Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 331/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 163
BGB § 271
1. Wird auf Grund eines nach Vergleichsabschluss eröffneten Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter eine Zahlungsverpflichtung nicht mehr erfüllt, die Voraussetzung für die Rückgabe des Dienst-Pkw des Arbeitnehmers ist, so besteht grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht oder sonst wie geartetes Recht des Arbeitnehmers zum weiteren Besitz mehr, da eine gleichmäßige Befriedung aller Gläubiger erfolgen soll.

2. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben hat der Insolvenzverwalter jedoch alle Voraussetzungen zu schaffen, dass das Recht des Arbeitnehmers auf Zahlung aus dem Vergleich im Insolvenzverfahren berücksichtigt wird. Dazu gehört insbesondere die Anerkennung der Forderung zur Insolvenztabelle.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 331/05

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes, den ehrenamtlichen Richter Herrn Schoenwald, den ehrenamtlichen Richter Herrn Ritter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.01.2005, Az. 4 Ca 558/04, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter vom Beklagten die Zahlung von Nutzungsausfallentschädigung für ein bei dem Beklagten verbliebenen Pkw.

Der Kläger ist als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma H... GmbH & Co. durch Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 02.08.2004 bestellt worden.

Der 1952 geborene Beklagte war bei der Gemeinschuldnerin aufgrund des Anstellungsvertrages vom 30.03.2001 seit dem 02.01.2002 beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2003 zum 15.11.2003 auf. Hiergegen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Osnabrück unter dem Aktenzeichen 1 Ca 770/03.

Das Verfahren endete durch Vergleich vom 17.02.2004, in dem die Parteien folgendes vereinbart haben:

1. Die Parteien stimmen darin überein, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß mit dem 15.11.2003 geendet hat.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend den §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Ziff. 9 EStG 25.000,00 Euro brutto. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die 1. Hälfte dieses Betrages fällig wird zum 31.03.2004, die 2. Hälfte zum 31.05.2005.

3. Binnen 5 Tagen nach Zahlung der 2. Rate der Abfindung gibt der Kläger an die Beklagte den Dienstwagen der Marke Ford Galaxy mit dem Kennzeichen ....... sowie ferner das ihm übergebene Diensthandy inklusive Fahrzeugschlüssel und -papiere heraus.

4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis erledigt und ausgeglichen.

Die erste Rate der Abfindung wurde von der Gemeinschuldnerin an den Beklagten gezahlt.

Am 10.06.2004 wurde bezüglich der Gemeinschuldnerin Insolvenzantrag gestellt und der Kläger durch Beschluss vom selben Tage zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte behielt nach wie vor den Dienstwagen der Marke Ford Galaxy gemäß dem abgeschlossenen Vergleich. Am 24.08.2004 ging die vorliegende Klage bei dem Arbeitsgericht Osnabrück ein, gerichtet auf Herausgabe dieses Pkw. Die Klage wurde dem Beklagten am 27.08.2004 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13.09.2004, der dem Beklagten am 16.09.2004 zugestellt wurde, wurde die Klage um einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung erweitert. Im Schriftsatz vom 16.09.2004 erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug ab sofort zur Abholung durch den Kläger zur Verfügung stelle und es auch ab sofort nicht mehr nutze. Ein Abholtermin sei mit ihm schriftlich oder telefonisch abzustimmen.

Mit Schreiben vom 21.09.2004 forderte der Kläger den Beklagten auf, den streitgegenständlichen Pkw bei der Firma H... innerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten abzugeben (Bl. 104 d. A.). Mit Schreiben vom 03.10.2004 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dass er am 02.10.2004 den Pkw habe abstellen und die ordnungsgemäße Übernahme sich habe bestätigen lassen (Bl. 22 d. A.). Mit Schriftsatz vom 07.10.2004 bestätigte der Kläger die Zurückgabe des Wagens, erklärte den Herausgabeantrag für erledigt und bezifferte endgültig seinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, den der Kläger berechnet gemäß der einschlägigen Tabelle mit einem Betrag in Höhe von 59,00 € pro Tag. Der Kläger errechnet insoweit für den Zeitraum vom 17.08.2004 bis 01. 10.2004 für 45 Tage eine Nutzungsaus-fallentschädigung in Höhe von 2.655,00 €.

Eine Zahlung der zweiten Rate der Abfindung gemäß dem Vergleich erfolgte nicht. Der Beklagte meldete diese Forderung zur Insolvenztabelle an. Diese Forderung wurde vom Insolvenzverwalter vorläufig bestritten. Insoweit wird auf den Auszug aus der Insolvenztabelle (Bl. 100 d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte sei durch Schreiben vom 12.08.2004 mit Fristsetzung bis zum 16.08.2004 zur Herausgabe des Fahrzeugs aufgefordert worden (Bl. 16 d. A.). Seitdem befinde sich der Beklagte, spätestens seit Zustellung der Klage, in Verzug mit der Herausgabe. Der Beklagte sei verpflichtet, das Fahrzeug zum Betrieb zu bringen, da es sich nicht um eine Holschuld handele.

Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten entfalte in der Insolvenz keine Wirkung. Die Regelung im Prozessvergleich stehe ebenfalls dem Anspruch nicht entgegen, da es sich bei der Ziffer 3 um eine bloße Fälligkeitsregelung handele, nicht um eine Bedingung.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.655,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe der Regelung im Prozessvergleich, dass die Abfindung in zwei Raten gezahlt werde, unter der Voraussetzung zugestimmt, dass er bis zur letzten Ratenzahlung weiterhin seinen Dienstwagen nutzen könne. Bis dahin hätten alle Kosten von der Gemeinschuldnerin getragen werden sollen. Diese Regelung habe einen Ausgleich für die von ihm nicht beanspruchte Verzinsung des Abfindungsbetrages darstellen sollen.

Er hat ferner die Auffassung vertreten, er habe durch Bereitstellung des Fahrzeuges letztlich auch seiner Pflicht genügt, das Fahrzeug herauszugeben.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.01.2005 wurde die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und der Streitwert auf 2.655,00 € festgesetzt. Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteiles wird auf dieses (Bl. 37 bis 44 d. A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 18.02.2005 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 23. 02.2005 Berufung ein und begründete diese mit einem am 18.04.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, bei dem vorhandenen Inhalt des Prozessvergleiches vom 17.02.2004 handele es sich nicht um eine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB. Der vor dem Arbeitsgericht Osnabrück abgeschlossene Vergleich habe unbedingt wirksam sein sollen. Weder im Rahmen der Auslegung noch aus anderen Gründen könne davon ausgegangen werden, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden sollten.

Es handele sich um eine Fälligkeitsregelung als bloße Vertragsbedingung, die keine Bedingung sei.

Selbst wenn der Regelung ein Sicherungscharakter beigemessen werden sollte, könne diese Regelung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.08.2004 keine Wirkung mehr entfalten. Das Insolvenzverfahren diene dem Ziel der Masseanreicherung und dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, Vermögensrechte einzelner würden zugunsten der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger ignoriert. Damit wäre spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der behauptete Sicherungszweck zugunsten des Beklagten entfallen. Weder ein Zurückbehaltungsrecht noch ein Pfandrecht oder vergleichbare Rechte des Einzelnen würden dazu führen, dass der Beklagte ein Recht zum Besitz gehabt habe. Die zweite Rate der Abfindung als Insolvenzforderung habe durch den Kläger nicht ausgezahlt werden können, da dieses nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften nicht zulässig gewesen sei, vielmehr sei diese Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden.

Da dem Beklagten kein Recht zum Besitz zugestanden habe, habe er für die verspätete Herausgabe den relevanten Schaden zu ersetzen.

Der Pkw wäre als Vorführwagen eingesetzt worden. Er wäre im Übrigen als Leihfahrzeug eingesetzt worden, wenn Kunden ihre Pkw zur Reparatur gegeben hätten. Aus diesen Gründen habe der Wagen vorgehalten werden müssen. Insoweit wird ergänzend auf den Schriftsatz des Klägers vom 07.07.2005 (Bl. 119/120 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 26.01.2005, Az. 4 Ca 558/04, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.655,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 23.05. 2005. Hierauf wird verwiesen (Bl. 94 bis 99 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Zahlung von Nutzungsausfallentschädigung im Rahmen des pauschalierten Schadenersatzes zu.

Der Beklagte hatte jedenfalls bis zum 01.10.2004 ein Recht zum Besitz des streitgegenständlichen Pkw.

Durch die Regelung des Vergleiches vom 17.02.2004 bezüglich der Zahlung der Abfindung ist zwischen den Parteien, wie der Klägerseite zuzugeben ist, eine Fälligkeitsregelung getroffen worden, so dass die zweite Hälfte der Abfindung am 31.05.2004 zu zahlen war.

Bezüglich der Herausgabe des Fahrzeuges ist gleichermaßen eine Fälligkeitsregelung getroffen worden, nämlich dass die Herausgabe binnen 5 Tagen nach Zahlung der zweiten Rate erfolgen sollte.

Die Fälligkeit war deshalb vereinbarungsgemäß aufschiebend befristet vereinbart im Sinne der §§ 163, 271 BGB. Bei normalem Ablauf ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte die Gemeinschuldnerin die Herausgabe des Pkw nicht verlangen können, solange die zweite Rate nicht gezahlt war.

Im Insolvenzverfahren gilt, wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat, die Besonderheit, dass nunmehr eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger erfolgen soll und deshalb grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht oder ein sonstwie geartetes Recht zum Besitz aufgrund der zwischen dem Beklagten und der Gemeinschuldnerin getroffenen Vereinbarung nicht mehr besteht (vgl. hierzu Urteile des BGH vom 23.05.2003, Az. V ZR 279/02 in MDR 2003, 1258/1259 sowie vom 07.03.2002, Az. IX ZR 457/99 in MDR 2002, 907/908).

Der Beklagte war deshalb grundsätzlich zur Herausgabe verpflichtet, wobei die Herausgabeverpflichtung wie im Arbeitsverhältnis üblich am Ort zu erfolgen hatte, wo die Arbeitsleistung zu erbringen war, mithin am Betriebssitz.

Die Kammer ist gleichwohl der Auffassung, dass vorliegend aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ein Herausgabeanspruch des Klägers nicht vorhanden war.

Da ohne Insolvenzverfahren, wie ausgeführt, das Fahrzeug entsprechend den Vereinbarungen nicht zurückzugeben war, war der Kläger als Insolvenzverwalter nunmehr verpflichtet, wollte er das Fahrzeug herausgegeben haben, die Erklärungen abzugeben, die aus seiner Sicht zu diesem Zeitpunkt möglich waren in Bezug auf den Anspruch des Beklagten auf Zahlung der zweiten Rate.

Über die Berechtigung dieser Forderung durfte aufgrund des Prozessvergleiches kein Streit bestehen. Der Kläger war deshalb ohne weiteres in der Lage, eine Erklärung gegenüber dem Beklagten abzugeben, dass die Forderung zur Insolvenztabelle anerkannt wird, so dass der Beklagte nicht befürchten musste, um diese Forderung noch streiten zu müssen. Diese notwendige Erklärung der Klägerseite stellte das Äquivalent des Beklagten im Insolvenzverfahren dar zu der eigentlichen fälligen Zahlung der zweiten Rate der Abfindung. Der Kläger hat aber nach eigenem Vortrag gemäß Schreiben vom 12.08.2004 den Beklagten lediglich aufgefordert, das Fahrzeug kurzfristig herauszugeben, und hat sich Schadenersatz- und Nutzungsausfallentschädigungsansprüche vorbehalten. Dieses geschah, obwohl der Beklagte sich bereits zuvor mit Schreiben vom 27.07.2004 an den Kläger gewandt hatte bezüglich des in seinem Besitz befindlichen Pkw. Der Kläger war an den abgeschlossenen Vergleich gebunden. Irgendwelche Gründe dafür, dass diese Forderung des Beklagten auf Zahlung der Abfindung zu bestreiten war, sind nicht ersichtlich. Die Ankündigung, die Forderung des Beklagten zur Insolvenztabelle anzuerkennen, war dem Kläger ohne weiteres möglich und zuzumuten. Dieses hätte das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den beiderseitigen Ansprüchen wieder hergestellt. Der Kläger hat aber nach entsprechender Anmeldung durch den Beklagten sogar die Forderung, die im Vergleich vereinbart worden ist, bestritten.

Dem Kläger wäre es deshalb auf diese Weise möglich gewesen, die Fälligkeit zur Herausgabe des Pkw herzustellen. Hat er dieses in treuwidriger Weise unterlassen, so kann er Nutzungsausfallentschädigung vom Beklagten nicht verlangen.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 72 a ArbGG wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

Zurück