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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 27.06.2003
Aktenzeichen: 3 Sa 1637/02 B
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 6
Auch im Falle des Versorgungsfalles wegen Invalidität kann eine zweifache Kürzung der Betriebsrente, nämlich zum einen wegen des vorgezogenen Rentenbezugs und zum anderen wegen des vorzeitigen Ausscheidens vereinbart werden.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1637/02 B

Verkündet am: 27.06.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 27.06.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang und die ehrenamtlichen Richter Henkenberens und Ehms

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 31.07.2002 - 3 Ca 65/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der an den Kläger zu zahlenden Betriebsrente, wobei im Berufungsverfahren lediglich noch die Frage streitig ist, ob eine anteilige Rentenkürzung wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rentenleistungen zulässig ist.

Der 1946 geborene Kläger war seit dem 25.09.1967 bei der Beklagten beschäftigt. Sie sagte ihm Vorsorgungsleistungen zu aufgrund der "Pensionsordnung für die Weyhausen & Söhne GmbH vom 01.07.1976", wegen deren genauen Inhalts auf die mit der Klageschrift überreichte Kopie (Bl. 9 bis 12 d.A.) verwiesen wird.

Beginnend mit dem 16.11.1998 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog in der Folgezeit Krankengeld. Seit dem 01.03.1999 erhält er eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Außerdem gewährt die Beklagte ihm seit diesem Zeitpunkt eine Invalidenrente, die sie mit 350,20 DM pro Monat berechnete. In der 1. Instanz stritten die Parteien unter anderem über die Frage der Berechnung des für die Rentenermittlung zugrunde zu legenden Entgelts, insbesondere darüber, wie sich am 09.01.1997 und am 20.02.1997 abgeschlossene Betriebsvereinbarungen, die eine vorübergehende Einkomensabsenkung vorsahen, auf die Berechnung dieses Entgelts auswirken.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, nach dem Inhalt der genannten Betriebsvereinbarungen sei die Gehaltsabsenkung bei der Ermittlung des für die Betriebsrente zugrunde zu legenden "Brutto-Grundgehaltes" nicht zu berücksichtigen. Im übrigen verstießen die Betriebsvereinbarungen ohnehin gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Ferner sei die Berechnung der Betriebsrente durch die Beklagte deshalb fehlerhaft, weil sie unzulässigerweise einen "versicherungsmathematischen Abschlag" vorgenommen habe. Nach der Versorgungsordnung seien über eine ratierliche Kürzung wegen des vorzeitigen Ausscheidens hinausgehende Abzüge nicht vorgesehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.519,97 € (brutto) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.587,95 € seit dem 21.11.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.08.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.09.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.10.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.11.00, auf 198,49 (brutto) seit dem 11.12.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.08.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.09.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.10.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.11.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.12.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.02,auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.02 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 01.08.02 Monat für Monat 400,56 € Invaliditätsrente zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die zweite Kürzung der Rente um einen versicherungsmathematischen Abschlag beruhe auf der Regelung in § 3 der Pensionsordnung, wonach sich die Invalidenrente aus dem Barwert der unverfallbaren Versorgungsleistungen zum Ende des laufenden Geschäftsjahres ergebe.

Aufgrund Beweisbeschluss vom 24.10.2001 (Bl. 102 d.A.) hat das Gericht ein Sachverständigengutachten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente eingeholt. Auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens vom 12.02.2002 (Bl. 130 bis 141 d.A.) wird Bezug genommen. Durch Urteil vom 31.07.2002 hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren teilweise stattgegeben, und zwar ausgehend von einem monatlichen Differenzbetrag in Höhe von 16,64 DM (= 8,51 €). Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger zu 29/30 und der Beklagten zu 1/30 auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 10.519,97 € festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 162 bis 174 d.A.) verwiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 25.09.2002 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 23.10.2002 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.12.2002 am 18.12.2002 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, eine zweifache Kürzung der Rente sei nicht zulässig, weil er im Falle der Invalidität, anders als bei einer vorgezogenen Altersrente, die ursprünglich zugesagte Leistung nicht länger erhalte. Der Versorgungsfall Invalidität sei nicht mit dem Versorgungsfall Alter gleichzusetzen. Es sei nicht ausdrücklich geregelt, dass die Invalidenrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres von der Altersrente abgelöst werde. Nach Sinn und Zweck der Pensionsordnung sei dies gerade nicht der Fall. Er erhalte also nicht früher und länger eine Altersrente, sondern bei entsprechenden unverfallbaren Ansprüchen zunächst eine Invalidenrente und danach eine Altersrente.

Der Kläger beantragt,

auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 31.07.02, Az. 3 Ca 65/01, teilweise abzuändern, soweit das Gericht die Klage abgewiesen hat. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.519,97 € (brutto) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.587,95 € seit dem 21.10.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.08.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.09.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.10.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.11.00, auf 198,49 (brutto) seit dem 11.12.00, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.08.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.09.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.10.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.11.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.12.01, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.01.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.02.02,auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.03.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.04.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.05.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.06.02, auf 198,49 € (brutto) seit dem 11.07.02 zu zahlen. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab dem 01.08.02 Monat für Monat 400,56 € Invaliditätsrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 19.02.2003 (Bl. 216 bis 218 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 518 ZPO).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat.

Ein Anspruch des Klägers aufgrund der Pensionsordnung vom 01.07.1976 auf Zahlung von montlichen Rentenleistungen, die über den in der angefochtenen Entscheidung ausgeurteilten Betrag hinausgehen, besteht nicht. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Berechnung des dem Kläger zustehenden Rentenanspruchs ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht des Klägers war die Betriebsrente auch nicht nur wegen seines vorzeitigen Ausscheidens, sondern auch mit Blick auf den längeren Rentenbezug zu kürzen. Diese Kürzungsmöglichkeit folgt aus Regelung unter § 3 2. der Pensionsordnung. Hierin heißt es u.a.

"Wird der Versorgungsberechtigte vor Vollendung des 65. Lebensjahres Invalide und scheidet er aus diesem Grund mit unverfallbaren Anwartschaften aus den Diensten der Firma aus, so wird ihm auf seinen Antrag hin anstelle der unverfallbaren Ansprüche eine Invalidenrente gewährt, die sich aus dem Barwert der unverfallbaren Versorgungsleistungen zum Ende des laufenden Geschäftsjahres ergibt".

Aus dem Abstellen auf den "Barwert" der unverfallbaren Versorgungsleistung ergibt sich rechnerisch eine Berücksichtigung der längeren Bezugsdauer der Rentenleistungen, die aus der früheren Inanspruchnahme von Leistungen aus der Pensionsordnung folgt. Dies hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt. Insoweit schließt sich die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an und nimmt hierauf ausdrücklich Bezug. Der Kläger hat demgegenüber in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, eine derartige - nochmalige - Kürzung des Rentenanspruchs könne nur in den Fällen erfolgen, in denen der Mitarbeiter nicht unmittelbar mit dem Ausscheiden einen Anspruch auf eine Invalidenrente erwerbe, sondern zunächst ausscheide und erst später Rentenzahlungen in Anspruch nehme oder nehmen könne. Für eine derartige Differenzierung ergeben sich jedoch anhand des Inhalts der Pensionsordnung keine konkreten Anhaltspunkte. Diese Differenzierung würde auch zu wenig sachgerechten Ergebnissen führen, indem sie Mitarbeiter überverhältnismäßig privilegiert, die direkt nach ihrem Ausscheiden Rentenzahlungen in Anspruch nehmen können. Sie würden bei möglicherweise gleichem Rentenbezugsalter und gleicher Betriebstreue deutlich höhere Rentenleistungen erhalten als Mitarbeiter, die unmittelbar nach ihrem Ausscheiden zunächst noch keine Invalidenrente in Anspruch nehmen.

Nicht gefolgt werden kann auch der Argumentation des Klägers, der Versorgungsfall "Invalidität" verlege lediglich den Bezugsrahmen in zeitlicher Hinsicht nach vorne, ohne dass es zu einer Verlängerung des Bezugsrahmens komme. Denn verglichen mit einem Arbeitnehmer, der eine Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres (oder mit Vollendung des 60. Lebensjahres) bezieht, muss die Beklagte über einen längeren Zeitraum Rentenleistungen erbringen.

Die vorgenommene doppelte Kürzung des Rentenanspruchs des Klägers ist auch rechtlich nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall wurde nämlich in das durch die Pensionsordnung festgelegte Äquivalenzverhältnis in zweifacher Hinsicht eingegriffen. Zum einen ist der Kläger zu einem früheren als dem vorgesehenen Zeitpunkt aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden, hat also nicht die erreichbare Betriebstreue absolviert. Zum anderen hat er Rentenleistungen zu einem früheren als dem vorgesehenen Zeitpunkt in Anspruch genommen. Die zweite Verschiebung des in der Versorgungsordnung festgelegten Äquivalenzverhältnisses tritt im Rahmen des § 6 BetrAVG dadurch ein, dass der Arbeitnehmer die Betriebsrente in jedem Falle, sowie früher und länger, als mit der Versorgungszusage versprochen, in Anspruch nimmt. Der Arbeitgeber kann hierauf im Rahmen der Versorgungsordnung auf zweierlei Art reagieren: Er kann einen versicherungsmathematischen Abschlag einführen oder eine zweite zeitratierliche Kürzung entsprechend § 2 BetrVG vornehmen (BAG, Urt. vom 23.01.2001 - 3 AZR 164/00 - AP 16 zu § 1 BetrAVG Berechnung).

Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, die zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelte nur für den Versorgungsfall "Alter" nicht aber für den Versorgungsfall "Invalidität". Einen generellen Rechtssatz, dass im Falle einer Invalidität eine zweifache Kürzung - anders als im Fall einer vorgezogenen Altersrente - nicht zulässig sein soll, gibt es nicht. Vielmehr geht auch das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass die gesetzliche Regelung zur Berechnung der Invalidenrente eines vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers ebenfalls zu einer doppelten Kürzung führt (vgl. BAG, Urt. vom 21.03.2000 - 3 AZR 93/99 - AP 25 zu § 6 BetrAVG, unter III. der Gründe; s. hierzu auch Schumann, Rda 2001, 122). Eine Versorgungsordnung kann vorsehen, dass im Falle des Bezugs einer Invalidenrente eine für die Arbeitnehmer günstigere Berechnungsmethode anzuwenden ist, die eine Kürzung wegen des vorzeitigen Rentenbeginns ausschließt. Eine derartige Regelung ist aber weder durch das BetrAVG vorgeschrieben noch - wie bereits ausgeführt - in der maßgeblichen Pensionsordnung der Beklagten enthalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1. ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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