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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.03.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 19/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 275
BGB § 276
BGB § 280
BGB § 619 a
Die falsche Angabe des Kündigungsgrundes in der Arbeitsbescheinigung kann den Arbeitgeber grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichten.

Ein Schaden in Höhe des auf Grund der verlängerten Sperrfrist nicht gezahlten Arbeitslosengeldes entsteht beim Arbeitnehmer jeoch nur dann, wenn endgültig feststeht, dass eine Zahlung durch die Arbeitsverwaltung nicht erfolgt.

Unabhängig davon kann zuvor ein Verzugsschaden eintreten.


Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 19/03

Verkündet am: 28. März 2003

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28.03.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und die ehrenamtlichen Richter Schmidt und Eckhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 20.11.2002, Az. 2 Ca 394/02, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit der Klage von der Beklagten Schadensersatz.

Der am geborene Kläger war bei der Beklagten vom 17.12.2001 bis 16.03.2002 beschäftigt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen war der Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer (ohne Datum). Wegen des Inhalts wird auf diesen (Blatt 49/50 d. A.) verwiesen.

Am 14.03.2002 richtete die Beklagte an den Kläger das folgende Schreiben:

Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir das Arbeitsverhältnis mit Ihnen zum 18.03.2002 nicht weiter fortsetzen.

Wegen des Inhalts im Übrigen wird auf dieses (Blatt 54 d. A.) verwiesen.

In der Arbeitsbescheinigung bescheinigte die Beklagte dem Kläger Unzuverlässigkeit. Auf Befragen des Arbeitsamtes erklärte die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt B. :

Der Vertrag für Herrn S. war ein unbefristeter Vertrag mit einer Probezeit von drei Monaten.

Herr S. war unpünktlich, unzuverlässig, ist mehrere Male ohne Angaben von Gründen nicht zur Arbeit erschienen. Die erste Abmahnung in schriftlicher Form erfolgte zum 25.02.2002. Vorher gab es mehrere mündliche Abmahnungen.

Durch Bescheid vom 02.10.2002 des Arbeitsamtes B. wurde für den Kläger eine Sperrzeit festgelegt für einen Zeitraum vom 15.03.2002 bis 06.06.2002 (Blatt 46/47 d. A.).

Durch Bewilligungsbescheid vom 18.04.2002 wurde für den Kläger Arbeitslosenhilfe gewährt ab 07.06.2002 mit einem Leistungsbetrag von wöchentlich 149,17 €. Hierbei wurde von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 440,-- € und einem wöchentlichen Leistungsentgelt von 281,89 € ausgegangen, wobei bei einem Prozentsatz von 53 % für die Arbeitslosenhilfe sich ein Leistungssatz von 149,17 € ergab (Blatt 51 d. A.).

Gegen den Bescheid vom 02.10.2002 legte der Kläger mit Schriftsatz vom 31.10.2002 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 21.11.2002 (Blatt 79 bis 81 d. A.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Arbeitgeber falsche Angaben in der Arbeitsbescheinigung gemacht habe. Zum anderen sei eine Kündigung nicht ausgesprochen, da das Arbeitsverhältnis bis zum 16.03.2002 befristet gewesen sei. Die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses alleine mit Arbeitsmangel begründet worden. Es sei nicht richtig, dass der Kläger eine Abmahnung erhalten habe oder sich ansonsten arbeitsvertragswidrig verhalten habe.

Ihm stehe wegen Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu in Höhe des Betrages, den der Kläger als Leistungsentgelt wöchentlich brutto in Höhe von 281,39 € erhalten hätte. Für zwölf Wochen mache dieses einen Betrag in Höhe von 3.376,68 € aus.

Der Kläger sei auch berechtigt, direkt vor dem Arbeitsgericht zu klagen, da die Erfolgsaussicht einer Klage vor dem Sozialgericht nicht erkennbar sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.376,68 € brutto für die Zeit vom 15.03.2002 bis 06.06.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, ihre Angaben in der Arbeitsbescheinigung seien zutreffend. Der Kläger sei wiederholt unpünktlich, teilweise überhaupt nicht zur Arbeit erschienen. Er sei zunächst mündlich, später schriftlich durch Schreiben vom 25.02.2002 abgemahnt worden. Gleichwohl habe er erneut am 12.03.2002 unentschuldigt gefehlt.

Tatsächlich habe die Beklagte auch eine Kündigung ausgesprochen.

Die Beklagte hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, der Schadensersatzanspruch sei unbegründet, so lange nicht endgültig geklärt sei, ob die Verhängung der Sperrfrist aufrechterhalten bleibe im Hinblick auf das laufende Widerspruchsverfahren. Der Kläger müsse zudem sämtliche Rechtsmittel vorab ausschöpfen.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 20.11.2002 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und der Wert des Streitgegenstandes auf 3.376,68 € festgesetzt. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 59 bis 65 d. A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 10.12.2002 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 06.01.2003 Berufung ein und begründete diese mit einem am 03.02.2003 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, ihm sei ein vertragswidriges Verhalten nicht anzulasten. Weder habe er unentschuldigt während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses gefehlt noch sei er in irgendeiner Form abgemahnt worden. Zudem sei eine Kündigung nicht ausgesprochen worden, vielmehr nur die Mitteilung, dass das befristete Arbeitsverhältnis zu Ende gegangen sei.

Die insoweit falsche Eintragung der Beklagten in der Arbeitsbescheinigung führe nunmehr zu einem Schaden bei dem Kläger, da er Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe nicht erhalten habe.

Der Kläger habe im Übrigen Rechtsmittel eingelegt und werde auch Klage vor dem Sozialgericht erheben. Ein Fehlverhalten des Klägers gegen eigene Belange im Rahmen der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches sei ihm deshalb nicht vorzuwerfen.

Der Kläger müsse auch gegen den eigentlichen Schädiger, nämlich die Beklagte, vorgehen können. Ihm stehe es frei, einen von mehreren Schädigern in Anspruch zu nehmen. Der Kläger müsse befürchten, sich vor dem Arbeitsamt und dem Sozialgericht dem Vorwurf des Mitverschuldens auszusetzen, da er die Ansprüche nicht gegen den Schädiger selbst verfolgt habe. Er sei in seinem eigenen Interesse gehalten, gerade den eigentlichen Schädiger in Anspruch zu nehmen. Zudem müsse er Verjährungs- und Verfallfristen einhalten.

Im Übrigen müssten Rechtsbehelfe nur eingelegt werden, wenn Erfolgsaussichten bestünden. Die Erfolgsaussichten vor dem Sozialgericht seien aber weitaus geringer. Vor dem Sozialgericht könne die Inhaberin der Beklagten selbst als Zeugin auftreten, so dass die Beweislage zu Lasten des Klägers schlechter sei. Zudem seien Dauer und Kosten des Verfahrens ungewiss.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lingen vom 20.11.2002, Az. 2 Ca 394/02, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.376,68 € brutto für die Zeit vom 15.03. bis 06.06.2002 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz des DÜG seit dem 06.06.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24.02.2003. Hierauf wird verwiesen (Blatt 88 bis 90 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der nichtausgezahlten Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum der Sperrfrist.

Ein solcher Schadensersatzanspruch ist beim Kläger noch nicht entstanden.

Der Schadensersatzanspruch kann sich grundsätzlich daraus ergeben, dass die Beklagte in Verletzung einer nachvertraglichen Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag eine falsche Angabe in der Arbeitsbescheinigung macht. Die Beklagte ist verpflichtet, auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages Vermögensinteressen des Arbeitnehmers zu wahren, soweit sie hierauf noch Einfluss nehmen kann. Sie ist deshalb verpflichtet, gegenüber der Arbeitsverwaltung wahrheitsgemäße Angaben über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu machen. Erteilt sie eine falsche Arbeitsbescheinigung, indem sie gegenüber dem Arbeitsamt mitteilt, dass der Kläger durch sein Verhalten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses beigetragen hat, so ist sie grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus dieser falschen Angabe entsteht aus den Grundsätzen der positiven Vertragspflichtverletzung gemäß den §§ 280, 286, 325, 346 BGB a. F.).

Ein Schaden in Höhe des nichtgezahlten Arbeitslosengeldes bzw. der nichtgezahlten Arbeitslosenhilfe entsteht beim Kläger jedoch nur dann, wenn feststeht, dass eine Zahlung durch die Arbeitsverwaltung endgültig nicht erfolgt. Solange ein rechtskräftiger Bescheid insoweit nicht vorhanden ist und der Kläger sich im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gegenüber der Arbeitsverwaltung befindet, so besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass eine Zahlung letztlich erfolgt. Für diesen Fall ist ein Schaden in Höhe der Arbeitslosenhilfe beim Kläger nicht entstanden. Ein Schaden kann allenfalls darin zu sehen sein, dass der Kläger zusätzliche Aufwendungen hatte, weil die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgte. Diese können in einem Verzugsschaden (z. B. Zinsen für ein aufgenommenes Darlehn) bestehen sowie darin, dass er Kosten für die Durchsetzung seines Rechtes aufzuwenden hatte, die er nicht ersetzt verlangen kann.

Der Kläger ist deshalb gehindert, im vorliegenden Verfahren einen bislang nicht entstandenen Schaden gerichtlich geltend zu machen.

Tatsächlich kann aber auch endgültig ein Schaden beim Kläger in Bezug auf die Nichtzahlung der Arbeitslosenhilfe zu keinem Zeitpunkt eintreten.

Entweder hat er im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegenüber der Arbeitsverwaltung Erfolg, so hat er keinen Schaden, weil genau dieser Betrag an den Kläger gezahlt wird. Lehnt aber die Arbeitsverwaltung bzw. das Sozialgericht letztlich die Zahlung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum der Sperrfrist ab, so steht rechtskräftig fest, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt einen solchen Anspruch gehabt hat. Im Verfahren vor dem Sozialgericht ist von Amts wegen aufzuklären, ob der Kläger zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses schuldhaft beigetragen hat, wozu auch die Vernehmung von Zeugen oder Einsichtnahme in Unterlagen gehört. Durch das sozialgerichtliche Verfahren ist gewährleistet, dass von Amts wegen geprüft wird, inwieweit dem Kläger der Anspruch zusteht. Wurde in einem solchen Erkenntnisverfahren letztlich festgestellt, dass die Sperrfrist zu Recht verhängt worden ist, so steht gleichzeitig fest, dass gegenüber dem Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt ein Schadensersatzanspruch bestanden hat, weil letztlich die Eintragung zu Recht erfolgt ist oder aus anderen Gründen eine Sperrfrist zu verhängen war. Der Kläger ist insoweit deshalb alleine auf das sozialgerichtliche Verfahren zu verweisen, das er auch tatsächlich durchführt.

Etwas anderes kann sich, wie oben dargestellt, nur ergeben, wenn der Kläger einen anderweitigen Schaden geltend macht auf Grund der behaupteten Vertragspflichtverletzung der Beklagten. Dieses ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht geschehen.

Die Berufung des Klägers ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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