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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 15 Sa 787/05
Rechtsgebiete: DRK-Arbeitsbedingungen West: Tariferhöhung entsprechend dem DRK-TV West i. d. F. des 23. Änderungstarifvertrag, DRK Bundessatzung


Vorschriften:

DRK-Arbeitsbedingungen West: Tariferhöhung entsprechend dem DRK-TV West i. d. F. des 23. Änderungstarifvertrag
DRK Bundessatzung § 19 Abs. 3
DRK Bundessatzung § 19 Abs. 4
Eine dynamische Inbezugnahmeklausel der DRK-Arbeitsbedingungen im Arbeitsvertrag macht die Arbeitsbedingungen entsprechend dem DRK-TV West i. d. F. des 23. Änderungstarifvertrag zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses.

Dem steht nicht entgegen, das die Aufnahme der Änderungen in die Arbeitsbedingungen ohne verbandsrechtliche Verpflichtung für die nachgeordneten Verbände und Einrichtungen des DRK erfolgt ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 Sa 787/05 15 Sa 788/05

In dem Rechtsstreit

hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Löber, die ehrenamtliche Richterin von Minden, den ehrenamtlichen Richter Weikert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 22.02.2005 - 1 Ca 355/04 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2004 und ab dem 01.05.2004 Gehalt entsprechend den DRK-Arbeitsbedingungen in der Fassung der Beschlüsse des Präsidiums des DRK vom 06.03.2003 und des Präsidialrats vom 26./27.03.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf die Tariferhöhungen zum 01.01. und 01.05.2004 in Höhe von jeweils 1 % entsprechend dem 23. Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über die Arbeitsbedingungen für die Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden des Deutschen Roten Kreuzes, West (DRK-TV West) hat.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit dem 15.12.1981 als Erzieherin bei dem beklagten Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 02.09.1982 liegen dem Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen des Deutschen Roten Kreuzes in ihrer jeweiligen Fassung zu Grunde. Die Klägerin erhält Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b.

Seit 1984 richten sich die Arbeitsbedingungen bei den Mitgliedern der tarifschließenden Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes nach dem DRK-TV. Für die mangels Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft nicht tarifgebundenen Verbände und Einrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes stellt der Inhalt des DRK-TV gleichlautend die Fassung der DRK-Arbeitsbedingungen dar. Tarifvertragliche Änderungen des DRK-TV werden zum Inhalt der DRK-Arbeitsbedingungen, wenn Präsidium und Präsidialrat des Bundesverbandes dieses beschließen (Vorbemerkung 1 zum DRK-TV West).

Gemäß § 67 Abs. 3 DRK-TV West i.V.m. § 3 Abs. 2 der zwischen der tarifschließenden Gewerkschaft und der Tarifgemeinschaft des DRK im Januar 1984 getroffenen Vereinbarung über Rahmenbedingungen über den Abschluss von Tarifverträgen können beziehungsweise werden bestimmte Tarifänderungen des öffentlichen Dienstes durch Änderungstarifverträge in den DRK-TV übernommen. Hinsichtlich der Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst vom Januar 2003, insbesondere des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT B/L beschlossen das Präsidium des Bundesverbandes am 06.03.2003 (Bl. 164 f. d.A.) und der Präsidialrat am 26./27.03.2003 (Bl. 168 f. d.A.) deren Übernahme in die DRK-Arbeitsbedingungen, der Präsidialrat jedoch erstmals nicht gemäß § 19 Abs. 3 der Bundessatzung, sondern gemäß § 19 Abs. 4 der Bundessatzung. Anschließend wurden die Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes aus dem Januar 2003 - mit geringen Modifikationen - durch den 23. Tarifvertrag zur Änderung des DRK-TV in den DRK-TV West übernommen.

Der Beklagte, der niemals Mitglied der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes gewesen ist, erhöhte die Gehälter dementsprechend für 2003 um 2,4 %, beschloss jedoch am 20.01.2004, die Tariferhöhungen per 01.01. und 01.05.2004 nicht weiter zu geben.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin nach vergeblicher schriftlicher Geltendmachung vom 04.02.2004 die nichtgewährten Tariferhöhungen per 01.01. und 01.05.2004 für die Monate Januar 2004 bis Januar 2005 geltend gemacht und beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 311,95 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 119,39 € seit Klagzustellung, aus weiteren 96,28 € seit Zustellung der Klagerweiterung mit Schriftsatz vom 05.10.2004, aus weiteren 96,28 € seit Zustellung der Klagerweiterung mit Schriftsatz vom 25.01.2005 zu zahlen.

Mit Urteil vom 22.02.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen das Urteil aus den in ihrer Berufungsbegründungsschrift wiedergegebenen Gründen. Auf die Berufungs-begründungsschrift vom 06.06.2005 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat auf Anregung der Berufungskammer und im Einverständnis des Beklagten dabei ihren Klageantrag geändert.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2004 und dem 01.05.2004 Gehalt entsprechend den DRK-Arbeitsbedingungen in der Fassung der Beschlüsse des Präsidiums des DRK vom 06.03.2003 und des Präsidialrats vom 26./27.03.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf seine Berufungserwiderung vom 04.07.2005 und den ergänzenden Schriftsatz vom 05.09.2005 wird gleichfalls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Klage ist in der geänderten Fassung zulässig entsprechend den Grundsätzen der Eingruppierungsfeststellungsklage. Die damit verbundene Klageerweiterung ist gemäß § 533 ZPO zulässig, da sachdienlich und im Einverständnis des Beklagten erfolgt. Sie ist zudem auf die Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin zu Grunde zu legen hat.

Die Klage ist begründet.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus ihrem Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag nimmt die DRK-Arbeitsbedingungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug und macht sie damit zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Seit 1984 sind die Arbeitsbedingungen des DRK-TV gleichlautend die DRK-Arbeitbedingungen für die Verbände und Einrichtungen, die, wie der Beklagte, nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und deshalb nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind, soweit Präsidium und Präsidialrat des DRK-Bundesverbandes solches beschließen. Das ist jeweils für den DRK-TV und die Tarifverträge zur Änderung des DRK-TV geschehen, auch für den 23. Tarifvertrag zur Änderung des DRK-TV West, der die Tariferhöhungen der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes vom Januar 2003 in den DRK-TV West übernommen hat, und zwar durch die Übernahmebeschlüsse vom 06.03. und 26./27.03.2003. Damit sind die Arbeitsbedingungen des DRK-TV West in der Fassung des 23. Änderungstarifvertrags gleichlautend Inhalt der DRK-Arbeitsbedingungen und damit Inhalt des Arbeitsvertrags der Klägerin geworden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Präsidialrat die Übernahme erstmals nicht gemäß § 19 Abs. 3 der Bundessatzung (Bl. 74 ff., 180 R d. A.), sondern gemäß § 19 Abs. 4 der Bundessatzung beschlossen hat.

Beschlüsse nach § 19 Abs. 3 der Bundessatzung binden die nachgeordneten Verbände in der Weise, dass sie zu ihrer Umsetzung verpflichtet sind (vgl. § 10 Abs. 2 e der Landessatzung Niedersachsen, Bl. 185 ff., 188 R d.A. und § 3 Abs. 3 der Satzung des Beklagten, Bl. 193 ff., 193 R d.A.). Beschlüsse des Präsidialrates nach § 19 Abs. 4 der Bundessatzung entfalten demgegenüber nur für den Bundesverband Rechtswirkung, müssen dagegen nicht von nachgeordneten Verbänden zwingend umgesetzt werden (§ 19 Abs. 4 Satz 2 Bundessatzung).

Da der Übernahmebeschluss vom 26./27.03.2003 erstmalig nicht nach § 19 Abs. 3 der Bundessatzung sondern nach § 19 Abs. 4 der Bundessatzung erfolgt ist, besteht somit zwar verbandsrechtlich keine Verpflichtung zur Umsetzung der geänderten DRK-Arbeitsbedingungen. Soweit jedoch, wie vorliegend, in den Arbeitsverträgen eine dynamische Inbezugnahme vereinbart worden ist, wonach dem Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen für die Angestellten und Arbeiter des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweiligen Fassung zu Grunde liegen, besteht individualrechtlich eine Verpflichtung zur Anwendung der Arbeitsbedingungen in der Fassung der Beschlüsse vom März 2003 und damit entsprechend der Arbeitsbedingungen des DRK-TV West in der Fassung des 23. Änderungstarifvertrags. Nur bei dem Neuabschluss von Arbeitsverträgen ist es verbandsrechtlich zulässig, die Anwendung der DRK-Arbeitsbedingungen lediglich in der Fassung der Beschlüsse des Präsidiums und des Präsidialrats vom September 2000 zu vereinbaren (vgl. dazu Nr. 1 Abs. 3 der Erläuterung zur 3. Auflage vom Mai 2004 zum DRK-TV West beziehungsweise zu den Arbeitsbedingungen West).

Entgegen der Ansicht des Beklagten bedarf es keines Beschlusses seiner Organe, um die Arbeitsbedingungen des DRK-TV West in der Fassung des 23. Änderungstarifvertrags zum Inhalt des Arbeitsvertrags mit der Klägerin zu machen. Nicht der Beklagte stellt die Arbeitsbedingungen auf, die in dem Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug genommen worden sind, sondern der Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes. Dessen Arbeitsbedingungen sind im Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug genommen worden. Der Bundesverband hat gemäß § 19 Abs. 4 seiner Satzung die Regelungen des 23. Änderungstarifvertrags zum DRK-TV West in seine Arbeitsbedingungen aufgenommen. Durch die Inbezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien auf diese Arbeitsbedingungen sind die geänderten Arbeitsbedingungen Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Dem Beklagten ist es jedoch verbandsrechtlich erlaubt (§ 19 Abs. 4 Satz 2 der Bundessatzung), individualrechtlich die geänderten Arbeitsbedingungen abzubedingen, bei dem Neuabschluss von Arbeitsverträgen durch entsprechende Vertragsgestaltung, bei Arbeitsverträgen mit dynamischer Inbezugnahmeklausel durch Änderung der Arbeitsverträge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Zulassung der Revision auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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