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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1688/05 B
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
Äußern Lehrkräfte gegenüber ihrem privaten Arbeitgeber die Absicht, sich auf eine Beamtenstelle zu bewerben und vereinbart der Arbeitgeber daraufhin mit diesem Verbesserung der Arbeitsverträge, um sie zum Bleiben zu bewegen, folgt hieraus kein Anspruch anderer Lehrkräfte auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Abgabe eines entsprechenden Vertragsangebots durch den Arbeitgeber.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1688/05 B

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang, den ehrenamtlichen Richter Herrn Steinmann, den ehrenamtlichen Richter Herrn Gleiss für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 03.08.2005 - 3 Ca 544/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, der ihr Leistungen entsprechend den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen gewährt.

Der Beklagte unterhält die ...Schule, eine Sonderschule in V.. Dort unterrichten insgesamt 6 Lehrkräfte, davon 2 Frauen. Der Lehrer A. ist Beamter der Landes Niedersachsen und an die Schule abgeordnet. Der Schulleiter, Herr V., hat einen sogenannten "beamtenähnlichen" Dienstvertrag. Mit den übrigen Lehrkräften vereinbarte der Beklagte arbeitsvertraglich die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT).

Mit Schreiben vom 16.12. bzw. 20.12.2002 teilten die Lehrkräfte M. und A. dem Beklagten mit, dass sie sich wegen der im Vergleich zu öffentlichen Schulen anhaltend unbefriedigenden finanziellen Absicherung an der Schule des Beklagten mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 für eine Anstellung an einer öffentlichen Sonderschule bewerben würden. Sie gingen von einem positiven Bescheid aus. Beide erklärten ferner, auf eine Fremdbewerbung verzichten zu wollen, sollte sich die finanzielle Situation an der Schule des Beklagten zum Positiven ändern (Stichwort: Verbeamtung/Pensionskasse). Daraufhin bot der Beklagte beiden Lehrkräften ab dem 01.08.2003 einen "beamtenähnlichen" Dienstvertrag an, den diese annahmen.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin, die seit dem 18.08.1995 an der Schule des Beklagten unterrichtet, in der Elternzeit anlässlich der Geburt ihres Kindes. Nach Rückkehr in den Dienst zum 01.09.2003 erklärte sie gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 19.03.2004, sie bitte darum, auch ihr den Beamtenstatus zu verleihen, da sie mit dem Gedanken spiele, an eine staatliche Schule zu wechseln, an der sie den Beamtenstatus erhalten würde. Der Beklagte unterbreitete der Klägerin in der Folgezeit kein entsprechendes Angebot. Dies geschah ebensowenig im Verhältnis zu der weiteren Lehrkraft, Frau L., die zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 45 Jahre war und für die deshalb eine Verbeamtung bei dem Land Niedersachsen nicht mehr in Betracht kam.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte verstoße gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er lediglich einem Teil der beschäftigten Lehrer beamtenähnliche Dienstverträge anbiete. Sachliche Gründe für diese Differenzierung gebe es nicht. Vielmehr lege eine geschlechtsspezifische Benachteiligung vor, weil lediglich die männlichen Lehrkräfte in den Genuss der Besserstellung gekommen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, durch den sie in der Versorgungskasse versichert wird und der Beihilfen, Reise- und Umzugskosten entsprechend den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen gewährt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, auf Grund der verstärkten Einstellung von Sonderschullehrern in den Landesdienst sei zu befürchten gewesen, dass Lehrkräfte der ...Schule in den Landesdienst wechseln würden und die Stellen dann nicht wieder besetzt werden könnten. Die unterschiedlichen Vertragsbedingungen seien erforderlich gewesen, um den Fortbestand der Lehrerversorgung und damit der Einrichtung zu sichern. Es sei ihm darum gegangen, die Mitarbeiter M. und A. dauerhaft an die Einrichtung zu binden. Insoweit liege schon keine Gewährung von Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten Regelung vor. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit haber hier Vorrang vor dem Gebot der Gleichbehandlung. Der Weggang der Lehrkräfte M. und A. hätte auch zu einer besonderen Belastung an der Schule geführt, wo im Durchschnitt weit über 90 % Jungen unterrichtet würden. Um die spezifischen Bedürfnisse der Jungen berücksichtigen zu können, bedürfe es eines hohen Anteils männlicher Lehrkräfte.

Durch Urteil vom 03.08.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 56 bis 57 d. A.) Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 01.09.2005 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am Dienstag, den 04.10.2005 Berufung eingelegt und diese am 01.11.2005 begründet.

Die Klägerin behauptet, nach Rückkehr aus dem Elternurlaub habe sie sich an den Schulleiter gewandt, der ihr versichert habe, er sei davon überzeugt, dass auch sie einen entsprechenden Vertrag wie die Mitarbeiter M. und A. erhalte. Aus diesem Grund habe sie eine aussichtsreiche Bewerbung auf eine Stelle an einer Sonderschule im nieder-sächsischen Schuldienst nicht weiter verfolgt. Die Klägerin ist der Ansicht, die Begründung, mit der der Beklagte eine Bindung der Lehrkräfte V., M. und A. beabsichtigt habe, treffe auch auf sie zu. Finanzielle Gründe jedenfalls könnten ihre Schlechterstellung im Vergleich zu den Kollegen nicht rechtfertigen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 03.08.2005, Az. 3 Ca 544/04, abzuändern,

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, durch den sie in der Versorgungskasse versichert wird und der Beihilfen, Reise- und Umzugskosten entsprechend den für niedersächsische Beamte geltenden Bestimmungen gewährt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 06.12.2005 (Blatt 94 bis 98 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520 PO).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat.

Ein Anspruch der Klägerin auf das Angebot eines "beamtenähnlichen" Arbeitsvertrages besteht nicht.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Gruppenbildung liegt aber nur vor, wenn die Besserstellung nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt dagegen dann nicht zur Anwendung, sofern es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besser stellt. Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Dann fehlt der notwendige kollektive Bezug als Anknüpfungspunkt dafür, einer Ungleichbehandlung entgegenzuwirken. Denn der allgemeine Gleichbehandlungs-grundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen in vergleichbarer Lage befindlichen Arbeitnehmern, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 13.02.2002 - 5 AZR 713/00 - AP 184 zu § 242 BGB Gleichbehandlung = NZA 2003, 215 m. w. N.). Ob ein typisiertes Verhalten des Arbeitgebers vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte lediglich einzelne Arbeitnehmer besser gestellt, ohne dabei ein typisierendes Verhalten an den Tag zu legen. Der Beklagte hat lediglich auf die ihm gegenüber geäußerte Absicht von zwei Lehrkräften, sich für den staatlichen Schuldienst zu bewerben, reagiert. Beide Lehrkräfte haben ihre Bewerbung offenbar auch benutzt, um in die Verhandlungen mit ihrem Arbeitgeber ein Argument einzubringen, das ihre Verhandlungsposition stärkte. Hierauf hat der Beklagte mit einem entsprechenden Vertragsangebot reagiert, weil es ihm offensichtlich darum ging, beide Lehrkräfte nicht zu verlieren. Hierin liegt noch kein generalisierendes Prinzip, auch wenn zwei Lehrkräfte zeitnah nach demselben Prinzip vorgegangen sind. Es ging hier nicht darum, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall generalisierend nach einem bestimmten Prinzip freiwillig Leistungen gewährt hat, sondern nur darum, dass er in einer aus seiner Sicht bestehenden Drucksituation beschlossen hat, dem Verhandlungsdruck nachzugeben und entsprechende individualrechtliche Vereinbarungen zu treffen.

Aber auch wenn man von einem typisierten Verhalten ausginge, wäre kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz anzunehmen. In diesem Falle läge nämlich keine sachfremde Differenzierung vor. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Billigenswert sind Gründe, die auf vernünftigen, ein-leuchtenden Erwägungen beruhen und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentstaltungen verstoßen (vgl. BAG, 10.12.2002 - 3 AZR 3/02 - AP 56 zu § 1 BetrVG = NZA 2004, 321). Ob der Arbeitgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gewählt hat, ist dagegen nicht zu überprüfen (BAG, Urteil vom 18.09.2001 - 3 AZR 656/00 - AP 179 zu § 242 BGB Gleichbehandlung = NZA 2002, 148). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall danach differenziert, ob bei den betreffenden Mitarbeitern die Absicht bestand, sich in den niedersächsischen Schuldienst zu bewerben oder nicht. Damit wollte er der Gefahr entgegenwirken, Sonderschullehrer aufgrund dieser möglichen Verbeamtung an den öffentlichen Schuldienst zu verlieren. Dieser Leistungszweck rechtfertigt eine Gruppenbildung in der Weise, nur die Sonderschullehrer zu begünstigen, die tatsächlich eine Verbeamtung hätten erreichen können und die einen entsprechenden Willen auch geäußert haben. Dies trifft jedoch nur für die Sonderschullehrer M. und A. zu. Diese haben im Dezember 2002 ausdrücklich erklärt, dass sie beabsichtigten, sich für das Schuljahr 2003/2004 für eine Stelle an einer öffentlichen Schule zu bewerben. Derartig konkret hat sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten dagegen nicht geäußert. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 19.03.2004 lediglich allgemein ausgeführt, dass sie mit dem Gedanken spiele, an eine staatliche Schule zu wechseln. Damit bestand aus Sicht des Beklagten im Falle der Klägerin jedenfalls nicht eine derartige unmittelbare Gefahr eines Schulwechsels wie im Falle ihrer Kollegen M. und A..

Die Klägerin kann auch nicht etwa mit Erfolg einwenden, der Beklagte habe dieses Differenzierungskriterium ihr gegenüber nicht rechtzeitig offengelegt. Es ist allerdings umstritten, ob die Unterscheidungsmerkmale für eine Gruppenbildung nur zu berücksichtigen sind, soweit sie für den Arbeitnehmer erkennbar waren oder rechtzeitig - d. h. spätestens wenn der Arbeitnehmer Gleichbehandlung verlangt - vom Arbeitgeber offengelegt worden sind (so: BAG, Urteil vom 22.12.1970 - 3 AZR 52/70 - AP 2 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle = DD 71, 729; BAG, Urteil vom 05.03.1980 - 5 AZR 881/78 - AP 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung = NJW 80, 2374; BAG, Urteil vom 20.07.1993 - 3 AZR 52/93 - AP 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung = NZA 94, 125; offengelassen von BAG, Urteil vom 08.03.1995 - 10 AZR 208/94 - AP 184 zu § 611 BGB Gratifikation = NZA 96, 418; BAG, Urteil vom 21.05.2003 - 10 AZR 524/02 - AP 251 zu § 611 BGB Gratifikation = NZA 2003, 1274; BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 617/02 - AP 73 zu § 2 KSchG 1979 = DB 2004, 655; a. A. Krebs, SAE 99, 289 (290)). Die Frage ist zu verneinen, weil es für das objektive Vorliegen einer sachgerechten Differenzierung nur auf die objektiven Umstände ankommen kann. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt für die Frage der Verfassungsgemäßheit einer Norm nicht auf die subjektive Willkür des Gesetzgebers sondern auf die objektive (Un-)Angemessenheit der Norm ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.04.1978 - 1 BvL 29/76 - BVerfGE 48, 227 = DB 78, 1356). Eine nicht erfolgte Offenlegung kann vielmehr allenfalls Schadensersatzansprüche des Arbeit-nehmers (z. B. auf Ersatz von unnötiger Prozesskosten) rechtfertigen (Krebs, SAE 99, 289 (290)).

Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf die Bestimmung des § 611 a BGB stützen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte der Klägerin den begehrten Arbeitsvertrag wegen ihres Geschlechts nicht angeboten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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