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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 1898/04 B
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
Voraussetzung für die Anrechnung von Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG ist, dass der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge zu dieser Versorgungseinrichtung geleistet hat.

Die Anrechnung setzt nicht voraus, dass der Arbeitgeber mit seiner Beitragsbeteiligung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung nachkam. Freiwillige Zuschüsse genügen (BAG, Urt. vom 22.02.2000 - 3 AZR 39/99 - AP 13 zu § 1 BetrAVG BeamtVG).

Eine Anrechnung kann auch dann erfolgen, wenn der Arbeitgeber die Beitragszuschüsse gegen den Willen des Arbeitnehmers entrichtet, diese Zahlung jedoch auf einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung beruhte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Leistung der Beitragszuschüsse durch den Arbeitgeber jeweils monatlich, in anderen Zahlungsintervallen oder in großen Teilen nachträglich in einer Summe erfolgt ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1898/04 B

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Vogelsang, den ehrenamtlichen Richter Herrn Reddehase, den ehrenamtlichen Richter Herrn Garbes für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 21.10.2004 - 1 Ca 69/04 B - teilweise abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob die vom Ärzteversorgungswerk Hessen an den Kläger gezahlte Altersrente auf seinen Betriebsrentenanspruch gegenüber der Beklagten anzurechnen ist.

Der 1938 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.08.1986 bis zum 31.05.2003 bei der Beklagten als leitender Abteilungsarzt beschäftigt. Der Dienstvertrag der Parteien enthält in § 8 folgende Regelung:

"Alters-, Hinterbliebenen- und Erwerbsunfähigkeitsversorgung

1. Dem Arzt werden Ruhgehalt, Hinterbliebenen- und Erwerbsunfähigkeits-versorgung nach den für Landesbeamte geltenden Vorschriften mit Wirkung vom 01.08.1986 zugesichert.

Die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge werden nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes berechnet.

Die ruhegehaltfähige Dienstzeit wird durch einen besonderen Bescheid der Nieders. Versorgungskasse festgesetzt.

2. Ist der Arzt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seine Vertragsverpflichtung zu erfüllen, so finden die §§ 54 - 56 und 60 des Nieders. Beamtengesetzes NBG) in der jeweils gültigen Fassung entsprechende Anwendung. Über die Leistungen der Nieders. Versorgungskasse hinaus erwirbt der Arzt keinerlei Versorgungsrechte. Stirbt der Arzt während der Laufzeit des Vertrages, so wird entsprechend § 143 des Nieders. Beamtengesetzes neben den Dienstbezügen ein Sterbegeld in Höhe der zweifachen Dienstbezüge gezahlt.

3. Die Umlagebeiträge der Nieders. Versorgungskasse trägt das Krankenhaus". Seit dem 01.01.1968 war der Kläger Mitglied des Ärzteversorgungswerkes Hessen und zahlte durchgehend die entsprechenden Beiträge. Die Beklagte leistete zunächst einen Geldbetrag im Hinblick auf die Beiträge zur Altersversorgung des Klägers, indem sie zu dem ermittelten Nettovergütungsanspruch einen bestimmten monatlichen Betrag mit der Bezeichnung "RENTENVERS. AG-AN AUSBEZ." zusätzlich an den Kläger überwies. Im Februar 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie diese Zahlungen mit Ende des Monats einstelle. Der Kläger (und ein weiterer Kollege) protestierten hiergegen mit Schreiben vom 18.02.1992. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 21.02.1992, dass die Zahlung des Arbeitgeberanteils vorerst eingestellt werde. Der gesamte Sachverhalt werde so schnell wie möglich geprüft und zu einer endgültigen Klärung geführt. Es folgte weiterer Schriftverkehr, in dem die Parteien über die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags zur Altersversorgung stritten. Mit Schreiben vom 02.03.2000 teilte die Beklagte dem Kläger dann folgendes mit:

1. Aufgrund einer mir zwischenzeitlich zur Kenntnis gebrachten Stellungnahme des Herrn G..., sowie unter Berücksichtigung Ihres Dienstvertrages, der Stellungnahme Ihres Versorgungswerkes vom 14.05.1999 und der Sach- und Rechtslage, habe ich meiner Mandantin empfohlen, Ihnen den seit 01.03.1992 nicht gezahlten AG-Anteil zum Pflichtbeitrag zur Ärzteversorgung, wie von Ihnen im Schreiben vom 18.02.1992 gefordert, zu zahlen.

2. Unter Berücksichtigung des Urteils des BAG vom 22.02.2000 - 3 AZR 39/98 - wird dies meines Erachtens nach allerdings zur Folge haben, dass die NVK die Leistungen aus der Ärzteversorgung (Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen) anrechnen wird".

Der Kläger ließ der Beklagten durch seinen Bevollmächtigten Dr. K... mit Schreiben vom 07.08.2000 mitteilen, dass über die Notwendigkeit einer rückwirkenden Nachzahlung zwischen den Parteien Einigkeit bestehe. In diesem Schreiben wird ferner eine Ergänzung des Arbeitsvertrages vorgeschlagen, die u.a. einen Nachzahlungsbetrag von 82.000,00 DM vorsieht und gleichzeitig eine Anwendung des § 55 BeamtVG ausschließt. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens vom 07.08.2000 wird auf die mit Schriftsatz der Beklagten vom 22.03.2004 überreichte Kopie (Bl. 76/77 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte akzeptierte die vorgeschlagene Vertragsergänzung nicht.

Mit Schreiben vom 16.05.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass demnächst ein Betrag in Höhe von 80.000,00 € als Nachzahlung für die Ärzteversorgung überwiesen werde.

Seit Juni 2003 bezieht der Kläger von der Niedersächsischen Versorgungskasse Versorgungszüge. Im Hinblick auf die Leistungen des Ärzteversorgungswerks Hessen wird monatlich ein Betrag in Höhe von 2.184,71 in Abzug gebracht.

Der Kläger hat behauptet, die an ihn bis zum Jahre 1992 regelmäßig erbrachten Zahlungen seien nicht mit einem bestimmten Verwendungszweck verknüpft gewesen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, diesen Betrag an das Versorgungswerk weiterzuleiten. Im übrigen liege insoweit auch keine hälftige Zahlung im Sinne von § 55 BeamtVG vor, dies bereits deshalb nicht, weil er die zusätzlichen Zahlungen jeweils im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung habe versteuern müssen. Nachdem die Beklagte dann die Zahlung zunächst eingestellt habe, habe sie später versucht, eine "Anpassung" durchzuführen, um den Voraussetzungen für eine Anrechnungspflicht im Sinne von § 55 BeamtVG zu entsprechen. Das von der Beklagten gemachte Angebot auf Nachzahlung eines Betrages von 80.000,00 DM habe er damals selbstverständlich abgelehnt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, bereits aus der Regelung in § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages sei eindeutig zu entnehmen, dass sich die Beklagte an seinen Beiträgen zum Versorgungswerk nicht habe beteiligen dürfen. Durch den Ausschluss jedweden weiteren Erwerbs einer zusätzlich über die Leistungen der Niedersächsischen Versorgungskasse hinausgehenden Versorgung sei die Anwendung des § 55 BeamtVG ausdrücklich ausgeschlossen gewesen. Die später aufgedrängte Zahlung in Höhe von 80.000,00 € könne auch nicht auf die in dem Zeitraum vom 01.03.1992 bis zum 31.05.2003 geleisteten Beiträge an das Altersversorgungswerk angerechnet werden. Wegen der Nachzahlung hätte der entsprechende Verwendungszweck ohnehin nicht mehr erreicht werden können, zumal die gezahlten 80.000,00 € nicht mehr als Beitrag zum Ärzteversorgungswerk zugeführt werden könnten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass auf den Versorgungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte die von dem Ärzteversorgungswerk Hessen gezahlte Altersrente nicht angerechnet werden darf,

2. festzustellen, dass die Beklagte nicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst mindestens die Hälfte der Beiträge des Klägers zum Ärzteversorgungswerk geleistet hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, da sie die Hälfte der Pflichtbeiträge zur berufständischen Versorgungseinrichtung des Klägers übernommen habe, sei die Anrechnungsvorschrift des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeamtVG entsprechend anzuwenden. Die Beklagte hat behauptet, bei der Zahlung von 80.000,00 € habe es sich auch nicht etwa um eine aufgedrängte Leistung gehandelt. Dieser Betrag entspreche der Hälfte des Beitrags zur berufständischen Versorgungseinrichtung für die Zeit vom 01.03.1992 bis zum 31.05.2003 zuzüglich einer Verzinsung von 6 %. Auch für den Zeitraum von August 1986 bis Februar 1992 habe sie die Hälfte der Beiträge an das Versorgungswerk für den Kläger geleistet. Wegen der Einzelheiten des Sachvorbringens der Beklagten wird insoweit auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2004 (Bl. 101 bis 106 d.A.) verwiesen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es handele sich dabei insgesamt um Beiträge zur berufständischen Versorgungseinrichtung. Für die Anrechnung spiele es keine Rolle, ob der Arbeitgeber die Beitragszuschüsse freiwillig oder aufgrund einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung geleistet habe.

Durch Urteil vom 21.10.2000 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass auf den Versorgungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte der Teil der Altersrente von dem Ärzteversorgungswerk Hessen nicht angerechnet werden darf, der aus dem Zeitraum vom 01.03.1992 bis Mai 2003 erwachsen ist. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten zu 2/3 und dem Kläger zu 1/3 auferlegt sowie den Streitwert auf 46.800,00 € festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 138 bis 141 d.A.) Bezug genommen. Das Urteil ist den Parteien am 25.10.2004 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen am 24.11.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.01.2005 am 26.01.2005 begründet. Der Kläger hat am 01.12.2004 Anschlussberufung eingelegt und diese am 23.02.2005 begründet.

Die Beklagte behauptet, zwischen den Parteien habe später Einigkeit über die Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitgeberanteils zur Ärzteversorgung durch die Beklagte und die Notwendigkeit einer rückwirkenden Nachzahlung bestanden. Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei auch tatsächlich verpflichtet gewesen, den Arbeitgeberanteil zur Ärzteversorgung zu zahlen. Dass sie erst nachträglich geleistet habe, stehe einer Anwendung des § 55 BeamtVG nicht entgegen

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 21.10.2004 - 1 Ca 69/04 B - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger,

festzustellen, dass auf den Versorgungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte über den vom Arbeitsgericht zuerkannten Zeitraum vom 01.03.1992 bis Mai 2003 hinaus die Altersrente Von dem Ärzteversorgungswerk Hessen nicht angerechnet werden darf.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, bei der Zahlung des Arbeitgeberanteils zur Ärzteversorgung durch die Beklagte habe es sich um eine freiwillige Zuwendung ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage gehandelt. Die Beklagte habe die Leistung dieser Zuwendung zu Recht eingestellt. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung die Regelung in § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, die einer Anrechnung entgegenstehe, nicht hinreichend berücksichtigt. Würde die Beklagtenseite mit ihrer Auffassung im vorliegenden Verfahren durchdringen, hätte es der Arbeitgeber einseitig in der Hand, durch nachträgliche Zahlungen über die Anrechnung im Sinne des § 55 BeamtVG zu entscheiden. Er könnte jederzeit nach Belieben eine Vergleichsrechnung erstellen und sogar nachträglich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Beitragsleistungen nachholen, um die für ihn evtl. günstigere Anrechnung der Versorgungsbezüge zu erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten sowie die Anschlussberufung des Klägers sind statthaft, sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, (§§ 66, 64 ArbGG, 519, 520, 524 ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, die Anschlussberufung des Klägers war dagegen zurückzuweisen. Dem Feststellungsbegehren des Klägers war nämlich insgesamt nicht zu entsprechen.

1.

Der gestellte Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Kläger will die Höhe seiner Versorgungsbezüge für die Vergangenheit und die Zukunft klären lassen. Wegen des bestehenden Streits hierüber hat er ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung. Die Möglichkeit, eine Klage auf künftige Leistungen nach § 259 ZPO zu erheben, beseitigt das Feststellungsinteresse nicht. Auch die bereits fälligen Betriebsrentenansprüche musste der Kläger nicht mit einer Leistungsklage geltend machen. Es entspricht der Prozessökonomie, die gesamte Forderung im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen (vgl. BAG, Urt. vom 22.02.2000 - 3 AZR 39/99 - AP 13 zu § 1 BetrAVG BeamtVG = NZA 2001, 541 m.w.N.).

2.

Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Auf den Versorgungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist die vom Ärzteversorgungswerk Hessen gezahlte Altersrente anzurechnen.

a)

Die Anrechenbarkeit ergibt sich aus der Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4. BeamtVG. Danach sind anrechenbare Renten auch Leistungen aus einer berufständischen Versorgungseinrichtung oder aus einer befreienden Lebensversicherung, zu denen der Arbeitgeber aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im öffentlichen Dienst mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe geleistet hat.

Diese Bestimmung gilt zwar nicht unmittelbar, weil sie die Rechtsverhältnisse von Beamten betrifft. Sie ist aber gem. § 8 Nr.1. Satz 2 des Dienstvertrages der Parteien entsprechend anzuwenden. Aufgrund dieser Regelung werden die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes berechnet.

b)

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG sind erfüllt, und zwar nicht nur für den Zeitraum von August 1986 bis Februar 1992, sondern auch für die Zeit von März 1992 bis Mai 2003. Bei der vom Ärzteversorgungswerk Hessen gezahlten Altersrente handelt es sich um eine Leistung aus einer berufständischen Versorgungseinrichtung. Hierzu hat die Beklagte auch die Hälfte der Beiträge bzw. Zuschüsse in dieser Höhe geleistet. Die Leistungen erfolgten in der Zeit bis einschließlich Februar 1992 in Form von monatlichen Zahlungen, für den späteren Zeitraum leistete die Beklagte eine Einmalzahlung, die unstreitig wirtschaftlich der Hälfte der zu leistenden Beiträge für diesen Zeitraum entsprach.

Unerheblich ist der Einwand des Klägers, es handele sich insoweit nicht um Leistungen zu der berufständischen Versorgungseinrichtung, weil er das Geld nach eigenem Belieben habe verwenden können. Ausweislich der vorgelegten Abrechnungen war Absicht und Zweckbestimmung der Zahlung eine Beteiligung der Beklagten an Rentenversicherungsbeiträgen des Klägers. Die Formulierung "RENTENVERS. AG-AN AUSBEZ" ist unmissverständlich. Das von der Beklagten insoweit überwiesene Geld, gehörte damit insgesamt zu den Einkünften des Klägers, von denen dieser dann die Leistungen an das Ärzteversorgungswerk Hessen erbracht hat. Eine unmittelbare Zahlung durch die Beklagte an das Ärzteversorgungswerk war nicht erforderlich. Der Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG setzt das nicht voraus.

Unerheblich ist weiterhin der Einwand des Klägers, die Beklagte sei zur Erstattung der hälftigen Beiträge rechtlich nicht verpflichtet gewesen. Auf eine solche rechtliche Verpflichtung kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, grundsätzlich auch nicht an. Die Anrechnung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG setzt nicht voraus, dass der Arbeitgeber mit seiner Beitragsbeteiligung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung nachkam. Freiwillige Zuschüsse genügen (vgl. BAG, Urt. vom 22.02.2000 - 3 AZR 39/99 - AP 13 zu § 1 BetrAVG BeamtVG = NZA 2001, 541)

Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Grundsatz für die Fälle einzuschränken ist, in denen der Arbeitgeber die Beitragszuschüsse gegen den Willen des Arbeitnehmers entrichtet. Bei einem solchen Sachverhalt ist eine Anrechnung jedenfalls dann vorzunehmen, wenn tatsächlich eine entsprechende rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers bestand, er also - trotz eines möglicherweise entgegenstehenden Willens des Arbeitnehmers - gesetzes- oder vertragskonform handelte. Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht allerdings eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beitragszuschüssen nicht vor. Der Anspruch auf diese Zuschüsse ergibt im vorliegenden Fall aber aufgrund einer betrieblichen Übung. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu sehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot des Arbeitgebers auszulegenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (st. Rspr. des BAG; vgl. z.B. BAG, Urt. vom 28.03.2000 - 1 AZR 366/99 - AP 83 zu § 77 BetrVG 1972 = NZA 2001, 49). Die Beklagte hat an den Kläger über einen Zeitraum von etwa 5 1/2 Jahren vorbehaltlos eine monatliche Leistung erbracht, die sie als Beitragszuschuss verstanden hat. Sie hat zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Kläger einen Vorbehalt geäußert, dass sie sich hierdurch für die Zukunft nicht binden wolle. Unstreitig ist auch, dass die Beklagte nicht irgendeinen fiktiven Betrag gezahlt hat, sondern vielmehr denjenigen Betrag, der 50 % der Beitragsleistungen des Klägers beim Ärzteversorgungswerk Hessen entsprach.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Entstehung eines Anspruchs aufgrund einer betrieblichen Übung nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien ausgeschlossen. Ein derartiger Vertragswille der Parteien kann nicht aus der Regelung in § 8 Nr. 2 Satz 2 des Dienstvertrages gefolgert werden. Hier ist nur geregelt, dass über die Leistungen der Niedersächsischen Versorgungskasse keine Versorgungsrechte erworben werden sollen. Die Beklagte wollte sich also erkennbar nicht zu einer weiteren, zusätzlichen Versorgungsleistung verpflichten. Ausgeschlossen ist lediglich der Erwerb von weiteren, gegen die Beklagte gerichteten Ansprüchen auf Gewährung von Versorgungszahlungen. Eine Verpflichtung zur Leistung von Beitragszuschüssen zu einer bestehendenden Altersversorgung ist damit nicht ausgeschlossen.

Unerheblich ist weiterhin, ob die Leistung von Beitragszuschüssen durch die Beklagte jeweils monatlich, in anderen Zahlungsintervallen oder in großen Teilen nachträglich in einer Summe erfolgt ist. Der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, die Bestimmung des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG setze eine monatliche Zahlung voraus, schließt sich die Kammer nicht an. Der Wortlaut der Norm enthält für eine derartige Annahme keinen Anhaltspunkt. Eine monatliche Zahlungsweise kann schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil das Gesetz auch auf Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung Bezug nimmt. Beiträge zu solchen Lebensversicherungen werden jedoch in der Praxis durchaus nicht durchweg monatlich geleistet, auch jährliche Zahlungsintervalle sind hier nichts Außergewöhnliches. Von einer bestimmten Art und Weise der Leistung der hälftigen Beiträge oder von Zuschüssen ist in § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BeamtVG nicht die Rede. Erforderlich ist vielmehr nur, dass der Arbeitgeber die entsprechenden Beträge überhaupt geleistet hat.

Der Kläger kann ferner nicht etwa mit Erfolg einwenden, eine derartige Leistungsbestimmung durch die Beklagte habe nicht vorgelegen. Sowohl im Hinblick auf die zunächst monatlich gezahlten Beträge als auch im Hinblick auf die Nachzahlung von 80.000,00 € beabsichtigte die Beklagte, sich an den Beiträgen des Klägers zu der berufständigen Versorgungseinrichtung zu beteiligen. Sie hat - jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als eine betriebliche Übung entstanden war - Zahlungen in Erfüllung einer hierauf gerichteten vertraglichen Verpflichtung erbracht. Die Tatsache, dass sie im Hinblick auf die Beiträge für die Zeit ab März 1992 zunächst vertragswidrig keine Leistungen erbracht hat, hat Schadensersatz- bzw. Zinsansprüche des Klägers ausgelöst, in der Sache aber nichts daran geändert, dass die Leistung jedenfalls letztlich erbracht worden ist.

Die Beklagte hat auch tatsächlich die Hälfte der Beiträge zu der berufständischen Versorgungseinrichtung geleistet. Der Einwand des Klägers, die von der Beklagten erbrachten Zahlungen sei durch ihn versteuert worden, ist insoweit unerheblich. Zum einen ändert die Steuerpflicht nichts daran, dass die Beklagte die Leistungen tatsächlich erbracht hat. Es ist nichts Untypisches, dass vom Arbeitgeber erbrachte Leistungen an den Arbeitnehmer steuerrechtlichen Bestimmungen unterliegen. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht konkret angegeben, welche Steuerlast er getragen hat, zumal aufgrund der Bestimmung in § 3 Nr. 62 Satz 2 Buchst. c) EStG nicht von einer Steuerpflicht auszugehen ist.

c)

Die Beklagte ist auch nicht etwa gemäß § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) gehindert, sich auf die von ihr erbrachten Leistungen zu berufen. Allerdings hat sie sich in diesem Punkt nicht widerspruchsfrei verhalten, wenn sie zunächst die Auffassung vertreten hat, sie sei zu derartigen Zahlungen nicht verpflichtet. Entsprechendes gilt aber auch für den Kläger, der seinerseits ursprünglich eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten geltend gemacht hat, um nunmehr die Auffassung zu vertreten, für die Beklagte habe eine Pflicht zur Beteiligung an den Beiträgen von vornherein nicht bestanden. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger auch nicht etwa einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass eine Anrechnung nach § 55 BeamtVG nicht in Betracht komme. Möglicherweise hat der Kläger von Beginn an gemeint, sowohl die Ansprüche gegenüber dem Ärzteversorgungswerk Hessen als auch gegenüber der Beklagten bestünden uneingeschränkt nebeneinander. Diese Erwartung beruht aber nicht auf einem bestimmten Verhalten der Beklagten, sondern vielmehr eher darauf, dass die entsprechende gesetzliche Bestimmung in dieser Fassung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht in Kraft war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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