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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 2142/05
Rechtsgebiete: TzBfG, KSchG, BGB, BAT


Vorschriften:

TzBfG § 12
TzBfG § 14
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 2
KSchG § 2 Satz 1
BGB § 133
BGB § 145
BGB § 157
BGB § 623
BAT § 22
BAT § 22 Abs. 2
Da in Grunderlassen dokumentierte Organisationsentscheidung des Landes, bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften in Grundschulen keine Vertretungslehrkraft mehr einzusetzen, die eigenständigen Vertretungsunterricht erteilen, ist von den Arbeitsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar.

Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob die Organisationsentscheidung überhaupt umgesetzt wurde und ob sie sich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf des gekündigten Arbeitnehmers entfallen ist.


LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 2142/05

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krönig, den ehrenamtlichen Richter Herrn Mülken, den ehrenamtlichen Richter Herrn Bakker für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 23.11.2005 - 3 Ca 438/05 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Die 1959 geborene, verheiratete, 2 Kindern zum gesetzlichen Unterhalt verpflichtete Klägerin trat auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages als nicht vollbeschäftigte Vertretungskraft an der Grundschule L. in die Dienste des beklagten Landes. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der schriftliche (unbefristete) Arbeitsvertrag vom 19.12.2003. Danach war die Klägerin als Aushilfsangestellte zur stundenweisen Erteilung von Vertretung auf Abruf nach den Vorgaben der §§ 12 und 14 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21.12.2000 mit durchschnittlich regelmäßig 7 Unterrichtsstunden (von 32 Unterrichtsstunden) wöchentlich, das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 322 Unterrichtsstunden im Schulhalbjahr, eingestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Die Klägerin war kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung in die Vergütungsgruppe V b BAT eingruppiert. Sie ist staatlich geprüfte Sport- und Gymnastiklehrerin.

Am 01.08.2004 trat der Runderlass des Kultusministers vom 03.02.2004 (301-31020-VORiS 22410) "Die Arbeit in der Grundschule" in Kraft. Darin heißt es auszugsweise:

1.2 Die Grundschule stellt für alle Schülerinnen und Schüler ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicher (Verlässliche Grundschule).

4.19 Durch unterrichtsergänzende Angebote stellt die Schule für die Schülerinnen und Schüler im 1. und 2. Schuljahrgang ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicher. Das Konzept für die unterrichtsergänzenden Angebote ist Teil des pädagogischen Konzepts der Schule. Für die unterrichtsergänzenden Angebote werden die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt, die im Rahmen eines Stundenbudgets von der Schule eingestellt werden.

4.1.11 Die Grundschule stellt in einem Vertretungskonzept dar, wie das mindestens täglich fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot für alle Kinder sichergestellt werden soll. Dabei ist bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften die Vertretung durch Lehrkräfte oder durch die pädagogischen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Schule vorzusehen. Das Vertretungskonzept ist mit den Erziehungsberechtigten abzustimmen.

Die Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule ist in dem Runderlass des Kultusministers vom 18.05.2004 (301/104 - 81 020/5 / 03 211/8 - VORIS 22410) wie folgt geregelt:

1. Vorbemerkungen

Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 tritt der neue Erlass "Die Arbeit in der Grundschule" vom 03.02.2004 in Kraft. Danach haben alle Schulen in Niedersachsen ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot zu gewährleisten. Neben den Lehrerstunden, die den Grundschulen gem. Erlass zur "Klassenbildung und Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen" vom 09.02.2004 zugewiesen werden, erhalten die Grundschulen ein Budget zur Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welches sich an der Anzahl der Schülerinnen und Schüler an der Schule orientiert. Die Schulen entscheiden in eigener Verantwortung, welche Personen sie mit welchem Stundenumfang beschäftigen und wie sie diese Personen einsetzen, um das täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot sicherzustellen. Hierfür erstellen sie in Zusammenarbeit mit den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Erziehungsberechtigten ein Konzept für die unterrichtsergänzenden Angebote sowie für die Vertretung bei kurzfristigen Ausfällen.

2. Einsatz der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Der Einsatz der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist so zu planen, dass das täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot für alle Schülerinnen und Schüler sichergestellt ist. Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können in folgenden Bereichen eingesetzt werden:

- unterrichtsergänzende Angebote laut Stundentafel im 1. und 2. Schuljahrgang,

- unterrichtsergänzende Angebote parallel zum evangelischen und katholischen Religionsunterricht,

- 2. Begleitkraft beim Schwimmunterricht,

- Beaufsichtigung/Betreuung von Klassen bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften (hierzu muss die Schule ein Vertretungskonzept erarbeiten),

- Unterstützung einer Lehrkraft im Unterricht.

4. Beschäftigungsverhältnisse der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Die Schulen können im Rahmen des ihnen zur Verfügung stehenden Budgets Beschäftigungsverhältnisse mit pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingehen. Für die Beschäftigungsverhältnisse gelten grundsätzlich der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die den BAT ergänzenden Tarifverträge.

Als pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können für die Tätigkeit an den Grundschulen je nach ihrer Qualifikation Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Erzieherinnen und Erzieher eingestellt werden. Ausgebildete Lehrkräfte können diese Aufgaben ebenfalls übernehmen, soweit sie bereit sind, entsprechende Tätigkeiten auszuüben.

4.1 Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Mit den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen je nach schulischem Bedarf Arbeitsverträge zum regelmäßigen Einsatz für schulspezifische unterrichtsergänzende Angebote und zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes (Stundenrahmenverträge) abgeschlossen werden können.

4.2 Vergütung

Die Tätigkeiten der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind als Aufgaben von Sozialpädagoginnen und - pädagogen sowie von Erzieherinnen und Erziehern anzusehen. Entsprechend der Qualifikation ist dieser Personenkreis wie folgt einzugruppieren:

- Verg. Gr. V b (g.D.) BAT

Sozialpädagoginnen- und pädagogen mit staatlicher Anerkennung sowie sonstige Angestellte mit gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen (hiernach können für diese Tätigkeit auch Lehrkräfte mit 1. Staatsprüfung für ein Lehramt in die Verg. Gr. V b BAT eingruppiert werden.)

- Verg. Gr. VI b BAT

Erzieherinnen und Erzieher mit staatlicher Anerkennung sowie sonstige Angestellte mit gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen (z. B. auch Kindergärtnerinnen und Kindergärtner)

- Verg. Gr. VII BAT

Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern

(wenn keine gleichwertige Qualifikation vorliegt, z. B. Kinderpflegerinnen und -pfleger, Spielkreisleiterinnen und -leiter, Lehratmstudentinnen und -studenten u. a.).

Nach Erteilung der personalvertretungsrechtlichen Zustimmung durch die Einigungsstelle kündigte die Landesschulbehörde das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 25.07.2005 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30.09.2005. Zur Begründung führte die Landesschulbehörde aus, der neue Grunderlasse "Die Arbeit in der Grundschule" vom 03.02.2004 sehe zur Sicherstellung des täglich fünfstündigen Schulangebotes ab 01.08.2004 den Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für unterrichtsergänzende Angebote und für Vertretungsaufgaben bei kurzfristigen Ausfällen anstelle der bisherigen Vertretungs- und Betreuungskräfte vor. Aufgrund dieser Veränderungen sei eine Weiterbeschäftigung der Vertretungs- und Betreuungskräfte nicht mehr möglich, da das neue Grundschulkonzept diese Beschäftigungsform nicht mehr vorsehe. Zugleich bot die Landesschulbehörde der Klägerin ein neues unbefristetes Arbeitsverhältnis als pädagogische Mitarbeiterinnen unter folgenden Arbeitsbedingungen an:

§ 1

Frau S. wird als nicht vollbeschäftigte pädagogische Mitarbeiterin zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes nach den Vorgaben des § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21.12.2000 in der jeweils geltenden Fassung mit durchschnittlich regelmäßig 7 Stunden wöchentlich, das entspricht einer Gesamtstundenzahl 280 Stunden im Schuljahr (durchschnittliche Wochenstundenzahl x 40 Wochen im Schuljahr bzw. x Anzahl der Schulwochen bei kürzeren Zeiträumen) an der Grundschule L. ab 01.10.2005 unbefristet eingestellt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TDL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

§ 3

Die Angestellte ist Kraft dieses Arbeitsvertrages in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert.

§ 6

Es werden folgende Nebenabreden vereinbart:

1. Während der den tariflichen Erholungsurlaub übersteigenden Schulferienzeit wird Befreiung von der Arbeitsleistung erteilt. Zum Ausgleich wird Vergütung - unter Berücksichtigung der Ferienzeitregelung - für durchschnittlich 7 x 0,94 Stunden gewährt.

Das Vertretungskonzept der Grundschule L. vom 04.10.2004 hat folgenden Inhalt:

Vertretungskonzept

Im Falle der Vertretung soll wie folgt verfahren werden

1. Auflösung von "Doppelbesetzungen"

2. Einsatz von Kolleginnen

3. Einsatz von Pädagogische Mitarbeitern

- Frau S. (Vertretungslehrerin)

- Frau N.

- Frau V.

- Frau S1

Dabei ist immer wieder neu zu prüfen, wie ist die größtmögliche Kontinuität der Unterrichtsversorgung für die Schüler an beiden Standorten am besten gewährleistet.

Am 10.10.2005 verabschiedete die Gesamtkonferenz an der Grundschule L. ein Vertretungskonzept, das die Leiterin der Schule in einem Schreiben an die Landesschulbehörde wie folgt konkretisierte:

Bei Ausfall einer Lehrkraft geht die Schule nach folgenden Grundsätzen vor:

- die Schulleitung versucht zunächst, Lehrkräfte zur Vertretung einzusetzen, und prüft, ob Doppelbesetzungen aufgelöst werden können und die Anordnung von Mehrarbeit möglich ist. Dabei ist darauf zu achten, dass Fächer und Klassen gleichmäßig betroffen werden, ggf. wird der Stundenplan geändert,

- im günstigsten Fall stellt die fehlende Lehrkraft entsprechendes Unterrichtsmaterial für die Vertretung zur Verfügung,

- Teams übernehmen in den Klassen die Versorgung der Pädagogischen Mitarbeiter mit Arbeitsmaterial, dabei ist wichtig, dass Lehrkräfte und PM langfristig - auch schon während der Planung - zusammen arbeiten,

- Nur in absoluten Notfällen beaufsichtigt eine Lehrkraft kurzfristig zwei Klassen.

- Bei längerfristigem Fehlen einer Lehrkraft wird die Landesschulbehörde informiert, damit gegebenenfalls eine Feuerwehrlehrkraft eingesetzt werden kann.

Die Klägerin hat die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen und sich mit ihrer am 19.08.2005 beim Arbeitsgericht Göttingen erhobenen Klage gegen die Kündigung gewandt. Sie hält die Änderungskündigung für unwirksam und hat geltend gemacht, dem beklagten Land stehe ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht zur Seite. Die Dringlichkeit werde schon dadurch in Frage gestellt, dass sich das beklagte Land nach In-Kraft-Treten des Grunderlasses fast ein Jahr Zeit gelassen habe, bevor es sich zur Änderungskündigung entschlossen habe. Faktisch habe sich ihre Tätigkeit in der Schule vor Ort nicht nennenswert geändert. Schließlich sei die Änderungskündigung aber auch deshalb sozial ungerechtfertigt, weil sich aus der Heraufsetzung der Bezugsarbeitszeit (von 38,5 auf 40 Stunden) mittelbar eine Lohnsenkung ergebe.

Die Klägerin hat beantragt festzustellen,

dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 25.07.2005 unwirksam ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat geltend gemacht, die Landesregierung habe sich in ihrem neuen Grundschulkonzept entschlossen, in Fällen der Vertretung statt eines eigenständigen Vertretungsunterrichts die Beaufsichtigung bzw. Betreuung durch pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach dem von jeder Grundschule zu erarbeitenden Vertretungskonzept zu organisieren. Hierbei handele es sich um eine Unternehmerentscheidung, die aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei. Die pädagogischen Mitarbeiter würden nicht unterrichtend wie eine Lehrkraft tätig. Sie betreuten den Unterricht, für den die Lehrkraft der Schule die Verantwortung trage.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 23.11.2005 stattgegeben. Gegen das ihm am 07.12.2005 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 13.12.2005 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 06. März 2006 begründet.

Das beklagte Land trägt vor, es habe die Entscheidung getroffen, in den Grundschulen keine sogenannten Vertretungslehrkräfte mehr einzusetzen, die eigenständigen Vertretungsunterricht erteilen. Vielmehr sollten kurzfristig ausfallende Lehrkräfte von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vertreten werden, die Tätigkeiten der Beaufsichtigung und Betreuung wahrzunehmen haben. Dies stelle eine Entscheidung dar, die einzig daraufhin zu überprüfen sei, ob sie unsachlich, willkürlich oder offensichtlich unzweckmäßig sei. Die angespannte Finanzlage des beklagten Landes sei Ursache dafür, dass auf den Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurückgegriffen werde, die lediglich Aufgaben der Betreuung und Beaufsichtigung leisten. Die damit einhergehende qualitative Minderung der schulischen Ausbildung sei vor dem Hintergrund des Zwanges zur Kosteneinsparung nicht unsachgerecht. Die Änderung der Organisation des beklagten Landes liege auch tatsächlich vor und wirke sich dahingehend aus, dass für die weitere Beschäftigung der Klägerin in ihrer Funktion als Vertretungslehrkraft kein Bedarf mehr bestehe.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des ArbG Göttingen vom 23.11.2005 - 3 Ca 438/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, ihre Arbeitsbedingungen hätten sich nicht wahrnehmbar geändert. Sie erteile nach wie vor Unterricht; die ihr gegebenen Vorgaben änderten daran nichts. Die Verfahrensweise an der Grundschule L. sei nicht etwa außergewöhnlich, sondern entspreche derjenigen an allen Grundschulen in Niedersachsen.

Nach dem das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfe sich bei Ausspruch einer Änderungskündigung keine der angebotenen Änderungen weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Anpassung an die geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten erforderlich sei. Unter diesem Aspekt sei die von dem beklagten Land anlässlich der Änderungskündigung vorgenommene Herabgruppierung von der Vergütungsgruppe V b in die Vergütungsgruppe VI b unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Änderungsangebot des beklagten Landes vom 25.07.2005 ist nicht hinreichend bestimmt. Zudem ist die Änderungskündigung vom 25.07.2005 nicht sozial gerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2, § 2 KSchG.

I.1. Eine Änderungskündigung ist nach der Legaldefinition aus § 2 Satz 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen hinzukommen. Dieses (Änderungs-) Angebot muss wie jedes Angebot im Sinne von § 145 BGB eindeutig bestimmt bzw. bestimmbar sein (vgl. BAG Urteil v. 17.05.2001 - 2 AZR 460/00 - EzA BGB § 620 Kündigung Nr. 3; v. 16.09.2004 - 2 AZR 628/03 - § 2 KSchG 1969 Nr. 78). Das angestrebte Rechtsgeschäft muss vom Empfängerhorizont aus beurteilt in sich verständlich und geschlossen sein. Dem gekündigten Arbeitnehmer muss ersichtlich sein, welche (wesentlichen) Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis zukünftig haben soll. Nur so kann der Arbeitnehmer seine Entscheidung über das Angebot in Kenntnis aller wesentlichen Vertragsbedingungen bzw. -änderungen treffen. Dabei genügt eine "Bestimmbarkeit" des Angebots. Der Inhalt der Offerte ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu interpretieren und zu bestimmen. Ist danach das Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, so führt dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung.

2. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich nicht nur auf die Änderungskündigung, sondern auch auf das Änderungsangebot. Auch das nach § 623 BGB formgebundene Änderungsangebot ist zunächst nach § 133 BGB auszulegen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB entspricht (vgl. BAG Urteil v. 16.09.2004 - 2 AZR 628/03 - a.a.O.).

3. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war das im Schreiben vom 25.07.2005 enthaltene Änderungsangebot des beklagten Landes im Hinblick auf die zu ändernden Vertragsbedingungen vom Empfängerhorizont der Klägerin aus nicht hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar. Die veränderte Tätigkeit der Klägerin wird nicht inhaltlich umrissen, sondern nur als Tätigkeit einer pädagogischen Mitarbeiterin bezeichnet. Die Bezugnahme auf den Grunderlass "Die Arbeit in der Grundschule" vom 03.02.2004 lässt einen Schluss auf den Inhalt der künftig geschuldeten Arbeitsleistung ebenfalls nicht zu. Dieser Erlass regelt lediglich unter 4.1.11, dass bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften die Vertretung durch Lehrkräfte oder durch die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule vorzusehen ist. Die Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule ist hingegen im Runderlass des Kultusministers vom 18.05.2004 geregelt, der in der Änderungskündigung vom 25.07.2005 keine Erwähnung gefunden hat. Mithin war für die Klägerin allein aus dem Kündigungsschreiben und dem Bezugserlass nicht erkennbar, worin inhaltlich der Unterschied zwischen den Aufgaben einer Vertretungskraft und einer pädagogischen Mitarbeiterin "für Vertretungsaufgaben bei kurzfristigen Ausfällen" besteht.

II. Die Änderungskündigung des beklagten Landes vom 25.07.2005 ist ferner nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2, § 2 KSchG.

1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (BAG Urteil v. 22.04.2004 - 2 AZR 385/03 - AP § 2 KSChG 1969 Nr. 74). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ablehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat.

2. Die die ordentliche Änderungskündigung sozial rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (BAG Urteil v. 22.04.2004 - 2 AZR 385/03 - AP § 2 KSchG 1969 Nr. 74). In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen oder Überlegungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Im öffentlichen Dienst kann eine solche Entscheidung z. B. darin liegen, dass in einem Haushaltsplan eine Stelle gestrichen, ein sog. kw-Vermerk angebracht oder aus einem Personalbedarfsplan der Wegfall einer Stelle ersichtlich wird (vgl. BAG Urteil v. 07.10.2004 - 2 AZR 122/04 - § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung Nr. 129). Vorliegend hat das beklagte Land die Entscheidung getroffen, in den Grundschulen keine Vertretungslehrkräfte mehr einzusetzen, die eigenständigen Vertretungsunterricht erteilen, sondern kurzfristig ausfallende Lehrkräfte von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vertreten zu lassen. Diese Organisationsentscheidung ist in den Erlassen des Kultusministers vom 03.02. und 18.05.2004 dokumentiert. Die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt überprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob die Organisationsentscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, dass der Beschäftigungsbedarf des gekündigten Arbeitnehmers entfallen ist.

Der Erlass des Kultusministers vom 03.02.2004 rechtfertigt isoliert betrachtet den Ausspruch der im Streit stehenden Änderungskündigung nicht. Vielmehr muss ein auf die Verhältnisse der konkreten Grundschule zugeschnittenes Vertretungskonzept hinzukommen. Das ergibt sich schon aus dem Inhalt des Erlasses. Nach den in Ziff. 4.1.11 enthaltenen Vorgaben stellt die Grundschule in einem Vertretungskonzept dar, wie das mindestens täglich fünf Zeitstunden umfassende Schulangebot für alle Kinder sichergestellt werden soll. Dabei ist bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrkräften die Vertretung durch Lehrkräfte oder durch die pädagogischen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Schule vorzusehen.

Das beklagte Land hat trotz gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt, zum Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigung sei die Prognose gerechtfertigt gewesen, spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde der Bedarf für die Weiterbeschäftigung der Klägerin als Aushilfsangestellte zur stundenweisen Erteilung von Vertretung auf Abruf entfallen. Das beklagte Land kann insoweit nicht auf das bereits mehr als acht Monate vor Ausspruch der Kündigung (27.05.2005) erstellte Vertretungskonzept der Grundschule L. vom 04.10.2004 verweisen. Aus diesem Konzept geht nicht hervor, ob und in welcher Weise das neue Grundschulkonzept umgesetzt worden ist. Im Gegenteil: Die Klägerin wird ausdrücklich als Vertretungslehrkraft bezeichnet. In dem undatierten Schreiben an die Landesschulbehörde - Abteilung Braunschweig - weist die Leiterin der Grundschule L. zwar darauf hin, dass in der Gesamtkonferenz vom 10.10.2005 ein Konzept verabschiedet worden sei (B. 48 d.A.). Den konkreten Inhalt und die Realisierung dieses Konzeptes an der Grundschule L. hat das beklagte Land indes nicht vorgetragen. Es ist ferner nicht substantiiert dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten, ihre Tätigkeit habe sich nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht wesentlich verändert; sie erteile nach wie vor Vertretungsunterricht.

3. Das beklagte Land hat sich, selbst wenn der von ihm geltend gemachte an sich anerkennenswerte Anlass für das Änderungsangebot vorlag, nicht darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die die Klägerin billigerweise hätte hinnehmen müssen.

Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen (vgl. BAG Urteil v. 23.06.2005 - 2 AZR 642/04 - § 2 KSchG 1969 Nr. 81). Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d. h.: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist.

a. Als einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts es gewertet, wenn der Arbeitgeber ein Vertragsangebot unterbreitet, das einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beinhalten würde (vgl. BAG Urteil v. 03.07.2003 - 2 AZR 617/02 - AP § 2 KSchG 1969 Nr. 73). Der 2. Senat hat darüber hinaus stets geprüft, ob die kündigende Vertragsparteil mit ihrer Kündigung ein rechtlich zulässiges Ziel erstrebt, ob also im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine Änderung des Arbeitsvertrages, wie sie mit der Änderungskündigung erstrebt wird, tariflich zulässig ist (BAG Urt. v. 10.02.1999 - 2 AZR 422/98 - AP § 2 KSchG Nr. 52).

b. Für die Beschäftigungsverhältnisse der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten grundsätzlich der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die den BAT ergänzenden Tarifverträge (Ziff. 4 des Erlasses v. 18.05.2004). In Umsetzung des Erlasses haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrages die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Nach § 22 Abs. 2 BAT ist der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Für die Eingruppierung der Klägerin sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT maßgebend. Danach sind in die Vergütungsgruppe V b (Fallgruppe 10) Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte eingruppiert, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. In die Vergütungsgruppe VI b (Fallgruppe5) sind Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte eingruppiert, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Die von den pädagogischen Mitarbeitern ausgeübte Tätigkeit kann dem Beruf des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen als auch dem Berufsbild einer Erzieherin/eines Erziehers zuzurechnen sein. Mit der Abgrenzung der Berufsbilder der Erzieherin und des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen hat sich der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits mehrfach befasst. Er hat diese Berufsbilder in seiner Entscheidung vom 26.07.1995 (4 AZR 318/94 - AP § 12 AVR Caritasverband Nr. 8) ausführlich dargestellt und bei ihrer Abgrenzung festgestellt, dass diese weitreichende Gemeinsamkeiten aufweisen und sich in breiten Tätigkeitsfeldern überschneiden. Für Tätigkeiten im Überschneidungsbereich hat der Senat entschieden, dass sich die Eingruppierung nach der Tätigkeit richte, die der Gesamttätigkeit das Gepräge gebe. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des 1. Senats, der in seinem Beschluss vom 20.04.1994 (1 ABR 49/93 - ZTR 1995, 364) angenommen hat, für die Eingruppierung müsse danach entschieden werden, worin sich die typischen Inhalte dieser Berufe unterscheiden. Anhand der Schwerpunkte der beiden Berufsbilder sei zu ermitteln, welche Tätigkeiten im Überschneidungsbereich vorrangig dem einen und erst in zweiter Linie dem anderen Beruf zuzuordnen seien.

Die Prüfung, ob die Tätigkeit einer pädagogischen Mitarbeiter in erster Linie dem Berufsbild der Erzieherin oder derjenigen des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen zuzuordnen ist, welche also dem einen oder anderen Beruf zugeordnete Tätigkeit ihr das Gepräge gibt, ist hier jedoch entbehrlich. Das beklagte Land differenziert bei der Eingruppierung der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein nach der Qualifikation. Sozialpädagogen und -pädagoginnen mit staatlicher Anerkennung erhalten - unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit - eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT, Erzieherinnen und Erzieher mit staatlicher Anerkennung hingegen eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT. Das beklagte Land verstößt gegen § 22 BAT und den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn es für die Frage der Eingruppierung allein auf das Berufsbild und nicht auf eine dem Berufsbild entsprechende Tätigkeit abstellt.

C. Die Berufung des beklagten Landes war daher mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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