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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 690/02
Rechtsgebiete: ETV-Arb, TzBfG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ETV-Arb § 23
ETV-Arb § 24
ETV-Arb § 25
TzBfG § 2
TzBfG § 3
TzBfG § 4
TzBfG § 4 Abs. 2
TzBfG § 17
ZPO § 256
KSchG § 7
§ 23 ETV-Arb Nr. 75 d (Deutsche Post), der die Zahlung einer Besitzstandszulage von dem Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag abhängig macht, verstößt weder gegen Art. 3 GG noch gegen § 4 Abs. 2 TzBfG.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 690/02

Verkündet am: 15.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krönig und die ehrenamtlichen Richter von Wedemeyer und Kelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbG Göttingen vom 20.03.2002 - 3 Ca 574/01 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist seit dem 09.10.1998 in der Niederlassung der Beklagten in der Abteilung stationäre Bearbeitung als Sortiererin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst mehrfach befristet, zuletzt gemäß Arbeitsvertrag vom 29.09.2000 für die Zeit vom 01.10.2000 bis längstens 31.03.2001 Die Wirksamkeit der Befristung wurde von der Klägerin nicht angegriffen. Seit dem 01.04.2001 besteht zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitszeit von 15 Wochenstunden.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Post AG Anwendung.

Die Deutsche Post AG und die Deutsche Postgewerkschaft schlossen am 21.03.2000 eine "Eckpunktevereinbarung". Diese umfasst eigenständige tarifvertragliche Regelungen zur Gestaltung der Arbeitszeit, als Sofortmaßnahmen zur Entlastung in der Zustellung die Übernahme von 1.200 befristet Beschäftigten in unbefristete Arbeitsverhältnisse, Grundsätze der Neuregelung der Entlohnung einschließlich einer Besitzstandsregelung, den Ausschluss von Fremdvergabe von Zustellbezirken an ein anderes Unternehmen bis zum 31.12.2003, sowie den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.2004.

Entsprechende Tarifverträge wurden in der Folgezeit abgeschlossen, darunter am 28.04.2000 der Tarifvertrag Nr. 75 d mit Wirkung ab 01.01.2001.

Dieser Tarifvertrag beinhaltet eine deutliche Absenkung der Vergütung.

Ferner wurden folgende Besitz- und Rechtsstandsregelungen vereinbart:

§ 23 Geltungsbereich für § 24 und § 25

Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.

§ 24

Besitzstand Lohn

Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Lohn) gemäß Anlage 6.

§ 25

Besitzstand Zulagen, Zuschläge und Entschädigungen

Der Arbeiter erhält eine monatlich zu zahlende Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Zuschläge) gemäß Anlage 9.

Seit Januar 2001 bezieht die Klägerin eine Vergütung auf der Basis des neuen Entgelttarifvertrages (künftig: ETV-Arb). Besitzstandszulagen wurde ihr nicht gewährt mit der Begründung, sie habe am 31.12.2000 nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Ausschluss befristet Beschäftigter in den tariflichen Besitzstandsklauseln verstoße sowohl gegen Art. 3 GG als auch gegen § 4 Abs. 2 TzBfG.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 20.03.2002 stattgegeben.

Gegen das ihr am 15.04.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.05.2002 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 15.07.2002 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, § 23 ETV-Arb sei weder wegen Verstoßes gegen grundgesetzliche Regelungen noch wegen Verstoßes gegen einfachgesetzliche Regelungen wie § 4 TzBfG unwirksam. § 4 Abs. 2 TzBfG sei lediglich eine einfachgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei schon fraglich, ob eine Ungleichbehandlung überhaupt vorliege. Wegen der Einführung des variablen Entgelts sei gar nicht gesichert, dass die Klägerin tatsächlich ein geringeres Jahresentgelt erhalte als ein vergleichbarer Arbeiter, dessen Besitzstand gesichert sei.

Sie könne sich zudem auf Vertrauensschutz berufen, da zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Besitzstandsregelung die Einführung des § 4 Abs. 2 TzBfG noch nicht erkennbar gewesen sei. Selbst wenn man dem nicht folge und darin eine Schlechterstellung sehe, dass ehemals befristet beschäftigte Arbeitnehmer wie die Klägerin keinen Anspruch auf Besitzstand hätten, ergebe sich auch bei Anwendung des § 4 Abs. 2 TzBfG kein Anspruch; denn es gebe sachliche Gründe für eine eventuelle Schlechterstellung.

Die Konzeption des neuen Entgeltsystems sei darauf ausgelegt, dass alle Beschäftigten dem neuen Entgeltsystem unterliegen. Gerade die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis auf lange Zeit, nämlich unbefristet angelegt sei, hätten sich in der Regel auf Dauer auf dieses Arbeitsverhältnis eingerichtet. Demgegenüber sei der befristet Beschäftigte typischerweise auf das Ende seines Arbeitsverhältnisses und damit auf einen potenziellen Wechsel des Arbeitgebers eingestellt. Typisierungen dieser Art lasse die Rechtsprechung im Regelfall zu.

Eine endgültige Absenkung des Entgelts würde bei unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern angesichts der im Regelfall viele Jahre betragenden Dauer zu einer hohen Demotivation führen. Dies habe im Interesse der durch die Tarifvertragsparteien vertretenen Arbeitsvertragsparteien durch die Gewährung von Besitzstandszulagen vermieden werden sollen. Demgegenüber erscheine für befristet Beschäftigte angesichts der typischerweise kürzeren Dauer des Arbeitsverhältnisses die Einkommenseinbuße hinnehmbar.

Befristet Beschäftigte verfügten über eine geringere Bindung an das Unternehmen. Ihnen sei deshalb sowohl rechtlich als tatsächlich erheblich leichter möglich, dass mit ihr bestehende Vertragsverhältnis zu beenden, um einer Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse durch einen Arbeitsplatzwechsel zu entgehen. Bereits dieser Umstand rechtfertige es, sie von Besitzstandsregelungen auszunehmen.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer in der Regel jünger als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer seien. Ihnen falle es deshalb im Falle einer Unzufriedenheit mit dem neuen Entlohnungssystem auch leichter, das Unternehmen zu verlassen und sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Unbestritten seien die Chancen jüngerer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt deutlich besser als diejenigen älterer Arbeitnehmer. Dies werde noch durch die Überlegung verstärkt, dass jüngere Arbeitnehmer in der Regel flexibler als ältere Arbeitnehmer seien. Die in der Regel älteren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer bedürften demgegenüber des Schutzes der Besitzstandsregelungen, um die Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt und die verloren gegangene Flexibilität aufzufangen.

Hinzu komme, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer tendenziell eine geringere Gewerkschaftsbindung als Arbeitnehmer hätten, die befristet tätig seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des ArbG Göttingen vom 20.03.2002 - 3 Ca 574/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen unbefristet und befristet Beschäftigten bestehe nicht. Voraussetzung wäre, dass die Beklagte Arbeitnehmergruppen aus sachlichen Gründen ungünstiger behandeln dürfe, als andere Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Die Beklagte müsse also Vergleichsgruppen bilden, die sich aufgrund bestimmter Umstände oder Merkmale mit der benachteiligten Gruppe in einer im Wesentlichen übereinstimmenden Lage befinden.

Herausgreifend sei tarifvertraglich nur die - negativ abgegrenzte - Gruppe der befristet beschäftigten Arbeitnehmer genannt. Diese würden ab- oder ausgegrenzt gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern. Merkmal sei also allein die Befristung. Befristet beschäftigten Arbeitnehmern sollten nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien gewünschte Entgelteinsparungen unmittelbar und direkt angelastet werden. Damit würden die befristet beschäftigten Arbeitnehmer herausgegriffen, eben im Vergleich zu unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern diskriminiert. Ein anderes Kriterium sei in dem Tarifvertrag nicht aufgeführt, werde zur Verteidigung von der Beklagten auch nicht genannt. Ein Sachgrund fehle mithin, wie das angefochtene Urteil beanstandungsfrei ausgeführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Besitzstandszulagen nach §§ 24, 25 ETV-Arb nicht zu.

I.

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Insbesondere mit Rücksicht auf die rechnerischen Schwierigkeiten, die mit der Bezifferung eines Zahlungsantrages für mehrjährige Anspruchszeiträume verbunden wären, hat die Rechtsprechung Klagen auf Feststellung von Ansprüchen auf Zulagen als zulässig angesehen (BAG Urt. v. 23.11.1994 - 4 AZR 883/93 - AP Nr. 1 zu § 37 MTB II).

II.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Nach § 23 ETV-Arb finden die Regelungen der §§ 24 und 25 nur Anwendung auf Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu der Beklagten standen und stehen.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin stand am 31.12.2000 nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Vielmehr war das Vertragsverhältnis nach dem Arbeitsvertrag vom 29.09.2000 befristet für die Zeit vom 01.10.2000 bis zum 31.03.2001.

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, die letzte Befristung sei unwirksam mit der Folge, dass sie bereits am 31.12.2000 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden habe. Denn sie hat die Rechtswirksamkeit der Befristung nicht innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages gerichtlich geltend gemacht. Dies hat gemäß § 17 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG zur Folge, dass die Befristung materiell-rechtlich als von Anfang an rechtswirksam gilt.

2.

Die Regelung über die Zahlung einer Besitzstandszulage (§ 23 ETV-Arb) verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Klägerin kann die von ihr geltend gemachten Zulagen deshalb auch nicht unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen.

a)

Der geltend gemachte Anspruch kann sich für die Klägerin nur aus dem Tarifvertrag ergeben, nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die beklagte Arbeitgeberin wendet auch im Verhältnis zur Klägerin nur tarifliche Bestimmungen an. Sie hat den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nicht eigenständig gestaltet. Damit hat sie auch keine eigene Ordnung geschaffen, an der sie sich nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz festhalten lassen müsste. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung oder wegen einzelvertraglicher Inbezugnahme anzuwenden ist. Mit der Einbeziehung der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer verändert der Arbeitgeber nicht den Regelungsgehalt, er hält sich vielmehr an die vorgegebene Ordnung, die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt wurde (BAG Urt. v. 17.10.1995 - 3 AZR 882/94 - AP Nr. 132 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

b)

Auch die Tarifvertragsparteien haben den allgemeinen Gleichheitssatz als ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie zu beachten (BAG Urt. v. 31.01.2002 - 6 AZR 36/01 - EzA Art. 3 GG Nr. 95). Allerdings ist noch immer umstritten, wie die mittelbare oder unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte begründet werden kann und ob sich aus den verschiedenen Herleitungen unterschiedliche Maßstäbe für die richterliche Überprüfbarkeit von Tarifverträgen ergeben. Insbesondere ist noch offen, ob und inwieweit sich aus der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Auffassung vom Schutzauftrag der Grundrechte (BVerfG Beschl. v. 19.10.1993 - 1 BvR 567/89 - AP Nr. 35 zu Art. 2 GG) generell eine andere und geringere Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte ergibt als für den Staat (Dieterich, in: FS Schaub, S. 117; Schliemann, in: FS Hanau, S. 577; A. Wiedemann, Die Bindung der Tarifnormen an Grundrechte, 1994, 108; Singer, ZfA 1995, 611; krit. aber etwa Gamillscheggg, RdA 1998, 2; AuR 2001, 226; Hanau, ZTR 2001, 1).

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in der von der Beklagten angezogenen Entscheidung vom 30.08.2000 (4 AZR 563/99 - AP Nr. 25 zu § 4 TVG Geltungsbereich) angenommen, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Regelungen des persönlichen Geltungsbereichs keiner unmittelbaren Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen, sondern wegen ihres insoweit vorrangigen Grundrechts der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG bis zur Grenze der Willkür frei sind, in eigener Selbstbestimmung den persönlichen Geltungsbereich ihrer Tarifregelungen festzulegen, und dass die Grenze der Willkür erst überschritten ist, wenn die Differenzierung den persönlichen Geltungsbereich unter keinem Gesichtspunkt, auch koalitionspolitischer Art, plausibel erklärbar ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich weder der Entscheidung vom 30.08.2000 noch den Urteilen vom 29.08.2001 (4 AZR 352/00 - AP Nr. 291 zu Art. 3 GG) und 29.11.2001 (4 AZR 762/00 - AP Nr. 296 zu Art. 3 GG) entnehmen, "das Bundesarbeitsgericht" lasse "keinen Zweifel daran aufkommen", dass der Maßstab für die Überprüfung der Tarifverträge wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bei inhaltlich differenzierenden Regelungen in demselben Tarifvertrag bzw. Tarifwerk nicht prinzipiell anders sei als bei der Regelung des persönlichen Geltungsbereichs. Der Vierte Senat hat die Beantwortung dieser Frage ausdrücklich offen gelassen.

c)

Es spricht zwar einiges dafür, dass die Tarifvertragsparteien nicht unmittelbar an Individualgrundrechte wie Art. 12 GG gebunden sind, die vor staatlichen Eigriffen in individuelle Eingriffe schützen sollen (Art. 1 Abs. 3 GG). Tarifnormen, die von den Tarifvertragsparteien in Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG geschaffen worden sind, beruhen auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie, auf dem privatautonomen Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder, die sich mit der Wahrnehmung ihres individuellen Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG bestehendem und künftigem Tarifrecht unterwerfen. Die normative Rechtsetzung durch die Tarifvertragsparteien ist unter diesen Umständen nicht mit einer Fremdeinwirkung durch den staatlichen Normgeber vergleichbar, so dass eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Abwehrrechte des Grundgesetzes ausscheiden könnte. Die Tarifunterworfenen bleiben allerdings auch in diesem Fall nach Maßgabe der Wertentscheidungen der Grundrechte mittelbar geschützt. Die staatlichen Grundrechtsadressaten, insbesondere die Gerichte, sind gehalten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (BAG Urt. v. 25.02.1998 - 7 AZR 641/96 - AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; Urt. v. 11.03.1998 - 7 AZR 700/96 - AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; Urt. v. 11.03.1998 - 7 AZR 101/97 - AP Nr. 8 zu § 59 BAT; Urt. v. 04.04.2000 - 3 AZR 729/98 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Gleichbehandlung; Dieterich a. a. O.).

Diese Bewertungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, die Tarifvertragsparteien seien auch nicht unmittelbar an die Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote aus Art. 3 GG gebunden. Dem stehen Besonderheiten dieser Grundrechte entgegen. Es geht hier nicht um individuelle Freiheitsrechte, sondern um Individualrechtspositionen im Vergleich der Rechtsunterworfenen zueinander. Ziel des Grundrechtsschutzes nach Art. 3 GG ist die Sicherstellung einer gerechten Ordnung, die Gewährleistung von Verteilungsgerechtigkeit in der Gruppe. Die Gleichbehandlungsgebote der Verfassung sind damit fundamentale Handlungsanleitungen an jeden Normgeber. Sie haften der Normsetzung als solche an, die unabhängig von ihrer gebündelt privatautonomen Herleitung wesentlicher Teil der Gestaltungsaufgabe der Koalitionen ist. Der privatautonome Verbandsbeitritt kann von ihrer Einhaltung nicht dispensieren, sondern er verstärkt die sich aus ihnen ergebenden Verhaltenspflichten. Es ist gerade Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen, um derentwillen der Verbandsbeitritt erfolgt, dass allgemein geltende Bestimmungen geschaffen werden, die aufgrund der Umstände ihrer Entstehung, insbesondere der Verteilung von Verhandlungsmacht, besser als individuelle Vertragsverhandlungen geeignet sind, Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen. Im Verbandsbeitritt kann daher auch immer nur die Unterwerfung unter eine dieser Ordnungsaufgabe gerecht werdende tarifvertragliche Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen liegen (BAG Urt. v. 04.04.2000 - a. a. O.; Dieterich, a. a. O.; Gamillschegg, a. a. O.).

d)

Allerdings ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen im Hinblick auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere steht den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Regelungsfolgen geht, und ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG Urt. v. 18.05.1999 - 9 AZR 419/98 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fleischerhandwerk; Urt. v. 29.08.2001 - a. a. O.; Urt. v. 29.11.2001 - a. a. O.). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben (BAG Urt. vom 23.06.1994 - 6 AZR 911/93 - AP Nr. 13 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR). Auch der Kompromisscharakter von Tarifverträgen als Verhandlungsergebnis divergierender Interessen muss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (Dieterich, a. a. O.). Im Übrigen können die Tarifvertragsparteien im Interesse praktikabeler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen typisierende Regelungen, insbesondere Stichtagsregelungen treffen (BAG Urt. vom 28.07.1992 - 9 AZR 308/90 - AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität). Deshalb kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG Urt. 29.08.2001 - a. a. O.).

e)

Bei Anlegung dieser Prüfungsmaßstäbe liegt der von der Klägerin behauptete Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vor. Die Tarifvertragsparteien haben in § 23 ETV-Arb zwei Differenzierungen vorgenommen. Sie haben zum einen die Zahlung einer Besitzstandszulage an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 31.12.2000/01.01.2001 geknüpft. Zum anderen haben sie die Zahlung vom Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Stichtag abhängig gemacht.

aa)

Die Stichtagsregelung ist nicht zu beanstanden; im Rahmen der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG und der daraus resultierenden Einschätzungsprärogative und des Ermessensspielraums steht es den Tarifvertragsparteien frei, festzulegen, wer eine Besitzstandszulage erhalten und wie der Kreis der Anspruchsberechtigten eingegrenzt werden soll. Die konkret getroffene Regelung erscheint auch nicht willkürlich; es liegt nahe, die Besitzstandszulage zunächst einmal solchen Arbeitnehmern zu gewähren, die zuvor in einem Entgeltsystem gestanden haben, das ihnen die Ausgangsvergütung gebracht hat, die mit der Besitzstandszulage nunmehr (wieder) erreicht werden soll. Ein Bedürfnis zur Einbeziehung solcher Arbeitnehmer, die erst nach dem 01.01.2001 eingetreten und mithin an der Ausgangsvergütung im Jahr 2000 nicht partizipiert haben, erscheint nicht zwingend; jedenfalls ist der von den Tarifvertragsparteien eingeschlagene Weg der Normierung eines Stichtages insoweit nicht zu beanstanden. Denn die Tarifvertragsparteien wollen beim Aushandeln tarifvertraglicher Regelungen abschätzen, welche Belastungen durch die Neuregelung erwachsen. Wenn sie sich daher für oder gegen eine Stichtagsregelung aussprechen und damit versuchen, die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen in vertretbaren und überschaubaren Grenzen zu halten, so sind dies allein schon sachliche Gründe. Finanzielle und finanzpolitische Erwägungen rechtfertigen unterschiedliche Regelungen; es stellt keine willkürliche Differenzierung dar, wenn darauf abgestellt wird, ob ein Arbeitnehmer bereits vor oder nach einem bestimmten Stichtag bei dem Arbeitgeber beschäftigt war oder nicht (BAG Urt. v. 05.11.1997 - 4 AZR 178/96 - AP Nr. 39 zu § 23 a BAT).

bb)

Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die am Stichtag in einem befristeten und Arbeitnehmern, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen, ist nicht sachwidrig.

Die Besitzstandswahrung ist ein allgemein anerkanntes Regelungsziel im Arbeitsleben. Die unterschiedliche Behandlung der befristet eingestellten Arbeitnehmer und der auf unbestimmte Zeit eingestellten Arbeitnehmer ist - gemessen am Zweck, den die Tarifvertragsparteien mit der Besitzstandswahrung verfolgen - gerechtfertigt. Entscheidend ist stets der Zweck der Leistung. Im Entgeltbereich ist eine unterschiedliche Behandlung befristet Beschäftigter zulässig, wenn dies dem festgelegten Zweck der Leistung entspricht. So wird eine Besitzstandszulage für unbefristet Beschäftigte dann als zulässig angesehen, wenn dadurch ausschließlich die zukünftige Bindung an das Unternehmen gewährleistet werden soll. Etwas anderes soll dann jedoch gelten, wenn sich aus der Leistung - z. B. aus den Ausschlussgründen - ergibt, dass die Besitzstandszulage auch die bisherige Tätigkeit oder Betriebstreue honorieren soll. Dann muss auch den befristet Beschäftigten ein anteiliger Anspruch zustehen (vgl. Meinel/Heyn/Herms, § 4 TzBfG, Rn. 117). Der Wille des Arbeitgebers, Arbeitnehmer an sich zu binden und die durch die längere Eingliederung in den Betrieb typischerweise verbundene Produktivität für sich zu nutzen, ist ein legitimes Entscheidungsmerkmal, das durch wirtschaftliche Erwägungen gerechtfertigt ist (vgl. Annuß/ Tüsing, § 4 TzBfG, Rn. 68).

Die Regelung in § 23 ETV-Arb, die für Ansprüche auf die Besitzstandszulagen an den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses am 31.12.2000/01.01.2001 anknüpft, hat die Föderung der künftigen Betriebstreue zur Zielsetzung. Die Regelung stellt nicht auf die Betriebstreue in der Vergangenheit ab. Denn in den Genuss der Besitzstandsregelung kommen auch Arbeitnehmer, deren unbefristetes Arbeitsverhältnis erst am 31.12.2000 begründet worden ist. Zweck der tariflichen Regelung ist deshalb eine Wahrung des Besitzstandes nur für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2000 auf Dauer unverändert fortbesteht. Es soll die künftige Betriebstreue honoriert und eine Demotivation der Beschäftigten durch die Entgeltabsenkung verhindert werden. Anhaltspunkte dafür, dass auch die bisherige Betriebstreue in irgendeiner Art belohnt werden soll, kann der tariflichen Regelung demgegenüber gerade nicht entnommen werden (LAG Niedersachsen Urt. v. 09.01.2003 - 7 Sa 148/02; a. A. LAG Bremen Urt. v. 05.11.2002 - 1 Sa 100/02).

3.

Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 4 Abs. 2 TzBfG stützen.

a)

§ 4 Abs. 2 TzBfG greift nach seinem Wortlaut nicht ein, soweit die Klägerin die Zahlung einer Besitzstandszulage für die Zeit nach dem 01.04.2001 begehrt.

Das sich aus dieser Vorschrift ergebende Diskriminierungsverbot gegenüber befristet beschäftigten Arbeitnehmern gilt tatbestandlich nur für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und entfaltet keine "Nachwirkung" in dem Sinne, dass ein (später) unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer im Bezugspunkt der Arbeitsbedingungen des unbefristeten Arbeitsverhältnisses verlangen könnte, so gestellt zu werden, als habe er bereits zuvor in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden. Es ist zwar zutreffend, dass Diskriminierungen, die sich auf ein befristetes Arbeitsverhältnis beziehen, in späteren unbefristeten Arbeitsverhältnissen "fortwirken" können. Die Regelungen des Teilzeitbefristungsgesetzes sind allerdings von ihrer Systematik her auf solche Arbeitnehmer bezogen, die sich "aktuell" in der Situation des befristet Beschäftigten befinden. Das ergibt sich bereits aus den Begriffsdefinitionen der §§ 2, 3 TzBfG, die den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes festlegen. Nur für die in §§ 2 und 3 TzBfG genannten Personen sind die Regelungen des Gesetzes anwendbar.

Das schließt zwar nicht aus, dass aus einer befristeten Beschäftigung resultierende Ungleichbehandlungen sich in späteren unbefristeten Arbeitsverhältnissen als unzulässig erweisen; jedoch kann dies nicht auf der Anspruchsgrundlage festgestellt werden, die gerade im Teilzeitbefristungsgesetz festgelegt ist.

b)

Die Regelung des § 23 ETV-Arb hält im Übrigen auch einer Überprüfung gemäß § 4 Abs. 2 TzBfG stand.

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Rechtskontrolle der Tarifgeltung anhand des TzBfG nicht zu einer unzulässigen rückwirkenden Anwendung des Gesetzes. Das Teilzeitbefristungsgesetz ist ebenso wie der Tarifvertrag Nr. 75 d zum 01.01.2001 in Kraft getreten. Eine Übergangsfrist enthält das Gesetz nicht. Es findet daher auf alle Regelungen Anwendung, die am 01.01.2001 bestanden, unabhängig davon, wann sie vereinbart wurden. Materiell liegt keine rückwirkende Gesetzesanwendung vor. Die in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit ab Geltung des Gesetzes.

Die Benachteiligung der befristet Beschäftigten ist nach § 4 Abs. 2 TzBfG hinzunehmen, wenn sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt, wie bereits dargelegt wurde.

C

Die Klägerin hat nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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