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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 85/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 14 Abs. 4
Nach § 14 Abs. 4 BetrVG muss ein Wahlvorschlag von einer bestimmten Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer unterzeichnet sein. Der Wahlvorstand hat am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen die eingehenden Wahlvorschläge sofort zu prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel zu informieren. Die Verletzung der dem Wahlvorstand nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO obliegenden Pflicht kann zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen.
LANDESARBEITSGERICHT NIEDERSACHSEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

4 TaBV 85/06

In dem Beschlussverfahren

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht Niedersachsen aufgrund der Anhörung am 21. Juni 2007 durch

die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krönig, den ehrenamtlichen Richter Herbst, den ehrenamtlichen Richter Grasme beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des ArbG Hannover vom 28.07.2006 - 1 BV 11/06 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die zu 1) bis 4) beteiligten Antragsteller sind im Betrieb der zu 5) beteiligten Arbeitgeberin beschäftigte wahlberechtigte Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das weltweit auf dem Gebiet der Mobilfunktechnik und Telekommunikation tätig ist. Sie unterhält Projektbüros in B1, K1, M1, K2 sowie Projektbüros und Betriebe in H1, B2, H2, F1, M2, F2, D1, R2, L. und D2. Die Konzernsprache im Unternehmen der Arbeitgeberin ist Englisch.

In dem Betrieb fand am 04.05.2006 eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 6) beteiligte Betriebsrat hervorging. Zur Vorbereitung der Wahl hatte der Wahlvorstand am 15.02.2006 ein Wahlausschreiben erlassen. Darin wurden die 133 wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgefordert, vor Ablauf von 2 Wochen, spätestens bis zum 01.03.2006, 18:00 Uhr, Vorschlagslisten (Wahlvorschläge) beim Wahlvorstand einzureichen. Das Wahlausschreiben wurde in elektronischer Form über die sog. Whiteboard - Datenbank bekannt gemacht.

Der Beteiligte zu 1), der ehemalige Vorsitzende des Betriebsrats, ließ für den Stammsitz H. sowie für die Standorte B2, B1 und K2 Wahlvorschlagslisten per Computer ausfertigen. Diese Listen enthielten neben dem Namen des Beteiligten zu 1) die Namen der Bewerber R1, H3. und W1 Die Liste für den Standort H1 wurde als PDF-Datei mit den Namen der vier Bewerber an zehn Mitarbeiter geschickt, die sich die Liste ausdruckten, gegenzeichneten, einscannten und wieder zurückschickten. Nachdem die Vorschlagsliste für den Standort H1 mit zehn Stützunterschriften versehen war, fügte der Beteiligte zu 1) auf der per Computer ausgedruckten Vorschlagsliste handschriftlich den Namen des Bewerbers K. U1 ein. In den Vorschlagslisten für die Standorte B2, B1 und K2 ist der Name des Bewerbers U1 ebenfalls handschriftlich eingetragen.

Am 01.03.2006 übergab der Beteiligte zu 1) gegen 13:05 Uhr dem Wahlvorstand den Wahlvorschlag mit dem Kennwort "AIS 2006". Der Wahlvorstand führte - zwischen den Beteiligten streitig - noch am selben Tag eine formelle Prüfung durch, die einen Abgleich mit der Wählerliste, die Prüfung der Unterschriften der Wahlbewerber und die Zählung der Stützunterschriften beinhaltete. Am 02.03.2006 trat der Wahlvorstand (erneut) zusammen, um die geleisteten Stützunterschriften zu überprüfen. In dem Protokoll vom 03.03.2006 heißt es dazu auszugsweise:

Liste 3

Durch die handschriftliche Eintragung des 5. Bewerbers bestehen Zweifel, ob identische Ausfertigungen des Wahlvorschlags der Liste AIS 2006 im Umlauf waren (§ 8, Abs. 1, Satz 2).

Die Zweifel waren dadurch begründet, dass auf verschiedenen Kopien der aus unserer Sicht möglichen ursprünglichen Vorschlagsliste, der 5. Bewerber ebenfalls handschriftlich eingetragen und nicht als "kopierter" Eintrag zu erkennen war.

Beschluss:

a) Liste 3 wird noch nicht abgelehnt, da die Stützunterschriften auf der vermeintlichen Ursprungsliste ausreichend scheinen (9 Unterschriften)

b) Weitere Prüfung des Sachverhaltes intern und zusammen mit einem Anwalt wurde beschlossen

Mit Schreiben vom 16.03.2006 teilte der Wahlvorstand dem Beteiligten zu 1) mit, dass die Vorschlagsliste "AIS 2006" an einem nicht behebbaren Mangel leide und daher nicht zur Betriebsratswahl am 04.05.2006 zugelassen werde. Die Betriebsratswahl wurde am 04.05.2006 durchgeführt und das Wahlergebnis am 09.05.2006 bekannt gegeben.

Mit der am 23.05.2006 eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die Betriebsratswahl angefochten.

Sie haben die Auffassung vertreten, die Wahl sei unwirksam, weil das Wahlausschreiben nicht in allen Projektbüros ausgehängt worden sei. Die erfolgte Bekanntmachung nur in elektronischer Form über das sog. Whiteboard sei nicht ausreichend gewesen, weil keine Vorkehrungen getroffen worden seien, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Neben dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes hätten sämtliche Administratoren auf die Datenbank Zugriff nehmen können. Das Whiteboard diene der Information der Mitarbeiter des Unternehmens. Die Datenbank sei von Herr F. U2 entwickelt worden und werde von diesem gepflegt. Für die Wahl des Betriebsrates habe Herr F. U2 die Datenbank am 14.02.2006 in dem Menüpunkt "Betriebsratswahl 2006" erweitert und die Rolle "Modify Betriebsratswahl" eingetragen. Als Berechtigter sei der Vorsitzende des Wahlvorstands M3 eingetragen worden. Die Berechtigung (Vollzugriff) der Administratoren erstrecke sich über die gesamte Datenbank. Die Administratoren, der Beteiligte zu 1) und die Herren U2 und H4 hätten daher den vollen Zugriff auf die Datenbank gehabt.

Ferner, so haben die Antragsteller gemeint, liege auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO vor. Sie haben zunächst in der Antragsschrift behauptet, der Wahlvorstand habe in dem Projektbüro K1 keine englische Übersetzung des Wahlausschreibens ausgelegt. Die dort beschäftigten Mitarbeiter hätten mithin keine Möglichkeit gehabt, über das Wahlverfahren Kenntnis zu erlangen. Mit Schriftsatz vom 24.07.2007 haben die Antragsteller angegeben, das Wahlausschreiben sei den Mitarbeitern in englischer und deutscher Sprache, die Wahlvorschlagsliste als auch das zur Wahlvorschlagsliste gehörige Merkblatt lediglich in deutscher Sprache übersandt worden.

Schließlich haben die Antragsteller gemeint, die Betriebsratswahl sei ungültig, weil der Wahlvorstand unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO die Vorschlagsliste nicht unverzüglich geprüft und die nachträgliche Einfügung des Namens des Bewerbers U1 nicht unverzüglich gegenüber dem Listenvertreter beanstandet habe. Bei sofortiger Unterrichtung habe innerhalb der Einreichungsfrist ein neuer Wahlvorschlag unter erneuter Einholung der notwendigen Stützunterschriften eingereicht werden können.

Die Antragsteller haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 04.05.2006 für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 6) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die nachträgliche Änderung des Wahlvorschlages durch Hinzusetzen des Bewerbers U1 habe zur Ungültigkeit des Wahlvorschlages geführt. Die Stützunterschriften müssten den gesamten Wahlvorschlag, also sämtliche Bewerber decken. Die Antragsteller könnten die Anfechtung auch nicht darauf stützen, dass der Wahlvorstand seiner Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagsliste (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WO) nicht nachgekommen sei. Der Beteiligte zu 1) habe den Wahlvorstand bei Übergabe der Vorschlagsliste nicht darauf hingewiesen, dass der Name des Bewerbers U1 erst nachträglich hinzugefügt worden sei. Der Wahlvorstand sei daher bei seiner Prüfung davon ausgegangen, dass der Name vor dem Sammeln der Stützunterschriften handschriftlich eingesetzt worden sei. Eine weitergehende Prüfung habe der Wahlvorstand am 01.03.2006 nicht vornehmen müssen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Liste durch Manipulation ungültig sei. Erst bei genauerer Prüfung am 02.03.2006 seien dem Wahlvorstand Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit der Liste gekommen. Die Antragsteller könnten auch nicht geltend machen, dass bei sorgfältiger Prüfung eventuell noch eine gültige Liste bis zum Abgabeschluss am 01.03.2006 um 18:00 Uhr habe eingereicht werden können. Man werde dem Wahlvorstand für die Prüfung der Vorschlagsliste, die Rückfrage bei den Unterzeichnern und die Entscheidung über die Gültigkeit der Liste eine Entscheidungszeit von mindestens zwei Stunden zubilligen müssen. Der Listenvertreter hätte bei einer Information über die Ungültigkeit der Liste gegen 15:00 Uhr die notwendigen Stützunterschriften nicht mehr beibringen können. Ein Großteil der Unterzeichner sei nicht in H1 im Einsatz.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller sei die Anfechtung auch nicht deshalb begründet, weil neben dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes auch die Administratoren der Datenbank auf das Wahlausschreiben hätten Zugriff nehmen können. Bei den Administratoren handele es sich sozusagen um die vom Systemhersteller und dem Arbeitgeber eingesetzten "Wächter des Systems". Ihre Aufgabe bestehe gerade darin, darüber zu wachen, dass jeweils nur autorisierte Personen mit entsprechenden Passwörtern auf das System zugreifen könnten. Entsprechendes gelte für den Beteiligten zu 1) als sog. "IS-Security-Officer". Nur diesen Personen sei das sog. Master-Passwort bekannt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 28.07.2006 stattgegeben. Gegen den ihm am 08.09.2006 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 02.10.2006 Beschwerde eingelegt und sie am 01.11.2006 begründet.

Der Betriebsrat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass der Wahlvorstand seine Pflicht aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nicht verletzt habe. Es sei unerheblich, dass der Wahlvorstand den zur Ungültigkeit der Liste führenden Mangel erst später entdeckt habe. Es sei nämlich nicht die Pflicht des Wahlvorstandes, bei der Überprüfung der Liste jede Form der Manipulation auszuschließen. Es genüge, wenn sich bei oberflächlicher Betrachtung keine Anhaltspunkte für eine Manipulation ergeben.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des ArbG Hannover vom 28.07.2006 - 1 BV 11/06 - abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1) bis 4), die Betriebsratswahl vom 04.05.2006 für unwirksam zu erklären, zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss als zutreffend nach Maßgabe seiner Beschwerdeerwiderung vom 13.12.2006 und weist darauf hin, dass ein Aushang des Wahlausschreibens in den Betriebsstätten M2, K3, D1, R2, B2, L. und D2 nicht erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Die am 04.05.2006 im Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführte Betriebsratswahl ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

I.

Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist gewahrt. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis am 09.05.2006 bekannt gegeben. Die Antragschrift ist am 23.05.2006 beim Arbeitsgericht eingegangen.

II.

Der Antrag ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl vom 04.05.2006 zutreffend für unwirksam erklärt, weil bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und das Wahlergebnis hierauf beruht.

1.

Die am 04.05.2006 durchgeführte Betriebsratswahl ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam, da das Wahlausschreiben nicht in der nach § 3 Abs. 4 der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) vom 11.12.2001 vorgesehenen Weise im Betrieb ausgehängt wurde.

a)

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WO erlässt der Wahlvorstand spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe ein Wahlausschreiben. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO ist ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Ergänzend kann das Wahlausschreiben mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden (§ 3 Abs. 4 Satz 2 WO). Die Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form ist nach § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 4 WO nur zulässig, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können und Vorkehrungen getroffen werden, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können.

b)

Im Streitfall steht nicht fest, dass das Wahlausschreiben in allen Projektbüros durch Aushang bekannt gemacht wurde. Nach Darstellung des Betriebsrats sind zwar alle Projektbüros angewiesen worden, die Wahlausschreiben auszuhängen. Der Beteiligte zu 5) ist dem Vorbringen der Antragsteller, in den Betriebsstätten M2, K3, D1, R2, B2, L. und D2 sei kein Aushang erfolgt, nicht entgegengetreten. Das Betriebsverfassungsgesetz und die zu seiner Durchführung erlassene Wahlordnung enthalten zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, ob bei Betrieben mit mehreren räumlich von einander getrennten Betriebsstätten in jeder Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen ist oder ob der Aushang in einer Betriebsstätte genügt. § 3 Abs. 4 Satz 1 WO bestimmt aber, dass das Wahlausschreiben an Stellen ausgehängt wird, die den Wahlberechtigten zugänglich sind. Daraus sowie aus Sinn und Zweck der Regelungen über das Wahlausschreiben und dessen Bekanntmachung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Aushang in allen Betriebsstätten erforderlich ist, in denen Wahlberechtigte beschäftigt sind (BAG 05.05.2004 - 7 ABR 44/03 - § 3 WahlO BetrVG 1972 Nr. 1).

c)

Die Bekanntmachung auf elektronischem Wege genügte nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 4 WO, denn es war nicht gewährleistet, dass Änderungen der Bekanntmachung nur vom Wahlvorstand vorgenommen werden können. Wird das Wahlausschreiben in elektronischer Form bekannt gemacht, ist technisch mit Hilfe eines Passworts sicherzustellen, dass ausschließlich die Mitglieder des Wahlvorstands Zugriffs- und Änderungsrechte für die Intranet - Seite haben, auf der die Bekanntmachung erfolgt (Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl. § 2 WO 2001 Rn. 16; Jansen, DB 2006, 334). Angesichts des klaren Wortlauts des § 2 Abs. 4 Satz 4 WO ist es nicht zulässig, wenn die das Internet betreuenden Mitarbeiter des Unternehmens, selbst bei Überwachung durch den Wahlvorstand, selbständig Änderungen durchführen können. Andere Personen als die Mitglieder des Wahlvorstands sind zu Änderungen allenfalls dann befugt, wenn - etwa durch einen doppelten Zugangscode - sicher gestellt ist, dass bei jedem ändernden Zugriff auf die Internet - Seite ein Mitglied des Wahlvorstands anwesend ist.

c)

Die erforderlichen Vorkehrungen hat der Wahlvorstand nicht getroffen. Zwischen den Beteiligten ist vielmehr unstreitig, dass die Administratoren - unter ihnen der Beteiligte zu 1) - den vollen Zugriff auf die Datenbank hatten, ohne dass ihnen ein Sicherungscode den Zugriff erschwerte.

2.

Die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl ergibt sich noch aus einem weiteren Gesichtspunkt. Der Wahlvorschlag "AIS 2006" wurde zwar zu Recht vom Wahlvorstand nicht zur Wahl zugelassen, da die Vorschlagsliste nicht von der nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderlichen Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer unterzeichnet und deshalb nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig ist. Der Wahlvorstand hat jedoch gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verstoßen, weil er die Vorschlagsliste nicht unverzüglich geprüft und beanstandet hat. Dieser Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigt zur Anfechtung der Wahl, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Unterrichtung des Listenvertreters nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Satz 1 WO anders ausgefallen wäre.

a)

Im Ansatzpunkt zutreffend geht der Beteiligte zu 6) davon aus, dass die Vorschlagsliste "AIS 2006" nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig ist, weil sie nur von fünf Wahlberechtigten unterzeichnet ist, obwohl nach § 14 Abs. 4 BetrVG mindestens sieben Stützunterschriften erforderlich sind. Die auf der Wahlvorschlagsliste für den Stammsitz H1 gesammelten zehn Unterschriften können nicht als Stützunterschriften für den Wahlvorschlag mit den Bewerbern D. (Beteiligter zu 1)), R1, H3, W1 und U1 berücksichtigt werden, weil der Beteiligte zu 1) die Vorschlagsliste vor Einreichung ohne Einverständnis der Unterzeichner nachträglich geändert hat.

aa)

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG muss jeder Wahlvorschlag von mindestens 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer unterzeichnet sein. Weist eine Vorschlagsliste bei der Einreichung nicht die erforderliche Anzahl von Unterschriften auf, ist sie nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig. Da der Wahlvorschlag nicht lediglich ein Vorschlag des Listenvertreters oder des Einreichers der Vorschlagsliste ist, sondern ein gemeinsamer Wahlvorschlag aller, die ihn unterzeichnet haben, müssen alle Unterschriften den gesamten Wahlvorschlag decken (BAG 25.05.2007 - 7 ABR 39/04 - BAG 115, 34 - 42 = AP § 14 BetrVG 1972 Nr. 2).

bb)

Nach diesen Grundsätzen entspricht der Wahlvorschlag "AIS 2006" nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 BetrVG und ist daher nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig. Der Wahlvorschlag wurde deshalb zu Recht nicht zur Wahl zugelassen.

Da in dem Betrieb der Arbeitgeberin bei Einleitung der Betriebsratswahl 133 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt waren, musste der Wahlvorschlag von mindestens 7 Wahlberechtigten unterzeichnet sein. Die auf der Vorschlagsliste für den Stammsitz H1 befindlichen zehn Unterschriften sind nicht als Stützunterschriften für diesen Wahlvorschlag zu berücksichtigen, da sich die Unterschriften nicht auf den Bewerber U1 beziehen. Die freie Willensentscheidung der Wahlberechtigten, die eine Wahlliste unterzeichnet haben, ist verletzt, wenn der von ihnen unterzeichnete Wahlvorschlag nachträglich ohne ihr Einverständnis abgeändert wird (BAG 15.12.1972 - 1 ABR 8/72 - BAG 24, 480 - 486 = AP § 14 BetrVG 1972 Nr. 1). Eine Ungültigkeit tritt nach herrschender Meinung insbesondere ein, wenn ein Unterzeichner ohne das Einverständnis all derjenigen, die vor ihm unterschrieben haben, oder derjenige, der den Wahlvorschlag einreicht, einen oder mehrere Kandidaten streicht; ebenso wenig dürfen die Reihenfolge der Bewerber geändert oder neue Kandidaten benannt werden (GK-BetrVG/Kreutz, 8. Aufl. § 14 Rn. 103).

2.

Die Wahl ist jedoch anfechtbar, weil der Wahlvorstand den Wahlvorschlag "AIS 2006" nicht unverzüglich geprüft und den Listenvertreter nicht unverzüglich über den vorhandenen Mangel schriftlich benachrichtigt hat. Dadurch hat der Wahlvorstand die ihm obliegenden Pflichten aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verletzt. Dies berechtigt zur Anfechtung der Wahl, da nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Beanstandung anders ausgefallen wäre.

a)

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. "Unverzüglich" im Sinne dieser Bestimmung bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestimmt zwar, dass die Wahlvorschläge möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen zu prüfen sind. Daraus folgt jedoch nicht, dass jede innerhalb dieser Frist vorgenommene Prüfung als unverzüglich anzusehen ist. Der Wahlvorstand hat die ihm obliegende Prüfung vielmehr grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WO ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen (BAG 25.05.2005 - 7 ABR 39/04 - a.a.O.). Entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO, den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste nachzureichen, besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können.

b)

Hiernach ist der Wahlvorstand der ihm obliegenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nicht unverzüglich im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nachgekommen. Die Prüfung hat sich insbesondere darauf zu erstrecken, ob die Vorschlagsliste nach § 8 WO (unheilbar oder heilbar) ungültig ist, d.h. im Streitfall die erforderliche Anzahl von Unterschriften (§ 14 Abs. 4 BetrVG) enthält. Der Wahlvorstand kommt seiner Prüfungspflicht nicht schon dadurch nach, dass er allein die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften überprüft. Im Ansatzpunkt zutreffend geht der Betriebsrat zwar davon aus, dass es nicht Aufgabe des Wahlvorstands ist, jede Form der Manipulation auszuschließen (LAG Bremen 26.03.1999 - 1 TaBV 9/98 - LAGE § 18 BetrVG 1972 Nr. 6 = NZA-RR 1998, 401). Er hat die Vorschlagslisten aber auf äußere Mängel zu überprüfen, insbesondere darauf zu achten, ob Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige Mängel die Beweiskraft der Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern. Das war vorliegend der Fall. Bei einer Sichtprüfung der Urkunde hätte den Mitgliedern des Wahlvorstandes ins Auge fallen müssen, dass die per Computer erstellten Vorschlagslisten handschriftlich um den Bewerber U1 ergänzt worden sind. Schon dadurch war der Beweiswert der Urkunde gemindert. Denn ohne jegliche weitere Prüfung bestand sowohl die Möglichkeit, dass die Einschaltung des Wahlbewerbers U1 vor Abgabe der Stützunterschriften, nach Abgabe einiger Stützunterschriften oder erst nachträglich vorgenommen worden war. Bereits diese Minderung des Beweiswerts der Urkunde hätte dem Wahlvorstand Veranlassung zu einer vollständigen und umfassenden Prüfung geben müssen. Der Wahlvorstand hätte bei einer weiteren Prüfung erkannt, dass die Stützunterschrift des wahlberechtigten Arbeitnehmers W2 schwarz, der Name des Bewerbers U1 jedoch blau wiedergegeben ist. Damit sprachen alle Indizien dafür, dass die Vorschlagsliste um den Namen des Bewerbers U1 ergänzt wurde, nachdem die 10 Stützunterschriften bereits geleistet waren. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bedenken, die dem Wahlvorstand bei der genaueren Prüfung am 02.03.2006 kamen, nicht schon bei einer unverzüglichen Prüfung am 01.03.2006 aufgetreten wären. Es handelte es sich nur um wenige, dem Umfang nach überschaubare Listen. Zudem waren dem Wahlvorstand sämtliche zur Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt. Ihm war bekannt, dass es wegen der Tätigkeit der wahlberechtigten Mitarbeiter in weit voneinander entfernten Projektbüros betriebsüblich ist, die Vorschlagslisten auf elektronischem Wege zu verschicken mit der Bitte, diese nach Einscannen der Unterschrift an den Listenvertreter zurückzusenden. Mit diesem Verfahren waren auch die Mitglieder des Wahlvorstandes vertraut. Die Farbunterschiede in den Vorschlagslisten mussten den Mitgliedern des Wahlvorstands ebenso ins Auge fallen wie die Tatsache, dass die Vorschlagsliste handschriftlich ergänzt worden ist. Bei dieser Sachlage war es Aufgabe des Wahlvorstands, den Listenvertreter über die Beanstandung schriftlich zu unterrichten.

3.

Die Verletzung der nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestehenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht durch den Wahlvorstand und die fehlerhafte Bekanntmachung des Wahlausschreibens waren geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

a)

Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu dem selben Wahlergebnis geführt hätte (vgl. BAG Beschluss vom 14.09.1988 - 7 ABR 93/87 - BAGE 59, 328 = AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 1; 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - BAG 95, 15 = AP BetrVG 1972 § 1 gemeinsamer Betrieb Nr. 12; 05.05.2004 - 7 ABR 44/03 - BetrVG 1972 § 3 WO Nr. 1). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl.

b)

Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO anders ausgefallen wäre. Es ist nicht undenkbar, dass vor Ablauf der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge um 18:00 Uhr eine gültige Vorschlagsliste nachgereicht worden wäre, wenn der Wahlvorstand dem Beteiligten zu 2) auf Grund einer unmittelbar nach Einreichung der Vorschlagsliste um 13:05 Uhr erfolgten Prüfung unverzüglich, d.h. nach Abschluss der Beratung hierüber im Laufe des Nachmittags über einen möglichen Mangel unterrichtet hätte.

c)

Ebenso wenig ist auszuschließen, dass das Wahlausschreiben in der Zeit vom 15.02.2006 bis zum 01.03.2006 geändert worden ist.

4.

Da die Betriebsratswahl wegen der Verletzung der §§ 3, 7 WO unwirksam ist, konnte offen bleiben, ob die Wahl noch an anderen wesentlichen Mängeln leidet.

C. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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