Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 1658/08
Rechtsgebiete: SeemG


Vorschriften:

SeemG § 90
SeemG § 140 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
SeemG § 141 Satz 1
Die Bestimmungen der §§ 140 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 141 Satz 1 SeemG erlauben für Besatzungen von Fährschiffen tarifliche Regelungen, die vorsehen, dass Überstunden abweichend von § 90 SeemG nur dann mit Zuschlägen zu vergüten sind, falls sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist durch entsprechende Freizeit ausgeglichen werden.

Stellt eine tarifliche Ausschlussfrist für den Fristbeginn auf die Fälligkeit des Anspruchs ab, läuft die Frist grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitgeber über die betreffenden Ansprüche keine Abrechnung erteilt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für den Arbeitnehmer ohne Abrechnung eine Überprüfung seiner Ansprüche unmöglich oder unzumutbar ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1658/08

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2009 durch

den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Vogelsang, die ehrenamtliche Richterin Frau Detert, den ehrenamtlichen Richter Herrn Wulff für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 30.09.2008 - 2 Ca 694/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien über die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Zweitschriften der Arbeitszeitnachweise, über Ansprüche auf Überstundenentgelt sowie über die Abrechnung und Zahlung einer Gewinnbeteiligung.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.06.1981 bis zum 07.12.2006 als Seemann bei der Beklagten, die den Fährbetrieb zu den ostfriesischen Nordseeinseln betreibt, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Rahmentarifvertrag zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di vom 03.08.2004 Anwendung.

Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit an die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter jeweils im Monat Juli eine in der Abrechnung als "Jahresvergütung" gekennzeichnete zusätzliche Leistung. Die Parteien streiten darüber, ob es sich hierbei um die in § 6 des Rahmentarifvertrages geregelte Gewinnbeteiligung handelt. Unstreitig ist, dass die Beklagte sonstige jährliche Einmalzahlungen nicht erbrachte.

Der Kläger war seit dem 09.06.2005 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit der Abrechnung für den Monat April 2006 rechnete die Beklagte restliche Arbeitsstunden aus 2005 in Höhe eines Betrages von 3.691,79 € ab. Mit der Abrechnung für den Monat Juli 2006 errechnete die Beklagte darüber hinaus eine anteilige Jahresvergütung 2005 in Höhe von 1.137,50 €.

Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 01.02.2007 begehrte der Kläger gegenüber der Beklagten Abrechnung der geleisteten Überstunden und Auszahlung des entsprechenden Nettobetrages. Mit Schreiben vom 12.02.2007 baten die Prozessbevollmächtigten um Hergabe der Arbeitszeitnachweise rückwirkend für drei Jahre vor dem 09.06.2005. Nachdem die Beklagte die Ansprüche mit Schreiben vom 19.02. 2007 abgelehnt hatte, erfolgte eine weitere Stellungnahme des Klägers unter dem 08.03. 2007. Mit Schreiben vom 04.10.2007 machte er darüber hinaus die Zahlung der jährlichen Gewinnbeteiligung gemäß § 6 des Rahmentarifvertrages geltend. Wegen des genauen Inhalts der genannten Geltendmachungsschreiben wird auf die mit der Klageschrift überreichten Kopien (Bl. 23, 24, 25/26, 27/28 d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei gemäß § 2 Abs. 4 der See-Arbeitszeitnachweisverordnung zur Herausgabe der Zweitschriften der Arbeitszeitnachweise verpflichtet. Ferner müsse sie die ihm gemäß § 90 SeemG zustehenden Mehrarbeitsvergütungen und die entsprechenden Zuschläge zahlen. Außerdem bestehe ein Anspruch auf Zahlung der Gewinnbeteiligung für die Jahre 2004 bis 2006. Für den Zeitraum ab dem 01.04.2004 ergebe sich insoweit noch ein Gesamtzahlungsbetrag in Höhe von 19.616,06 € brutto. Wegen der Berechnung dieses Betrages wird auf die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 18.06.2008 (Bl. 120 bis 125 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte könne seinen Ansprüchen nicht etwa die tariflichen Ausschlussfristen entgegenhalten. Ausschlussfristen für Zahlungsansprüche könnten erst nach erteilter Rechnungslegung zu laufen beginnen. An einer solchen Abrechnung fehle es jedoch im Hinblick auf die Überstundenzuschläge und die Gewinnbeteiligung.

Nachdem die Beklagte dem Kläger die gewünschten Zweitschriften der Arbeitszeitnachweise ausgehändigt hatte, hat der Kläger den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass der Klageantrag auf Herausgaben von Zweitschriften der den Kläger betreffenden Arbeitszeitnachweise für die Zeit Mai 2004 bis Juni 2005 erledigt ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, zu Gunsten des Klägers für die Jahre 2004 - 2006 über eine Gewinnbeteiligung gemäß § 6 des Rahmentarifvertrages der AG-Reederei Norden-Frisia Rechnung zu legen und die sich ergebenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, zu Gunsten des Klägers für den Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2005 Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschläge von 19.616,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 7. Dezember 2006 abzurechnen und an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, bei der in den Abrechnungen jeweils ausgewiesenen Jahresvergütung habe es sich um die Gewinnbeteiligung gehandelt. Dies sei allen ihren Mitarbeitern bekannt gewesen. Die Jahressonderzahlung gemäß § 6 des Tarifvertrages heiße im allgemeinen Sprachgebrauch im Betrieb schon immer Jahresvergütung. Im Hinblick auf die Arbeitszeitnachweise sei zu berücksichtigen, dass für sämtliche Mitarbeiter an Bord der Schiffe jeweils Stundenbücher geführt würden, und zwar vom jeweiligen Kapitän. Die Durchschläge der Arbeitszeitnachweise verblieben im Stundenbuch und seien beim Kapitän jederzeit einsehbar. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Ansprüche gemäß § 90 SeemG bestünden im vorliegenden Fall nicht, weil der Tarifvertrag insoweit eine nach § 141 SeemG zulässige abweichende Regelung enthalte. Im Übrigen seien alle Ansprüche des Klägers nach der tariflichen Ausschlussfrist in § 18 des Rahmentarifvertrages verfallen.

Durch Urteil vom 30.09.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 156 bis 163 d. A.) verwiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 06.10.2008 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 04.11.2008 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, im Hinblick auf die Gewinnbeteiligung könne sich die Beklagte bereits deshalb nicht auf die Ausschlussfrist berufen, weil sie nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe, ob eine entsprechende Beschlussfassung der Hauptversammlung hierüber stattgefunden habe. Die Anwendung des § 18 des Rahmentarifvertrages (Ausschlussfrist) auf den europarechtlich begründeten Anspruch auf Herausgabe der Arbeitszeitnachweise verstoße gegen das zwingende europäische Recht des § 8 der "Europäischen Vereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit von Seeleuten". Im Hinblick auf die Überstundenzuschläge weiche die tarifliche Regelung in § 4 des Rahmentarifvertrages erheblich zuungunsten der Seeleute von der gesetzlichen Bestimmung des § 90 SeemG ab. Der völlige Ausschluss von Überstundenvergütungen sowie die Differenzierung im Hinblick auf die Zuschlagspflichtigkeit danach, ob Überstunden in Freizeit abgegolten würden, sei nicht sachgerecht und verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und den Regelungsgedanken von § 90 SeemG. Im Übrigen sei kein Grund erkennbar, wegen der Gewährung von Mehrarbeitsvergütung und Zuschlägen zwischen Seeleuten auf Fährschiffen und sonstigen Seeleuten zu differenzieren.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 30.09.2008 - 2 Ca 694/07 - wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass der Klagantrag auf Herausgabe von Zweitschriften der den Kläger betreffenden Arbeitszeitnachweise für die Zeit von Mai 2004 bis Juni 2005 erledigt ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten des Klägers für die Jahre 2004 bis 2006 über eine Gewinnbeteiligung gemäß § 6 des Rahmentarifvertrages der AG Reederei Norden-Frisia Rechnung zu legen und die sich ergebenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten des Klägers für den Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2005 Mehrarbeitsvergütung und Mehrarbeitszuschläge von 19.616,06 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2006 abzurechnen und an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 17.12.2008 (Bl. 285 bis 288 d. A.). Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie darauf hingewiesen, dass die Abgeltung der Überstunden durch Freizeit deshalb erfolge, weil man auf diese Weise eine ganzjährige Beschäftigung der Mitarbeiter, also auch außerhalb der Hauptsaison, sicherstellen könne.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

1.

a)

Ansprüche des Klägers auf Zahlung zusätzlicher Vergütung für Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit gemäß § 90 Abs. 1 Seemannsgesetz bestehen nicht. Einschlägig ist vielmehr die Regelung in § 4 des Rahmentarifvertrages. Hierin heißt es u. a.:

§ 4

1. Entgelt für Mehrarbeit

Alle geleisteten Mehrarbeitsstunden werden 1 : 1 als Freistunden bis zum 20. April des folgenden Kalenderjahres abgegolten.

Können aus betrieblichen Gründen die Freistunden bis zu dem Stichtag nicht gegeben werden, erfolgt die Abgeltung in bar. Die Höhe des Überstundensatzes errechnet sich aus 1/165 (bis 31.08.2007) danach aus 1/174 der monatlichen Festheuer abzüglich des Verpflegungsgeldes bzw. des Gehaltes oder des Monatslohnes zuzüglich eines Zuschlages von 25 %.

Bei Arbeitnehmern, die auf begründeten Antrag hin die Freistunden vor dem 20. April des folgenden Jahres als Barvergütung erhalten, entfällt der 25%ige Zuschlag. Vor einer eventuellen Barvergütung ist der Betriebsrat anzuhören.

2. Entgelt für Nachtarbeit

Die in der Zeit zwischen 21 und 6 Uhr geleisteten Arbeitsstunden werden wie Mehrarbeitsstunden in bar mit einem Zuschlag von 50 % vergütet.

3. Entgelt für Arbeit an Feiertagen

Die an Sonntagen geleisteten Arbeitsstunden werden wie Mehrarbeitsstunden in bar mit einem Zuschlag von 50 % vergütet.

...

Unstreitig hat die Beklagte nach dieser Regelung abgerechnet und die Mehrarbeitsstunden im Wesentlichen durch Freistellung bis zum 20.04. des folgenden Kalenderjahres abgegolten. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Die tarifliche Regelung weicht insoweit zwar von § 90 SeemG ab. Diese Abweichung ist aber gemäß § 141 Satz 1 in Verbindung mit § 140 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2. SeemG zulässig. Insoweit liegt entgegen der Ansicht des Klägers auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der Normsetzung den allgemeinen Gleichheitssatz zu beachten. Der Gleichheitssatz verbietet es, wesentlich gleichliegende Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung kein vernünftiger, sich aus der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund finden lässt, wenn also die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten beachtet werden müssen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen bestimmen sich die Anforderungen an die Sachgründe vom Willkürverbot bis hin zu einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Ein umso engerer Prüfungsmaßstab ist angezeigt, je mehr sich die Differenzierungsgründe den in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG geregelten Benachteiligungsverboten nähern (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.1996 - 9 AZR 1051/94 - AP 20 zu § 47 BAT = NZA 96, 1218). Die gerichtliche Kontrolle wird dabei durch die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien steht eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung des tatsächlichen Regelungsbedarfs, insbesondere der betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen geht. Ihnen steht ein Beurteilungsspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (vgl. BAG, Urteil vom 18.05.1999 - 9 AZR 419/98 - AP 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fleischerhandwerk = NZA 2000, 157). Es ist deshalb nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben. Vielmehr genügt es regelmäßig, wenn sich für ihre sachverhaltsbezogene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (vgl. BAG, Urteil vom 16.08.2005 - 9 AZR 378/04 - AP 8 zu § 1 TVG Gleichbehandlung = NZA-RR 2006, 253; Urteil vom 11.07.2006 - 9 AZR 519/05). Ob ein sachlich vertretbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung besteht, hängt vom Zweck der Leistung ab. Der Leistungszweck ist dabei aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen zu ermitteln. Maßgeblich sind dabei diejenigen Leistungszwecke, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen, durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung des Tarifvertrages zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 8/03 - AP 6 zu § 4 TzBfG = NZA 2005, 222). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die tarifvertragliche Regelung, die bei einem Freizeitausgleich keine Überstundenzahlungen vorsieht, rechtlich nicht zu beanstanden. Der Tarifvertrag verfolgt insoweit erkennbar den Zweck, geleistete Mehrarbeit in erster Linie durch Freizeitgewährung auszugleichen. Zutreffend weist das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auf diese Weise das Gebot der Schonung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers gewahrt wird, indem Mehrarbeitsstunden durch eine entsprechende Gewährung von Freistunden im Verhältnis 1 : 1 ausgeglichen werden. Damit besteht für den Arbeitgeber ein erhöhter Anreiz, den Arbeitnehmern tatsächlich die ihnen zustehende Freizeit zukommen zu lassen und nicht etwa die Mehrarbeit durch zusätzliches Entgelt auszugleichen. Hierbei handelt es sich um ein sachlich nachvollziehbares Interesse sowohl des Arbeitgebers als auch der betroffenen Arbeitnehmer. Hinzu kommt, dass auf diese Weise eine längere Freizeitgewährung unter Fortzahlung der Vergütung in Zeiten eines geringeren Arbeitsanfalls, also außerhalb der Hauptsaison, möglich ist. Dies dient dem Interesse auch der Arbeitnehmer, durchgehend fortbestehende Arbeitsverhältnisse bei einer kontinuierlichen Vergütung auch außerhalb der eigentlichen Saisonzeiten zu ermöglichen. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei kein Grund erkennbar, bei der Gewährung von Mehrarbeitsvergütung und Zuschlägen zwischen Seeleuten auf Fährschiffen und sonstigen Seeleuten zu differenzieren. Der vorliegende Tarifvertrag erfasst als Haustarifvertrag überhaupt nur auf Fährschiffen tätige Mitarbeiter. Im Übrigen unterscheiden sich Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern auf Fährschiffen im allgemeinen auch von sonstigen Seearbeitsverhältnissen dadurch, dass die Seeleute hier nicht durchgehend mehrere Wochen oder sogar Monate auf dem Schiff verbringen müssen. Aus diesem Grund ist auch nicht etwa erkennbar, warum die durch die Bestimmungen der §§ 141 und 140 SeemG ermöglichte Differenzierung verfassungswidrig sein soll.

b)

Darüber hinaus sind etwaige Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Überstundenentgelten ohnehin aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist in § 18 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages erloschen. Die genannte Tarifnorm hat folgenden Wortlaut:

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Diese Bestimmung ist aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Die Beklagte ist vertragsschließende Partei des (Haus-) Tarifvertrages. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Etwaige Vergütungsansprüche des Klägers wären spätestens Anfang Juli 2005 fällig gewesen. Denn der Kläger hat zuletzt im Monat Juni 2005 eine tatsächliche Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Ausschlussfrist laufe erst ab Abrechnung der Zuschläge. Zum einen hat die Beklagte dem Kläger unstreitig monatliche Abrechnungen erteilt, und zum anderen gibt es entgegen der Rechtsansicht des Klägers keinen generellen Rechtssatz dahingehend, dass Zahlungsansprüche frühestens nach erteilter Rechnungslegung zu laufen beginnen. § 18 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages stellt ausdrücklich auf die Fälligkeit der Ansprüche ab. Ausnahmsweise kann der Lauf einer Ausschlussfrist allerdings dann gehemmt sein, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer über dessen Ansprüche eine Abrechnung zu erteilen, und ohne Abrechnung eine Überprüfung des ausgezahlten Betrages unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 06.11.1985 - 4 AZR 233/84 - AP 93 zu § 4 TVG Ausschlussfristen = NZA 86, 429; Schaub, § 205 Rn. 25 m. w. N.). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger die Höhe etwaiger Ansprüche jedoch ohne weiteres selbst ermitteln. Er wusste um die von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten, jedenfalls war er in der Lage, sich hierüber entsprechende Aufzeichnungen zu fertigen bzw. zumindest Einsicht in die Arbeitszeitnachweise zu nehmen. Darüber hinaus beginnt der Lauf der Verfallfrist für einen Zahlungsanspruch jedenfalls dann, wenn bereits der Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung verfallen ist (vgl. BAG, Urteil vom 27.11.1984 - 3 AZR 596/82 - AP 89 zu § 4 TVG Ausschlussfristen = DB 85, 2154).

Die erste Geltendmachung von Überstunden bzw. Überstundenzuschlägen ist jedoch erst im Februar 2007 erfolgt, also anderthalb Jahre, nachdem der Kläger überhaupt letztmalig eine Arbeitsleistung erbracht hat und Ansprüche auf entsprechende Zahlungen erwerben konnte.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er habe von der Geltung der tariflichen Ausschlussfrist nichts gewusst. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Nachweisgesetz vor. Unstreitig hat die Beklagte den Kläger nämlich mit dem Einstellungsschreiben auf die Geltung des mit der damaligen Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifvertrages hingewiesen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 02.06.1981, überreicht mit Schriftsatz der Beklagten vom 10.04.2008, Bl. 100 d. A.). Daher kommt von vornherein ein Schadenersatzanspruch des Klägers, ihn so zu stellen, als habe er die Ausschlussfrist gewahrt (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 676/02 - AP 7 zu § 2 NachwG = NZA 2005, 64), nicht in Betracht.

Schließlich kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe die nunmehr geltend gemachte Forderung anerkannt, indem sie einen Teil der Überstunden abgerechnet habe. Durch diese Abrechnung hat die Beklagte keineswegs anerkannt, dem Kläger weitere Überstundenvergütungen bzw. -zuschläge zu schulden. Sie hat vielmehr im Gegenteil zu erkennen gegeben, dass sie nur den von ihr abgerechneten Betrag zahlen will und nicht darüber hinaus gehende Überstundenentgelte.

2.

Auch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Gewinnbeteiligung ist die Klage nicht begründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Grunde nach ein entsprechender Anspruch für die Jahre 2004 bis 2006 besteht. Etwaige Ansprüche des Klägers sind nämlich insoweit ebenfalls gemäß § 18 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages verfallen.

Der Kläger hat solche Ansprüche jedenfalls nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht. In Hinblick auf die Fälligkeit enthält der Tarifvertrag in § 6 folgende Regelung:

Jeder Betriebsangehörige erhält eine Gewinnbeteiligung, die jährlich einmal gezahlt wird. Abrechnungsmonat ist der Folgemonat des Monats, in dem die ordentliche Hauptversammlung der Reederei das Ergebnis des vorhergehenden Geschäftsjahres beschlossen hat.

Der Kläger bestreitet allerdings in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung. Tatsächlich ist aber von einer arbeitgeberseitigen Festlegung im vorliegenden Fall auszugehen. Dies ergibt sich schon aus den erfolgten Zahlungen für die Jahre 2004 und 2005. Zwar sind die Zahlungen in den Abrechnungen jeweils als "Jahresvergütung" gekennzeichnet. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger aber weitere Sonderzahlungen nicht erhalten hat, musste er bei Kenntnis des Tarifvertrages davon ausgehen, dass es sich insoweit um die Erfüllung des tarifvertraglichen Anspruchs nach § 6 des Rahmentarifvertrages handelte. Zwar macht er insoweit nunmehr geltend, er habe während des Arbeitsverhältnisses gar nicht gewusst, dass ein tariflicher Anspruch auf Gewinnbeteiligung überhaupt bestehe. Hierüber hätte er sich jedoch ohne weiteres jederzeit informieren können. Jedenfalls nach einem Blick in den Tarifvertrag hätte es sich ihm aufdrängen müssen, dass die Beklagte insoweit die vorgegebene Vergütungspflicht erfüllt hat, zumal die Beklagte offenbar auch unstreitig die Zahlungen nach Maßgabe dieser Tarifnorm erbracht hat.

Jedenfalls war der Anspruch aber Anfang des Jahres 2007 fällig. Insoweit heißt es nämlich unter Ziffer 4. in § 6 des Rahmentarifvertrages wie folgt:

Ausscheidende Betriebsangehörige erhalten nach einer Mindestbeschäftigungszeit von einem Jahr die Gewinnbeteiligung zusammen mit der abschließenden Lohn- und Gehaltszahlung in Höhe der für das Vorjahr gezahlten Vergütung. Hierbei findet die Regelung der zeitanteiligen Berechnung gemäß vorstehendem Absatz entsprechende Anwendung.

Damit waren etwaige Ansprüche des Klägers auf Gewinnbeteiligung jedenfalls mit seinem Ausscheiden fällig geworden. Die erste Geltendmachung eines derartigen Anspruchs ist jedoch erst mit Schreiben des Klägers vom 04.10.2007 erfolgt. Die früheren Geltendmachungsschreiben aus den Monaten Februar und März 2007 enthalten eine entsprechende Forderung gerade nicht.

3.

Im Hinblick auf das Verlangen auf Herausgabe der Zweitschriften von Arbeitszeitnachweisen war die Klage ebenfalls abzuweisen. Zwar hat der Kläger insoweit die Erledigung der Hauptsache erklärt. Tatsächlich hat sich der Rechtsstreit jedoch nicht aufgrund der erfolgten Herausgabe erledigt. Vielmehr war der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ohnehin nicht begründet. Der gemäß § 2 Abs. 4 der Seearbeitszeitnachweisverordnung bestehende Anspruch war nämlich gemäß § 18 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages verfallen. Entsprechende Ansprüche für den Zeitraum bis Mai 2005 hat der Kläger erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Februar 2007 tatsächlich geltend gemacht. Der Kläger kann insoweit auch nicht mit Erfolg einwenden, § 18 des Rahmentarifvertrages verstoße gegen zwingendes europäisches Recht. Auch wenn § 2 Abs. 4 der Seearbeitszeitnachweisverordnung eine Umsetzung der Richtlinien 1999/63/EG darstellen sollte, folgt hieraus noch nicht zwingend, dass deshalb tarifliche Ausschlussfristen von vornherein auf derartige Ansprüche unanwendbar sind. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit durch die Geltung der Ausschlussfrist die Ausübung des Rechts auf Herausgabe einer Zweitschrift der Arbeitszeitnachweise übermäßig erschwert würde, so dass entgegen der Ansicht des Klägers auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts (vgl. hierzu die vom Kläger zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16.05.2000 - C - 78/98 - AP 1 zu Art. 141 EG = NZA 2000, 889) nicht angenommen werden kann. Im Übrigen wird durch das Erlöschen des Anspruchs auf Herausgabe von Zweitschriften das Recht des Klägers auf Einsichtnahme in die Arbeitszeitnachweise nicht in Frage gestellt, so dass er auch weiterhin in der Lage wäre, etwaige sich aus den Arbeitszeitnachweisen ergebende Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück