teils B I der AVR-K erhöht. § 5 des Teils B I der AVR-K beinhaltet aber gerade eine Erhöhung des Entgelts während der Übergangszeit in Folge des Aufstiegs in eine höhere Tätigkeitsstufe. Aus dem Wortlaut ist folglich der Wille der Normgeber erkennbar, dass entgegen der Definition der Vergleichsentgelte in § 1 Abs. 1 per 1. Januar 2004 diese sich im Laufe der Übergangszeit verändern können. Das ergibt sich im Übrigen auch aus der Regelung in § 2 Abs. 3, nach der sich das Vergleichsentgelt 1 nach dem 1. Januar 2004 erhöhen kann.

b)

Ein Vollentgelt im Falle der Höhergruppierung in der Übergangszeit widerspräche auch dem Gesamtzusammenhang und dem Regelungsziel der Übergangsregelung.

Regelungsziel ist nach der Präambel des Teils E der AVR-K die Personalkostenneutralität der Neufassung der Eingruppierungsregeln. Nachteile durch eine Eingruppierung in eine geringer entlohnente Entgeltgruppe werden mit einer Besitzstandszulage ausgeglichen (§ 2 Abs. 2 - 5), die jedoch nicht an Tariferhöhungen teilnimmt. Als Kompensation erhalten diejenigen, die in eine Entgeltgruppe eingruppiert werden, die eine höhere Entlohnung mit sich bringt, das erhöhte Entgelt zunächst gemindert, wobei sich dieses bis zum Ende der Übergangszeit in Stufen auf das Vollentgelt erhöht. Eine Herausnahme aus der Abschlagsregelung im Falle der Höhergruppierung widerspräche diesem Ziel. Auch wäre sie nicht mit der Regelung in § 3 in Einklang zu bringen. Nach § 3 erhalten Neueinstellungen das Tarifentgelt in der Übergangszeit nur mit Abschlägen. Deren Entgelt ist die Untergrenze der Abschlagsregelung nach § 2 Abs. 1 S. 3. Alle Gruppen haben folglich zur Kostenneutralität beizutragen. Für eine Herausnahme der Gruppe der Höherzugruppierenden gäbe es auch keinen Sachgrund.

III.

Die Übergangsregelungen des Teils E der AVR-K sind wirksam.

1.

Formelle Bedenken an ihrem ordnungsgemäßen Zustandekommen bestehen nicht. Die Arbeitsvertragsrichtlinien wurden durch die kirchengesetzlich zuständige arbeitsrechtliche Kommission getroffen. Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bildung und Besetzung der Kommission bestehen gleichfalls nicht.

2.

Die Übergangsregelungen halten auch einer materiellen Prüfung stand.

a)

Sie enthalten keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der eine sachwidrige Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sowie die sachwidrige Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung verbietet. Auf die zutreffenden Ausführungen unter I 2. b) der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, die vom Kläger nicht angegriffen worden sind, wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

b)

Die Übergangsregelungen halten auch einer Inhaltskontrolle stand.

Arbeitsvertragsrichtlinien sind keine Tarifverträge im Sinne des § 310 Abs. 4 S. 3 BGB. Gleichwohl ist umstritten, ob sie wegen der Besonderheiten des Arbeitsrechts gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB lediglich der Rechtskontrolle wie Tarifverträge unterliegen oder auch einer Billigkeitskontrolle (BAG, Urt. v. 26. Januar 2005, a. a. O.; v. 8. Juni 2005 - 4 AZR 412/04, AP Nr. 1 zu § 42 Mitarbeitervertretungsgesetz - EK Rheinland-Westfalen; v. 17. November 2005 - 6 AZR 160/05, AP Nr. 45 zu § 611 BGB Kirchendienst).

aa)

Bei einer Billigkeitskontrolle ist jedoch zu beachten, dass die arbeitsrechtliche Kommission als Dritter i. S. d. §§ 317, 319 BGB die Leistungen der Beklagten bestimmt. Die Übergangsregelung erweist sich jedoch nicht als offenbar unbillig i. S. d. § 319 Abs. 1 BGB. Von einem groben Verstoß gegen Treu und Glauben, der sich bei unbefangener, sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt, kann nicht ausgegangen werden. Vielmehr erscheint der Ausgleich der widerstreitenden Interessen in der Übergangszeit gelungen. Diejenigen, die nach der neuen Eingruppierungsregelung einen Entgeltverlust erleiden, erhalten eine nicht dynamische Besitzstandszulage. Diejenigen, die ein höheres Entgelt erhalten, erhalten es wegen des anerkennenswerten Sachgrundes der Personalkostenneutralität vorübergehend nur mit sich verringernden Abschlägen.

bb)

Bei einer Rechtskontrolle nach den für Tarifverträge geltenden Maßstäben ist das Ergebnis kein anderes.

Diese sind nicht auf die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung zur überprüfen, sondern nur ob sie rechtswidrig sind, weil sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Auch insoweit kann auf die Entscheidungsgründe I 2 b) des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden.

c)

Die Übergangsregelungen sind auch nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 307 - 309 BGB unwirksam.

aa)

Die AVR-K sind wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogen. § 305 Abs. 2 BGB findet gem. § 310 Abs. 4 S. 2 2. Halbsatz BGB keine Anwendung.

bb)

Die Übergangsregelungen in Teil E der AVR-K enthalten keine Bestimmungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden, sodass gem. §307 Abs. 3 S. 1 BGB der § 307 Abs. 1 u. 2 und die §§ 308, 309 BGB nicht einschlägig sind.

cc)

Die Übergangsregelungen sind nicht nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB i. V. m. Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Die Regelungen sind klar und verständlich und in ihrer Auslegung eindeutig, wie oben unter II dargelegt.

Der Kläger rügt zwar, dass sich aus den Bestimmungen aus § 2 i. V. m. § 1 der Übergangsregelung nicht hinreichend klar entnehmen lasse, in welcher Höhe ihm jeweils Entgelt zustehe. Er bezieht das aber nicht auf die Frage der Auslegung der Übergangsregelung für den Fall der Entgeltberechnung bei Höhergruppierung während der Übergangszeit, sondern darauf, dass er durch den pauschalen Verweis auf die Jeweiligkeitsklausel jederzeit mit nicht vorhersehbaren vertraglichen Verschlechterungen rechnen müsse.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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