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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1061/07
Rechtsgebiete: TVöD


Vorschriften:

TVöD § 8 Abs. 5
Die Zahlung einer Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD setzt voraus, dass der Angestellte abwechselnd nach dem Schichtplan in allen Schichtarten eingesetzt wird.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 1061/07

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2007 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krönig, den ehrenamtlichen Richter Herrn Heidrich, den ehrenamtlichen Richter Herrn Lüs für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 31.05.2007 - 3 Ca 335/06 Ö - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Monate Oktober 2005 bis Mai 2007 ein Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage gem. § 8 Abs. 5 TVöD zusteht.

Die Klägerin war seit dem 01.07.1991 zunächst beim Landkreis und nach deren Gründung bei der Region H. als Pflegekraft im Pflegeheim L. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis, das zum 01.04.2007 auf die Beklagte übergegangen ist, finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung vom 16./19.07.1991 die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Die Beklagte setzte die ursprünglich als Dauernachtwache eingestellte Klägerin seit Oktober 2005 sowohl in der Nacht- als auch in der Spätschicht ein. In der Beschäftigungseinrichtung der Klägerin wird ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 16.06.2005 rückwirkend ab 01.01.2005 eine Schichtzulage beantragt hatte, zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin ab Januar 2005 eine Schichtzulage in Höhe von zunächst 35,79 € und ab Oktober 2005 in Höhe von 40,00 €

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.08.2006 begehrte die Klägerin unter Hinweis auf § 8 TVöD Zahlung einer Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 €. Zur Wechselschichtzulage bestimmt der TVöD:

§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

5) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105,00 € monatlich.

§ 7 Sonderformen der Arbeit

1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonn- und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens 2 Stunden Nachtarbeit umfassen.

§ 48 TVöD - BT - K § 48 Wechselschichtarbeit

2) Abweichend in § 7 Abs. 1 S. 1 ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin für die Zeit vom 01.10.2005 bis zum 31.05.2007 Zahlung der Differenz zur tariflichen Wechselschichtzulage von 105,00 € monatlich.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf die monatliche Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 €. Sie werde nach einem Schichtplan eingesetzt, der Wechselschichtarbeit vorsehe. Die erforderliche Anzahl der Nachtschichten habe sie geleistet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1.300,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 715,00 € seit dem 01.09.2005 auf weitere 195,00 € seit dem 01.12.2006 und auf weitere 390,00 € seit dem 01.06.2007 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe lediglich eine Schichtzulage, nicht jedoch eine Wechselschichtzulage nach den tariflichen Bestimmungen zu. Die erforderliche Voraussetzung, nämlich ein tatsächlicher Einsatz der Klägerin in allen Schichten liege nicht vor, da diese lediglich Nacht- und Spätschichten leiste.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 31.05.2007 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 33 a Abs. 1 BAT, die auf die tariflichen Regelungen des TVöD übertragbar seien, setze der Anspruch auf die Zahlung einer Wechselschichtzulage voraus, dass der Angestellte nach einem Schichtplan eingesetzt werde, der Wechselschicht vorsehe. Vorgeschrieben sei lediglich die Ableistung einer bestimmten Anzahl von Nachtschichten. Bereits aus der unterschiedlichen Wortwahl sei zu schließen, dass die Tarifvertragsparteien nur bei der Nachtschicht, nicht jedoch bei der Früh- und Spätschicht eine tatsächliche Arbeitsleistung fordern.

Gegen das ihr am 13.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.07.2007 Berufung eingelegt und sie am 24.07.2007 begründet.

Die Beklagte macht geltend, den vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen sei keinesfalls zu entnehmen, dass nur bei der Nachtschicht eine tatsächliche Arbeitsleistung der Beschäftigen gefordert werde. In der Entscheidung vom 05.02.1997 (10 AZR 639/96) spreche der 10. Senat vom Sinn und Zweck der Wechselschichtzulage als Erschwerniszulage für einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit, der erheblich auf den Lebensrhythmus einwirke und dadurch zu Erschwerungen führe. Der Angestellte müsse folglich auch tatsächlich Wechselschichtarbeit geleistet haben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil vom Arbeitsgericht Hannover vom 31.05.2007 - 3 Ca 335/06 Ö - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 27.08.2007.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine Wechselschichtzulage für den Zeitraum Oktober 2005 bis Mai 2007 in Höhe von 105,00 € brutto monatlich nicht zu.

1. Nach § 8 Abs. 5 TVöD erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage von 105,00 € monatlich. Nach § 7 Abs. 1 TVöD - AT i. V. m. § 48 Abs. 2 TVöD - BT - K ist Wechselschicht die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Wechselschichtzulage besteht nicht, weil die Klägerin nicht ständig Wechselschichtarbeit leistet.

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien für die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG Urt. v. 25.04.2007 - 10 AZR 110/06 - ZTR 2007, 621).

b. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 5 TvöD muss der Beschäftigte Wechselschichtarbeit "leisten." Bereits aus dieser Wortwahl ist zu folgern , dass die Tarifvertragsparteien die Zahlung der Wechselschichtzulage vom Einsatz des Beschäftigten in allen Schichtarten (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) abhängig machen. Nach § 7 Abs. 1 TVöD ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats herangezogen werden. Dabei sind "Wechselschichten" nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD, auf den § 7 Abs. 1 Satz 1 TvöD ausdrücklich Bezug nimmt, wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Wechselschichtarbeit setzt damit voraus, dass der Angestellte nach dem Schichtplan abwechselnd in allen Schichtarten (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) eingesetzt wird.

c. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom Arbeitsgericht angezogenen Entscheidungen vom 13.10.1993 (10 AZR 294/92 - a.a.O), vom 05.02.1997 - 10 AZR 639/96 - AP § 33 a BAT Nr. 14) und vom 09.12.1998 (10 AZR 207/98 - AP Nr. 15 zu § 33 a BAT).

aa. In seinem Urteil vom 13.10.1993 (10 AZR 294/92) hat der 10. Senat ausgeführt, Wechselschichtarbeit liege vor, wenn der Angestellte nach dem Schichtplan abwechselnd in allen Schichtarten (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht) zur Arbeit eingesetzt werde. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger, da er in den Monaten Mai und Juni 1991 abwechselnd in verschiedenen Arbeitsschichten tätig geworden sei; er habe Spätdienste, Frühdienste und Nachtdienste geleistet. Für die Zahlung der Wechselschichtzulage sei nicht vorauszusetzen, dass die verschiedenen Schichten (Früh-, Spät - , Nachtdienst) in einem annähernd gleichen Umfang geleistet werden.

bb. Aus der Entscheidung vom 05.02.1997 (10 AZR 639/96 - a.a.0) lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Zahlung einer Wechselschichtzulage nicht an einen Einsatz in allen Schichtarten geknüpft ist. Ausweislich des Tatbestandes arbeitete der Kläger im Klagezeitraum im Laufe eines Monats in ständig wechselnden Schichten mit der Besonderheit, dass er während der Nachschicht zu einem vierstündigen Bereitschaftsdienst eingeteilt war. Der Senat hat ausgeführt, dass ein Angestellter auch dann Wechselschichtarbeit leiste, wenn die tatsächliche Arbeitsleistung in einer Schicht durch Bereitschaftsdienst oder andere Umstände unterbrochen werde.

cc. Schließlich lässt sich auch aus der Entscheidung vom 09.12.1998 (10 AZR 207/98 - a.a.O.) nichts für die Rechtsauffassung der Klägerin herleiten. Der Kläger des zugrundeliegenden Rechtsstreits wurde unstreitig nach einem Dienstplan eingesetzt, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Früh-, Spät- und Nachtschicht vorsah. Der 10. Senat hat ausgeführt, dass der Anspruch auf die Wechselschichtzulage nicht berührt werde, wenn der Beschäftigte in der Früh- oder Spätschicht wegen Urlaub oder Krankheit keine Arbeitsleistung erbringe; nach der ständigen Rechtsprechung müsse nur die Nachschicht "geleistet" werden, während hinsichtlich der übrigen Schichten lediglich vorausgesetzt werde, dass der Arbeitnehmer nach einem Schichtplan "eingesetzt" werde, der Wechselschichten "vorsehe."

Mithin setzt die Zahlung einer Zahlung einer Wechselschichtzulage stets voraus, dass für den Beschäftigen selbst nach dem Schichtplan der Einsatz in Wechselschichten vorgesehen ist. Unschädlich ist lediglich, wenn der Beschäftigte wegen Urlaub oder Krankheit die Schichten, zu denen er herangezogen werden sollte, nicht leisten kann.

3. Auch Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sprechen dafür, dass die Wechselschichtzulage nur dem Beschäftigten zusteht, der in allen Schichtarten zur Arbeit eingesetzt wird. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung ist es, die sich aus der Wechselschicht und der Leistung einer bestimmten Mindestzahl von Arbeitsstunden in der Nachtschicht ergebene generelle Belastung zu vergüten.

4. Schließlich spricht auch die Tarifgeschichte dafür, die Wechselschichtzulage nur den Beschäftigen zuzusprechen, die tatsächlich Wechselschichtdienst leisten. Die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Wortlaut des § 33 a BAT nicht wortgetreu übernommen, sondern die Zahlung der Wechselschichtzulage in § 8 Abs. 5 TVöD daran geknüpft, dass der Beschäftigte Wechselschichtarbeit "leistet."

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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